Protokoll der Sitzung vom 16.07.2015

(Helge Limburg [GRÜNE]: Es geht hier um die Debatte! Er wollte die Ar- gumentation hören! - Gegenruf von Hermann Grupe [FDP]: Beim Mittag- essen! - Heiterkeit)

Frau Staudte, eine Sekunde, bitte! - Meine Damen und Herren, das Prinzip des Parlaments ist Rede und Gegenrede, und vor allen Dingen Zuhören. Wenn die Rednerin auf die Kurzintervention antwortet, dann bitte ich Sie, zuzuhören. Zwischenrufe

können Sie immer machen, keine Frage. Aber das Zuhören sollte nicht vergessen werden.

Sie haben das Wort, Frau Staudte.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Grupe, ich möchte auf den Aspekt eingehen, dass Sie sagen: Wir wollen durch diese Endbehandlung das Produkt nur noch besser machen. Wir wollen den ganzen vorgelagerten Produktionsprozess nicht verschlechtern. Wir wollen das als zusätzliche Maßnahme.

Genau danach haben wir in der Anhörung die Experten gefragt, insbesondere die Experten der Geflügelwirtschaft: Halten Sie es unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für realistisch, dass es dann so kommen wird? - Darauf haben alle Experten, nicht nur die Vertreter der Geflügelwirtschaft, gesagt: Wenn diese Behandlungsmethoden erst einmal erlaubt sind, dann wird vorne im Prozess gespart werden. Wenn wir dann auch noch TTIP bekommen und die Lebensmittel von Übersee unseren Markt überschwemmen, dann werden sich unsere hiesigen Produzenten, ob sie wollen oder nicht, dieser Konkurrenz durch die billigen Produkte stellen müssen, und dann wird im Produktionsprozess definitiv bei den Sicherheitsmaßnahmen gespart werden.

(Hermann Grupe [FDP]: Sie wollen unsere Märkte abschotten!)

Das wollten Sie leider nicht hören. Das nächste Mal machen Sie es vielleicht anders.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Jetzt kommt der Kollege Calderone von der CDU-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Calderone.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schade, was wir hier erleben. Es ist wirklich schade, dass SPD und Grüne nicht in der Lage waren und nicht in der Lage sind, sich inhaltlich mit diesem Antrag der FDP zu befassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Miriam Staudte [GRÜNE]: Ausführli- cher geht es nicht, wenn so viel Le- bens- und Arbeitszeit da reingesteckt wurde!)

Das sage ich als ein Vertreter der CDU-Fraktion, der schon in der ersten Beratung vor immerhin einem Jahr hier gesagt hat, dass wir nicht mit allen Punkten dieses FDP-Antrags konform gehen.

Wir haben das zum Anlass genommen, Änderungsanträge zu stellen und uns mit diesem Antrag zu befassen. Wir haben es als Arbeitsauftrag verstanden, ihn so zu verändern, dass wir am Ende zustimmen können; denn wesentliche Inhalte waren aus unserer Sicht von Anfang an zustimmungsfähig.

Erstens haben wir im Bereich der Lebensmittelsicherheit hohe Standards, und wir wollen sie weiterentwickeln.

Zweitens haben wir eine umfassende Kennzeichnung. Eine weitere umfassende Kennzeichnung ist selbstverständlich. Sie muss so ausgestaltet sein, dass sie für den Verbraucher beim Einkaufen praktikabel ist. Sie muss klar und deutlich sein.

Drittens. In den Vereinbarungen des TTIP müssen die europäischen Verbraucherschutzstandards uneingeschränkt natürlich gewährleistet werden. Wie oft wollen wir das hier denn noch betonen?

SPD und Grüne haben diesen Antrag der FDP zum Anlass genommen, um schlicht nichts zu tun. Das bringt mich zu den drei Beschreibungen: unbeweglich, dialogunfähig, ideologisch. So muss wohl die Haltung insbesondere der Grünen in den Ausschussberatungen umschrieben werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber anstatt der Tragweite und der Wichtigkeit dieses Themas gerecht zu werden - Herr Grupe hat es dargestellt -, wurden in den Ausschussberatungen die gleichen Plattitüden formuliert, die wir auch heute wieder gehört haben.

