Protokoll der Sitzung vom 09.03.2016

(Jörg Bode [FDP]: Aber den Eindruck hatte ich auch!)

- Den Eindruck haben auch andere, genau.

Sie sprachen von richtungsweisenden Anträgen Ihrer Fraktionen. Ich will nur drei Punkte nennen, die Sie hier angeführt haben: einmal Industrie 4.0, einmal der Themenbereich der energieintensiven Betriebe und dann der Bereich der Stahlindustrie, zu dem wir in der Tat schon in dieser Woche beraten und beschlossen haben. - Das waren übrigens Anträge der CDU-Landtagsfraktion und nicht Ihrer Fraktion. Das nur zur Richtigkeit, wer hier damals die Federführung übernommen hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Industrie wird nicht mehr mit dreckigen, rauchenden Schloten, mit knurrigen Stahlbaronen und auch nicht mehr mit einer dreckigen Umwelt in Verbindung gebracht. Ganz im Gegenteil, heute wird Industrie mit Hightech, mit Forschung und Entwicklung, mit Innovation, Wissenstransfer, qualifizierten Arbeitsplätzen, Digitalisierung der Wirtschaft, Industrie 4.0, Exportstärke, Wirtschaftsstärke und auch mit Wertschöpfung in Verbindung gebracht.

Eine wertschöpfungsstarke Wirtschaft ist die Basis für unseren Sozialstaat. Ein Sozialstaat, wie wir ihn kennen, bedingt immer auch eine starke und florierende Wirtschaft. Das sind zwei korrespondierende Röhren. Wir können dies heute aber auch um die Ökologie erweitern. Dies ist dann ein ökologisches, ökonomisches und soziales Zieldreieck, in dem die gleich langen Seiten zumindest in Deutschland miteinander im Einklang stehen.

Die Industrie spielt für die wirtschaftliche Zukunft eines Landes eine Schlüsselrolle. Sie ist überhaupt erst die Basis für das erforderliche Wirtschaftswachstum. Die Industrie darf nicht abwandern. Sie ist überhaupt erst der Wachstumsmotor bei uns im Land. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass alles zu unterlassen ist, dass es in Deutschland und Niedersachsen zu einer Deindustrialisierung kommt.

Basis aller Industrien ist die Grundstoffindustrie. Mit der Grundstoffindustrie werden überhaupt erst die Grundlage geschaffen und die Produkte hergestellt, die dann in der weiterverarbeitenden Industrie genutzt und veredelt werden. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Wertschöpfungsketten erhalten und nicht zerrissen werden. Der volkswirtschaftliche Preis wäre dafür viel zu hoch. Damit ist auch ganz klar zum Ausdruck gebracht, dass die Grundstoffindustrie im Lande bleiben muss. Wir brauchen eine leistungsstarke und wettbewerbsfähige Industrie. Wir brauchen die großen Spieler, die international tätig sind. Wir brauchen ebenso

einen starken industriellen Mittelstand, der weltweit unterwegs ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deutschland ist im wahrsten Sinne des Wortes das Herz Europas. Niedersachsen hat als Drehkreuz und Mittelpunkt der Verkehrsmagistralen wie Mittellandkanal, Autobahnen sowie in Zukunft - das war eben das Thema - mit der A 20 und der A 39, mit seiner wirtschaftlichen Stärke, mit seinen international tätigen Unternehmen, mit seinen qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und mit dieser Lagegunst ausgezeichnete Potenziale, um seine Industrie weiter zu stärken.

Dann kann es nicht sein und nicht angehen, dass Sie sich hier hinstellen, Herr Minister Lies, und auf der einen Seite das Hohelied auf die A 20 und die A 39 singen, aber auf der anderen Seite die sogenannten Turboplanungsmittel aus der Zeit der CDU/FDP-Regierung auf das Normalmaß zurückfahren und auch die Mittel für den kommunalen Straßenbau deutlich kürzen. Das passt einfach nicht zusammen, Herr Minister.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Minister Olaf Lies: Wir müssen die Au- tobahn planen können, ganz einfach!)

