Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sicher: Wir schaffen das!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich darf zunächst feststellen, dass die Regierungserklärung von Herrn Ministerpräsident Weil 52 Minuten gedauert hat. Das löst - getreu unserer Gepflogenheit hier in unserem Hause - folgende Redezeiten aus: Die beiden großen Fraktionen erhalten ebenfalls jeweils 52 Minuten Redezeit, die beiden - pardon - nicht ganz so großen Fraktionen erhalten die Hälfte dieser Redezeit, also jeweils 26 Minuten.

Bevor wir die Debatte fortsetzen, möchte ich hier Herrn Landesbischof Meister, der zu uns gestoßen ist, ganz herzlich begrüßen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, uns liegt jetzt eine Wortmeldung der CDU-Fraktion von Herrn Fraktionsvorsitzenden Thümler vor. Herr Thümler, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Weil, endlich tut sich etwas! Endlich sind Sie aufgewacht! Endlich beginnen Sie damit, Ihren verhängnisvollen Kurs der vergangenen zweieinhalb Jahre zu ändern!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Weil, Sie haben angekündigt, den Kommunen für die Flüchtlingsversorgung weitere 180 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, die Zahl der Sprachlernklassen von 300 auf 550 zu erhöhen und für die Erstaufnahme weitere 11 000 Plätze in Notunterkünften zu schaffen.

All diese Punkte, meine Damen und Herren, haben wir schon vor der Sommerpause gefordert. All diese Punkte hätten Sie schon vor der Sommerpause auf den Weg bringen können. Jeden unserer Anträge, den wir dazu hier in diesem Plenar

saal gestellt haben, haben Sie sogar in namentlicher Abstimmung abgelehnt. Dadurch haben Sie wertvolle Zeit verloren und verstreichen lassen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Weil, Sie haben heute wieder behauptet, die Dynamik sei vor der Sommerpause nicht absehbar gewesen, wie Dienstag auch Ihr Finanzminister bereits gesagt hat. Tatsache aber ist:

Erstens. Sie haben sich bereits im letzten Jahr in den Erstaufnahmeeinrichtungen mit Provisorien beholfen.

Zweitens. Schon im August 2014 hat die Landesaufnahmebehörde am Standort Braunschweig eine Turnhalle für Unterkunftszwecke anmieten müssen.

Drittens. Im Januar 2015 hat die Landesaufnahmebehörde am Standort Friedland ein Hotel als Außenstelle in Duderstadt anmieten müssen.

Viertens. Anfang August richtete SchleswigHolstein kurzfristig zwei neue provisorische Erstaufnahmeeinrichtungen in Rendsburg und Albersdorf ein. Zu diesem Zeitpunkt begnügten Sie sich damit, 3 000 Flüchtlinge ohne Vorwarnung auf die Kommunen weiterzuverteilen. Daraufhin forderten der Landkreistag, der Städtetag sowie der Städte- und Gemeindebund die unverzügliche Schaffung von zusätzlich 5 000 Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen.

Fünftens. Hannelore Kraft geht schon seit längerer Zeit von wesentlich höheren Zahlen des Zuzugs von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus.

Das belegt: Sie hätten frühzeitig Vorsorge treffen können und müssen. Aber das ist leider nicht geschehen.

Immerhin: Jetzt haben Sie erkannt, dass unsere Forderungen berechtigt waren. „Besser spät als nie!“, wie der Volksmund sagt. Ihren Kurswechsel begrüßen wir daher ausdrücklich.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir freuen uns, dass unser Antrag auf Sondersitzung als Weckruf Sie wachgerüttelt hat.

(Johanne Modder [SPD]: Ach, Herr Thümler!)

Ich will übrigens ausdrücklich sagen, weil das in den letzten Tagen häufig mal hier oder dort Thema war: Es geht ausdrücklich nicht darum, die Landes

regierung in dieser Frage vorzuführen, sondern es geht ausdrücklich darum, dass wir in Deutschland, in Niedersachsen in einer Notsituation sind, die wir nur gemeinsam meistern können. Aber wir müssen darüber reden. Deswegen dieses Sonderplenum, damit wir Zeit haben, darüber zu reden, meine Damen und Herren. Die sollten wir uns heute den ganzen Tag nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir freuen uns, dass Sie endlich damit begonnen haben, unsere Forderungen umzusetzen. Deshalb unterstützen wir Sie auch bei der Durchsetzung der jetzt gebotenen Maßnahmen, Herr Ministerpräsident. Ich kann für die Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion hier erklären, dass wir bereit sind, unsere staatspolitische Verantwortung für das Ganze zu übernehmen. Wir sind bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen im Haushalt gemeinsam mit Ihnen zu schaffen, den finanziellen Mehrbedarf, der ansteht, zu decken.

Gehen Sie auf uns zu! Ergreifen Sie unsere ausgestreckte Hand! Es wäre ein starkes Signal dieses Hauses, wenn es gelänge, den zweiten Nachtragshaushalt für 2015 in großer Einmütigkeit zu beschließen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Aber, Herr Weil: Mit den von Ihnen angekündigten Maßnahmen ist es noch lange nicht getan. Sie haben es aus meiner Sicht leider versäumt, hier klar zum Ausdruck zu bringen, was die nächsten anstehenden Schritte sein werden, die getan werden müssen, um der Situation und den Herausforderungen gerecht zu werden. Dazu kam von Ihnen leider nichts.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Dann haben Sie nicht zugehört!)

