Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir müssen stärker differenzieren. Die Debatte über Flüchtlinge ist zu polarisiert. Jeder, der nach Deutschland kommt, wird seine Gründe dafür haben. Wir können aber nicht jeden Grund akzeptieren, sondern müssen uns die Menschen und deren Schicksale individuell ansehen. Wir müssen auch in der politischen Debatte differenzieren.

(Beifall bei der CDU)

Die Gründe beispielsweise für Kosovaren, nach Deutschland zu kommen, sind sicherlich andere als für Syrer. Das muss auch Folgen haben. Übrigens bewegen sich die Zahlen für die Flüchtlinge durch die Ausweisung weiterer Balkanländer als sichere Herkunftsstaaten durch das Asylpaket I bereits gegen nahezu null.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist auch falsch, einfach zu sagen, dass Deutschland Flüchtlinge unterschiedslos wegen des demografischen Wandels brauche, weil sonst Arbeitskräfte fehlten. - Wenn wir die Aufnahme von Asylsuchenden an die Lage auf dem Arbeitsmarkt knüpfen, untergraben wir die Grundlage für die Aufnahme aus humanitären Gründen!

Es wird auch gesagt, dass Flüchtlinge nicht krimineller seien, daher müsse man sich deswegen keine Sorgen machen. - Auch dies ist eine Verkürzung. Wir haben es mit unterdurchschnittlich kriminellen Flüchtlingen aus Syrien zu tun, aber eben auch mit kriminellen Gruppen aus Nordafrika. Ich möchte niemanden stigmatisieren, aber in Nordrhein-Westfalen gibt es dafür z. B. den Begriff „Nafri“, „nordafrikanische Intensivtäter“. Diese Gruppe versteckt sich in der Statistik hinter den Syrern. Sie nicht anzusprechen, wäre aber fatal und schadet der gesamten Diskussion.

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, es wäre auch falsch, so zu tun, als wären alle, die gekommen sind, hoch qualifiziert. Es kommen ganz unterschiedlich qualifizierte Menschen.

Wir müssen in dieser Krise sehr differenziert mit der Situation umgehen. Wir müssen vor allen Dingen die Verfahren beschleunigen. Dazu hat der Bundestag mit breiter Mehrheit die beiden Asylpakete beschlossen. Und, meine Damen und Herren, diese Pakete funktionieren.

Die Einstufung der Länder des Westbalkans als sichere Herkunftsstaaten bedeutet eine Beschleunigung der Verfahren. Da brauchen Sie nur die Richter und die Entscheider des BAMF zu fragen.

Eine Wirkung entsteht auch dadurch, dass diese klare Rechtslage eine Signalwirkung in die Länder hat. Die Asylbewerberzahlen aus diesen Ländern haben sich deutlich verringert.

Wir mussten auch die sogenannten Pull-Faktoren reduzieren, also die Anreize für die Zuwanderung aus sozialen Gründen abbauen. Dazu gehört die Stärkung des Sachleistungsprinzips anstelle von Bargeld. Das Sachleistungsprinzip ist keine Diskriminierung, sondern ein wichtiges Steuerungsinstrument.

(Zustimmung bei der CDU)

Die rechtswidrige Abschaffung in Niedersachsen durch Erlass war falsch und war einer der Bausteine, der zu den vielen Asylanträgen von Menschen aus dem Westbalkan geführt hat.

(Zuruf von der CDU: Genauso ist es! - Lachen bei der SPD)

Der Bund musste mit dem Asylpaket I die Ankündigung der Abschiebung verbieten, weil z. B. diese Landesregierung hier falsche Vorgaben gemacht hatte, die die Durchsetzung geltenden Rechts bewusst verhindern sollte. Wer einen ablehnenden Bescheid oder Gerichtsbeschluss erhalten hat, weiß, dass er innerhalb von 30 Tagen gehen muss. Das ist eine faire Regelung, die besonders von den Grünen verschwiegen wird.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb war das Asylpaket I auch an dieser Stelle richtig. Auch dazu sollte sich der Landtag bekennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, was der niedersächsische Bundesvorsitzende der SPD zusammen mit unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil ausgehandelt hat und was Ihre Bundes

tagsfraktion mit dem niedersächsischen Vorsitzenden Oppermann mit großer Mehrheit beschlossen hat, kann für die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag doch nicht falsch sein!

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gleiche gilt für das Asylpaket II. Das hat Herr Gabriel mit Unterstützung durch Innenminister Pistorius ausgehandelt. Auch ihm hat die SPDBundestagsfraktion mehrheitlich zugestimmt.

Der Antrag übernimmt wörtlich die Beschlüsse der beiden Asylpakete. Da haben wir nichts ergänzt. Wir haben nur davon getrennte Vereinbarungen der Einstufung von Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten mit aufgenommen. Ist diese Vereinbarung falsch?

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident Weil versucht sich als Kritiker der Politik der Bundeskanzlerin in der Flüchtlingskrise - mal Ja, mal Nein. Er will, dass der Bund die Asylbewerberzahlen reduziert. Aber wie soll das passieren, wenn wir nicht stärker differenzieren, ob jemand aus Syrien oder Marokko kommt?

(Zustimmung bei der CDU)

Was tut die Landesregierung, um die von ihr geschaffenen Anreize zur Einwanderung aus sozialen Gründen über das Asylrecht abzubauen? Was tun Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von RotGrün, um die Tausenden von ablehnenden Asylbescheiden, die wir zu erwarten haben, durchzusetzen? Was ist falsch daran, bei der Antragstellung die Asylbewerber abzutrennen, die von vornherein schlechte Bleibeperspektiven haben, und ihre Anträge gesondert und beschleunigt zu bearbeiten?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren, warum werden Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten immer noch auf die Kommunen verteilt?

