Protokoll der Sitzung vom 17.09.2015

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Bernd-Carsten Hiebing, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Innenminister, Sie hatten eben über mögliche Änderungen beim Rückführungserlass gesprochen. Wir wissen ja, dass in Baden-Württemberg, auch wenn Sie Quoten als nicht besonders zielführend ansehen, dieser Rückführungserlass sozusagen zielführender angewandt werden kann. Können Sie dem Parlament einmal präzise sagen, wie Sie Ihren Rückführungserlass in Teilen ändern wollen, um die eine oder andere Rückführung eher zu ermöglichen, vor allen was die Ankündigungen anbelangt? - Denn das scheint ja ein nicht gerade kleines Problem zu sein.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Haben Sie nicht zugehört?)

Herr Limburg, es gibt eine Frage, und es gibt eine Antwort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Hiebing, ich gebe die Antwort sehr gerne.

Es ist relativ einfach: Ausgangsposition für unseren Rückführungserlass war seinerzeit die Erkenntnis, dass viele der Menschen, die zur Ausreise anstanden, die ausreisepflichtig waren, bereits über mehrere Jahre in Deutschland gelebt hatten. Kurzzeitige Aufenthalte waren die Ausnahme. Deshalb sind wir davon ausgegangen und hielten es für richtig -

und nach wie vor halten wir es für richtig -, dass jemand, der längere Zeit in Deutschland lebt, ohne einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu haben, vor einer Abschiebung ein ausreichendes Zeitfenster bekommen sollte, um seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln. Deswegen haben wir eine Regelung getroffen, die sagt: Im Regelfall ist anzukündigen.

Wir stellen jetzt aber fest - so ist das eben mit Entwicklungen -, dass die Zahl derjenigen, die kürzere Zeit hier sind, steigt, und zwar durch beschleunigte Verfahren - hoffentlich weiter zu beschleunigende Verfahren - und vieles andere mehr. Das heißt, der Bedarf, der damals für die große Gruppe der Menschen, die länger hier waren, eindeutig gegeben war, wird von uns nicht für diejenigen gesehen, die erst kurze Zeit da sind. Deswegen werden wir mit den kommunalen Spitzenverbänden jetzt konkret über diesen Punkt reden. Wir werden auch alle anderen in einem geordneten Verfahren beteiligen.

Unser Vorschlag ist, dass in Fällen, in denen Menschen weniger als 18 Monate hier sind, Abschiebungen bei Einzelpersonen nicht mehr angekündigt werden müssen. Das heißt, die Kommunen können auf eine Ankündigung verzichten. Das ist eine Umkehrung des bisherigen Regel-AusnahmeVerhältnisses. Die Regel wird sein: Es muss nicht angekündigt werden, und es muss auch nichts geprüft werden. - Die Ausnahme ist: Wenn sie im Einzelfall in ihrer Auslegung des Ermessens die Notwendigkeit sehen, haben sie den Spielraum, zu sagen, dass sie ankündigen oder dass sie nicht ankündigen. Das gilt für die Alleinreisenden.

Bei den Familien ändert sich zunächst nichts - aus bekannten und, wie ich finde, auch nach wie vor richtigen Gründen.

Aufgrund der Vielzahl der Zugänge mussten wir feststellen, dass sich durch die doppelte oder wiederholte Belehrung über die Möglichkeit, einen Härtefallantrag zu stellen, weitere Verzögerungen im Verfahren ergeben, die sich kontraproduktiv auswirken, und zwar gerade bei denjenigen, die nur kurze Zeit hier sind. Bei jenen, die schon seit drei oder vier Jahren hier sind, ist das ein Zeitfenster, das man ertragen könnte. Aber bei jemandem, der eigentlich nach sechs Monaten wieder nach Hause zurückgeführt werden könnte, macht das wenig Sinn. Also schlagen wir vor, in diesen Fällen auf die wiederholte Belehrung zu verzichten.

Die Kommunen legen ihrerseits Wert darauf, dass das ordentlich abgestuft wird, damit sie nicht durch einen Härtefallantrag - nämlich den ersten - von

einer Abschiebung wieder Abstand nehmen müssen und auf den Kosten sitzen bleiben. Deswegen machen wir keine wiederholte Belehrung mehr. Dadurch werden im besten Fall vier bis sechs Wochen gespart. Das ist wertvoll und richtig.

