Protokoll der Sitzung vom 14.07.2015

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Meine Damen und Herren, jetzt hat sich Herr Kollege Hilbers zu Wort gemeldet. Einen Moment aber bitte noch, Herr Hilbers!

Wir waren im Präsidium davon ausgegangen, dass die Redezeit für die CDU 11 Minuten beträgt. Davon ist nur ein spärlicher Rest übrig. Es hat wohl eine angemeldete Redezeitübertragung von weiteren 14 Minuten aus anderen Redeblöcken seitens der CDU gegeben. Es ist Konsens, dass dem ent

sprochen werden soll. Herr Hilbers, ich weiß nicht, ob Sie das ausschöpfen. Aber ich würde den anderen Fraktionen abseits zusätzlich anzumeldender Redezeiten gleichwohl zugestehen, zwei oder drei Minuten auf Herrn Hilbers zu reagieren, wenn es notwendig sein sollte. Wenn wir so flexibel verfahren können, dient es, glaube ich, der Debatte.

Jetzt fängt Herr Hilbers an: 15:44 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute einen Nachtragshaushalt, der keinen Akzent zur Gestaltung setzt, der keine Anstrengung unternimmt, um die Nettokreditaufnahme abzusenken, und der keine Anstrengung unternimmt, um die Investitionsquote zu erhöhen. Zentrale Aufgaben fehlen ebenso wie die Unterstützung der Kommunen. Zentrale notwendige Aufgaben werden also nicht erledigt. Stattdessen liefern Sie hier ein Pannenset. So habe ich es auch genannt, als Sie das auf den Weg gebracht haben. Es ist ein Instrumentenkasten zur Behebung schwerster Regierungsfehler, die Sie begangen haben.

Es ist keinesfalls so, Herr Schneider, dass Sie diesen Nachtragshaushalt freiwillig vorlegen. Sie wollten wegen der Flüchtlingshilfe viel später einen Nachtragshaushalt vorlegen.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Sie sind durch diese verheerende Entscheidung des Gerichts, durch die Ohrfeige für die Kultusministerin gezwungen worden. Es ist übrigens bezeichnend, dass nicht ein Redner der Regierungskoalition sie heute auch nur mit einem Satz erwähnt oder gar verteidigt hat, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Renate Geuter [SPD]: Dann haben Sie nicht zugehört!)

Diese schallende Ohrfeige des Gerichts müssen Sie ausmerzen. Das müssen Sie schnell erledigen. Deswegen ist das keine aktuelle Entwicklung, wie Sie es nennen. Nein, Sie sind ein schweres Verschulden eingegangen. Man hat Sie vor dieser Entscheidung gewarnt. Sie ist falsch gewesen.

Dann haben Sie einen schweren Kalkulationsfehler bei den Kindertagesstätten begangen. Das haben Sie monatelang gewusst und durchgeschleppt. Wie müssen sich wohl Ihre sozialdemokratischen und grünen Kollegen in den Wahlkreisen fühlen, wenn man sich für 14 Millionen Euro prügeln lässt,

wenn Klassenfahrten ausfallen, wenn die Gymnasien an der Wand stehen und es an der Unterrichtsversorgung mangelt? Wie müssen die sich fühlen, wenn Sie um 83,1 Millionen Euro nachbessern müssen, die plötzlich vom Himmel fallen?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Niemand will es den Kommunen vorenthalten. Sie haben sogar einen Rechtsanspruch darauf. Das ist im Haushaltsausschuss angesprochen worden. Nur eines ist klar: Wenn Sie einen Nachtrag vorlegen, dann müssen Sie ihn auch finanzieren.

