Protokoll der Sitzung vom 10.09.2015

Zum Schluss ist mir noch eines wichtig: Die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft mit unterschiedlichen, teils auch traumatischen Erfahrungen ist und bleibt eine große Herausforderung. Aber wir können sie bewältigen - auch in haushaltspolitischer Hinsicht. Wir sollten diese Situation allerdings auch als Chance begreifen. Wir dürfen Flüchtlinge und Asylsuchende nicht ausschließlich unter Kostengesichtspunkten betrachten.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Geuter. - Es hat sich jetzt der Minister zu Wort gemeldet. Herr Minister Pistorius, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die finanzpolitischen Prioritäten der rotgrünen Landesregierung im Allgemeinen - das werden Sie verstehen - überlasse ich zwar lieber meinem Kabinettskollegen, dem Finanzminister Peter-Jürgen Schneider, den ich heute ausnahmsweise vertrete. Schließlich haben wir nächste Woche auch noch eine reguläre Landtagssitzung, bei der die Landesregierung Ihnen planmäßig den Haushaltsplanentwurf 2016 und die Mittelfristige Planung 2015 - 2019 vorlegen wird. Wir wenden uns aber heute der Frage der Flüchtlingspolitik zu, und da sind die Prioritäten überaus klar und deutlich.

Bereits mit dem ersten Nachtragshaushalt 2015 haben wir im Juli dieses Jahres ein Bündel von Entlastungsmaßnahmen auf den Weg gebracht, um die außergewöhnlichen Belastungen der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen abzufedern, meine Damen und Herren. Mit der im Zentrum des Nachtragshaushalts stehenden Soforthilfe des Landes in Höhe von 40 Millionen Euro und der Verdoppelung der pauschalen Hilfe des Bundes in Höhe von 80 Millionen Euro beläuft sich bereits heute die für 2015 etatisierte Kostenerstattung für die Kommunen auf rund 240 Millionen Euro. Bezieht man darüber hinaus die weiteren Ausgaben für den Flüchtlingsbereich - Stichworte Landesaufnahmebehörde und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge - mit ein, erhöht sich dieser Betrag um knapp 110 Millionen Euro auf einen Gesamtbetrag von rund 350 Millionen Euro. Das ist ein gewaltiger Betrag.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Wir sehen aber auch, dass die Zahl der Flüchtlinge in den letzten Wochen eine enorme Dynamik erreicht hat, sodass es weiterer finanzieller Unterstützung bedarf. Der Wille und die Notwendigkeit, den Schutzsuchenden in Niedersachsen die erforderliche Hilfe zu bieten und gleichzeitig unseren Kommunen zeitnah die finanzielle Entlastung zukommen zu lassen, zeichnet dabei den gemeinsamen Weg dieser Landesregierung vor. Aus diesem Grund hat sich die Landesregierung dazu entschieden, einen weiteren Nachtragshaushalt 2015 aufzulegen.

Kernpunkt dieses Nachtrags ist eine vorzeitige Abschlagszahlung der nach dem Gesetz bereits feststehenden Zahlung des Jahres 2016 an die Kommunen in Höhe von rund 180 Millionen Euro. Damit wird den Kommunen eine weitere Vorfinanzierung dieser Kosten erspart. Das ist ein wesentlicher Faktor.

Auch bei der Frage der räumlichen Unterbringung in den Erstaufnahmeeinrichtungen und in landeseigenen Gebäuden sorgt die rot-grüne Landesregierung mit zusätzlichen 70 Millionen Euro für eine gezielte Entlastung.

Darüber hinaus ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Flüchtlingspolitik die Sprachförderung innerhalb und außerhalb der Schulen. Sprache ist nun einmal einer der wichtigsten Faktoren für eine gelungene Integration. Zu diesem Zweck werden wir dem schulischen Bereich Finanzmittel im Umfang von 700 Lehrerstellen und dem Etat der Erwachsenenbildung weitere 5 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Gelungene Integration hängt aber auch immer stark von der Einstellung der Menschen vor Ort ab. Nicht zuletzt die breite Unterstützung am vergangenen Wochenende hat, wie ich finde, eindrucksvoll belegt, wie hilfsbereit, solidarisch und weltoffen sich die Menschen in Deutschland und in Niedersachsen zeigen, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Eine herzliche, eine offene Willkommenskultur ist das Leitbild der aller-, allermeisten Menschen in diesem Land. Sie ist auch das Leitbild unserer Politik. Genau dieses gilt es zu wahren, zu unterstützen und weiterzuentwickeln.

