Vielen Dank, Herr Abgeordneter Alt. - Für die Fraktion der SPD: Frau Abgeordnete Dr. Silke Lesemann!
Meine sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde sicherlich auf Zustimmung stoßen, wenn ich sage, dass die niedersächsischen Hochschulen und Universitäten zentrale Orte der Wissenschaft und Motoren einer erfolgreichen und nachhaltigen Entwicklung in unserem Bundesland sind.
Die Stärkung von Wissenschaft und Forschung ist für die Modernisierung, für die Stärkung von Wirtschaft und Gesellschaft in Niedersachsen von herausragender Bedeutung. Wie wertvoll und wichtig Wissenschaft und Forschung für uns alle sind, haben gerade die aktuelle Corona-Pandemie und vor allen Dingen deren Bekämpfung gezeigt.
Den gesetzlichen Handlungsrahmen für unsere Hochschulen gibt das Niedersächsische Hochschulgesetz vor. Dessen zeitgemäße Anpassung soll mit dem vorliegenden Entwurf mit Schwerpunkt auf der Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie geschehen.
Meine Damen und Herren, die niedersächsischen Hochschulen stehen mit Hochschulen anderer Bundesländer und auch international im Wettbewerb um Personal, Studierende und Drittmittel.
Neben der Ressourcenausstattung sind aber auch angemessene Handlungsspielräume entscheidende Erfolgsbedingung. Vor zwei Jahren hat beispielsweise die LHK ein Gutachten erstellt und dort verschiedene inhaltliche Rahmenbedingungen
identifiziert, die niedersächsische Hochschulen im Vergleich mit anderen Bundesländern im Wettbewerb um Personal, materielle Ressourcen und in ihrer je eigenen strategischen Ausrichtung in Bezug auf Lehre, Forschung und Tansfer einschränken.
Schwerpunkt auf die Eröffnung neuer Möglichkeiten gelegt, mit der die Profilierung und Schwerpunktsetzung der jeweiligen Hochschule weiterentwickelt und gestärkt werden kann. Dies betrifft insbesondere die Erweiterung der Exzellenz- und die Einführung einer Erprobungsklausel, die Möglichkeit der unbefristeten Übertragung des Berufungsrechts, erweiterte Spielräume für die Hochschulen bei der Zusammensetzung des Präsidiums sowie eine mögliche Erweiterung des Senats. Überdies soll der Bürokratieabbau vorangetrieben werden.
Mit solchen Überlegungen befindet sich das MWK im Geleitzug verschiedener Länder, die ähnliche Vorhaben angehen oder bereits angegangen und in ihren Hochschulgesetzen verankert haben. Die einschlägigen Gesetze von Berlin, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Sachsen-Anhalt sehen dies beispielsweise bereits jetzt vor.
Hervorheben will ich die Einführung eines Studienorientierungsverfahrens zur Beratung von Studierenden, um Abbrecherquoten zu verringern. Das wird sicherlich auch infolge der Corona-Pandemie eine ganz wichtige Aufgabe sein. Dazu gehören aber auch Regelungen zur elektronischen Fernprüfung - Digitalisierung des Prüfungswesens - und zur Kooperation von Hochschulen mit Promotionsrecht und Fachhochschulen, die Promotionen durchführen wollen. Und denken Sie beispielsweise auch an die Aufwertung der Universitätsmedizin Oldenburg oder an die absichernden und guten Regelungen für Inhaberinnen und Inhaber einer Tenure-Track-Professur.
Meine Damen und Herren, ein gutes Studium für alle Studierenden zu ermöglichen, den Beschäftigten und Forschenden aller Statusgruppen gute Arbeitsbedingungen zu bieten - dieses Ziel muss an den Hochschulen wie auch in der Hochschulpolitik in den nächsten Jahren eine herausgehobene Rolle spielen.
In der vorhergehenden Wahlperiode haben wir das NHG unter dem Motto „Beteiligungskultur stärken!“ reformiert. Befürchtungen, in dieser Regierungskoalition gebe es nun ein Rollback, weise ich entschieden zurück.
Gleiches gilt für den völlig überzogenen Vorwurf der Grünen, die Landesregierung plane die Einführung autoritärer Strukturen. Sie betreiben hier pure Effekthascherei! Auch die Grünen sollten in ihren persönlichen Gesprächen mit Hochschulleitungen und an den Hochschulen Tätigen festgestellt haben, dass unsere Hochschulen und diejenigen, die dort Verantwortung tragen, meilenweit davon entfernt sind. Der Geist der 60er-Jahre, der Muff unter den Talaren ist doch nun wirklich schon lange vertrieben.
Selbstverständlich werden wir zu diesem Gesetzentwurf eine Anhörung im Wissenschaftsausschuss durchführen. Uns interessiert, was maßgebende Player an den Hochschulen zu diesem Gesetzentwurf zu sagen haben.
(Eva Viehoff [GRÜNE]: Ja, dazu gibt es eine Pressemitteilung der Landeshoch- schulkonferenz, der LandesAstenKonfe- renz usw.!)
Was sagt der DGB? Was sagt die LHK? Was sagt die LandesAStenKonferenz, was sagen die Personalräte an den Hochschulen? Was sagen die Hochschulen insgesamt dazu?
