Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erst einmal möchte ich für die Grüne-Fraktion ein Wort des Dankes an unseren Ministerpräsidenten und natürlich auch an unseren Umweltminister Stefan Wenzel für ihren persönlichen Einsatz bei den Verhandlungen richten.
Herr Birkner, ich glaube nicht, dass es ausreicht, dass man sich ins Stammbuch schreibt, man habe sich um eine Einigung bemüht. Verhandeln ist schon ein bisschen mehr!
Ich darf einmal ein wenig Geschichtsaufarbeitung betreiben, damit wir verstehen, was von CDU und FDP als ein „ordentliches Verfahren“ bezeichnet wurde.
Es ist 36 Jahre und 2 Monate her, dass ein Niedersächsischer Ministerpräsident auf Gorleben zeigte und entschied: Das ist der Ort, an dem ein nukleares Entsorgungszentrum gebaut werden soll.
Ernst Albrecht wollte in Gorleben ein nationales Entsorgungszentrum mit Wiederaufbereitungsanlage, Zwischenlager und Endlager bauen. Dafür hatte er allerdings keine wissenschaftlichen, sondern vor allem politische Gründe. Schließlich lag Gorleben an der Grenze zur DDR im wenig besiedelten Wendland. Da hat man mit wenig Protest gerechnet - einer der großen Irrtümer!
Vier Jahrzehnte später erreichen uns nun überraschende Nachrichten aus dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages. CDU und FDP bezweifeln nach Durchsicht der Akten nicht, dass sich Gorleben als Standort für ein Endlager eigne; eigentlich sei da doch alles ganz vorbildlich gelaufen. - Das ist wenige Wochen vor dem Konsens für den Neustart für eine ergebnisoffene Suche eine sehr mutige und kühne Aussage.
Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, gestatten Sie mir an dieser Stelle eine kritische Anmerkung. Zu dieser Ihrer Einschätzung passt natürlich, dass die Bundesregierung den Bürgerinitiativen gerade einmal 48 Stunden Zeit einräumt, um den 75-seitigen Gesetzentwurf kritisch zu prüfen. Aber nach Ihrer Ansicht ist da wahrscheinlich auch gar nichts zu prüfen. Es geht ja nur um ein Papier, in dem Voraussetzungen formuliert sind, die 1 Million Jahre in die Zukunft reichen müssen. - Aber eben deshalb sind sie genau zu betrachten!
Meine Damen und Herren, vertrauensbildende Maßnahmen für die zu Recht wachsamen Menschen im Wendland sehen anders aus.
Von Ernst Albrechts großem Traum eines Nuklearzentrums in Gorleben ist übrigens nicht viel übrig geblieben. Dafür hat auch der Widerstand im Wendland gesorgt. Und nach den Erfahrungen mit der Asse sind die Bedenken der Grünen gegen den Standort Gorleben nicht geringer geworden.
Nach all den Jahrzehnten der Risikotechnologie ohne eine Möglichkeit der Unterbringung ihrer verstrahlten Hinterlassenschaften haben wir nun endlich die Chance auf eine echte Suche, die ganz Deutschland und alle Wirtsgesteine umfasst und die Ernst Albrechts fragwürdige Auswahl endlich beerdigen könnte. Dies ist zumindest das vorläufige Ergebnis des Bund-Länder-Gesprächs vom Dienstag der vorigen Woche. Ministerpräsident Stefan Weil und unser Umweltminister Stefan Wenzel haben bei den Nachverhandlungen in Berlin erreicht, was zu erreichen war. Herr Birkner hat das mit der Kommission ja selbst genannt. Für diesen persönlichen Einsatz in Sachen des drin
Die Bedenken von Herrn Thümler und Herrn Birkner teile ich übrigens durchaus. Ob es tatsächlich zu einem offenen Verfahren mit einem offenem Ausgang kommt, ist eine große Hoffnung. Diese Hoffnung ist durch die Ansage, dass an der Geeignetheit Gorlebens festgehalten wird, schon getrübt - und natürlich auch dadurch, dass Gorleben der bisher einzige im Suchverfahren genannte Standort ist. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob es gelingen kann, diese „Nicht-bei-uns!“-Haltung aufzubrechen.
- Sie sollten erst einmal zuhören! Ich habe für Sie nämlich auch einen Arbeitsauftrag, nachdem Sie uns ja schon etliche erteilt haben. Wir stehen in diesem Prozess schließlich Schulter an Schulter.
