Protokoll der Sitzung vom 20.01.2016

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur ersten Landtagssitzung im neuen Jahr begrüße ich Sie namens des Präsidiums. Wir wünschen Ihnen einen guten Morgen.

(Zurufe: Guten Morgen, Herr Präsi- dent! - Unruhe)

Ich eröffne - so denn Ruhe einkehrt - die 85. Sitzung im 31. Tagungsabschnitt des Landtages der 17. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Ich darf zunächst darum bitten, dass Sie sich von den Plätzen erheben.

Meine Damen und Herren, am 17. Januar 2016 verstarb der ehemalige Abgeordnete Eugen Kohlenbach im Alter von 85 Jahren.

Eugen Kohlenbach gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der CDU-Fraktion von 1976 bis 1994 an. Während dieser Zeit war er Mitglied im Kultusausschuss, im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, im Ausschuss für Jugend und Sport und im Ausschuss für Städtebau und Wohnungswesen.

Während der 10. und 11. Wahlperiode hatte Eugen Kohlenbach den Vorsitz des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst und in der 12. Wahlperiode den Vorsitz des Kultusausschusses inne.

Wir werden den Kollegen in guter Erinnerung behalten und widmen ihm ein stilles Gedenken. - Ich danke Ihnen.

Das Plenum ist bereits gut besetzt. Ich kann damit schon jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 18.30 Uhr enden. Sie haben es natürlich selber in der Hand, dies aus gegebenem Anlass noch ein bisschen zu beschleunigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Umbau des Plenarsaals schreitet voran, und wir müssen uns damit befassen, wie irgendwann die Bestuhlung dort aussehen soll. Im Rahmen einer Bemusterung von Stühlen sollen die Anforderungen an die Bestuhlung des zukünftigen Plenarsaals definiert werden. Die Vorsitzenden der Fraktionen, die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen und die Mitglieder des Präsidiums sind zu diesem Zweck zu Beginn der heutigen Mittagspause in den Raum 1105 eingeladen. Alle anderen Mitglieder des Hauses haben im Laufe des Nachmittags Gelegenheit, in Raum 1105 die Stühle ebenfalls zu erproben und Rückmeldungen dazu zu geben. Sie leisten damit einen Beitrag zur Gestaltung des künftigen Plenarsaals und zur Eignung der dort eingesetzten Stühle. Ich freue mich daher über rege Beteiligung. Wenn ich das so sagen darf: Bringen Sie bitte Ihre volle Sitzkompetenz in die weiteren Beschlussfassungen ein.

Meine Damen und Herren, für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums aus Brake mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Björn Thümler übernommen.

(Beifall)

Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Multi-Media Berufsbildende Schule werden im Laufe der kommenden Tage wieder Sendungen im Rahmen des Projektes „Landtagsfernsehen“ erstellen. Sie halten sich während der Plenarsitzungstage im Vorraum zum Raum der Landespressekonferenz sowie im Raum der Landespressekonferenz auf und führen dort auch Interviews durch.

Die einzelnen Sendungen stehen im Internet auf der Homepage der Schule - www.mmbbs.de - bereit und sollen über den Regionalsender LeineHertz 106.5 und den Fernsehsender h1 ausgestrahlt werden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Klein mit.

Guten Morgen! - Für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Herr Ministerpräsident Weil ab 18 Uhr, Herr Landwirtschaftsminister Meyer ab 18 Uhr, von der CDU-Fraktion Herr Kollege Fredermann und Herr Kollege Ahlers - er kommt witterungsbedingt etwas später -, von der

SPD-Fraktion Herr Kollege Brinkmann und Herr Kollege Strümpel, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Scholing und von der Fraktion der FDP Frau Kollegin Bruns.

Danke schön, Herr Klein. - Wir gehen über zu dem

Tagesordnungspunkt 2: Aktuelle Sicherheitslage in Niedersachsen - Unterrichtung durch den Minister für Inneres und Sport

Die Landesregierung hat hierzu eine Unterrichtung angekündigt.

