Protokoll der Sitzung vom 17.04.2013

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Leider wird dieser Grundsatz von vielen Bundesländern missachtet. Seit Jahren wird die Tarifentwicklung in der Besoldung von Beamtinnen und Beamten nur eingeschränkt nachvollzogen. Zwischen den Ländern bestehen heute Unterschiede in der Bezahlung der Beamtinnen und Beamten von bis zu 15 %. Dass die Föderalismuskommission 2006 die Kompetenz für die Besoldung der

Beamtinnen und Beamten den Ländern übertragen hat, hat sicherlich auch seinen Teil zu dieser unguten Entwicklung beigetragen.

Aber auch die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung war nicht zimperlich, wenn es darum ging, die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst deutlich zu verschlechtern. Die wöchentliche Arbeitszeit wurde erhöht, das Weihnachtsgeld komplett gestrichen, die Leistungszulagen nie ausgezahlt - obwohl sich die Kolleginnen und Kollegen diese durch Streckung der ursprünglich alle zwei Jahre steigenden Alterszulagen auf jetzt nur noch zwei bis vier Jahre selbst erkaufen mussten -, durch weiteren Stellenabbau und nicht zuletzt auch durch erhebliche Kürzungen im Beihilfebereich. Das waren sicherlich keine Maßnahmen, um den öffentlichen Dienst attraktiv zu machen und um die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte in die Privatwirtschaft zu verhindern.

SPD und Grüne leisten heute einen kleinen Beitrag, diese Negativentwicklung im öffentlichen Dienst wieder zu korrigieren, indem sie der Forderung der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auf Übertragung des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich nachkommen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dass der Bund der Steuerzahler als Vorfeldorganisation einer am Manchester-Kapitalismus orientierten FDP die Übernahme des Tarifergebnisses ablehnt -

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Was?)

- ja, einer am Manchester-Kapitalismus orientierten FDP; ich will das gerne wiederholen -, überrascht mich nicht wirklich; denn es liegt in der Tradition des Bundes der Steuerzahler, jeglichen Gehaltszuwachs im öffentlichen Dienst zu geißeln, und sei er auch noch so sinnvoll.

Übrigens: Zum öffentlichen Dienst gehören auch die Polizeibeamten in diesem Land, und das sind genau die Leistungsträger, über die wir sprechen, wenn wir von Arbeitnehmern sprechen, die jeden Tag ihren Kopf für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in diesem Land hinhalten, während Sie von den Leistungsträgern sprechen, die nach unserer Auffassung über den Spitzensteuersatz besteuert werden müssen - zwei Tagesordnungspunkte zuvor, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD)

Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind die wahren Leistungsträger in diesem Land, nicht die Spitzenverdiener, die Sie zwei Tagesordnungspunkte zuvor noch verteidigt haben.

Herr Zentgraf als Vorsitzender des Niedersächsischen Bundes der Steuerzahler verkennt in diesem Zusammenhang übrigens, wie wichtig es in Zeiten des demografischen Wandels und des drohenden Fachkräftemangels ist, gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte beispielsweise in der Steuerverwaltung zu halten, um Steuergerechtigkeit herzustellen und Steuerflucht wirksam zu bekämpfen. Dieses Thema hatten wir auch gerade schon. Gerade für die niedersächsischen Steuerbeamtinnen und Steuerbeamten ist es heute schon sehr lukrativ, auf die Seite der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu wechseln, weil sie dort schlicht besser bezahlt werden.

Der öffentliche Dienst in Niedersachsen ist im Übrigen eine zentrale Infrastruktureinrichtung des Landes. Ohne eine funktionierende Steuerverwaltung, Straßenbauverwaltung oder auch Umweltverwaltung wäre es den Unternehmen in diesem Lande überhaupt nicht möglich, Gewinne zu erwirtschaften. Denn ein funktionierender öffentlicher Dienst ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wirtschaftliches Handeln privaten Unternehmertums in einem für alle gleich geltenden Ordnungsrahmen - damit alle die gleichen Voraussetzungen vorfinden - überhaupt stattfinden kann.

Ich will allerdings auch nicht verschweigen, dass uns die Entscheidung zur Übernahme des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich nicht leicht gefallen ist. Die Tarifeinigung und ihre Übernahme für alle Beschäftigtengruppen wird den Landeshaushalt mit insgesamt 278 Millionen Euro belasten.