Die aktuelle Diskussion um die Aufbewahrung der restlichen 26 Castoren - dabei reden wir noch nicht einmal über ein Endlager - zeigt uns schon, dass es von uns allen Einsatz fordert, dass diese nationale Aufgabe nicht wieder mit „Niedersachsen“ definiert wird, wie es in den letzten Jahren ausschließlich der Fall war. Und das geht nicht nur SPD und Grüne an.
Um das Misstrauen abzubauen, das im Wendland gegen alles Politische in Berlin besteht - und das nach all den Tricksereien der letzten Jahrzehnte auch berechtigt ist -, und um aus der Hinterzimmerpolitik der letzten Jahre herauszukommen, ist diese Kommission eine tragfähige und gute Idee. Das haben Sie uns ja auch schon bestätigt. Die Skepsis der Bevölkerung kann nur dann überwunden werden, wenn die Bürgerinnen und Bürger Kenntnis davon haben, wie Kriterien ausgewählt werden. Jetzt ist es nicht mehr der Fingerzeig eines alten Ministerpräsidenten, sondern jetzt ist es eine Kommission, die sich über die Kriterien Gedanken macht. Das, meine Damen und Herren, ist ein Schritt nach vorn.
Der weitere Weg liegt noch vor uns, da gebe ich Ihnen völlig recht. Um ehrlich zu sein: Auch wir hatten erst gedacht, dass wir es mit einem ergeb
nisoffenen Verfahren zu tun haben, sobald Gorleben in dieser Suche nicht mehr Vergleichsstandort ist. Aber in der aktuellen Diskussion zeigt sich, wie jetzt selbst hinsichtlich der letzten 26 Castoren die Festlegung auf Gorleben noch funktioniert. Mit hohem Aufwand und unter erheblichen Kosten sind dort 113 Castoren gelandet. Dass jetzt zum ersten Mal darüber diskutiert wird, dass die Castoren auch woandershin können, haben wir tatsächlich den rot-grünen Gesprächen zu verdanken. Da, Herr Birkner, haben wir unsere Arbeit schon gemacht.
Die Zwischenlagerung der letzten Castoren muss von der Bundesregierung konzipiert werden. Dazu blicken wir zunächst einmal nach Berlin; denn diese Bundesregierung hat den Kompromiss mitverhandelt. Dafür müssen aber auch - da gebe ich Ihnen völlig recht - die Energieversorgungsunternehmen mit ins Boot geholt werden. Die Länder werden am Ende entscheiden. Aber wir und auch Herr Peter Altmaier müssen sich mit denjenigen einigen, die den maximalen Profit aus dieser risikoreichen Art der Energieerzeugung gezogen haben.
Ich komme nun zu der Lastenteilung, was die Verantwortung angeht, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP; denn diese ruht jetzt auch bei Ihnen. Signalisieren Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen im Bund - Kanzlerin Merkel und Umweltminister Altmaier -, dass es jetzt darauf ankommt, die Suche nach einem Endlagerstandort neu zu starten. Machen Sie es wie wir und sprechen Sie ruhig einmal mit den Kollegen in Bayern und Hessen. Reden schadet an dieser Stelle nichts!
Lassen Sie sich in Ihrem gemeinsamen Bemühen mit uns - ich nehme uns da ausdrücklich nicht aus - nicht beirren. Es ist keine unzumutbare Härte, die großen Stromerzeuger bei den Kosten für die Suche nach einem Endlager einzubinden. Die halten das schon aus, glaube ich.
Als Letztes, weil Sie uns ja gesagt haben, was wir noch zu tun haben: Die grüne Zustimmung ist kein Blankoscheck. Verantwortung werden wir als Grüne gemeinsam mit unserem Koalitionspartner, der SPD, nur für ein Verfahren übernehmen, das am Ende die Attribute „ergebnisoffen“ und „Transparenz“ garantiert.
Mein Appell an Sie von der CDU und von der FDP lautet: Helfen Sie Ihren Parteifreunden in der Bundesregierung! - Herr Thümler hat ja so schön erklärt, um was es wirklich geht.
Gestatten Sie mir noch ein Wort zum Stichwort Siegen und Verlieren. Ich glaube, am Ende wird es darauf ankommen, dass wir gemeinsam die Kraft entwickeln, auch unliebsame Entscheidungen für einen neuen Standort und eine neue Erkundung gemeinsam zu treffen.
- Frau Bertholdes-Sandrock, die CDU-Fraktion hat noch Redezeit! - Die SPD-Fraktion hat noch eine Restredezeit von 9:38 Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gab hier einige Ausführungen, die mich geradezu gereizt haben, von dieser Stelle aus darauf einzugehen.