Vielen Dank, Frau Modder. - Meine Damen und Herren, an dieser Stelle zwei Hinweise auch mit Blick auf die Geschäftsordnung, weil hier vorhin das Stichwort „Kurzintervention“ gefallen ist. Nach § 77 a unserer Geschäftsordnung ist bei einer Regierungserklärung eine Kurzintervention grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Das entspricht aber nicht der Übung hier im Hause, weil dabei insbesondere die Fraktionsvorsitzenden für Redebeiträge vorgesehen sind.
Als Zweites gebe ich noch einen Hinweis auf § 70 der Geschäftsordnung betreffend die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner. Absatz 1 Satz 1 lautet: „Die Präsidentin oder der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Rednerinnen und Redner.“ Das liest sich gut, so als könnten wir hier oben machen, was wir wollen. Satz 2 lautet jedoch: „Dabei soll sie oder er“ - je nachdem, wer gerade
leitet - „für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung sorgen und die verschiedenen Auffassungen zum Beratungsgegenstand und die Stärke der Fraktionen berücksichtigen.“ Ich greife den Hinweis „verschiedene Auffassungen“ auf: Die Debatte im Parlament lebt davon, dass wir These und Antithese, Rede und Gegenrede hören. Das ist hier guter Brauch. So gesehen, darf ich die vorliegenden Wortmeldungen im Einvernehmen mit den Betroffenen so anwenden, dass jetzt die Wortmeldung für die FDP von Herrn Dr. Stefan Birkner zum Zuge kommt. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion begrüßt den Entwurf des Standortauswahlgesetzes und die diesbezügliche politische Übereinstimmung der Parteien und Fraktionen ausdrücklich. Damit ist endlich erreicht, wofür wir seit etwa anderthalb Jahren gearbeitet und geworben haben. Der Weg zu diesem Konsens war steinig. Wir hätten ihn durchaus schneller gehen können, insbesondere wenn sich SPD und Grüne in ihrer Oppositionszeit konstruktiver verhalten hätten.
Ich erinnere hier nur an Beiträge von Herrn Tanke, der, ohne sich zur Sache zu äußern, die Landesregierung und die damaligen Regierungsfraktionen als „Wendehälse“ beschimpft hat, und an Äußerungen von Herrn Wenzel, der diffamierend von einem „Gorleben-Legalisierungsgesetz“ sprach. So viel, Herr Ministerpräsident, zu der von Ihnen gewünschten Harmonie und Sachlichkeit in dieser für Niedersachsen so wichtigen Frage!
Meine Damen und Herren, nun haben wir also endlich einen gemeinsam getragenen Gesetzentwurf. Dieses Gesetz ist der Ausgangspunkt für eine neue, ergebnisoffene bundesweite Suche und Auswahl eines Standortes für die Lagerung wärmeentwickelnder radioaktiver Abfälle. Allen muss klar sein, dass wir uns hier am Anfang eines langwierigen und nervenaufreibenden Prozesses befinden. Entscheidend für das Gelingen wird sein, dass wir den politischen Konsens zumindest im Grundsatz auch bis zum Abschluss dieses Such- und Auswahlverfahrens - d. h. etwa 20 Jahre lang - stets erneuern und beibehalten. Erst wenn uns das gelungen ist, wird es zu der insbesondere für Niedersachsen so wichtigen befriedenden Wirkung kommen.
Meine Damen und Herren, von zentraler Bedeutung für den dauerhaften Konsens ist, dass es sich um einen ergebnisoffenen, transparenten und wissensbasierten Prozess handelt. Das ist auch der Grund, weshalb die FDP-Fraktion stets dafür geworben hat, dass der Salzstock in Gorleben mit in die Betrachtung gezogen und in dem neuen Verfahren so wie jeder andere Standort auch behandelt wird, im Guten wie im Schlechten. Entgegen allen politischen Behauptungen und Beteuerungen von SPD und Grünen ist eben nicht nachgewiesen, dass der Salzstock in Gorleben nicht geeignet ist. Ich erinnere hier nur an entsprechende Äußerungen des Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz und des Betriebsratschefs, der für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gorleben spricht, beim Besuch des Umweltministers in Gorleben.
Wer nunmehr wie die Grünen in Niedersachsen zum erklärten Ziel macht, dass die Kriterien für die neue Suche durch die Bund-Länder-Kommission so definiert werden müssten, dass der Salzstock in Gorleben auf jeden Fall herausfalle, dass es also bei der Kommissionsarbeit am Ende nur darum gehe, politisch gewollte Gorlebenverhinderungskriterien zu bestimmen, der verlässt den Boden der Ergebnisoffenheit und Wissensbasiertheit.