Straßen sind die Schlagadern der Wirtschaft. Das war schon immer so. Das ist auch nach wie vor richtig und wichtig. Das wird auch weiterhin so bleiben. Ohne einen vernünftigen Straßenbau und eine vernünftige Verkehrsinfrastruktur werden wir unser Industrieland Niedersachsen nicht weiterentwickeln und ausbauen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Sehr richtig!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Industrie ist aber kein Selbstläufer. Industrie braucht, wie gesagt, optimale Rahmenbedingungen. Industrie bedarf einer Politik, die diese Rahmenbedingungen so setzt, dass sich die Industrie entfalten kann. Unsere Industrie braucht Rahmenbedingungen wie eine sichere Energieversorgung, stabile Energiepreise, eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur, optimale Breitbandnetze, internationale Kontakte und offene Grenzen. Warum? - Damit sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhält und im internationalen Wettbewerb weiter bestehen kann.

Deutschland hat einen im Vergleich zu anderen Staaten vergleichsweise hohen industriellen Anteil an der Wertschöpfung. Mit ca. 22 % am Bruttoinlandsprodukt liegt dieser Anteil doppelt so hoch

wie in Frankreich und in Großbritannien. Er liegt damit über dem europäischen Durchschnitt von ca. 15 %. Das macht unsere Wirtschaft auch im Vergleich zu anderen Ländern in so mancher Wirtschaftskrise wetterfest. Während in der EU seit der Krise 2008 3,5 Millionen Arbeitsplätze in der Industrie verlorengegangen sind, konnte in Deutschland ein Mitarbeiterzuwachs festgestellt werden. Das zeigt, wie krisenfest unsere Wirtschaft ist. Aber wir müssen natürlich auch daran arbeiten, dass dies so bleibt.

Die Europäische Union hat also nicht ohne Grund nach dieser Beobachtung das Ziel formuliert, den Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt von jetzt 15 % bis 2020 auf 20 % zu steigern. Formuliert ist dieses Ziel in der Bundesratsdrucksache 18/14 unter der Überschrift „Mitteilung der Kommission … : Für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie“.

Ich verstehe in diesem Zusammenhang aber nicht, dass Sie im Rahmen der Unterrichtung zu dieser Bundesratsdrucksache auf meine Anfrage antworten: Deutschland hat dieses Ziel von 20 % bereits erreicht. Niedersachsen hat ebenfalls einen Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt von über 20 %. - Es ist natürlich richtig, dass Sie das feststellen. Aber wenn wir europaweit auf 20 % kommen wollen, dann müssen wir natürlich noch eine ordentliche Schippe drauflegen

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

und hier weiter aktiv und tätig werden. Sie sehen ja auch an den Zahlen, dass uns das letztendlich im internationalen Wettbewerb zum Vorteil gereicht. Hier müssen wir also noch ein bisschen mehr Dampf bei der Regierung machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dann können wir uns auch einmal anschauen, wie Sie beispielsweise mit der Stabsstelle Luft- und Raumfahrt umgehen, die zu Zeiten der CDU/FDPLandesregierung eine erfolgreiche Arbeit geleistet hat. Welche Rolle spielt bei Ihnen überhaupt noch das Zukunftsthema Luft- und Raumfahrt? - Da passiert nach unserer Ansicht überhaupt nichts mehr.

(Petra Emmerich-Kopatsch [SPD]: Jetzt geht es aber durcheinander!)

Sie haben die Stabsstelle gestrichen und aufgelöst. Wir sehen, hören und lesen gar nichts mehr darüber, wie sich das weiterentwickelt. Selbst unsere Anträge zum Haushalt 2016 haben Sie hier

mit Ihrer Mehrheit abgelehnt. Das zeigt, dass Sie sich nicht diesen Aufgaben stellen. Wir fordern hier mehr Ernsthaftigkeit ein, um diesen Dingen auch nachzugehen,