Die letzte Regelung, die wir treffen werden, ist, die Härtefallkommissionsverordnung dahin gehend zu ändern, dass wir den überschaubaren Katalog der absoluten Nichtannahmegründe erweitern, und zwar mit folgender Begründung: Wir haben heute die Situation, dass viele Menschen einen Härtefallantrag stellen, obwohl sie erst wenige Monate - oder meinetwegen ein knappes Jahr - hier sind. Diese Fälle werden entweder von der Vorprüfung gar nicht erst zur Härtefallkommission durchgelassen - das macht die überwiegende Zahl der abgelehnten Fälle aus -, oder sie werden, wenn sie bis zur Härtefallkommission vorgelassen werden, unisono abgelehnt. Das heißt, wir vollziehen hier mit der Erlassregelung eine Spruchpraxis der Härtefallkommission bei diesen Fällen, was auch naheliegend ist; denn jemand, der erst seit kurzer Zeit hier ist, war in der Regel aus naheliegenden Gründen nicht wirklich in der Lage, Integrationsleistungen zu erbringen.

Da es die Sorgfalt aber auch hier von uns verlangt, einen Tatbestand zu schaffen, der denkbare Einzelfälle, Ausnahmefälle auffängt, wollen wir - Entschuldigung, ich muss einen Schluck trinken -

(Der Redner trinkt einen Schluck Wasser)

der Vorsitzenden der Härtefallkommission die Möglichkeit einräumen - wenn erkennbar ist, dass jemand, der zwar erst seit 15 Monaten hier ist, aber nachweisbar viele Integrationsleistungen erbracht hat, wie auch immer ihm das gelungen ist -, dass sich die Härtefallkommission im Einzelfall mit solchen Fällen befassen kann. Das heißt, auch da eine ausgewogene, aber auch klare Änderung der Richtung für eine bestimmte Personengruppe mit dem klaren Ziel, das Verfahren zu beschleunigen und von Schritten zu entlasten, die nicht nötig sind, weil sie nicht dazu dienen, unsere Intention, die nach wie vor richtig bleibt, bei dieser Gruppe von Menschen wirklich zu stützen.

Ich hoffe, ich habe mich entsprechend klar ausgedrückt.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es folgt jetzt eine Zusatzfrage für die Fraktion der FDP. Kollege Dr. Genthe!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Innenminister gestern mitgeteilt hat, dass er Beschlagnahmen geprüft hat, um den von der CDU in der Dringlichen Anfrage erwähnten Unterbringungsnotstand abzuwehren, und eben gesagt hat, er wolle im Zweifel vorbereitet sein, frage ich die Landesregierung: Welche konkreten Umstände müssen eintreten, in deren Folge die Landesregierung Beschlagnahmen durchführen würde?

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister Pistorius, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schwierig, das hypothetisch zu beantworten, zumal ich nicht in die Gefahr geraten will, aufgrund einer Antwort, die ich auf eine hypothetische Frage nur hypothetisch geben kann, am Ende mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, dem Parlament nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Ich habe von einer abstrakten Prüfung gesprochen.

Lieber Herr Genthe, ich will es noch einmal sagen: Die Umstände, unter denen das konkret werden kann, kann ich nicht genau beschreiben. Das hängt davon ab, wie die weitere Entwicklung läuft und wie wir in der Erschließung, in der Zugänglichmachung von Liegenschaften für die Unterbringung von Flüchtlingen weiter vorankommen. Im Augenblick sehe ich auch auf Sicht keine Situation, in der uns das weiterhelfen würde oder in der das notwendig, rechtlich geboten oder durchsetzbar wäre, um einmal diese vier Faktoren zusammenzufassen. Von daher ist das für uns im Augenblick keine Option.

Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage: Kollege Bode, FDP-Fraktion!

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, vor dem Hintergrund, dass Sie gerade gesagt haben, das sei im Augenblick

für Sie keine Option, und vor dem Hintergrund der Berichterstattung im Focus auf der Onlineseite von gestern, wo berichtet wird, dass zwei Bundesländer in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe Änderungen an der Rechtslage von der Bundesregierung eingefordert haben, um erleichterte Beschlagnahmen durchführen zu können, frage ich Sie: Wie positioniert sich die Landesregierung zu dieser von zwei bisher nicht genannten Bundesländern beabsichtigten Änderung der Rechtslage, damit Beschlagnahmen von Einfamilienhäusern einfacher erfolgen können?