Diese Landesregierung fährt in der Asylpolitik einen Schlingerkurs. Beenden Sie diesen! Unterstützen Sie die Politik der Großen Koalition in Berlin, wie es auch Ihre Kollegen in Berlin tun! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Und vor allen Dingen: Setzen Sie die in der Zuständigkeit des Landes Niedersachsen stehenden Maßnahmen hier durch, damit wir die Dinge in dieser Flüchtlingskrise besser gemeinsam bewältigen können und vor allen Dingen die Kommunen unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Kollegin Jahns. - Jetzt hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Filiz Polat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Jahns, ich wundere mich schon, welche Zusammenhänge Sie hier herstellen. Sie sagten, dass der Grund, dass derzeit hier so wenige Flüchtlinge ankommen, im Asylpaket I liegt. Da haben Sie die Realitäten an der mazedonischen Grenze wohl noch nicht wahrgenommen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Grenzen sind dichtgemacht worden! Uns erreichen tagtäglich schreckliche Bilder von Kindern, von Familien, von Menschen, die dort im Schlamm und im Regen stehen, weil sich Europa nicht einig ist.

Der Ministerpräsident hat es deutlich gemacht: Wir brauchen eine Lösung auf europäischer Ebene, damit die Forderung, die wir zumindest alle einmal formuliert haben, nämlich dass es endlich legale Einreisewege nach Europa gibt - die es bis dato nicht gibt, und zwar - - -

Ich muss Sie kurz unterbrechen. Ich versuche immer, eine Pause zu finden, in der das möglich ist. - Frau Kollegin Jahns möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen, Frau Polat.

Nein, danke. Sie kann eine Kurzintervention machen.

Dann setzen Sie fort.

Legale Einreisewege sind die einzige Möglichkeit, die Zuwanderung zu steuern, mit Registrierung und vor allem - wie wir das bei den humanitären Aufnahmeprogrammen HAP 1, HAP 2, HAP 3 für die syrischen Flüchtlinge und das Resettlementprogramm für die Iraker erlebt haben - unter Anerkennung, dass diese Personen schon Asylberech

tigte sind. Das heißt nämlich, dass wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen vor Ort keine Asylverfahren mehr durchzuführen brauchen.

Mit den Asylpaketen I oder II erreichen Sie auch keine Beschleunigung der Asylverfahren. Das A und O für die besonderen Aufnahmeeinrichtungen, die dort beschlossen wurden, ist, dass das BAMF die entsprechenden Asylentscheiderinnen und -entscheider einstellt. Aber da hakt es weiterhin. Wir sagen ganz klar: Hier muss nachgearbeitet werden, Herr Weise!

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: 50 000 Anträge im Monat, Frau Kollegin!)

Der Stau bei den Asylverfahren liegt bei ungefähr 400 0000 Stück, und darin sind die, die durch das BAMF, durch diese komischen mobilen Teams, noch nachregistriert werden müssen, noch gar nicht eingerechnet. Wenn die registriert sind, dann hat sich die Zahl derjenigen, die einen Asylantrag gestellt haben, im Vergleich zum letzten Jahr verdoppelt. Aber wie das mit den neuen Asylentscheidern, z. B. mit den aktuell 16 in Bramsche, bewerkstelligt werden soll, wissen nicht einmal die Mitarbeiter des BAMF in Bramsche, in Friedland, in Braunschweig und in Soltau-Fallingbostel.

Meine Damen und Herren, die Asylpakte sind eine Mogelpackung. Asylverfahren beschleunigen Sie nur, wenn Sie mehr Entscheiderinnen und Entscheider einstellen.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Nein!)

In besonderen Aufnahmeeinrichtungen wie der in Soltau-Fallingbostel sollen 170 Entscheider eingestellt werden. Das sind aber keine neuen, sondern die werden an anderen Stellen abgezogen. Bramsche hat neue Asylentscheider, aber die werden dort wieder abgezogen und nach Soltau-Fallingbostel gebracht. Das macht keinen Sinn. So beschleunigen wir die Asylverfahren ganz bestimmt nicht, meine Damen und Herren.

(Jens Nacke [CDU]: Sie müssen mal eine andere Platte auflegen, Frau Kol- legin!)

Dass Sie, meine Damen und Herren von der CDU, das Verbot der Ankündigung der Abschiebung begrüßen, findet meine Fraktion furchtbar. Sie als christliche Partei sollten sich da an Ihre eigenen Grundsätze erinnert fühlen. Wir wissen selber, dass viele Familien hier langjährig geduldet sind - auch ein Fehler der Vergangenheit -, weil die Asyl

verfahren so lange gedauert haben. Weil beispielsweise Serbien rechtswidrigerweise keine Angehörigen von Romafamilien zurücknimmt, haben wir hier langjährig Geduldete. Diese nach 20 Jahren ohne Vorankündigung abzuschieben, ist einfach schrecklich. Dass Sie das begrüßen, können wir nicht nachvollziehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wir sind froh, dass auf Bundesebene jetzt keine Asylpakete I, II oder III mehr diskutiert werden, sondern dass ganz klar vereinbart wurde - auch im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe -, dass als Nächstes über ein Integrationspaket gesprochen wird. Das brauchen wir; denn bei der Integration gibt es sehr viele bürokratische Hürden.