„Die Bürgerinnen und Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass das Grundrecht auf Asyl am Ende denen zu Gute kommt, für die es gemacht ist.“
Herr Weil, ich denke, da sind wir fraktionsübergreifend einer Meinung, weil wir eine Verantwortung sowohl für die eine als auch für die andere Gruppe von Menschen haben. Es gibt Menschen, die sich hier 13 Jahre im Status der Duldung aufhalten. Das finde ich nicht hinnehmbar, weil ich es als zutiefst unmenschlich empfinde, Menschen in einem Schwebezustand zu halten, ohne dass sie sich selbst in eine Gesellschaft einbringen können, weil sie nicht arbeiten dürfen und sich nicht wirklich integrieren können, weil sie es nicht dürfen. Deswegen müssen wir gemeinsam daran arbeiten, verantwortungsvoll mit diesen Personenkreisen umzugehen. Und ich glaube, dass wir an dieser Stelle viele Gemeinsamkeiten haben.
Ich glaube auch, dass der von Ihnen eben zitierte Rückführungserlass nicht ganz im Einklang mit dem steht, was Sie in Loccum gesagt haben.
Wer, wie Rot-Grün, die Asyl- und Flüchtlingspolitik zu einem Schwerpunkt der Landespolitik erklärt, meine Damen und Herren, der muss auch am Ende ausreichend Geld zur Verfügung stellen, damit die Aufgaben bewältigt werden können. Genau an der Stelle versagen Sie; das ist Ihr Problem.
Sie werden in dieser Frage eben nicht den Ansprüchen der Kommunen gerecht. Es ist nicht ausreichend, mit dem Finger nach Berlin zu zeigen und zu sagen: Der Bund muss es richten.
Sicherlich haben wir auf allen staatlichen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - eine Verantwortung. Aber es muss auch jeder seiner Verantwortung in der Frage, in der er zuständig ist, gerecht werden. Und an der Stelle ist das Land Niedersachsen seiner Verantwortung eben nicht gerecht geworden: Bei der Einführung der Sprachklassen, beim Thema Sprachvermittlung wurde zu wenig getan. Sie haben es im Dezember-Plenum in namentlicher Abstimmung verhindert, meine Damen und Herren, dass für mehr Leistungen in diesem Bereich 4 Millionen Euro in den Haushalt eingesetzt worden sind. Das wäre in diesem Land notwendig gewesen.
Meine Damen und Herren, wir sind ganz dicht beieinander, wenn es darum geht, dass Sprache eines der zentralen Elemente von Integration ist. In dieser Frage gibt es in der Tat keine zwei Meinungen. Denn die Sprache ist das verbindende Element zwischen Menschen, um sich zu verständigen.
Ich kann Ihnen genug Beispiele von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern nennen, die verzweifelt waren, als ihnen Flüchtlinge an einem Wochenende quasi vor die Tür gestellt worden sind und sie nicht recht wussten, was sie mit ihnen machen sollten, weil es keine Strukturen gab, die ausreichend Hilfe geben konnten. Die Flüchtlinge konnten sich auch nicht mit ihnen verständigen, weil sie nicht die deutsche Sprache gesprochen haben.
Sprachvermittlung in den Fokus der gesamten Politik zu stellen. Zuvörderst muss jedem, der in dieses Land kommt - egal ob Zuwanderer, Flüchtling oder Asylbewerber -, die Sprache zugänglich sein. Meine Damen und Herren, das muss doch die Forderung der Politik sein.
Ich will hier noch einmal kurz das sagen, was ich in den letzten Tagen schon häufiger hier und dort erklärt habe. Die Themenkreise werden in diesem Land so gerne miteinander vermengt, weil es ja auch ganz einfach und bequem ist, alles zusammenzufügen, in einen Topf zu schmeißen und zu sagen: Das wird schon irgendwie! - Wir müssen uns darum kümmern, klare Antworten für die einzelnen Personengruppen zu finden.
Deswegen sollten wir alle Anstrengungen unternehmen, und zwar möglichst gemeinsam auf breiter Front, damit es in Deutschland endlich zu einem Einwanderungs- bzw. Zuwanderungsgesetz kommt. Mir ist natürlich bekannt, dass es Regeln für die Ein- und Zuwanderung nach Deutschland gibt. Wenn sich diese Regeln aber über mehrere Gesetze und Verordnungen verteilen und selbst für Einheimische und Juristen nicht erkennbar ist, was eigentlich wie möglich ist, dann ist es doch die verdammte Pflicht der Politik, dafür zu sorgen, dass es ein Einwanderungs- bzw. Zuwanderungsgesetz in diesem Land gibt, aus dem klar hervorgeht, was wir eigentlich wollen, meine Damen und Herren.