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung befasst sich mit dieser Initiative nicht, weil sie uns nicht berührt, nicht betrifft und wir kein Interesse daran haben, das voranzutreiben, zumal mir die Juristen meines Hauses sagen, dass, wenn es aus irgendwelchen heute von mir nicht vorstellbaren und beschreibbaren Gründen zu einer Beschlagnahme kommen müsste, das dann in der Regel ausreichend auf der Grundlage des Gefahrenabwehrrechts ginge. So eng wären dann also die Bedingungen, wenn es überhaupt zutrifft. Ich gebe jetzt ausdrücklich eine Rechtsauffassung von Juristen meines Hauses wieder.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist keine Frage, mit der ich mich jetzt täglich oder wöchentlich beschäftige.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das hört sich aber anders an!)

Ich habe gestern damit dokumentieren wollen, dass wir versuchen, uns auf Eventualitäten vorzubereiten, die aber gar nicht real sind. Wir können jetzt gerne noch drei Stunden darüber reden. Im Augenblick und absehbar gibt es in Niedersachsen keine Situation, in der irgendjemand über Beschlagnahmen von Liegenschaften, Immobilien oder Wohnungen nachdenkt. Ich weiß nicht, wie oft ich das jetzt noch sagen soll. Aber ich sage es gerne noch dreimal.

(Jörg Bode [FDP]: Weil Sie es gestern selbst gesagt haben! - Christian Dürr [FDP]: Sie haben es gestern ja selbst eingeführt! Das gibt ja Anlass zur Nachfrage!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren, ich will auf etwas hinweisen: Natürlich ist der ganz große Komplex Flüchtlingsbewegung etwas, was uns insgesamt beschäftigt. Sehr oft hat das eine mit dem anderen zu tun. Gleichwohl, Herr Kollege, meine Damen und Herren, geht es hier in concreto um den Rückführungserlass, sodass sich das Thema Beschlagnahme schon auf einem etwas anderen Felde bewegt.

(Jörg Bode [FDP]: Wo von einem Un- terbringungsnotstand die Rede ist!)

Ich weiß nicht, ob noch weitere Fragen beabsichtigt sind. Aber es gibt dazu andere Gelegenheiten. Wir sind noch bei Punkt 13 a und der Frage: Nimmt die Landesregierung ihre Rückführungserlasse zurück?

Die nächste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Nacke, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pistorius, vor dem Hintergrund, dass Sie uns gerade die Änderungen der Erlasslage vorgetragen haben und, wenn ich es richtig sehe, insgesamt 3 Änderungen von 24, die die Kommunen in ihrem Schreiben vom 10. September aufgeschrieben haben, zum Teil erfüllt werden, frage ich Sie: Wie weit treten Sie jetzt mit den Kommunen in ein Gespräch über dieses Schreiben ein, von dem Sie behaupten, Sie hätten es sogar angefordert, also über diese 24 Punkte, und wann konkret können die Kommunen dann mit einer Änderung der Erlasslage rechnen?

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Herr Minister, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Nacke,

(Heiterkeit bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Das klingt wie eine Drohung! Johanne Modder [SPD]: Anschnallen!)

- Ich verstehe jetzt das Gelächter auf der linken Seite nicht. Herr Nacke und ich mögen und schätzen uns.

(Jens Nacke [CDU]: Sprücheklopfer!)

- Ich sage doch die Wahrheit. Herr Nacke, ich dachte eigentlich, Sie hätten ein bisschen mehr Humor. Lassen Sie uns das Ganze ernsthaft angehen! Aber dazwischen darf man auch lächeln. Ich finde, das ist absolut in Ordnung.

(Zustimmung bei der SPD - Jens Na- cke [CDU]: Erzählen Sie das mal Ih- ren eigenen Truppen! - Zurufe von der SPD: Oh!)

Jetzt gebe ich Ihnen einmal eine Bemerkung zurück, die Sie bei mir bei jedem dritten Redebeitrag sagen: Seien Sie doch nicht so dünnhäutig!

(Jens Nacke [CDU]: Sie sind ein Sprücheklopfer, mehr nicht!)