Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

An dieser Stelle möchte ich diesen Helden ein herzliches Dankeschön aussprechen. Danke für Ihre Hilfsbereitschaft, die Respekt verdient und die wir zukünftig nach Kräften unterstützen werden.

(Beifall bei der SPD)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dass Flüchtlingsunterkünfte wie in Salzhemmendorf angegriffen werden und sich Menschen, die vor Hass und Gewalt geflohen sind, sich bei uns erneut nicht sicher fühlen können, ist beschämend. In diesem Zusammenhang möchte ich den Sicherheitsorganen meinen herzlichen Dank für die zügige Ermittlung der Straftäter aussprechen, aber auch Ihnen ganz persönlich, Herr Ministerpräsident, für Ihre sofortige Reaktion und Ihre Worte vor Ort. Sie haben nicht tagelang geschwiegen, sondern unmittelbar reagiert.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das war ein starkes Signal für ein weltoffenes Niedersachsen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Was sagen Sie denn eigentlich zum An- trag?)

In Anbetracht der aktuellen Flüchtlingsbewegungen - im Juli und August dieses Jahres stiegen die Zahlen besonders an - hat die Landesregierung ein weiteres starkes Signal gesetzt und entschieden, dem Parlament einen zweiten Nachtragshaushalt mit einem Volumen von rund 300 Millionen Euro vorzuschlagen.

Kernpunkt dieses Nachtragshaushaltes soll eine vorzeitige Abschlagszahlung des Jahres 2016 an die Kommunen in Höhe von rund 180 Millionen Euro sein; wir sprachen heute Morgen darüber. Damit wird den Kommunen eine weitere Vorfinanzierung erspart und so eine erhebliche finanzielle Entlastung geschaffen. Dieser Vorgang ist einmalig in der Geschichte unseres Landes und zeigt, dass diese Landesregierung beherzt zupackt und sich der aktuellen Herausforderung stellt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Flankiert werden soll dieser Kernpunkt durch den schnellen Ausbau und die Sanierung von Erstaufnahmeeinrichtungen, die Flüchtlingssozialarbeit und andere Maßnahmen der Flüchtlingshilfe wie die Sprachförderung; denn das Erlernen der deutschen Sprache stellt einen elementaren Baustein für eine gelungene und nachhaltige Teilhabe von Flüchtlingen in Niedersachsen dar. Deswegen wird mehr Geld für die Sprachförderung in Schulen, aber auch für Erwachsene bereitgestellt. Das ist ein Gebot der Stunde und Bestandteil der Willkommenskultur, die SPD und Grüne seit dem Regierungswechsel etabliert haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in dieser angespannten Lage ist es wichtig, dass die Dienststellen des Bundes die Asylverfahren schneller bearbeiten. Schnelle Asylverfahren stellen jetzt das A und O dar. Davon hängt alles ab - bis hinunter zu den Kommunen. Und hier - das betone ich nochmals - ist der Bund und sonst niemand gefordert.

Wenn 60 000 Menschen derzeit länger als ein Jahr auf eine Erstentscheidung ihres Verfahrens warten, 12 000 länger als zwei Jahre warten müssen und wir 265 000 unerledigte Anträge haben, dann muss sich das ändern.

(Christian Dürr [FDP]: Die Gründe sind bekannt, Herr Dr. Pantazis! Sie wiederholen sich! - Gegenruf von Pet- ra Tiemann [SPD]: Ihr wiederholt euch doch auch!)

Zwar will der Bund die Stellen des BAMF allein in diesem und im nächsten Jahr um insgesamt 2 000 erhöhen. Allerdings glaube ich, dass hier eine weitere Aufstockung erforderlich sein wird, um die Fülle der Altfälle zügig aufzuarbeiten. Außerdem müssen die neuen Stellen rasch mit qualifiziertem Personal besetzt werden.

Durch Aufnahme, Unterkunft und Versorgung der Flüchtlinge sind unsere Kommunen aktuell enorm beansprucht. Der Bund hat 2015 seine Unterstützung für diese auf 1 Milliarde Euro verdoppelt. Klar ist: Der Bund wird sich stärker an diesen Kosten beteiligen müssen als bisher. Er muss seine Zusage rasch umsetzen und Länder und Kommunen ab 2016 strukturell und dauerhaft unterstützen. Angesichts der prognostizierten Flüchtlingszahlen muss er für eine weitere deutliche Anhebung der Mittel

sorgen, die den erhöhten Bedarf angemessen widerspiegelt.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Niedersachsen erfährt in den letzten Jahren eine ansteigende Zuwanderung von Menschen - aus ganz unterschiedlichen Motiven. Ein Teil sucht Schutz. Andere möchten hier ihre berufliche Chance nutzen. Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen, müssen wir auch Perspektiven eröffnen, um das Asylsystem zu entlasten;

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

denn dieses ist das falsche Verfahren, um die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte in unser Land zu steuern.

(Zustimmung bei der CDU)

Dafür bedarf es eines transparenten, modernen Einwanderungsgesetzes.

(Jörg Hillmer [CDU]: Da sind wir uns doch einig!)