Damit, Frau Piel, versuchen Sie, aus diesem Gesetz ein Gorlebenverhinderungsgesetz zu machen, und legen die Axt an den neuen Endlagersuchprozess, noch bevor er richtig begonnen hat.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen ausdrücklich, dass die Landesregierung nunmehr mitträgt, dass der Salzstock in Gorleben bei der neuen Suche dabei ist und von einer weißen Karte ausgegangen wird. Klar ist aber auch, Herr Weil und Herr Wenzel, dass Sie damit ein zentrales Wahlversprechen gebrochen haben.
Sie, Herr Weil, hielten als Spitzenkandidat der SPD den Ausschluss Gorlebens vor Beginn des Verfahrens für die notwendige Bedingung für eine erfolgversprechende Endlagersuche, und Sie, Herr Wenzel, meinten, dass es eine Zustimmung zu einem Endlagersuchgesetz nur geben werde, wenn sichergestellt sei, dass ungeeignete Standorte wie Gorleben ausgeschlossen würden. Mit diesen Positionierungen hatten Sie sich hoffnungslos verrannt und isoliert. Es war schon im Wahlkampf
erkennbar, dass das nicht durchzuhalten sein wird. Am Ende wurde wohl der Druck vor allem aus den eigenen rot-grünen Reihen zu groß. Ihre Parteikolleginnen und -kollegen haben Ihnen in Aussicht gestellt, das Gesetz mit Gorleben notfalls auch ohne Sie auf den Weg zu bringen. Um das zu verhindern, haben Sie sich letztlich entschieden, Ihr Wahlversprechen zu brechen. Zur Gesichtswahrung wurden Ihnen vermeintliche Zugeständnisse gemacht, die Sie jetzt als große Verhandlungserfolge dieser Landesregierung zu verkaufen versuchen.
Da ist zunächst die Bund-Länder-Kommission zu nennen. Wir begrüßen diese Kommission; denn sie ist ein geeignetes, vertrauensbildendes Instrument, mit dem das bereits in den vergangenen Entwürfen beschriebene Ziel, in einem breit getragenen Diskurs öffentlich und nachvollziehbar die Grundlagen und Kriterien für den Umgang mit hochradioaktiven Abfällen zu bestimmen - übrigens einschließlich der Rückholbarkeit; das ist ein Punkt, der durch unsere Landesregierung, nämlich durch David McAllister und mich, in die Diskussion eingebracht wurde -, erreicht werden kann. Dieses Ergebnis, eine solche Kommission zu bestimmen - also das Instrument, wie man das Ziel erreicht -, hätte meiner Einschätzung nach sehr wohl sehr kooperativ erreicht werden können, nicht aber konfrontativ, also gegen den Rest der Welt in dieser Diskussion.
- Der Rest der Welt waren alle anderen. Sie waren mit Ihrer Positionierung völlig isoliert, sowohl innerhalb des roten als auch des grünen Lagers, sowohl bei Schwarz als auch bei Gelb. Sie waren völlig isoliert und haben sich völlig verrannt. Sie haben die Wähler im Wahlkampf über Ihre wahren Absichten auch dann noch getäuscht, als sie schon längst erkennbar waren.
Ferner, Herr Ministerpräsident, haben Sie gelobt, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten verbessert worden sind. Für die Forderung potenziell Betroffener, Rechtsschutz durch die Fachgerichte zu bekommen, was im Falle einer Planung durch Gesetz an sich nicht möglich ist, habe ich viel Verständnis. Der Vorschlag des Bundesumweltministers - Ihre Vorschläge dazu waren nicht zu gebrauchen, wenn ich das bei dieser Gelegenheit einmal sagen darf - sieht nunmehr die Möglichkeit zur Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht
Die damit einhergehende Vermischung von Verwaltungs- und Legalplanung ist im Hinblick auf die verfassungsmäßige Verteilung - das ist eben nicht banal - legislativer, exekutiver und judikativer Aufgaben allerdings problematisch und trägt am Ende die Gefahr in sich, dass Verantwortlichkeiten verwischt werden und gerade die von Rot-Grün in die Diskussion eingebrachte Legitimationswirkung durch Gesetzesbeschluss nicht erreicht wird.
Deshalb, meine Damen und Herren, können Sie das gerne als den großen Durchbruch verkaufen. Es ist aber nicht zu Ende gedacht und längst nicht ausgemacht, wie ein solches Verfahren gestaltet werden soll.
Letztendlich werden Sie sich entscheiden müssen: Wollen Sie sozusagen eine Legalplanung und damit eine hohe Legitimationswirkung haben und nur die Verfassungsbeschwerde eröffnen - abgesehen davon, dass gegen die verwaltungsrechtlichen Umsetzungsakte weiterhin Rechtsschutz gegeben ist -, oder wollen Sie ein Verwaltungshandeln haben und den Rechtsschutz insoweit über die Fachgerichte eröffnen?
Sie werden hier Farbe bekennen müssen. Die Lösung, die Sie hier verfolgen, ist letztendlich nicht zukunftsfähig und hat keine realistische Chance auf Umsetzung.