Dann müssen wir aber auch den Mut haben, gerade in der Frage der Zuwanderung klar zu erklären, was wir eigentlich wollen. Und bedenken Sie, dass Deutschland nach den USA das zweitbeliebteste Einwanderungsland weltweit ist, es in Deutschland allerdings im Gegensatz zu den USA, zu Kanada und vielen anderen Staaten dieser Welt keine gezielte, sondern eine zufällige Zuwanderung gibt! Und das ist doch das Gegenteil von dem, was Sie gerade selbst gesagt haben, Herr Ministerpräsident. Wir müssen also erklären, wie die Zuwanderung derjenigen funktionieren soll, die dauerhaft, für immer in Deutschland arbeiten, leben und ihre Kinder großziehen wollen, die ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben wollen - so, wie wir es damals bei den vielen Gastarbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, gemacht haben. Das muss doch Aufgabe der Politik insgesamt sein.
Der zweite Komplex ist das Thema Flüchtlinge. Beim Thema Flüchtlinge kann es keine zwei Meinungen geben, meine Damen und Herren. Wir wissen doch aus der jüngeren Geschichte, dass sich die Annahme, dass sie erst einmal zeitlich begrenzt zu uns kommen und wir sie dann wieder zurückschicken werden, nicht bestätigen wird. Das heißt, wir müssen endlich akzeptieren, dass diejenigen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, dauerhaft in diesem Land bleiben werden. Und wenn das so ist, dann müssen wir für die Flüchtlinge, die hierherkommen, bessere Bedingungen schaffen, was die Arbeit angeht, und bessere Bedingungen zur sozialen Integration schaffen.
Das heißt am Ende des Tages, meine Damen und Herren, dass wir für diesen Personenkreis, für diese Menschen eine Verantwortung haben. Deswegen sagen wir: Herzlich willkommen in Deutschland! Es gibt keine Ausgrenzung, sondern hier ist eure neue Heimat. - Und wer freiwillig in sein Heimatland zurückgehen möchte, der kann es tun, aber er wird nicht per se dazu aufgefordert.
Meine Damen und Herren, der dritte Personenkreis, über den wir sprechen müssen, sind in der Tat die Asylbewerber. Und da wird es dann schwierig. Denn dann muss man auch den Mut haben, den Menschen - das hat der Ministerpräsident in Loccum noch etwas deutlicher gesagt, als es in seinem Redemanuskript steht -, die - Sie hatten damals von einer 99-prozentigen Wahrscheinlichkeit gesprochen - nicht in Deutschland bleiben können, weil sie aus einem sicheren Herkunftsland kommen, in einem schnellen Verfahren zu erklären, dass sie wieder dorthin zurückgehen müssen. Dieses Verfahren darf eben nicht Monate, Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, wie wir das aus einzelnen Fällen kennen, sondern es muss ein schnelles und rechtsstaatlich sauberes Verfahren sein. Es muss immer - das betone ich ausdrücklich - und für jeden die Möglichkeit geben, eine Überprüfung beispielsweise in der Härtefallkommission zu erreichen. Ich glaube, auch diesem humanitären Akt sollten wir doch etwas abgewinnen.
Deswegen sage ich noch einmal: Wir brauchen auch in der Diskussion eine klare Trennung der Themen, weil nicht alles miteinander vermischt werden kann.
Und das, was für diejenigen gilt, die in die Drittstaaten - oder wie auch immer man das nennen möchte; das Wort „Drittstaaten“ finde ich im Übrigen ziemlich furchtbar - zurückkehren müssen - nämlich ein schnelles Verfahren -, muss auch für diejenigen gelten, bei denen klar ist, dass sie dauerhaft hier in Deutschland bleiben, weil das Recht auf Asyl nach dem Grundgesetz sie schützt: Auch die Menschen aus diesem Personenkreis müssen möglichst schnell in unsere deutsche Gesellschaft integriert werden können, nämlich indem sie arbeiten dürfen.
Ob man dem FDP-Modell folgen sollte, nach dem alle eine Ausbildung durchlaufen sollen, weiß ich nicht. Man muss erst einmal schauen, welche Fähigkeiten die Leute haben, die zu uns kommen - im Wesentlichen sind das ja nicht die Dümmsten, die hier ankommen. Deswegen müssen wir uns ihnen sehr offen zuwenden. Ich glaube, wir haben eine Chance, das jetzt in Deutschland - auch vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris - vernünftig zu diskutieren. Das sind wir den Menschen, die nach Deutschland kommen wollen, schuldig, meine Damen und Herren.