Ich erteile dem Herrn Innenminister das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Ende des Jahres 2015 und auch zu Beginn des neuen Jahres gab es mehrere Vorfälle, die uns in Deutschland, aber auch weltweit erschüttert haben. Da waren etwa die grauenhaften Anschläge, die im November in Paris und erst vor wenigen Tagen in Istanbul verübt wurden. Da waren aber auch die abscheulichen Szenen, die sich in der Silvesternacht in Köln und in abgeschwächter Form auch in anderen deutschen Städten ereignet haben, oder eben auch die wiederholten, verstärkten Angriffe von Rechtsextremisten auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte.

Vor dem Hintergrund all dieser Vorfälle war es mir ein Anliegen, Sie als Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags heute über die Sicherheitslage in unserem Land zu unterrichten. Denn die widerwärtigen Taten, die ich eben exemplarisch genannt habe, sind auf das Schärfste zu verurteilen, und, was genauso wichtig ist, meine Damen und Herren: Wir müssen sie konsequent verfolgen, unabhängig davon, welcher Herkunft der oder die Täter sind.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von Dr. Gero Hocker [FDP])

Meine Damen und Herren, die Polizei Niedersachsen sieht bei Straftaten allgemein sehr genau hin, bei Straftaten von Flüchtlingen, aber auch bei Straftaten gegen Flüchtlinge. Dazu haben wir in Niedersachsen ganz gezielte Maßnahmen ergrif

fen. Denn man muss wissen: Eine präzise Auswertung von Delikten, in denen Flüchtlinge als Opfer oder Tatverdächtige in Erscheinung treten, auf der Grundlage der bisher bundesweit geltenden Erfassungsrichtlinien zur Polizeilichen Kriminalstatistik, der PKS, ist nicht möglich gewesen.

Dennoch sind wir der Überzeugung: Eine solche Auswertung muss in Anbetracht der aktuellen Lage möglich sein. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, einen spezifischen Auswertungsmerker mit Flüchtlingsbezug in der polizeilichen Vorgangserfassung zu etablieren. Dadurch ist in Niedersachsen bereits seit dem 5. November 2015 eine genauere Auswertung möglich.

Nach erster - ich betone - vorläufiger Bewertung der Zahlen, die uns bisher vorliegen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass Flüchtlinge keinesfalls in einem unverhältnismäßig hohen Umfang als Tatverdächtige von Straftaten registriert werden. Es ist vielmehr so, dass nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge überhaupt polizeilich in Erscheinung tritt. Zu diesem Ergebnis kommt übrigens auch das Bundeskriminalamt in seiner gesondert durchgeführten Studie im Kontext von Kriminalität und Zuwanderung.

In Niedersachsen wurden in den Monaten November und Dezember insgesamt - ich betone: insgesamt -, also nicht nur von Flüchtlingen, 87 371 Straftaten registriert. Nicht mitgezählt sind hierbei spezielle ausländerrechtliche Verstöße. In 3 060 dieser mehr als 87 000 Fälle wurden Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt; das entspricht etwa 3,5 % aller Fälle. Bei einem Großteil dieser Fälle handelt es sich um Diebstahlsdelikte. Da die Ermittlungen zu diesen Fällen noch nicht in Gänze abgeschlossen sind und sein können und die abschließenden Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik für 2015 noch nicht vorliegen, ist es möglich, dass sich hinsichtlich dieser Fälle noch Veränderungen ergeben.

Was aber sagen uns diese Zahlen bis hierhin? - Sie bedeuten keineswegs, dass wir Kriminalität von Flüchtlingen verharmlosen sollen oder dürfen. Nein, auf keinen Fall! So etwas darf kein Tabuthema sein! Aber die Zahlen zeigen auch: Es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass der Zuzug von Flüchtlingen nach Niedersachsen mit einer enormen Zunahme von Kriminalität verbunden wäre, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Ich bin deshalb sehr dafür, dass wir eine sachliche Debatte führen - eine Debatte, die nicht verharmlost, aber auch nicht dramatisiert.

Auch die Form von sexueller Gewalt im Kontext von Großereignissen, wie sie u. a. in Köln stattgefunden haben, wurde in Niedersachsen bislang nicht registriert. Allerdings werden vereinzelt Straftaten natürlich auch mit sexuellem Bezug verzeichnet, bei denen Flüchtlinge als Tatverdächtige ermittelt wurden.

