Ich war letzte Woche beim Runden Tisch Pflege in Osnabrück geladen. Eine der engagierten Pflegekräfte sagte zu Recht, dass es nicht sein darf, dass man in Niedersachsen als ungelernte Kraft mehr Lohn erhält für die Pflege einer Maschine als für die Pflege eines Menschen, meine Damen und Herren.
Ja, das ist absurd, und damit muss endlich Schluss sein! Gerade im Bereich Pflege brauchen wir gute Arbeitsbedingungen.
Ich kann ein bisschen warten, bis hier Ruhe einkehrt. Vielleicht merken es die Betroffenen, wenn es ruhig wird. Wir haben sehr viel Zeit. - Weiter geht‘s!
Vielen Dank, Herr Präsident. - Gerade im Bereich Pflege brauchen wir gute Arbeitsbedingungen und einen vernünftigen Tariflohn; denn - das wissen Sie alle - während die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt, fehlen immer mehr gut ausgebildete Fachkräfte. Oberste Priorität hat für Rot-Grün - so steht es auch im Koalitionsvertrag -, die Attraktivität der sozialen Berufe, insbesondere auch in Konkurrenz zu anderen Branchen, zu erhalten und zu steigern.
Mit der unerträglichen Arbeitsverdichtung in der Pflege und in den Gesundheitsberufen sowie der ungenügenden Bezahlung muss Schluss sein. Wir danken nicht nur Frau Ministerin Rundt für ihren unermüdlichen Einsatz, gerade gegenüber den Kranken- und Pflegekassen auf eine leistungsgerechte Vergütung zu drängen, sondern wir danken auch dem Ministerpräsidenten, der letzte Woche angekündigt hat, den politischen Druck auf die Kassen zu erhöhen. Vielen Dank dafür, Herr Ministerpräsident!
„Kommt jetzt endlich richtig Bewegung in die Diskussion um die Pflege? Macht die Politik wirklich Ernst mit dem Bestreben, die gerade in Niedersachsen gravierenden Missstände in diesem Bereich zu beheben?“
Wir sagen: Ja. Die Landesregierung hat hier die volle Unterstützung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, meine Damen und Herren.
Der gordische Knoten in der Pflege muss zerschlagen werden. Die Entgelte müssen so kalkuliert werden, dass Tariflöhne bezahlbar sind. Deshalb ist es wichtig, dass die Kommunen als Kostenträger diese Tariflöhne auch für Pflegeheime
Die rot-grüne Koalition setzt sich dafür ein, den Beruf der Pflege attraktiver zu gestalten. Mit der Änderung des Niedersächsischen Pflegegesetzes im vergangenen Jahr haben wir bereits die Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger in der Altenpflege finanziell entlastet und die Schulgeldfreiheit damit gemeinsam dauerhaft gesetzlich gesichert.
Als Nächstes wird die Einführung der Ausbildungsumlage kommen. Lassen Sie uns gemeinsam auf allen Ebenen für gute Arbeit in der Pflege kämpfen und streiten!
Vielen Dank, Frau Kollegin Polat. - Ich darf noch einmal darum bitten, dass überall Ruhe einkehrt. Es ist doch etwas schwierig für die jeweiligen Rednerinnen und Redner, sich durchzusetzen, wenn hier in vielen Ecken Leute zusammenstehen und reden. - Weiter geht’s! Für die Fraktion der FDP spricht jetzt die Kollegin Sylvia Bruns.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zurzeit sind etwa 2,4 Millionen Menschen pflegebedürftig. Rund ein Drittel davon befindet sich in stationärer Dauerpflege in den verschiedenen Pflegeeinrichtungen. Dem stehen gut 12 000 ambulante Pflegedienste mit rund 270 000 Beschäftigten gegenüber. Ein Drittel davon versorgt weniger als 25 Pflegefälle.
Bei Aufnahme in einer Pflegeeinrichtung sind die Bewohner heute typischerweise bereits über 80 Jahre alt. Der Altersschnitt liegt sogar bei 85 Jahren, und dieser Schnitt wird noch steigen, da es in Zukunft mehr Hochbetagte geben wird. Mehr als die Hälfte der Heimbewohner weist inzwischen Demenzerscheinungen auf. Die zahlenmäßig absolut bedeutsamste Altersklasse für Demenzerkrankungen sind heute die 80- bis 90-Jährigen. Die durchschnittliche Pflegedauer wird mit etwa vier Jahren beziffert. Viele versterben aber auch schon in den ersten sechs Monaten.
Wenn wir uns selbst in der Zukunft sehen, werden wir feststellen, dass auch wir irgendwann pflegebedürftig werden - egal, in welchem Alter und in welcher Art. Das Problem an unserer Gesellschaft
ist aber, dass wir verlernt haben, über das Lebensende nachzudenken. Deswegen ist für die meisten Menschen die Pflege ein Thema, mit dem sie sich erst beschäftigen, wenn es gar nicht anders geht. Ich sehe das anders. Pflege sollten wir gemeinsam als gesamtgesellschaftliche Aufgabe angehen. Wir sollten so oft wie möglich darüber reden, damit wir den gesellschaftlichen Fokus auf das Thema erweitern. Es geht jetzt uns alle an. Deswegen ist es gut, auch wenn wir in manchen Punkten konträr diskutieren, dieses Thema immer wieder aufzurufen.
Der Pflegeberuf hat für mich eindeutig etwas mit Berufung zu tun. Wir alle tun gut daran, mit den Menschen, die sich für diesen Beruf entscheiden, behutsam umzugehen.
Teilweise - das muss man deutlich sagen - ist das heute nicht der Fall. Nicht umsonst finden sich nicht genügend Menschen, die gerne den Pflegeberuf erlernen möchten. Das liegt auch an der gesellschaftlichen Wertschätzung, die meines Erachtens nicht nur schlecht, sondern oftmals gar nicht vorhanden ist. Ich würde mir wünschen, dass wir schon an Schulen beginnen, Werbung für soziale Berufe zu machen. Das wird für uns in Zukunft entscheidend sein.
Dazu müssen wir aber auch im Pflegeberuf einiges tun, um diesen attraktiver zu gestalten. Als Allererstes zu nennen ist der Bürokratieabbau. Dokumentationen und Prüfungen generieren ein Misstrauensverhältnis gegenüber den Pflegekräften, was ich unerträglich finde. Wer möchte schon in einem Beruf arbeiten, in dem ihm ständig Misstrauen entgegengebracht wird? - Der erste Schritt zur Verbesserung ist mit dem Beikirch-Projekt getan, das meines Erachtens in die eindeutig richtige Richtung weist und eine tatsächliche Entlastung bringen kann.
Interessant zu diesem Thema ist übrigens auch der Sonderbericht von Ver.di zum Thema „Beschäftigte in Pflegeberufen - so beurteilen sie ihre Arbeitsbedingungen“. Ich kann nur bestätigen: Das Arbeitsethos ist hoch. Bei allen meinen Besuchen in den Pflegeheimen habe ich immer engagierte Pflegekräfte mit einem unglaublich hohen Anspruch an sich selbst und an ihre Arbeit getroffen.
Es gibt aber auch eine Diskrepanz zwischen gesellschaftlichem Nutzen und der Bezahlung. Da es jedoch um Selbstverwaltung geht und auch Vertragsfreiheit herrscht, was ich im Grundsatz begrüße, müssen wir uns Wege überlegen, wie wir das Thema angehen. Filiz Polat hat es gerade schon angesprochen. Wir begrüßen eindeutig den gestern zwischen ver.di und der LAG der Freien Wohlfahrtspflege abgeschlossenen Tarifvertrag, der genau in die richtige Richtung weist.
Auch die Work-Life-Balance spielt eine große Rolle für die Pflegekräfte. Wir haben es im Pflegebereich oft mit psychischen und nicht nur mit körperlichen Belastungen zu tun. Gute Arbeit setzt für mich auch die kreative Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Personalakquise voraus. Es dreht sich dabei auch um die Anwerbung ausländischer Personen, etwa von Flüchtlingen. Wir müssen im Ausländerrecht einiges tun, damit wir da kompetenter werden. Wir müssen aufenthalts- und beschäftigungsrechtliche Rahmenbedingungen in dem Bereich verbessern.
Gute Arbeit in der Pflege setzt auch die Ausschöpfung der Möglichkeiten zur Verhinderung von Pflegebedürftigkeit voraus. Wir müssen alles dafür tun, damit nicht viele Menschen pflegebedürftig werden. Deshalb muss man dem Thema geriatrische Rehabilitation und überhaupt dem Thema Rehabilitation dringend wesentlich mehr Aufmerksamkeit geben. Der Ausbau ambulanter Reha-Angebote für den häuslichen Bereich und den Pflegebereich ist auf jeden Fall zu unterstützen.
Erstens. Der Personaleinsatz folgt sehr formalen Gesichtspunkten, aber nicht dem wirklichen Anforderungsprofil.
Drittens. Wir brauchen zum einen einen qualifizierungsgerechten Einsatz für Pflegefachkräfte zusammen mit einer Kontrolle der Mittelverwendung für das Personal. Wir brauchen zum anderen eine Marketingoffensive, wie sie jetzt gerade im Bereich der Handwerksberufe stattfindet. Pflegeberufe und andere soziale Berufe sind sexy, und am besten beginnen wir damit an den Schulen.
Betreuungskräften und niederschwelligen Hilfen. Was heißt das? - Wir reden zurzeit immer von Pflegehilfskräften. Das ist schon von der Wortwahl her despektierlich gegenüber den Menschen, die da die Arbeit tun. Wir sollten uns vielleicht darauf konzentrieren, sie Assistenzkräfte zu nennen.
Ferner müssen wir den Menschen klarmachen, dass man für gute Pflege auch bezahlen muss. Sie muss uns etwas wert sein - wie die Menschen, die darin arbeiten.
Die geplante Pflegekammer - diese Bemerkung kann ich mir jetzt nicht verkneifen - wird kein einziges der Probleme lösen können.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Es hat sich jetzt für die Fraktion der CDU der Kollege Dr. Max Matthiesen gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Zunächst danke ich im Namen der CDU-Fraktion allen sehr herzlich, die in der Pflege engagiert ihren Dienst tun; einschließlich der Angehörigen und der ehrenamtlich Tätigen.
In der Landespolitik hat die Pflege für uns schon seit Langem einen besonderen Stellenwert. Ich nenne an dieser Stelle nur den Pflegepakt im Landespflegeausschuss vom November 2011 - also ein Jahr vor der letzten Landtagswahl -, der wichtige Impulse für die Fachkräftesicherung, die Berücksichtigung der Tarifbindung und für die Pflegesatzerhöhungen in Regionen mit erheblich unterdurchschnittlichem Pflegesatzniveau gebracht hat. Alle Beteiligten, die in der Pflege etwas zu sagen haben, haben diesen Pakt unterschrieben; von den Kommunen bis hin zu den Pflegekassen und den Pflegeanbietern. Private, die Freie Wohlfahrtspflege - alle haben das gemeinsam getan.