Meine Damen und Herren, es geht hier nicht - insbesondere nicht nach den Änderungsanträgen von CDU und FDP - um Chlorhühnchen & Co, sondern es geht um die grundsätzliche Frage, wie wir als viel zitiertes Agrarland Nummer eins den Verbraucherschutz weiterentwickeln wollen, wie es im ersten Punkt des Entschließungsantrages in der aktuellen Fassung heißt. Es geht um die Frage, ob wir alternative Behandlungsformen zur Hygieneverbesserung und zur Haltbarmachung von Lebensmitteln erforschen wollen oder nicht.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Was soll das denn sein?)

Eine alternative Behandlungsmethode, Frau Staudte, ist nicht zwangsläufig das Chloren. Begleiten Sie doch einmal Ihren Wirtschaftsminister Lies ins Deutsche Institut für Lebensmitteltechnik nach Quakenbrück! Dort können Sie sehen, wie ernsthaft und erfolgreich an alternativen Behandlungsformen geforscht wird. Und gegen Forschung kann Politik in dieser Sache ja wohl nichts haben.

(Zuruf von der FDP: Doch!)

Sonst wäre sie fortschrittsfeindlich und rückwärts gewandt.

(Beifall bei der CDU)

Aber wer sich als derart fortschrittsfeindlich und rückwärts gewandt erweist, ist vielleicht auch zurückhaltend gegenüber dem Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik in meiner Heimatstadt Quakenbrück.

Ich habe es eben gesagt. Das DIL forscht auch an der Frage, wie Lebensmittel schonend noch sicherer gemacht werden können. Es entwickelt Produkte und Prozesse, die die Bedeutung Niedersachsens als Agrarland Nummer eins und als Lebensmittelland Nummer eins weiter sichern. Deswegen ist es nur konsequent, dass die CDU in ihrem Antrag fordert, dieses Institut und ähnliche Institute auch in Zukunft in ihrer Arbeit zu unterstützen, so wie es die vergangene Landesregierung getan hat. Da gibt es an der einen oder anderen Stelle hier im Hause durchaus noch Nachholbedarf.

Dass SPD und Grüne auch diesem Punkt nicht folgen können, betrachten wir in meiner Region auf alle Fälle sehr aufmerksam. Aber damit springen sie zu kurz. Denn gerade das DIL befasst sich mit der elementaren Frage, wie bei wachsender Weltbevölkerung und wachsendem Lebensmittelkonsum diese Lebensmittel in ausreichendem und sicherem Maße ressourcenschonend hergestellt werden können. Und gerade das ist doch eine Frage, die die Grünen immer wieder stellen. Aber auch das bleibt in diesem engen Weltbild der Agrarwende irgendwie hängen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Geht es um Herstellung oder um Haltung?)

Meine Damen, meine Herren, es ist schade, dass es trotz der großen Beweglichkeit der CDU und der FDP im Ausschuss nicht zu einer Einigung gekommen ist. Der Entschließungsantrag ist in seiner aktuellen Fassung in Form und Inhalt sehr ausge

wogen und zustimmungsfähig. Die Argumente, durch den Antrag würden Hygienestandards im Prozess quasi durch die Hintertür abgeschafft oder am Ende gehe es doch nur um Chlorierung, sind abwegig; denn das steht dort eben nicht mehr. Es geht genau um das Gegenteil. Es geht darum, Hygienestandards auf allen Ebenen der Lebensmittelproduktion weiterzuentwickeln. Es geht darum, alternative Behandlungsformen jenseits des Chlorierens zu etablieren.

Meine Damen und Herren, eigentlich sind wir doch nahe beieinander. Die Formulierung eines gemeinsamen Antrags zur Verbesserung des Verbraucherschutzstandards wäre ein gutes Zeichen für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Niedersachsen, für den Lebensmittelproduktionsstandort Niedersachsen und für den Forschungsstandort Niedersachsen gewesen. SPD und Grüne aber haben sich dieses Zeichens verweigert und nicht zu einer gemeinsamen Linie beigetragen, so wie es CDU und FDP in dieser wichtigen Frage getan haben.