(Zuruf von Reinhold Hilbers [CDU])

Die gegenüber der bisherigen Veranschlagung erforderlichen rund 69 Millionen Euro, Herr Kollege Hilbers, sollen innerhalb des Personalhaushalts erwirtschaftet werden.

Ich frage mich allerdings schon, warum die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung bei der Aufstellung des Haushaltsplans die notwendigen Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst lediglich mit 2 % angesetzt hat, wo doch eigentlich jeder hätte wissen müssen, dass man mit 2 % nicht hinkommen wird.

(Beifall bei der SPD)

Mit vorausschauender und sorgsamer Finanzplanung hatte der schwarz-gelbe Entwurf des Doppelhaushalts 2012/2013 offensichtlich wenig zu tun.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Deswegen machen Sie ja auch einen Nachtrag, nicht wahr?)

Dies gilt im Übrigen auch für die finanziellen Rahmenbedingungen, Herr Hilbers, die die schwarzgelbe Vorgängerregierung uns hinterlassen hat, um die Übernahme des Tarifergebnisses auf den Beamtenbereich überhaupt bezahlen zu können.

Herr Hilbers, jetzt erzähle ich Ihnen zum dritten Mal, wie sich die 1,2 Milliarden Euro zusammensetzen. Passen Sie genau auf; ich erkläre es Ihnen noch einmal, nachdem es Ihnen der Finanzminister heute auch schon einmal erklärt hat.

Die im Haushaltsplan 2013 veranschlagte Nettokreditaufnahme von 620 Millionen Euro, die vorgesehene Rücklagenentnahme von 283 Millionen Euro und die 295 Millionen Euro, die die HanBG laut Haushaltsplanentwurf für die Übernahme von Anteilen an der NORD/LB zahlen soll - die übrigens nur kreditfinanziert werden können -, müssen zusammengerechnet werden.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Da haben Sie zwei Zahlen durcheinander ge- bracht!)

Damit sind wir bei einem Handlungsbedarf von rund 1,2 Milliarden Euro, den Sie als Vorgängerregierung uns überlassen haben. In einer solchen Situation das Tarifergebnis aus den guten Gründen, die ich gerade genannt habe, auf den Beamtenbereich zu übertragen, ist angesichts dieser finanziellen Rahmenbedingungen als mutig und sportlich zu bezeichnen. Wir werden deshalb nach einem Kassensturz des Finanzministeriums bei den Haushaltsberatungen für 2014 in aller Ruhe entscheiden müssen, ob wir die zweite Stufe des Tarifabschlusses ebenfalls für den Beamtenbereich übernehmen können. Das würde noch einmal zu Mehrausgaben von 170 Millionen Euro führen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz auf zwei Punkte eingehen, die ich bisher nicht genannt habe, die der rotgrünen Koalition aber wichtig sind. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf erfolgt auch die Umsetzung der verfassungsrechtlich gebotenen Vorgaben hinsichtlich der Unteralimentation kinderreicher Beamtenfamilien sowie zur gesetzlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften. Ich

verweise diesbezüglich auf Artikel 1 Abs. 3, mit dem der Familienzuschlag für das dritte und vierte Kind noch einmal erhöht wird, und auf Artikel 4, mit dem die eingetragenen Lebenspartnerschaften im Besoldungs-, Versorgungs- und Beihilferecht rückwirkend bereits zum 1. August 2001 mit Ehen gleichgestellt werden.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Henning, das war Ihre erste Rede. Bei Männern darf man, glaube ich, von der Jungfernrede sprechen. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich. Im Übrigen haben wir festgestellt: Das war eine Punktlandung, auf die Sekunde genau. Das muss mit Ihrem früheren Beruf zusammenhängen.

(Frank Henning [SPD]: So ist es!)

Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall bei der SPD)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Hilbers von der CDU-Fraktion.

(Ronald Schminke [SPD]: Hat die CDU Betriebsversammlung, oder wa- rum sind die alle weg? - Heiterkeit bei der SPD - Gegenruf von Dirk Toepffer [CDU]: Die Leistungsträger sind da!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute geht es darum, den ausgehandelten Tarifabschluss auf die Beamtinnen und Beamten des Landes Niedersachsen zu übertragen. Dazu sage ich Ihnen eindeutig: Das tragen wir mit.

(Zuruf von der SPD: Oh!)

