Protokoll der Sitzung vom 10.06.2021

(Wiard Siebels [SPD]: Und Sie sagen, wir fordern einfach weiter!)

Ich lade doch auch nicht Menschen in ein Restaurant ein und sage: „Bestellen Sie alles, was auf der Karte ist!“, schaue mir dann die Preise an und sage: Huch, ich habe gar kein Geld! - So geht das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist keine seriöse Finanzpolitik.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist deshalb besonders bitter, weil Niedersachsen gerade an einem Scheideweg ist. Wir haben heute, wir haben jetzt die Wahl zu treffen: Wollen wir die Zukunft aktiv gestalten, oder wollen wir sie verschlafen? - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die Entscheidung, die wir heute, im Hier und Jetzt, treffen müssen.

Das ist auch eine Frage von Generationengerechtigkeit, Herr Hilbers. Ich kann meiner Jugend ein

Haus vererben und sagen: Ich habe es saniert, ich habe Geld in die Hand genommen, es ist auf dem neuesten Stand, und es ist vor allem heile. - Oder ich kann sagen: Hier, schaut mal, diese restlichen Steine, das war einmal dein Haus. Aber dafür hast du ein ausgeglichenes, leeres Portemonnaie, und die Nebenkosten kannst du fast alle bezahlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eben nicht seriös, nicht in die Zukunft zu investieren. Wir müssen jetzt gestalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir müssen Niedersachsen klimaneutral aufstellen. Wir müssen unseren Industriestandort zukunftsfähig gestalten.

(Glocke der Präsidentin)

Die Stahlindustrie und alle warten darauf, dass wir jetzt investieren. Auch grünen Wasserstoff gibt es nicht zum Nulltarif. Fachkräfteoffensiven, bessere Bildung für alle - das gibt es nicht zum Nulltarif. Auch der Wohnungsbau in Niedersachsen wird nicht zum Nulltarif nach vorne gebracht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Unsere Jugend hat eben wenig davon, wenn wir ihr Schlaglöcher in die Straßen bauen.

(Wiard Siebels [SPD]: Wir bauen sie da nicht rein!)

Wir haben schon auch einen Anspruch und eine Verantwortung, unser Land an dieser Stelle voranzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Na- cke [CDU]: Sie wollen doch gar keine Straßen!)

- Wir wollen sie sanieren und nicht neu bauen. Das ist der Punkt. Das ist finanzpolitisch seriös. Da haben wir Grüne es mal wieder bewiesen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der SPD und von der CDU)

Aber Sie beide sind sich eben uneins. Da haben wir den Sparminister Hilbers - - -

(Anhaltende Zurufe - Unruhe)

Einen Moment, bitte, Frau Kollegin Hamburg! Die Zeit wird Ihnen gutgeschrieben. - Ich möchte noch einmal um etwas Ruhe bitten.

(Jens Nacke [CDU]: Ich möchte ein- mal wissen, wie Grüne Schlaglöcher in Straßen bauen!)

Dann können wir gerne die lebhafte Debatte fortsetzen.

Bitte, Frau Kollegin!

Da haben wir den Sparminister Hilbers, der mit der schwarzen Null alles ausbremst, und wir haben den Sonntagsreden schwingenden Stephan Weil, der als Landesvorsitzender den Niedersachsenfonds ausruft. Und am Ende passiert nichts. Es ist für Niedersachsen am schlimmsten, wenn einfach gar nicht gestaltet wird.

Deswegen fordere ich Sie auf, Herr Weil - die Zukunft gestaltet man eben nicht in Sonntagsreden auf dem Parteitag, sondern durch beherztes Handeln -: Wenn Sie wirklich einen Niedersachsenfonds wollen, dann bringen Sie einen Niedersachsenfonds!

(Johanne Modder [SPD]: Sie haben das mit der Koalition noch nicht ver- standen!)

Wenn Sie wirklich investieren wollen, dann investieren Sie! Nutzen Sie Ihre Richtlinienkompetenz und gehen Sie mit Niedersachsen nach vorne! Nicht zu handeln, ist für Niedersachsen die schlechteste Option.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN - Christian Meyer [GRÜNE]: Kaputtspa- ren!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die Landesregierung hat nun Herr Ministerpräsident Weil das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Ich will jetzt wis- sen, wieso die Grünen Schlaglöcher in Straßen bauen! - Gegenruf von Ju- lia Willie Hamburg [GRÜNE]: „Sparen“ habe ich gesagt, nicht „bauen“! - Christian Meyer [GRÜNE]: Wir haben gestern von Sanierung gesprochen! Sie haben nicht zugehört, Herr Na- cke!)