Wir hätten uns eigene Anträge von SPD und Grünen gewünscht. Es kam nichts. Das ist zu wenig. Es ist einfach schade.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Calderone. - Jetzt hat Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Meyer das Wort. Bitte schön, Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir vor fast genau einem Jahr über dieses Thema diskutiert haben, habe ich für die Landesregierung schon gesagt, dass wir den Antrag der FDP nicht unterstützen können.

Anlass für die damalige Anhörung im Ausschuss war die Reise von Bundeswirtschaftsminister Rösler in die USA, auf der er sich von der Geflügelindustrie hat erklären lassen, dass das Chloren von Hühnern nicht so schlimm sei. Die FDP hat in ihrem Ursprungsantrag gesagt, man müsse doch auch Behandlungsmethoden wie das Chloren von Hühnern zulassen. - Das fand ich sehr bezeichnend.

In der Anhörung ist Ihnen das allerdings von allen Seiten um die Ohren gehauen worden. Auch die niedersächsische Geflügelwirtschaft hat Ihnen klar gesagt, dass die hohen deutschen Standards im Rahmen eines Freihandelsabkommens nicht ausgehebelt werden dürfen.

Ich zitiere die Geflügelwirtschaft:

„Die hohen deutschen Standards dürfen nicht durch Import von US-Ware mit deutlich niedrigeren Standards ausgehebelt werden.“

Ein weiteres Zitat der Geflügelwirtschaft, dem ich voll zustimmen kann:

„Ein solches Chemikalienbad für ein Naturprodukt wie Hähnchen- oder Putenfleisch ist in Deutschland undenkbar, und das völlig zu Recht.“

Zwischenzeitlich haben Sie den Antrag zwar modifiziert, aber es bleibt dabei, dass vor allem die von den Kollegen von SPD und Grünen zitierten Forderungen unter Nr. 2 nicht konsensfähig sind. Sie nennen „Bestrahlung“ und „Chloren“ jetzt einfach „alternative Behandlungsmöglichkeiten des Endproduktes“. Sie schließen das Chloren weder aus, noch sagen Sie, dass Sie das Chlorverbot weiterhin wollen, wie es die niedersächsische Geflügelwirtschaft fordert.

Dem kann man sich nur anschließen. Wir verfolgen einen ganzheitlichen Ansatz; der Kollege Schminke hat es gesagt. Wir wollen kein Endprodukt behandeln, sondern wir betrachten den gesamten Prozess. In der EU nennt man die konsequente Kontaminationsvermeidung auf allen Stufen der Herstellung - und nicht erst im Endprodukt - Farmto-Fork-Prinzip.

Herr Minister, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Herr Kollege Oesterhelweg würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Nein.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher von Geflügelfleisch erwarten ein insgesamt hygienisch erzeugtes Produkt, und das auch zu Recht. Sie erwarten, dass Geflügelfleisch ein Naturprodukt bleibt. Wir sollten unser Fleisch aus Niedersachsen weiterhin unbehandelt genießen können, und wir haben hohe Standards, die das gewährleisten.

Deshalb greift Ihr Antrag zu kurz. Sie benennen diese Punkte einfach nur um. Natürlich geht es Ihnen darum, im Rahmen des Freihandelsabkommens Öffnungen vorzunehmen.

Ich verstehe die Sorgen der Geflügelwirtschaft vor massiven Hühnerfleischimporten aus den USA. Professor Sinn hat für das Europaparlament ein Gutachten erstellt, nach dem vor allem die deutsche Geflügelindustrie der große Verlierer wäre, wenn wir solche Verfahren, wie sie in den USA zugelassen sind, auch hier zuließen. Es wird von Kostenvorteilen von 30 % gesprochen, die die Amerikaner gegenüber unserer niedersächsischen Geflügelwirtschaft haben. Deshalb müssen wir auch aus wirtschaftlichen Gründen den Anfängen wehren und keine chemischen Keulen, keine Bestrahlung oder andere Verfahren zulassen, sondern hier eine rote Linie ziehen.