(Zustimmung von Jörg Bode [FDP] - Zurufe von der SPD)

vor allem vor dem Hintergrund, dass in Richtung der Industrie in Niedersachsen Gefahren drohen. Schon in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 14. November 2015 konnten wir lesen: „Wirtschaft kommt kaum noch vom Fleck. Hannovers Industrie leidet unter Chinas Schwäche.“ In der HAZ am 6. Februar dieses Jahres konnten wir sogar lesen: „Industrie in Niedersachsen droht Jobabbau. 2016 wollen doppelt so viele Unternehmen Stellen streichen wie aufbauen.“ Gerade heute konnten wir in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lesen: Stahlproduktion sinkt weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der NIHK formuliert in seiner Broschüre - wer sie noch nicht kennt, sollte sie einmal lesen -: „Industriepolitik ist Standortpolitik!“ Industrieland braucht Infrastruktur und digitale Vernetzung. Aufgaben und Forderungen an die Politik. - Lesen Sie diese Broschüre! Dann wissen Sie auch, worauf es ankommt. Hören Sie auf mit Ihrer Politik gegen eine starke Wirtschaft und damit im Endeffekt auch damit, gegen unseren Sozialstaat zu arbeiten! Machen Sie Politik für unsere Wirtschaft, für unsere Industrie und damit auch für die Menschen in Niedersachsen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Miesner. - Das Wort hat nun Frau Kollegin Emmerich-Kopatsch, SPD-Fraktion. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Bode, ich habe gestern schon gesagt, dass es Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung war, die dem Beschluss des Europäischen Rates für eine CO2-arme Wirtschaft zugestimmt hat, und dass es keinen Einspruch aus Niedersachsen gegeben hat. Manchmal wird man mit der Zeit doch klüger, zumal die Gesamtemissionen Deutschlands, was CO2 anbelangt, bei 2,9 % weltweit liegen. Vielleicht haben Sie der Wirtschaft damals zu viel aufoktroyiert. Das kann sein.

Sie haben damals die Klimakanzlerin über den grünen Klee gelobt. Das scheint jetzt hier nicht mehr so wegweisend zu sein. Insofern ist es schlau, wenn man sich wieder einmal darüber unterhält und vielleicht auch einmal seine eigenen früheren Positionen zurechtrückt.

Wenn es wegweisende Entschließungen und Erklärungen gegeben hat, dann war es die Erklärung von Ministerpräsident Weil und Stefan Wenzel zu dem Emissionshandel. Sie wurde auch von der Industrie sehr begrüßt; denn eine so weitreichende Erklärung hatte vorher noch keine andere Regierung abgegeben. Ihr Antrag entspricht weitgehend dem, was BDI und Bundeswirtschaftsministerium gemeinsam erarbeitet haben. Ich meine insofern, dass wir alle gar nicht so weit auseinander sind und aufhören sollten, uns gegenseitig Vorwürfe darin zu machen, wer die Industrie am liebsten mag. Ich glaube, wir alle mögen die Industrie und möchten sie hier auch halten.

(Widerspruch bei der FDP)

Nachdem wir gestern den Antrag zum Stahl gemeinsam beschlossen haben - einen Antrag, der schon viele der hier gestellten Fragen und Forderungen erfasst hat -, ist es erstaunlich, dass wir heute einen Antrag haben, der sich mit Grundstoffindustrie befasst, zumal Herr Miesner in diesem Zusammenhang auch die Luft- und Raumfahrtindustrie erwähnt hat. Insofern haben wir zuerst gedacht, dass das ein Gegenentwurf zu unserem Antrag zur Stahlindustrie sein sollte. Aber so werten wir ihn als Signal pro Industrie insgesamt. Denn es ist doch so: Ohne Industriearbeitsplätze wäre Niedersachsen im wahrsten Sinne des Wortes sehr viel ärmer. Warum sich deshalb dieser Antrag zur Grundstoffindustrie nur mit Grundstoffen und nicht mit Gesamtindustrie beschäftigt, erschließt sich noch nicht ganz logisch.

Aber für die SPD kann ich sagen: Wir wollen die gesamte Industrie im Land halten und, wenn es möglich wäre, sogar ausbauen. Dazu brauchen wir natürlich die Grundstoffindustrie, damit wir die gesamte Wertschöpfungskette der Fertigung im Land halten. Dazu wollen wir natürlich auch alle Dienstleister und Zulieferbetriebe, wie den Mittelstand, im Land halten.

Es ist richtig, dass wir dazu einen politischen und gesellschaftlichen Konsens brauchen. Denn inzwischen ist uns allen sehr deutlich geworden, dass es insbesondere die Industrie mit ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern war, die so stark dabei geholfen hat, die Wirtschaftskrise schnell zu

überwinden und besser zu überstehen als andere Länder, die sich lange von ihrer Industrie verabschiedet haben. Deshalb ist es für uns vollkommen klar: Wir wollen auch weiterhin ein starkes Industrieland mit hochwertigen Arbeitsplätzen, guten Rahmenbedingungen und guter Arbeit für Niedersachsen, für die Bundesrepublik und für Europa sein.