Das sogenannte Antanzen ist dagegen eine auch in Niedersachsen festzustellende, vergleichsweise aggressive Variante des Trick- bzw. Taschendiebstahls. Das Landeskriminalamt hat für das vergangene Jahr in einer sehr aufwändigen Analyse landesweit 375 sogenannte Antanz-Fälle festgestellt. Bei 160 der insgesamt 501 ermittelten Tatverdächtigen wurde eine Nationalität registriert. Am häufigsten wurden Tatverdächtige aus Algerien - 76mal - und Marokko - 35-mal - ermittelt.

Das LKA erfasst natürlich auch die Straftaten, die sich gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte richten. In Niedersachsen gab es seit dem 1. Januar 2015 110 Straftaten dieser Art. Dies ist ein enormer Zuwachs, nachdem es im Jahr 2014 nur acht entsprechende Straftaten gab.

Bei 89 dieser 110 Fälle aus dem letzten Jahr liegt eine rechte Tatmotivation vor. Bei diesen Taten handelt es sich überwiegend um Volksverhetzungen, Sachbeschädigungen und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Und wie Sie alle wissen, gab es auch einen skrupellosen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsfamilie in Salzhemmendorf. Gegen die drei Tatverdächtigen ist mittlerweile Anklage wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung erhoben worden.

Sieben weitere rechtsmotivierte Brandanschläge richteten sich gegen Flüchtlingsunterkünfte. Das sind, meine Damen und Herren, verabscheuungswürdige, menschenverachtende und widerwärtige Taten, die wir zutiefst verurteilen und die mit aller Härte verfolgt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu den anderen Straftaten mit einer rechten Tatmotivation sind die Auswertung und Analyse für die Jahresstatistik 2015 noch nicht abgeschlossen. Diese Zahlen werde ich Ihnen zeitnah berichten. Wenn wir aber die Dreivierteljahreszahlen von 2015 im Vergleich zu 2014 betrachten, müssen wir

schon jetzt feststellen, dass wir einen starken Anstieg in der „Politisch motivierten Kriminalität - Rechts“ zu verzeichnen haben.

Wir sehen jeden Übergriff auf Flüchtlinge oder deren Unterkünfte mit Sorge. Aber ich sage auch, dass wir weit von den Dimensionen entfernt sind, die sich in anderen Teilen Deutschlands zeigen.

Alles in allem kann man trotz der genannten Vorkommnisse nach wie vor sagen, meine Damen und Herren: Niedersachsen ist ein sicheres Bundesland. Auch die Ergebnisse unserer Dunkelfeldforschung belegen das. Das allgemeine Sicherheitsgefühl der Bevölkerung hat ein sehr hohes Niveau und hat sich 2015 gegenüber unseren repräsentativen Feststellungen aus 2013 sogar noch verbessert.

Meine Damen und Herren, niemand braucht deshalb Bürgerwehren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe nichts gegen aufmerksame Nachbarschaft, die sich im Alltag unterstützt und aufeinander achtgibt. Aber eine klare Abgrenzung findet dann statt, wenn es beteiligten Personen offensichtlich nicht um Hilfeleistungen oder Unterstützungshandlungen geht, sondern vielmehr darum, bestimmte Bevölkerungsgruppen und speziell Flüchtlinge zu diskreditieren, zu verunglimpfen oder Schlimmeres.

Dazu stelle ich deshalb noch einmal ausdrücklich und unmissverständlich fest: Das Gewaltmonopol liegt allein beim Staat, und das aus guten Gründen!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir verfügen über eine gut ausgebildete und professionelle Polizei, die konsequent einschreitet und die auch da ist, wenn die Bevölkerung sie braucht. Was die Polizeiarbeit in unserem Lande aber wirklich unterstützt, sind aufmerksame Bürgerinnen und Bürger, die verdächtige Feststellungen melden und sich bei Straftaten als Zeugen zur Verfügung stellen.

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass auf zwei Ereignisse kurz eingehen.