Sicherlich gilt auch für das NHG das Struck’sche Gesetz. Aber der Entwurf hat vielversprechende Eckpunkte.
Ich bin auf die weiteren Beratungen gespannt, vor allem auch auf die Ergebnisse der Anhörung im Wissenschaftsausschuss.
Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Die nächste Wortmeldung kommt vom fraktionslosen Abgeordneten Harm Rykena. Bitte!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht Regelungsbedarf u. a. aufgrund der Corona-Einschränkungen und der DSGVO. Diesem Bedarf wird im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeblich „zur Stärkung der differenzierten Hochschulautonomie“ mit Änderungen in zahlreichen Paragrafen Rechnung getragen.
Aus der Vielzahl von Änderungen möchte ich zu zwei Einzelpunkten sprechen, die mir bei der Durchsicht des Gesetzestextes aufgefallen sind.
„Im besonderen gemeinsamen öffentlichen Interesse nutzen die Hochschulen in staatlicher Verantwortung die Möglichkeiten zum Zusammenwirken, um insbesondere die gegenseitige Abstimmung sowie die Nutzung von Lehrangeboten, Personal, Sachmitteln und der vorhandenen Infrastruktur für Forschung und Lehre zu verbessern.“
Zusammenwirken und gemeinsame Nutzung von Ressourcen sind auf den ersten Blick natürlich immer sehr sinnvoll. Aber was heißt „im besonderen gemeinsamen öffentlichen Interesse“? Das hört sich so gar nicht nach autonomer Entscheidung der Hochschule an. Das riecht eher nach politischer Einflussnahme.
Nach Firmenfusionen spricht man in diesem Zusammenhang gern von Synergieeffekten. Sie genießen in der darauf folgenden öffentlichen Diskussion meist einen sehr schlechten Ruf.
Ferner ist mir in § 64 b die erwähnte staatliche Anerkennung nichtstaatlicher Hochschulen aufgefallen. Dort heißt es u. a.:
„Niederlassungen von staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelten als staatlich anerkannt, soweit sie Hochschulqualifikationen ihres Herkunftsstaates vermitteln und die Qualität des Studienangebots nach den im Herkunftsstaat geltenden Regelungen gesichert ist.“
Das ist sehr interessant! Ich bin schon sehr auf die ungarische oder die polnische Hochschule hier in Niedersachsen gespannt.
- Ja, aber wir werden mal sehen, was Sie dabei im Hinterkopf haben. Ich fürchte, das ist etwas ganz anderes.
In der Überschrift zum Gesetz schreiben Sie, sie wollten mit diesem Entwurf vor allem die „differenzierte Hochschulautonomie“ stärken. Andere
höchst bedenkliche Entwicklungen greift das Gesetz dagegen gar nicht auf. So ist an den Universitäten zunehmend eine Einschränkung der Diskursfreiheit zu beobachten.
Ein offener Diskurs ist eigentlich Kern jeglicher intellektueller Beschäftigung - bzw. so sollte es sein. Schon 2019 gab es diesbezüglich warnende Worte vom Deutschen Hochschulverband, und im Frühjahr 2021 hat sich das Netzwerk Wissenschaftsfreiheit gegründet. Dieses besteht aus mehr als 70 Professoren, die ein inakzeptables Mundtotmachen und eine Art von Meinungszensur an deutschen Hochschulen feststellten. Hervorgerufen werde dies durch überbordende Political Correctness und eine auch an den Hochschulen um sich greifende Cancel Culture, die übrigens auch hier im Niedersächsischen Landtag ihre Förderer hat. Beispielsweise in England werden Maßnahmen dagegen ergriffen. Dort plant die Regierung u. a. die Einführung eines Obudsmannes, der in Fällen von Cancel Culture oder Einschränkungen von akademischer Freiheit einschreiten soll.
Ein weiteres Problemfeld ist die um sich greifende Steuerung der Forschung durch die Politik über verschiedenste Instrumente, sei es über Drittmittel, die übrigens auf Umwegen auch größtenteils vom Staat kommen, oder sei es durch spezielle Förderprogramme. Statt nun die finanzielle Grundausstattung der Hochschulen zu verbessern und diesen die Entscheidung über die Verwendung der Mittel selbst zu überlassen, wird zunehmend auf die Vergabe von zielgerichteten Projektmitteln umgestellt. Auch so kann man die Aktivitäten der Hoch
Der Kern unseres Hochschulwesens, nämlich die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ist akut gefährdet. Diese zu gewährleisten, diese zu fördern, wäre auch ein deutliches Zeichen in Bezug auf die Autonomie der Hochschulen gewesen. Die Chance, hier etwas zu verbessern, wurde hier jedoch nicht ergriffen. Meine Vermutung: Dazu gibt es auch gar keinen Willen.
Inwieweit dieses Gesetz nun wenigstens akzeptable Lösungen bezüglich der zahlreichen Detailfragen enthält, werden die Ausschussberatungen zeigen. Hoffen wir, dass der Landesregierung hier eine ähnliche Bauchlandung wie aktuell bei der Neufassung des Kita-Gesetzes erspart bleibt. Diese wird bekanntermaßen von allen Seiten heftig kritisiert.