Um das auch finanziell zu untermauern, stocken wir im Sozialhaushalt die Mittel zur Stärkung des Ehrenamtes und der Flüchtlingssozialarbeit weiter auf. Insgesamt werden hierfür zusätzlich 6 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, für den Haushalt 2016 und die mittelfristige Finanzplanung sollen dann im weiteren Verfahren zur Haushaltsaufstellung die notwendigen Ansätze auf der Grundlage der sich abzeichnenden und am 24. September dieses Jahres zu konkretisierenden Bundesbeteiligung von mindestens - ich betone: mindestens - 3 Milliarden Euro gebildet werden.

Niedersachsen wird sich bei der noch ausstehenden Einigung mit dem Bund dafür einsetzen, dass

eine hohe und vor allem dauerhafte und dynamische Beteiligung des Bundes an der Flüchtlingsversorgung endlich Einzug hält; denn unstreitig ist, dass die Bewältigung der Herausforderung der steigenden Flüchtlingszahlen eine gesamtstaatliche Aufgabe ist, eine nationale Aufgabe, wie jetzt auch die Bundeskanzlerin erkannt hat. Der Bund hat jetzt eingeräumt, dass dieser Schritt notwendig ist. Nun erwarten wir, dass er seine angekündigten Hilfen verstetigt und dynamisch an die Flüchtlingszahlen anpasst.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch wenn die Frage der künftigen Finanzierung aufgrund der noch ausstehenden Einigung mit dem Bund heute noch nicht abschließend beantwortet werden kann, zeigt sich, dass durch die Abschlagszahlung des Landes eine erhebliche Entlastung für die niedersächsischen Kommunen erreicht wird. Wir tun, was nötig ist, weil wir davon überzeugt sind, dass es das Richtige ist - für die Flüchtlinge und für die Kommunen.

Meine Damen und Herren, auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen: Wir stehen auch in dieser Frage Seite an Seite mit den Kommunen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Pistorius. - Damit ist die Besprechung zu Punkt a beendet.

Ich eröffne jetzt die Besprechung zu

b) Für Realismus und Pragmatismus in der Flüchtlingspolitik - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/4161

Dazu bekommt Jens Nacke, CDU-Fraktion, das Wort. Bitte schön, Herr Nacke!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion hat für die heutige Sondersitzung insgesamt vier Entschließungsanträge, eine Resolution und einen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben damit ein Gesamtpaket für diese Sitzung zur Beratung vorgelegt, wie auf die aktuelle Situation der Flüchtlinge in Deutschland

und die Herausforderungen, die sich damit für unsere Gesellschaft ergeben, reagiert werden soll.

Hinsichtlich der Einlassungen insbesondere der Fraktionsvorsitzenden der SPD, Frau Modder, frage ich mich ernsthaft: Wann ist denn ein Grund für eine Sondersitzung des Landtages gegeben, wenn nicht eine solche Situation, wie wir sie derzeit bei uns in Niedersachsen vorfinden, für dieses Haus Grund genug ist, umfassend die Situation zu besprechen?

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist peinlich, dass die Fraktionsvorsitzende der SPD schon ganz zu Beginn den Antrag der CDUFraktion auf eine Sondersitzung des Landtages in einer Pressemitteilung als reinen Populismus bezeichnet hat.

Heute hat sie das leider fortgesetzt. Ich möchte das ansprechen und auch die Aktuelle Stunde dafür nutzen. Mit Blick auf die Arbeit der anderen Fraktionen hat sie Begriffe wie „besserwisserisch“, „lächerlich“ und „beschämend“ gewählt. Besonders herausragend ist dabei, dass das alles in ihr Skript hineingeschrieben war, bevor sie die Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU überhaupt gehört hatte.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das ist keine Dialogkultur mehr in diesem Haus. Sie verunglimpfen im Vorfeld einer Rede die Arbeit der anderen Fraktionen! Das ist nicht in Ordnung.

