Protokoll der Sitzung vom 16.12.2015

Vielen Dank, Frau Staudte. - Es liegt jetzt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention zu. Hermann Grupe von der FDP-Fraktion! - Sie stehen danach auf der Wortmeldeliste. Sie werden quasi zweimal hintereinander reden.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Frau Kollegin Staudte, Sie haben erwähnt, dass wir sehr intensiv über das Thema Lebensmittelverschwendung diskutiert haben. Das Erfreuliche ist: Wir alle waren uns einig, dass man alles unternehmen muss, damit Lebensmittel nicht weggeworfen werden.

Dazu habe ich noch eine Frage. Sie kritisieren den internationalen Handel immer sehr intensiv. So exportieren wir Geflügelteile. Das kann man kritisch sehen. Aber man muss doch dem Sachverhalt, dass bestimmte Teile der Tiere in Deutschland und Europa von den Verbrauchern nicht nachgefragt und nicht gegessen werden, Rechnung tragen! Wir haben also nur die Wahl, diese Teile von Tieren in Regionen zu exportieren, wo sie sehr geschätzt werden - so werden Schweineöhrchen im asiatischen Raum teilweise doppelt so hoch bezahlt wie allerbester Schinken -, oder sie wegzuwerfen.

Wieso also sind Sie gegen den internationalen Handel, wenn es Länder gibt, in denen diese Lebensmittel geschätzt werden, und Sie doch mit uns

einig sind, dass wir die Verschwendung und das Wegwerfen von Lebensmitteln bekämpfen wollen?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helmut Dammann-Tamke [CDU] mel- det sich zu Wort)

Herr Dammann-Tamke, zum Verfahren: Sie können sich nur dann zu einer Kurzintervention auf Frau Staudte melden, wenn Frau Staudte gerade redet bzw. gerade geredet hat, aber nicht mehr dann, wenn Herr Grupe schon eine Kurzintervention macht. Das ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Ich räume ein, das ist etwas kompliziert.

Frau Staudte antwortet jetzt, und auf die Antwort gibt es dann auch keine Kurzinterventionen. Bitte schön, Frau Staudte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Grupe, Sie haben das schon sehr verkürzt dargestellt.

(Jörg Bode [FDP]: Nee!)

Das Problem ist doch, dass der Export z. B. bestimmter Geflügelteile die Märkte in anderen Ländern kaputtmacht.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Schweineoh- ren sind kein Geflügel! Das müssten selbst Sie wissen!)

Wir können zwar nicht einfach sagen, wir behalten das hier und essen es selbst,

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

aber wir müssen z. B. in der Verbraucherbildung das Augenmerk auf eine andere Kultur des Umgangs mit Fleisch und tierischen Produkten richten. Das ist ein langer Weg. Wir haben ja gemeinsam einen Antrag zu diesem Thema verabschiedet. Darin findet sich dieser Punkt nicht, und das zu Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Meine Damen und Herren, wir fahren in der Rednerliste fort. Hermann Grupe, FDP-Fraktion, bitte schön!

Vielen Dank. - Herr Präsident! „Die derzeitigen Verhältnisse sind für viele Betriebe existenzgefährdend“, sagt der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Gerhard Schwetje. Wir haben in Niedersachsen im vergangenen Wirtschaftsjahr Gewinneinbrüche um 45 % zu verzeichnen, bei der Milch um zwei Drittel. Die Eigenkapitalverluste betragen im Durchschnitt 10 000 Euro je Betrieb. Das ist eine dramatische Situation, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht erlebt haben.

Was tut nun die Landesregierung in dieser Situation, meine Damen und Herren?

Den Milchbauern, die sich in der schlimmsten Preiskrise seit Jahrzehnten befinden, dienen Sie den alten Hut der Mengenregulierung an. Aber die Mengenregulierung ist ein Ladenhüter, der nirgendwo in Europa noch an den Mann zu bringen ist. 30 Jahre Quotenregelung und miserable Milchpreise haben ganze Arbeit geleistet, meine Damen und Herren. Inzwischen hat auch wirklich der Letzte verstanden, dass damit den Landwirten in keinster Weise zu helfen ist, sondern dass diese Maßnahme gescheitert ist.

(Beifall bei der FDP)

Exportchancen zu verbessern, wie wir es fordern, hält der Minister für „abwegig und riskant“. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass der Bioland-Landesverband Nordrhein-Westfalen Milchpulver aus überschüssiger Menge nach Südkorea exportiert, und das in durchaus nennenswertem Umfang. Ich finde das klasse, der Minister hält das für abwegig und riskant.

(Jörg Bode [FDP]: Das ist ja ein Ding!)

Herr Minister, Sie treffen zielsicher immer die am härtesten, die Sie angeblich fördern wollen. Wenn Sie sagen, dass Sie die kleinen Betriebe schonen wollen, dann bricht bei denen der Angstschweiß aus, und wenn Sie sagen, Sie lassen unsere Bauern mit den Problemen nicht allein, dann klingt das für uns nach einer handfesten Drohung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will mir einmal die grundsätzliche Ausrichtung etwas näher angucken.