Ich komme noch einmal auf den Anfang zurück: Am Ende ist eben auch hier die Vermittlung von Sprache, die Sprachkompetenz das A und O, um in diese Gesellschaft integriert zu werden. Aber es funktioniert eben nicht, wenn man die Menschen erst einmal in die Fläche schickt und hofft, dass das schon irgendwie gelingen wird, weil sich Ehrenamtliche darum kümmern. - Ja, 100 000 Ehrenamtliche kümmern sich jeden Tag um diese Menschen, und denen sind wir zutiefst dankbar für diese Arbeit.
Aber es ist eben auch Aufgabe unseres Staates, unseres Landes, seiner Verantwortung gerecht zu werden, die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Sprache erlernt werden kann. Und, Frau Heiligenstadt, 240 zusätzliche Sprachklassen reichen da bei Weitem nicht aus; denn es können nicht in jeder Grundschule, nicht einmal in jeder Region ordentliche Sprachklassen eingerichtet werden.
Wenn Sie sagen: „Dann müssen die zusammengefasst werden“, dann ist das falsch; denn diese Menschen sind orientierungslos. Das müssen Sie anerkennen. Deswegen müssen wir in diesem Bereich mehr Anstrengungen unternehmen und dort auch mehr Geld hineingeben. Das Gleiche gilt für die Erwachsenenbildung. Auch hier hätten die 800 000 Euro wirklich Gutes bewirken können. Das muss das Ziel der Politik bleiben.
Ich komme zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück. Wir sind uns einig in der Verurteilung der barbarischen Terrorakte von Paris. Wir sind uns einig darin, dass wir gegenüber jedweder Form des Extremismus wachsam sein müssen. Wir müssen uns auch darin einig sein, dass wir nicht zulassen dürfen, dass sich unsere Gesellschaft spaltet.
Für die CDU Niedersachsen kann ich hier erklären: Wir stehen in der Tradition von Ernst Albrecht. Er hat mutig und unbürokratisch gehandelt und Tausende Boat People vor dem sicheren Tod auf dem offenen Meer gerettet. Er hat sich zunächst gefragt, was er für die Flüchtlinge tun kann, und nicht nach dem Bund gerufen.
Er hat schlicht eine Unterschrift geleistet - wie das Rupert Neudeck beim Staatsakt sehr eindrücklich zum Ausdruck gebracht hat -, und das war ein zutiefst humanitärer Akt, der auch Jahrzehnte danach noch Maßstäbe setzt. Daran sollten wir uns orientieren: für ein weltoffenes, für ein zukunftsgewandtes und freiheitsliebendes Niedersachsen mit einer Bevölkerung, die offen für andere ist, die offen dafür ist, Menschen aufzunehmen und willkommen zu heißen. Das muss das Signal von heute sein.
Vielen Dank, Herr Kollege Thümler. - Es hat sich jetzt für die Fraktion der SPD deren Vorsitzende, Frau Johanne Modder, zu Wort gemeldet. Bitte sehr!
und weltoffene Gesellschaft prägt die gesellschaftliche Debatte seit Wochen. Ich bedanke mich daher sehr herzlich bei unserem Ministerpräsidenten dafür, dass er mit seiner Regierungserklärung diese Auseinandersetzung hier und heute aufgegriffen hat. Ganz herzlichen Dank dafür,
dass er damit die Sorgen und Probleme benannt hat und dass er konkrete Maßnahmen aus dem Bildungsbereich aufgeführt hat, durch die Zukunftsperspektiven für den Arbeitsmarkt ermöglicht werden, und dass er deutlich gemacht hat, dass die Sicherheit und die Terrorismusbekämpfung bei dieser Landesregierung in guten Händen sind. Der Ministerpräsident hat klar unsere Leitplanken genannt: absolute Unnachgiebigkeit gegenüber
Hass, Gewalt und Rassismus auf der einen Seite, Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie auf der anderen Seite.
Meine Damen und Herren, die sogenannten Pegida-Demonstrationen beschäftigen uns seit Wochen. Zuerst hat man diese nicht wirklich wahrgenommen. Dann war man über den Zulauf und die Dynamik irritiert, vielleicht auch etwas erschreckt. Vielleicht hat es deshalb bis zum Anfang des Jahres gedauert, eine Antwort der Zivilgesellschaft zu geben. Ich freue mich, dass in den letzten Tagen, in den letzten ein, zwei Wochen in vielen Städten, auch in unserem Land, über 100 000 Menschen für eine offene und tolerante Gesellschaft demonstriert haben:
Wer beim Friedensgottesdienst und der anschließenden Demonstration dabei war, kann bestätigen: Es war eine beeindruckende Veranstaltung, und es war ein deutliches Zeichen für eine freie und offene Gesellschaft.