Hinsichtlich unseres Vorwurfs der Tatenlosigkeit hat Frau Piel gerade den Begriff „jämmerlich“ benutzt - diesmal in Richtung der Kollegen von der FDP. Ich stelle allerdings fest: Es gab selbstverständlich Gelegenheit - die FDP hat davon auch Gebrauch gemacht -, bereits zu dieser Sondersitzung eigene Vorschläge zu unterbreiten, eigene Initiativen zu ergreifen und Entschließungsanträge vorzustellen. Seitens der SPD ist nichts gekommen. Es gibt keine eigenen Vorschläge von SPD und Grünen zur Frage der Flüchtlingspolitik. Das ist festzustellen.

(Lachen bei den GRÜNEN)

Außerdem kam der Vorwurf, das sei ja alles eine Woche zu früh; es hätte doch auch noch ausgereicht, eine Woche später über diese Frage zu diskutieren.

(Zurufe von Meta Janssen-Kucz [GRÜNE] und Helge Limburg [GRÜ- NE])

Nun stelle ich fest: Der Ältestenrat hat getagt, aber zur nächsten Sitzung gibt es wieder keine Initiativen von SPD und Grünen zu dieser besonderen Fragestellung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das liegt nicht etwa daran, dass Sie andere Themen als wichtiger erachtet haben. Nein! Sie haben nämlich für den nächsten Plenarsitzungsabschnitt bei vier möglichen Entschließungsanträgen nur zwei Anträge gestellt. Sie melden sich nach und nach aus der parlamentarischen Debatte dieses Landes ab. Das ist festzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich sage Ihnen auch, woran das liegt. An der unterschiedlichen Zustimmung oder unterschiedlich starkem Applaus und Ähnlichem konnte man das ablesen, und man konnte das auch ein bisschen aus den Reden heraushören. Sie sind uneinig in dieser Frage. Es gibt Streit zwischen SPD und Grünen. Sie werden sich nicht einig. Deswegen überlassen Sie es mit viel Mühe der Landesregierung. Sie melden sich ab, und das ist dem Parlamentarismus in diesem Land nicht zuträglich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Meta Janssen-Kucz [GRÜ- NE])

Anstatt sich ernsthaft mit den Fragen, die wir jetzt hier diskutieren müssen, auseinanderzusetzen - Wie bringen wir die Flüchtlinge unter? Wie leisten wir Integration? Wie wollen wir in einer ganz, ganz schwierigen Situation weiter verfahren? Dass die Situation schwierig ist, hat niemand infrage gestellt -, arbeiten Sie als grüne Sprachwächter. Sie lassen eine Resolution nahezu an dem Begriff „Fremdenfeindlichkeit“ scheitern, weil Sie ihn nicht mehr verwenden wollen. Wir haben nicht gewusst, warum. Daraufhin haben Sie gesagt: Man darf die Leute nicht als Fremde bezeichnen. - Der Ministerpräsident, der seine Regierungserklärung abgegeben hat und seither nicht mehr hier ist - das finde ich im Übrigen genauso peinlich -, hat sich nicht daran gehalten und den Begriff „Fremdenhass“ benutzt. Sie müssten ihm jetzt eigentlich einen Vorwurf machen.

Diese Sprachwächterei! Sie werfen uns vor, wir würden zwischen guten und schlechten Flüchtlingen unterscheiden. Ich habe einen solchen Begriff

nicht ein einziges Mal von irgendjemandem hier gehört. Niemand tut das. Sie unterstellen das aber den anderen Fraktionen, weil Sie sich dadurch moralisch erhöhen wollen. Das stört in einer solchen Debatte.

(Beifall bei der CDU)

Es muss doch möglich sein, zwischen den Verhältnissen in Syrien und denen in Serbien zu unterscheiden. Es gibt doch Unterschiede zwischen den Verhältnissen in Eritrea und denen im Kosovo. Sie selbst reden von Kriegs- und Krisengebieten. Sagen Sie mir bitte, ob Sie Serbien und den Kosovo dazu zählen oder nicht! Das wäre einmal eine interessante Einlassung.

(Glocke des Präsidenten)