Sie hätten dabei ganz einfach kalkulieren können. Sie brauchen sich auch nicht auf Vorgängerregierungen oder irgendetwas anderes berufen. Sie haben alle diese Krippenplätze investiv gefördert. Sie hätten nur schauen müssen, wie viele Plätze investiv gefördert wurden. Diese müssten Sie mit einer Belegung kalkulieren und den entsprechenden Satz einreichen. Das haben Sie aber nicht getan. Sie haben sich auf alte Statistiken berufen und haben das prima durchgeschleppt. Das ist ein schwerer Kalkulationsfehler, der sich rächt. Ihre Kultusministerin und Ihr Haus haben die Zahlen nicht im Griff, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sind schwer auf den Bauch gefallen, was die Unterstützung von Flüchtlingen angeht. Schon bei der Haushaltsberatung im Haushaltsausschuss haben Ihnen die Kommunen gesagt, dass sie mit dem Geld nicht auskommen. Die Kommunen brechen Ihnen weg, und Sie machen das hier nicht freiwillig oder weil sie es gerne tun. Nein, die Kommunen gehen am Stock! Die brechen Ihnen bei dieser Aufgabe weg! Sie können die Aufgabe nicht mehr erledigen. Deswegen müssen Sie notdürftig handeln. Das alles ist ein Beweis dafür, dass Sie nicht aus Kraft handeln. Sie handeln aus der Not heraus. Sie liefern ein Pannenset, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei haben Sie einfach Glück, dass Sie in komfortablen Verhältnissen leben. Die Steuereinnahmen haben Ihnen 200 Millionen Euro mehr gegenüber der November-Steuerschätzung 2014 präsentiert. Die Steuermehreinnahmen 2015 gegenüber 2014 betragen 1 Milliarde Euro.

(Zurufe von der CDU: Wahnsinn!)

Wir haben ein historisch niedriges Zinsniveau. Anfang Juni hat die Zentralbank einen Leitzins von 0,05 % herausgegeben. Trotz steigender Schulden

geht der Schuldendienst massiv zurück. 2014 standen 1,9 Milliarden Euro im Haushalt. Das Ergebnis betrug 1,5 Milliarden Euro. Es waren 400 Millionen Euro übrig. 2015 haben Sie 1,75 Milliarden Euro etatisiert. Auch hier wird es ein paar Hundert Millionen Euro Luft geben, wenn Sie es hochrechnen.

In der allgemeinen Rücklage konnten Sie 110 Millionen Euro im letzten Abrechnungszeitraum 2014 schonen. Sie haben eine allgemeine Rücklage von über 550 Millionen Euro und ein Sondervermögen von 60 Millionen Euro.

Rechne ich die Mehreinnahmen von 200 Millionen Euro, die 55 Millionen Euro Sondervermögen, die allgemeine Rücklage von 550 Millionen Euro etc. zusammen, verfügen Sie insgesamt über ein Polster von über 1 Milliarde Euro, Frau Geuter. Ich prangere nicht an, dass Sie das haben. Ich prangere an, dass Sie immer noch weitere Schulden machen, obwohl Sie dieses Polster haben. Das haben wir damals nicht gemacht. Das unterscheidet uns.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir hatten damals 855 Millionen Euro übrig und haben sie nicht in die Rücklage genommen, sondern in Abgang gestellt. Das war der Unterschied. Wir haben Ihnen eine Rücklage hinterlassen - das ist richtig -, weil wir solide gewirtschaftet haben. Wir hatten über 1 Milliarde Euro Luft in den Haushalten 2012 und 2013. Das ist korrekt. Wir sind auch stolz darauf, dass wir solide gewirtschaftet haben. Darüber sollten Sie sich freuen. Von Ihnen hatten wir damals ein Defizit von 700 Millionen Euro geerbt. Das war unsere Erblast. Es gab keine Rücklage, wie Sie sie vorgefunden haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Schneider, angesichts dieser Komfortzone hätte ich nun wirklich erwartet, dass Sie an der Schraube der Neuverschuldung drehen. Stattdessen aber machen Sie den Haushalt passend bei der Frage der Grundstückserlöse, bei den Veräußerungen aus dem Landesliegenschaftsfonds, wo Sie reduzieren. Die Schuldenabbauquote ist für Sie sakrosankt. Die 600 Millionen Euro Neuverschuldung sind für Sie geplant. Mit denen haben Sie sich abgefunden. An dieser Summe wollen Sie auch nichts ändern. Sie verpassen die historische Chance - Sie hätten sie jetzt -, endlich einen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen.

Herr Heere, dabei ist es egal, ob das strukturelle Defizit im gleichen Umfang reduziert werden kann. Das kann es natürlich nicht. Das kann es erst in

den kommenden Jahren. Wir haben Ihnen aufgezeigt, wie das geht. Es ist aber nicht verboten, trotz strukturellen Defizits die Rücklagen zu nutzen und keine neuen Schulden zu machen. Es muss endlich Schluss sein mit neuen Schulden in diesem Land, meine Damen und Herren!

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Stattdessen legen Sie sich ein Polster an.