Ich sage Ihnen: Mit dem, was Sie angekündigt haben, sind die bestehenden Probleme noch lange nicht gelöst. Es gibt noch viel zu tun. Die größten Herausforderungen liegen noch vor uns. Dazu hätten wir uns deutliche Worte, die zukunftsweisend sind, gewünscht, damit gemeinsam das, was kommen muss, debattiert und der Weg beschritten werden kann. Denn noch immer kommen Tag für Tag Sonderzüge mit Tausenden von Flüchtlingen nicht nur in München an, sondern mittlerweile ist auch Fehmarn zu einem Flüchtlingslager geworden, weil sich Dänemark weigert, Flüchtlinge nach

Schweden durchreisen zu lassen. Täglich kommen nach wie vor mehrere Tausend Menschen über das Mittelmeer. Auch hier ebbt der Flüchtlingsstrom aus Syrien nicht ab. Zugleich beginnt aber die kalte Jahreszeit.

Alle staatlichen Ebenen sind weiterhin gefordert. Nicht nur Europa, Bund und Kommunen, sondern auch und gerade die Länder sind gefordert. Aus unserer Sicht muss dazu Folgendes auf den Weg gebracht werden:

Erstens. Sorgen Sie endlich für eine menschenwürdige Unterbringung der Flüchtlinge in allen Erstaufnahmeeinrichtungen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns in den letzten Tagen selbst einen Eindruck von den teils katastrophalen und unhaltbaren Zuständen in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verschafft. Ich muss sagen: Das, was wir dort zum Teil gesehen haben, hat mich tief betroffen gemacht. Wir sahen Menschen, die in Gängen und Treppenhäusern schlafen mussten. Es gab viel zu wenige sanitäre Anlagen für die große Zahl an Menschen; die wenigen, die es gab, befanden sich in einem unhaltbaren hygienischen Zustand. Neuankömmlinge bekamen zumeist nur noch Matratzen zugewiesen und mussten sich selbst irgendwo auf dem Gelände einen freien Platz suchen. Es fehlt an Schlafsäcken, es fehlt an Bettbezügen. Flüchtlinge müssen bei der Essensausgabe zum Teil über zwei Stunden auf Mahlzeiten und Getränke warten, die sie auch nur bei der Essensausgabe bekommen; ansonsten findet keine Getränkeausgabe in diesen Erstaufnahmeeinrichtungen statt. Nicht registrierte Personen bekommen außer Essen und Trinken in der Kantine keine weiteren Sachleistungen oder Geld. Zum Teil müssen sie bis zu zwei Monate auf die Registrierung warten. Viele Zelte waren und sind ohne Heizung, ohne Strom und ohne Licht.

Meine Damen und Herren, das kann nicht die von Ihnen beschworene Willkommenskultur sein, die Sie als rot-grüne Landesregierung propagiert haben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will Ihnen sagen, wozu das führt: Gestern Abend bekam ich einen Anruf aus Oldenburg, in dem mir besorgt mitgeteilt worden ist, dass sich am gestrigen Tage Flüchtlinge, die aus Friedland nach Oldenburg verlagert worden sind und dort in Containern untergebracht werden sollten, gewei

gert haben, diese Container zu betreten. Das haben sie nicht gemacht, weil diese Container im Inneren unmenschlich oder unzumutbar wären. Das haben sie gemacht, weil diese Container ein solches äußeres Erscheinungsbild hatten, dass diese Menschen Angst hatten, dass sie eingesperrt würden. Es hat drei Stunden gedauert, diese albanische Familie mit kleinen Kindern davon zu überzeugen, diese Unterkunft zumindest einmal in Augenschein zu nehmen, um zu gucken, ob sie im Inneren nicht doch in Ordnung wäre. Es hat einen Nervenzusammenbruch, viele Tränen und gutes Zureden gekostet, bis diese Familie nach drei Stunden tatsächlich einen Blick hineingeworfen und festgestellt hat, dass es okay ist und dass man das so akzeptieren kann.

Ich will Ihnen damit sagen: Die Traumata-Erlebnisse dieser Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die ohnehin schon viel erlebt haben, setzen sich dann, wenn sie weiterverteilt werden, fort. Und das, meine Damen und Herren, dürfen wir gemeinsam nicht zulassen! Das kann nicht unsere Willkommenskultur für die Menschen sein, die zu uns kommen und die wir in Deutschland integrieren wollen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Machen Sie endlich alle Unterkünfte winterfest! Viele Flüchtlinge kommen nach einer langen Reise geschwächt nach Deutschland. Für diese Menschen besteht nach unserer Ansicht und auch nach Ansicht von Medizinern ein hohes Influenza-Risiko.

Nun handelt es sich bei den neu geschaffenen Notunterkünften überwiegend um Zeltstädte. Wir wissen, dass Sie dabei sind, andere Unterkunftsformen zu finden. Es gibt gute Beispiele, wie das gelingen kann. Allerdings muss eine Zeltstadt natürlich schnell ersetzt werden, weil: Jetzt beginnt die nasse Jahreszeit, und es wird kälter. Zelte können keine Dauerlösung für den Winter sein - egal, ob Sie darin eine Heizung haben oder nicht -, weil es feucht und klamm ist. Und das ist für diese Menschen nicht zumutbar.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Drittens. Stocken Sie das Verwaltungspersonal in den Erstaufnahmeeinrichtungen auf!

Für reibungslose und schnelle Asylverfahren brauchen wir nicht nur mehr Mitarbeiter in den Außenstellen des BAMF. Wir brauchen ebenso mehr Verwaltungsangestellte und -kräfte bei der Landesaufnahmebehörde. Bevor die Asylsuchenden

ihren Asylantrag bei der Außenstelle des BAMF stellen, bedarf es einer Erstregistrierung durch Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde.

Die NOZ berichtete mit Datum vom 3. September zur Situation in Bramsche: