Meine Damen und Herren, so entsteht doch der fatale Eindruck, als sei die Polizei in Hannover nicht in der Lage, die Frauen ausreichend zu schützen.
Wir als Freie Demokraten haben 1 000 Polizisten mehr in Niedersachsen gefordert, und das übrigens nicht nach der Silvesternacht, sondern schon im letzten Jahr. Wir finden, dass der Staat jederzeit in der Lage sein muss, eine solche Eskalation zu verhindern.
Herr Innenminister, da Sie vorhin gerade die FDP und ihre Forderung nach einem schlanken Staat angesprochen haben: Wir wollen einen schlanken Staat; denn ein schlanker Staat ist ein starker Staat. Ein starker Staat zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er jeden kleinen Lebensbereich eines Menschen regelt, sondern dadurch, dass er die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet.
Man wird den Opfern von Köln nicht gerecht, wenn die Täter ihre Gerichtsverfahren erst im kommenden November erleben. Wir fordern die Landesregierung auf, entschlossen zu handeln und dafür zu sorgen, dass dem Rechtsstaat auch im dunkelsten Winkel von Niedersachsen, auch wenn es regnet, auch wenn es kalt wird, Geltung verschafft wird, und zwar kompromisslos.
Vielen Dank, Herr Dr. Genthe. - Es hat sich die Ministerin zu Wort gemeldet. Frau NiewischLennartz, Sie haben das Wort. Bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, durch alle Beiträge hier ist deutlich geworden: Ja, wir brauchen eine Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung!
Die erschreckende Situation belegt eine Studie der Europäischen Grundrechtsagentur FRA, die im vorvergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Danach hat jede dritte Frau in Europa seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Eine von 20 Frauen ist seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt worden.
Eine gesetzgeberische Handlungspflicht ergibt sich schon aus dem von der Bundesrepublik Deutschland gezeichneten Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt, die sogenannte Istanbul-Konvention.
Das am 27. Januar 2015 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung dieser Konvention legt seinen Schwerpunkt auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Ausbeutung und Missbrauch. Das war ein wichtiger und richtiger, aber eben nur ein erster Schritt. Er reicht nicht aus, um den europäischen Vorgaben zum Sexualstrafrecht gerecht zu werden.
bungsverfahrens. Es besteht weiter Umsetzungsbedarf insbesondere in Bezug auf den Vergewaltigungstatbestand.
Die Istanbul-Konvention und auch die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichten die Staaten, zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen. Dabei soll das fehlende Einverständnis der Betroffenen entscheidend für die Strafbarkeit sein. Die Strafbarkeit darf insbesondere nicht von Gewalt durch die Täter oder von der Gegenwehr der Betroffenen abhängen. Genau das ist aber nach unserem geltenden Recht der Fall.
Die Straftatbestände der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung setzen voraus, dass der Täter das Opfer mit Gewalt, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen nötigt. Die Praxis zeigt, dass diese Straftatbestände nicht alle strafwürdigen Handlungen erfassen, mit denen die sexuelle Selbstbestimmung der Opfer verletzt wird. Das muss sich ändern.
Neuere Untersuchungen zeigen zudem, dass bei sexuellen Übergriffen Anzeigen erfolglos bleiben, Verfahren eingestellt werden und Freisprüche erfolgen - und zwar nicht wegen der schwierigen Beweislage, die Herr Genthe eben angesprochen hat, sondern deshalb, weil das Verhalten nach derzeitiger Rechtslage nicht strafbar ist.
Ich möchte dafür einige Fallgestaltungen nennen: Das Opfer wird überrumpelt, so beispielsweise der nicht vorhergesehene Griff zwischen die Beine in einer überfüllten U-Bahn oder am Arbeitsplatz oder eben auf der Kölner Domplatte.
Ein weiteres Beispiel: Das Herunterreißen von Kleidungsstücken für sich allein reicht nicht aus, um eine Zwangseinwirkung zu belegen.
Ein realer Fall: In einem Strafverfahren wegen Vergewaltigung hatte der Täter zuvor den Freund seiner Exfrau in deren Anwesenheit erschossen, diese mit der vorgehaltenen Waffe dann gezwungen, mit ihm zu kommen, und schließlich in einem Hotelzimmer den Geschlechtsverkehr mit ihr durchgeführt. Noch unter dem Eindruck des Erlebten ließ die Frau den Geschlechtsverkehr zu, allerdings nur, weil sie Angst hatte. Der Täter wurde
vom Vorwurf der Vergewaltigung aufgrund fehlender Zielgerichtetheit der Gewaltanwendung freigesprochen. Es stand infrage, ob die Gewalttätigkeiten, die vor dem sexuellen Übergriff stattgefunden hatten, schon mit der Intention ausgeführt worden sind, eine sexuelle Handlung zu erzwingen.