Herr Ministerpräsident, auch ich komme nicht umhin, wie schon der Kollege Grascha die Neue Presse vom 29. Juni zu zitieren: „Es wäre doch schön, wenn bald erstmals in der Geschichte des Landes Niedersachsen ein Haushalt ohne neue Schulden auskäme.“ Ja, Sie können das haben! Sie persönlich müssen heute nur mit uns stimmen. Dann haben Sie dieses schöne Ereignis heute hier an dieser Stelle seriös finanziert, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Ministerpräsident, was meinen Sie denn damit, wenn Sie solche Interviews geben und der Herr Finanzminister solche Nachtragshaushaltszahlenwerke wie heute vorlegt? Weshalb nutzen Sie die Chance nicht, das zu tun? Warum machen Sie aus dem, was Sie wollen, nicht Wirklichkeit? Warum machen Sie nicht Schluss mit neuen Schulden? Warum machen Sie trotz Rekordsteuereinnahmen immer noch neue Schulden? - Ich sage Ihnen, warum Sie das tun: Finanzpolitik und solide Haushalte sind bei Ihnen Lippenbekenntnisse. Das hat bei Ihnen keinen Stellenwert. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ heißt es bei 1. Johannes 2, 1-6. Das sollten Sie beherzigen. Handeln Sie, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Detlef Tanke [SPD])

- Herr Tanke, ich kann doch nichts dafür, dass Sie in der zweiten Reihe sitzen müssen. Das habe ich doch nicht verursacht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann mir auch Einfacheres vorstellen, als in diesen Tagen bei der Sozialdemokratie Generalsekretär zu sein. Aber auch das haben Sie selbst so gewollt.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sage Ihnen: Für die Unterstützung der Flüchtlingsarbeit der Kommunen liefern Sie keine ausreichende Finanzierung. Wenn Sie der Auffassung

sind, dass der Bund das richten oder sich daran beteiligen soll, dann sage ich Ihnen erstens: Sie können immer nur handeln, wenn der Bund etwas macht. Handeln aus eigenen Stücken habe ich hier noch nicht erlebt.

Ich sage Ihnen zweitens: Wenn Sie der Auffassung sind, dass sich der Bund beteiligen soll, dann können Sie ja auf dieser Nummer verhandeln. Sie können in diesen Verhandlungen aber nicht die Kommunen zu Ausfallbürgen machen. Sie haben nach dem Aufnahmegesetz die Aufgabe, den Kommunen dafür eine auskömmliche Pauschale zu gewähren. Das haben Sie zu tun. Wenn Sie sie vom Bund nicht wiederbekommen, müssen Sie sie aus Landesmitteln bereitstellen. Das ist Ihre Aufgabe, und das ist Ihre verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Sie haben. Darum müssen Sie sich kümmern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In Ihren Veranstaltungen reden Sie tagein, tagaus von Willkommenskultur. Meine Damen und Herren, wie wir Menschen hier willkommen heißen, hat auch etwas damit zu tun, wie viel Aufwand Kommunen dafür treiben können und hat auch etwas damit zu tun, wie viele Mittel wir dafür bereitstellen. Da kann ich Ihnen sagen: Zwischen dem, was Sie im Land als Willkommenskultur bezeichnen und verbreiten, und dem, was Sie hier in Mitteln zu handeln bereit sind, klafft eine riesige Diskrepanz.

(Johanne Modder [SPD]: Wir leben die Willkommenskultur! Wir reden nicht nur darüber! - Zuruf von Filiz Po- lat [GRÜNE])

Ich sage Ihnen: Wirkliche Willkommenskultur sieht anders aus! Frau Polat, Sie sollten lieber aufhören, darüber zu reden, wenn Sie nicht bereit sind, dafür Geld zu hinterlegen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch das, was Sie zur Willkommenskultur sagen, sind nur Lippenbekenntnisse. „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen“ - ich kann es an dieser Stelle nur wiederholen.

Wir wollen das, was im Haushalt vorgefunden wird, verstetigen. Wir stocken die Pauschale auf 10 000 Euro auf und haben dafür 47 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Die können Sie locker aus dem Zinstitel erwirtschaften. Ich habe es Ihnen eben geschildert. Es ist wichtig, dass Sie die Kommunen mit einem auskömmlichen Satz ausstatten, damit es vor Ort keine Verteilungskämpfe

gibt, damit es vor Ort Akzeptanz gibt und damit Kommunen nicht in großem Umfang auf andere Dinge verzichten müssen. Deswegen muss es gelingen, hierfür ausreichend Mittel bereitzustellen. Das ist keine Frage der Finanzbeziehungen untereinander, sondern die Frage ist, ob die Integration gelingt oder nicht gelingt.