Wir sind immer dem Grundsatz gefolgt, dass die Besoldung den Tariferhöhungen folgt. Sie haben völlig recht, dass Tarif und Besoldung miteinander einhergehen. Beamtinnen und Beamte haben nicht nur einen Rechtsanspruch auf eine angemessene Besoldung und Versorgung; es entspricht auch dem Gerechtigkeitsgrundsatz, dass man sie an der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes und an der allgemeinen Einkommensentwicklung beteiligt. Es ist also nur gerecht, sie auch an den Tarifentwicklungen teilhaben zu lassen.

Herr Kollege, da Sie das in Ihrer Rede besonders herausgestellt haben, hätte ich erwartet, dass Sie

mit aller Konsequenz handeln. Aber das tun Sie nicht.

(Zustimmung von Jan-Christoph Oet- jen [FDP])

Sie setzen die erste Stufe heute um, aber lassen die zweite Stufe aus und stellen sie unter Finanzierungsvorbehalt. Das stellen wir heute erst einmal fest. An dieser Stelle werden wir Sie mit einem Änderungsantrag konfrontieren, damit Sie klar bekennen müssen, ob Sie die zweite Stufe ebenfalls umsetzen wollen oder nicht. Ich komme gleich darauf zu sprechen, weshalb wir das tun werden.

Wir haben in den Jahren, in denen wir regiert haben, die Tarifabschlüsse, die vereinbart worden sind, immer umgesetzt. Deswegen brauchen wir keine Diskussion darüber, ob es hier eine Kehrtwende gibt oder nicht. Wir haben den Tarifabschluss im Jahr 2003 mit 2,4 % übernommen, wir haben ihn im Jahr 2004 mit 1 % übernommen, wir haben ihn im Jahr 2004 wirkungsgleich übernommen, wir haben ihn im Jahr 2006 wirkungsgleich übernommen, wir haben ihn im Jahr 2008 mit 3 % wirkungsgleich übernommen, wir haben ihn im Jahr 2009 wirkungsgleich übernommen - so auch für 2010, gleichsam mit einem Gesetz, 1,2 % -, wir haben ihn im Jahr 2011 mit 1,5 % wirkungsgleich übernommen und im Jahr 2012 mit 1,9 %. Wir haben den Tarifabschluss immer wirkungsgleich übernommen, und wir haben auch immer die Finanzierung darstellen können. Insofern brauchen wir uns nichts vorwerfen zu lassen.

(Frank Henning [SPD]: Ich habe von der FDP gesprochen!)

- Wir haben doch zusammen regiert. Die FDP hat es doch mit uns gemeinsam gemacht. Wir sind doch hier nicht im falschen Film!

Dann haben Sie beklagt, dass das für Sie eine Kraftanstrengung ist. Natürlich ist das für Sie eine Kraftanstrengung. Schließlich haben Sie ja die „Aktion Klingelbeutel“ laufen. Mir ist klar, dass Sie das jetzt alles in einen Topf werfen. Aber wenn ich richtig informiert bin, dann laufen Sie im SollAbschluss bei den Personalkosten im Jahr 2012 mit 140 Millionen unter dem Soll aus. Das heißt, Sie haben dort erhebliche Reserven.

Ich stelle weiter fest: Sie sind ausweislich der Presseerklärung, die das Finanzministerium veröffentlicht hat, angetreten, die 69 Millionen Euro aus dem, was Sie über unsere Vorsorge hinaus zu leisten haben, aus dem Personalkostenetat erwirtschaften und in diesem Jahr bezahlen können.

Das heißt also: Wir haben Ihnen einen Haushalt hinterlassen, über den Sie sich überhaupt nicht zu beklagen haben. Sie können den Tarifabschluss vollständig aus dem, was wir vorgelegt haben, bezahlen. Ich weiß gar nicht, was Sie mehr wollen. Haben Sie erwartet, dass wir Ihnen noch Mittel übriglassen, mit denen Sie andere Sperenzchen finanzieren können? Das, was hier geleistet werden soll, können Sie vollumfänglich bezahlen. Das ist solide Haushaltspolitik. Dafür sollten Sie sich einmal bedanken, Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie diese Einsparungen aus 2012, die ich eben beschrieben habe, über die Jahre fortschreiben, gekoppelt mit den 2 %, die wir eingeplant haben, werden Sie auch in die Lage versetzt, im nächsten Jahr die 279 Millionen Euro finanzieren zu können.