Meine Damen und Herren, es bleibt noch das Untertagelabor. Frau Modder, Sie haben eben gerühmt, wie toll es ist, das Untertagelabor verhindert zu haben. Ich will Ihnen einmal in Erinnerung rufen, wessen wesentliches Anliegen das war. Es waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gorleben. Es war der Betriebsrat, der diesen Vorschlag auf den Tisch gelegt hat. Es war die IG BCE, die ausdrücklich den Wunsch unterstützt hat, dass ein standortunabhängiges Untertagelabor eingerichtet wird, nicht nur, um Arbeitsplätze zu sichern, sondern auch, um Wissen und das notwendige Know-how für die Tiefenbohrung zu erhalten.
Es ist schon bemerkenswert, dass wir hier von einer SPD-geführten Landesregierung - von den Grünen sind wir es ja gewohnt, dass sie im Zweifelsfall gegen Wissenserhalt und Arbeitsplätze sind und die Ideologie voranstellen -, von einem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten hören müs
sen, dass sie sich dafür rühmen, dass die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort mit Füßen getreten werden.
Meine Damen und Herren, schließlich soll auf weitere Castortransporte in das Transportbehälterlager Gorleben verzichtet werden. Wir unterstützen diese Forderung ausdrücklich, ist sie doch schon von Hans-Heinrich Sander als Umweltminister erhoben worden.
(Detlef Tanke [SPD]: Aber nicht um- gesetzt, weil die Strahlenwerte über- schritten waren! - Björn Thümler [CDU]: Oh, Herr Tanke wacht auf!)
- Jetzt, Herr Tanke, kommen wir einmal zur Sache. Jetzt tragen Sie die Regierungsverantwortung. Sie behaupten, Strahlenwerte seien überschritten worden. Das ist eine inzwischen widerlegte Behauptung. Sie argumentieren stets unsachlich und sind in der Sache überhaupt nicht orientiert. Sie argumentieren völlig populistisch einfach so in den Raum hinein. Kommen Sie!
Wir haben uns natürlich sehr wohl um diese Dinge bemüht. Es waren aber von der SPD und den Grünen geführte Landesregierungen, die nicht geantwortet und sich nicht bereit erklärt haben, Castoren aufzunehmen. Das ist jetzt glücklicherweise anders. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben erklärt, dass sie bereit seien, Castoren aufzunehmen. Philippsburg und Brunsbüttel stehen in Rede, was ausdrücklich zu begrüßen ist. Am Ende funktioniert das Ganze aber nur, wenn die Betreiber mitmachen. Es reicht eben nicht, Herr Ministerpräsident, die Verantwortung auf den Bund zu schieben und von Herrn Altmaier zu fordern, er möge dieses Problem für Sie lösen. In Ihrem eigenen Koalitionsvertrag steht - Frau Modder, Sie sollten ihn vielleicht einmal lesen; dass Sie ihn nicht ernst nehmen, glaube ich gern und ist auch gut für das Land -,
dass Sie sich bemühen werden, Gespräche mit den Betreibern und den anderen Ländern zu führen, und dass Sie aktiv dafür werben wollen, dass die Castoren woanders aufgenommen werden. Und was tun Sie? - Sie stellen sich hier hin und
(Johanne Modder [SPD]: Was glau- ben Sie eigentlich, was wir machen? Was haben Sie in den vergangenen zehn Jahren gemacht?)
Genau dieser Punkt zeigt, dass Sie ahnen, dass das sehr, sehr schwierig sein wird. Mit einem Energie- und Umweltminister, der hier als Oppositionsführer - er war ja der wahre Oppositionsführer - im Verhältnis zu den Energieversorgern verbrannte Erde hinterlassen hat, ist es natürlich schwierig, eine vernünftige Gesprächsbasis zu finden mit dem Ziel, zu Lösungen zu kommen.
Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, sich nicht auf den Weg machen und Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, dann werden Sie in wenigen Monaten in betroffene Gesichter Ihrer Parteifreundinnen und Parteifreunde in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg schauen und sich mitleidsvoll anhören müssen, dass man ja gewollt habe, dass es leider aber die gemeinen Betreiber nicht ermöglicht hätten, weil denen nicht unbedingt erklärbar war, warum sie auf ein genehmigtes Lager verzichten und zweistellige Millionenbeträge in die Hand nehmen sollten. Wenn Sie nicht aktiv werden, meine Damen und Herren, dann wird das nicht funktionieren. Sie können die Verantwortung hier nicht auf den Bund schieben.
Meine Damen und Herren, bei näherem Hinschauen handelt es sich bei dem, was die Landesregierung hier als großen Verhandlungserfolg präsentiert hat, lediglich um eine - wenn auch wichtige - Konkretisierung bezüglich der Bund-Länder-Kommission, um einen nicht zu Ende gedachten Lösungsansatz bezüglich der Klagemöglichkeiten, um einen Verzicht auf Wissenserhalt bezüglich des Untertagelabors und am Ende um ein vages Versprechen im Hinblick auf die Castortransporte, das andere für Sie einlösen sollen.