Oder der Täter, der eine sexuelle Handlung durch Einsatz einer Drohung erzwingt, die sich aber nicht auf eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben bezieht. So hat der BGH in einem Fall eine sexuelle Nötigung abgelehnt, in dem der Täter seiner Stieftochter damit drohte, die Wohnung kurz und klein zu schlagen und die Mutter zu verlassen.
Schließlich noch eine letzte Fallkonstellation: Betroffene leisten keinen Widerstand, bringen fehlendes Einverständnis aber klar zum Ausdruck, verbal oder etwa durch Weinen. Dass Opfer keine Gegenwehr leisten, kann vielfältige Gründe haben, so z. B. die Furcht vor einem als gewalttätig und unberechenbar bekannten Mann oder aber die Annahme, eine Gegenwehr würde die schreckliche Situation nur weiter hinauszögern.
Bereits diese nicht - abschließende Zusammenstellung - macht deutlich, dass es Schutzlücken gibt, die wir unbedingt schließen müssen.
Meine Damen und Herren, es ist notwendig, von dem geltenden zweistufigen Tatbestandsmodell - erst mit Gewalt und Drohung nötigen, dann sexuelle Handlungen - abzukehren und dies durch ein „Nein heißt Nein“-Modell zu ersetzen.
So findet es sich im Übrigen auch in dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der im Juli des vergangenen Jahres in den Bundestag eingebracht worden ist.
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Es kann nicht sein, dass die sexuelle Selbstbestimmung aktiv verteidigt werden muss. Nicht die Perspektive des Täters und auch nicht eine Widerstandsleistung der Betroffenen dürfen die zentralen Bezugspunkte für eine Strafbarkeit sexueller Übergriffe sein.
Das Nein des Opfers hat im Vordergrund zu stehen. Jede nicht einvernehmliche sexuelle Handlung ist unter Strafe zu stellen.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Besprechung von Teil c der Aktuellen Stunde, und damit können wir die Aktuelle Stunde insgesamt schließen.
Tagesordnungspunkt 4: Erste Beratung: Gesetz zur Absenkung des Wahlalters für die Landtagswahl - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/4966
Der Gesetzentwurf wird eingebracht von der Abgeordneten Julia Willie Hamburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön, Sie haben das Wort, Frau Hamburg.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Frühes Wählen mit 16 stärkt die Demokratie“ - das ist das Ergebnis einer Studie, die Ende letzten Jahres veröffentlicht wurde. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Studie kam nicht etwa von der Heinrich-BöllStiftung oder der Friedrich-Ebert-Stiftung. Nein, es war die Bertelsmann Stiftung, die diese Studie veröffentlicht hat, um diese wichtige gesellschaftspolitische Debatte anzustoßen. Und die Bertelsmann Stiftung, meine Damen und Herren, ist nun wirklich unverdächtig, rot-grüne Reformprojekte zu pushen.
Warum aber sah sich die Bertelsmann Stiftung dazu berufen, diese Debatten anzustoßen? - Sie legt in ihrer Studie dar, dass der stetig sinkenden Wahlbeteiligung entgegengewirkt werden kann, wenn junge Menschen durch die Teilnahme an Wahlen stärker mit unserer Demokratie verbunden werden. Die Bertelsmann Stiftung geht sogar davon aus, dass die Wahlbeteiligung in der Perspek
Eines der zentralen Gegenargumente der CDUFraktionen in den Landtagen - dass es bei jungen Menschen keine Anzeichen von Lern- und Bindeeffekten durch Wahlen geben würde -, ist damit wiederlegt worden. Und der Effekt ist ja auch ganz naheliegend:
Die Begleitung der ersten Wahl durch die Schule und das familiäre Umfeld führt zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Positionen der einzelnen Parteien und den Auswirkungen der eigenen Stimmenabgabe auf das eigene Lebensumfeld.
Es macht jungen Menschen deutlich, dass die regelmäßig stattfindenden Wahlen auch eine Menge mit ihnen selbst zu tun haben - ganz praktisch und nicht nur als Unterrichtsstoff, für den es Noten gibt.
Meine Damen und Herren, dieses Jahr werden 16- und 17-Jährige wieder an den Kommunalwahlen teilnehmen. Und das ist richtig so! Gerade die Landespolitik hat für junge Menschen eine immense Bedeutung für ihre ganz konkreten Lebenswirklichkeiten.