- Ja, natürlich mögen wir in dem Punkt einig sein.

Ich fordere Sie daher auf: Lassen Sie, Herr Thümler und Herr Hillmer, Ihren Worten und Ihren Papieren endlich Taten folgen! Setzen Sie sich dafür ein, dass auf Bundesebene noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetzentwurf verabschiedet werden kann!

(Zuruf von der CDU: Sind Sie im Bund nicht mit in der Regierung?)

- Dann überzeugen Sie doch Ihre Kollegen auf Bundesebene, wenn es so einfach ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was Europa betrifft, ist es schlichtweg eine Schande, dass es immer noch nicht gelungen ist, gemeinsam eine humane, solidarische Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Noch immer verweigern sich Mitgliedstaaten bis heute einer fairen Verteilung von Flüchtlingen.

Für uns steht fest: Die ansteigende Zahl flüchtender Menschen ist kein deutsches Problem, sondern vornehmlich ein europäisches; der Innenminister hat es vorhin schon angesprochen. Wenn Europa nicht seine Glaubwürdigkeit einbüßen will, dann muss es sich gerade jetzt als Werte- und Solidargemeinschaft bewähren.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im Umfeld der heutigen Sondersitzung hat eine Form von Legendenbildung eingesetzt, der ich gerne entgegentreten möchte. Da werden der Landesregierung Untätigkeit und eine verfehlte Willkommenskultur vorgeworfen

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

und gleichzeitig eine Art Pseudohistorie konstruiert. Ich finde, ein Blick in die Historie beugt auch dem Versuch einer Legendenbildung vor. Hatte sich nämlich die abgewählte schwarz-gelbe Landesregierung noch damit gerühmt, die erste Frau mit Migrationshintergrund zur Landesministerin in Deutschland erwählt zu haben, erschöpfte sich die dann folgende Integrationspolitik lediglich in folkloristisch anmutender Fassade. Inhalte und Akzente? - Fehlanzeige! Und wenn es denn welche gab, dann wurden diese durch ein restriktiv geführtes Innenministerium gesetzt.

Mit dem Regierungswechsel hat sich Rot-Grün darauf verständigt, sich für ein weltoffenes Niedersachsen einzusetzen und Vielfalt und Teilhabe zu stärken;

(Christian Dürr [FDP]: Das sind Sonn- tagsreden, Herr Dr. Pantazis! Sonn- tagsreden!)

denn mit dem 20. Januar 2013 ist es nicht nur zu einem Wechsel der Landesregierung gekommen, sondern auch zu einem Paradigmenwechsel auf dem Gebiet der Migrations- und Flüchtlingspolitik. Seither beweist Rot-Grün, dass man auf diesem Gebiet sehr wohl auf Inhalte und Akzente setzen kann. Wir haben eine restriktive, rein ordnungspolitisch geprägte Migrationspolitik, die zu entsetzlichen Tragödien um überfallartige Abschiebungen im Morgengrauen, zerrissene Familien und zerstörte Lebensentwürfe geführt hat, durch eine auf Teilhabe ausgerichtete Politik ersetzt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nach leidvollen Erfahrungen üben wir an der Seite der Flüchtlingsverbände, der Kirchen und anderer Initiativen wieder mehr Menschlichkeit im Umgang mit Flüchtlingen.

(Christian Grascha [FDP]: Peinliches Blabla!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, da Sie in Ihrem Antrag „Handeln statt Reden“ einfordern und hierfür ein 10-Punkte-Sofortprogramm

vorgelegt haben, darf ich Sie daran erinnern, dass wir unseren Worten sehr wohl auch Taten haben folgen lassen.

(Jens Nacke [CDU]: Null!)

Hätten Sie einen Blick auf die parlamentarischen Entschließungen der letzten zweieinhalb Jahre geworfen - ich habe einmal einige mitgebracht -, hätten Sie feststellen müssen, dass Ihre Forderungen nicht nur Bestandteil bereits laufender parlamentarischer Initiativen sind, sondern vielmehr bereits Beschlüsse des Parlaments darstellen. Ich verstehe ja, dass Sie in dieser Sondersitzung stattfinden wollen. Aber Ihr Antrag ist teilweise redundant, überflüssig - sprich: alter Wein in neuen Schläuchen, Herr Birkner.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Nicht nur teilweise! Komplett!)

Was das Handeln betrifft, kann ich Sie beruhigen; denn die Halbzeitbilanz unserer bisher geleisteten Arbeit auf diesem Politikfeld kann sich ressortübergreifend sehen lassen.

(Zurufe von der CDU: Oh! - Christian Dürr [FDP]: Erst wird etwas von Ge- meinsamkeiten erzählt, und dann schlagen Sie hier zu!)

So haben wir die Leitstellen für Integration zu landesweiten Koordinierungsstellen für Migration und Teilhabe weiterentwickelt.

Zur Stärkung der Willkommenskultur unterstützen wir die landesweit aktiven Migrantenorganisationen und die Arbeit des Flüchtlingsrates.

(Christian Grascha [FDP]: Sparen Sie sich das Geseiere!)

Wir haben die Härtefallkommission reformiert.