Die Landesregierung steht dem internationalen Handel kritisch gegenüber, das hören wir an allen Ecken und Enden. Das kann der Minister natürlich auch fachlich belegen. Auf der schon mehrfach zitierten Veranstaltung - und Parteitage sind nicht privat, sondern öffentlich, Herr Kollege - hat er

gesagt: „Unsere Tiere fressen das Brot der Armen.“ - Was für eine Aussage, meine Damen und Herren! Das ist unerträglich für jeden, der es mit der Ernährung der Menschen ernst meint.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das exakte Gegenteil ist der Fall. Die Flüchtlinge in den Flüchtlingslagern werden mit europäischem und amerikanischem Weizen ernährt. Durch Exporte in die Regionen der Welt, die sich nicht selbst ernähren können, bekämpfen wir den Hunger.

Im Übrigen frage ich mich: Die Landesregierung sagt, dass sie dem internationalen Handel kritisch gegenübersteht. Aber gilt das auch für bei Autos? Oder gilt das nur für Lebensmittel?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Autos, meine Damen und Herren, kann man überall produzieren. Dazu muss man nur eine Halle irgendwo hinstellen. Aber Lebensmittel kann ich fast nirgendwo produzieren, außer in den Gunstregionen. Dafür brauche ich nämlich die Natur und die Umwelt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Sie haben gar nichts verstanden!)

Meine Damen und Herren, 1960 lebten 3 Milliarden Menschen auf diesem Planeten. Heute sind es 7,3 Milliarden Menschen. Die Zahl hat sich also mehr als verdoppelt, und Jahr für Jahr werden es 80 Millionen mehr. Das entspricht der Einwohnerzahl der Bundesrepublik Deutschland. Die Zahl der Hungernden und Unterernährten ist in dieser Zeit mit etwa 1 Milliarde Menschen in etwa konstant geblieben. Das heißt, die Zahl der gut bzw. ausreichend ernährten Menschen hat sich in diesen 55 Jahren von 2 Milliarden auf 6,3 Milliarden erhöht und damit mehr als verdreifacht. Das ist eine gigantische Leistung der Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft und der Wissenschaft, die die Grundlagen dafür gelegt hat. Ich erwarte, dass Sie das endlich einmal zur Kenntnis nehmen und respektieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese Leistung ist erreicht worden durch Fortschritte in der Züchtung, durch eine entscheidende Verbesserung der Effizienz im Ressourceneinsatz sowie durch die Nutzung zusätzlicher Flächen. Aber im Wesentlichen gehen sie auf Ertragssteigerungen in den Gunstregionen, zu denen unser Land zählt, zurück. Und genau in diesen Gunstre

gionen der Welt wird auch in Zukunft die Ernährung der weiteren 2 Milliarden Menschen, die bis 2050 hier leben werden, gesichert werden müssen, sagen uns die Wissenschaftler. Das ist eine Herkulesaufgabe, der es alle Anstrengung und Kraft zu widmen gilt.

Sie sprechen ferner davon, dass Exportoffensiven der Bundesregierung zulasten der Kleinbauern in Entwicklungsländern gehen - wir haben es gerade wieder gehört -, obwohl die EU der weltweit größte Nettoimporteur von Agrarrohstoffen ist. Wenn wir nur noch importieren und nichts mehr exportieren würden, dann wären wir diejenigen, die den Armen die Nahrung wegessen würden. Es ist gerade nicht so, wie der Minister es verdreht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weiter heißt es bei Ihnen, unsere Exporte seien verantwortlich für den Welthunger, und sie seien Fluchtursache. Das war das Schlimmste, was in dieser ominösen Rede vorkam. Unsere Exporte sind verantwortlich für den Welthunger? Der Regen ist verantwortlich für die Dürre? - Da komme ich nicht mehr mit. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Ich komme bei Ihnen auch nicht mehr mit!)

Nicht unsere Exporte sind ein Risiko, sondern Sie, Herr Minister, sind ein Risiko für unsere Exporte, mit denen wir zur Ernährung der Menschen in den armen Ländern der Welt beitragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mir war es wichtig, diese Zusammenhänge darzustellen. Aber nun schauen wir einmal, was uns die Weltökonomen zuhause zu bieten haben.

In der schlimmsten Krise, die wir seit Langem erlebt haben, kürzen Sie das Agrarförderprogramm von 40 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro zusammen. Die 40 Millionen Euro haben immerhin Investitionen in mehr Tierwohl in Höhe von etwa 250 Millionen Euro ausgelöst.

Sie reden von Tierschutz und reduzieren gleichzeitig die Stallbauförderung. Das ist kein logisches Handeln.

Sie reden von Weidehaltung und machen gleichzeitig die Möglichkeiten durch überzogene Umweltauflagen zunichte. Ihr Vertreter im EUParlament, Herr Häusling, kritisiert bei der NECRichtlinie, dass die Weidetiere bei den Ammoni

akemissionen ausgenommen worden sind. Wir haben Sie in einer Anfrage gefragt, ob denn jetzt auch die Kuhställe, die Boxenlaufställe, die sehr tierfreundlich sind, eingehaust werden müssen, damit keine Emissionen mehr nach draußen gehen.

Sie antworten uns:

„Für Stallsysteme dieser Art steht die erforderliche Technik zur Abluftreinigung ohne vertretbare Tierwohlbeschränkung nicht zur Verfügung. Daher sieht die Landesregierung hier keine Pflicht, Abluftreinigungen für offene Rinderställe vorzuschreiben, weil dies zurzeit technisch nicht möglich ist und dem Tierschutz widersprechen würde.“