Zu den Grundstoffen sollte man sagen, dass viele Schwierigkeiten, die dort gerade verursacht werden, von außen und nicht durch Regierungshandeln verursacht werden. Viele Dinge sind geopolitisch verursacht. Sie sehen es gerade in Celle. Die Verwerfungen in der Erdöl- und Erdgasbranche haben nicht nur oder gar nicht mit hier verursachten Schwierigkeiten zu tun, sondern mit machtpolitischen globalen Bestrebungen.

(Jörg Bode [FDP]: Sagen Sie mal et- was zum Fracking!)

Deshalb ist es für uns wichtig, dass wir uns immer wieder mit der Industrie befassen und dafür sorgen, dass die hohe Wertschöpfung, die andere Wirtschaftszweige teilweise nicht erreichen können, hier im Land erhalten bleibt. Wir haben dort gute Arbeitsplätze, gute tarifliche Bedingungen und ein vergleichsweise hohes Lohnniveau.

Gerade die Industrie ist es, meine Damen und Herren, die durch ihre Forschungsanstrengungen immer wieder dafür sorgt, dass Umweltstandards erhöht worden sind. Dazu gehören auch neue Technologien, die zum Exportschlager werden. Es ist häufig so, dass dann, wenn wir nur Teile der Unternehmen verlieren würden, vergleichbare Produkte unter ganz anderen, schwierigeren Bedingungen, vor allem unter ganz anderen Umweltbedingungen als bei uns erzeugt würden. Das wollen wir nicht. Es ist tatsächlich so: Was weg ist, bleibt auch weg! Deshalb müssen wir alles tun, dass die industrielle Basis hier bei uns erhalten bleibt.

Wie schwierig das ist, sieht man in den EU-Ländern rings um uns herum. Deshalb war die erwähnte Strategie „Europa für ein Wiedererstarken der europäischen Industrie“ bisher nicht erfolgreich. Seit der Europawahl ist das Thema eigentlich überhaupt nicht mehr verfolgt worden; denn es war damit nichts anderes verbunden als eine Absichtserklärung. Wer, der seine Produktion schon verlagert hat, kommt aufgrund von Absichtserklärungen zurück? - Deshalb sollten wir darauf drängen, dass Industriepolitik in Europa einen eigenen festen Stellenwert bekommt.

Für uns gilt, dass die Industrie hier ihren festen Platz haben soll. Dazu braucht es sichere Rahmenbedingungen und Standortqualitäten. Da ist Niedersachsen auf dem besten Weg. Die Rahmenbedingungen müssen selbstverständlich zuverlässig sein und eine langfristige Strategie für Investitionen ermöglichen. Dazu muss die Politik auf allen Ebenen zuverlässig sein. Für Niedersachsen ist das eine Selbstverständlichkeit. Hier besteht kein Defizit. Ich denke, das ist die wirtschaftsfreundlichste Regierung seit Gerhard Schröder. Wir haben die Industrie erst wieder in den Mittelpunkt gestellt.

(Widerspruch und Lachen bei der CDU und bei der FDP - Jörg Bode [FDP]: Wo bleibt der Beifall? - Christi- an Grascha [FDP]: Nur der Wirt- schaftsminister hat geklatscht!)

Von daher ist das eine Daueraufgabe der Landesregierung, gemeinsam mit den Gewerkschaften, den Betriebsräten, den Geschäftsführungen, den Industrieverbänden, der SPD und Ihnen allen gemeinsam.

(Jens Nacke [CDU]: Das wird Sigmar Gabriel bestimmt sehr gerne hören! - Sigmar Gabriel war auch ein toller, ist aber jetzt auch ein guter Bundeswirtschaftsminister! (Jens Nacke [CDU]: Der kommt doch bei dir da weg, oder? - Lachen bei der CDU)

Von daher kriegen wir das alles gut hin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag in allen Ehren. Aber was mit uns überhaupt nicht geht, wollte ich wenigstens noch erwähnen, bevor wir in die Beratungen eintreten. Was mit uns überhaupt nicht geht, sind Ihre - - -