- Jetzt beenden wir den interessanten Dialog.

Der Herr Ministerpräsident Weil hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte jetzt einmal zum Titel des Antrages zur Aktuellen Stunde zurückkommen. Darin hat die FDP ja die Frage gestellt: Was hält die Koalition zusammen? - Ich will noch einmal versuchen, es Ihnen zu erklären, lieber Herr Kollege Birkner. Ich gebe mir echt Mühe.

(Zuruf von der FDP: Der Wille zur Macht! - Julia Willie Hamburg [GRÜ- NE]: Der Wille zur Macht! - Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Am Anfang - das kommt auch in Ihrer Überschrift zum Ausdruck - steht wieder ein Missverständnis. Das kriegt man nicht heraus. Wir sind nicht in erster Linie zusammen in die Regierung gegangen, weil wir Unmassen von Geld ausgeben wollten, sondern aus Verantwortungsbewusstsein, lieber Herr Kollege Birkner - aus Verantwortungsbewusstsein!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das ist ein wunder Punkt, und ich will weiß Gott keine alten Wunden aufreißen, aber man muss ja schon daran erinnern dürfen, dass SPD und CDU einen knüppelharten Wahlkampf gegeneinander geführt haben. Wir haben uns dabei gegenseitig nichts geschenkt, und wir hatten jeweils nicht den Plan, miteinander zu regieren. Aber nach den Wahlen haben wir festgestellt, dass wir uns zusammenraufen müssen, weil dieses Land sonst ruckzuck wieder in Neuwahlen hineingeht. Wir haben auf dieser Grundlage das gemeinsame Gefühl der Verantwortung gehabt. Und ich sage Ihnen eines: Dieses Gefühl - gemeinsames Verantwortungsbewusstsein - ist die Basis dieser Koalition bis zum heutigen Tag, lieber Herr Birkner.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auf dieser Grundlage - und das ist mir jetzt wirklich sehr ernst - haben wir unser Land mit einem beispiellosen Kraftakt durch die größte Krise in der Geschichte des Landes Niedersachsen geführt. Darauf können wir stolz sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Auf dieser Grundlage werden wir unser Land erfolgreich aus dieser Krise herausführen. Da bin ich sehr sicher. Denn zu diesem gemeinsamen Ver

antwortungsbewusstsein kommt noch ein zweiter Punkt hinzu - den wollte ich Ihnen auch noch erklären -: Wir, diese beiden Koalitionspartner, sind nämlich nach wie vor sehr unterschiedlich: unterschiedliche Geschichten, unterschiedliche Rangfolgen von Prioritäten, gelegentlich auch ein unterschiedlicher Stil. Es ist nicht alles eins. Das kann man nicht sagen.

Aber diese Koalition hat vom ersten Tag an einen sehr respektvollen, pfleglichen Umgang miteinander gefunden, nämlich dort, wo der jeweils andere Partner nachvollziehbar darstellt, dass etwas für ihn nicht geht, darauf Rücksicht zu nehmen, während dieser umso kompromissbereiter überall in anderen Bereichen ist. So stelle ich mir einen erwachsenen, einen vernünftigen Umgang unter Koalitionspartnern vor. Dafür möchte ich mich übrigens an dieser Stelle bei den beiden Koalitionsfraktionen sehr herzlich bedanken.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Ich könnte Ihnen jetzt ein praktisches Beispiel nennen. Nehmen Sie die Landeswohnungsbaugesellschaft! Die halten die einen in der Regierung für eine gute Idee, die anderen in der Regierung halten sie für keine gute Idee.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Also kommt sie nicht?)

Wir werden in dieser Legislaturperiode dazu sicherlich nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Anders, als Lies erklärt hat!)

Wir haben aber vereinbart, dieses schwierige Vorhaben sehr seriös von vorne bis hinten durchzudeklinieren, sodass es anschließend so oder so entschieden werden kann. - Das ist ein gutes Beispiel.

Oder nehmen Sie das letzte Wochenende! Sie haben sich doch schon richtig darauf gefreut, dass in der Woche danach deutlich wird: Beim Thema Kita-Gesetz wird es nicht so leicht werden zwischen diesen Koalitionspartnern. Was ist geschehen? - Wieder nichts! Wieder hat es nicht geklappt mit Ihren Hoffnungen. Die Große Koalition ist mit einem guten Vorschlag zur Novellierung des KitaGesetzes herausgegangen,

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Was? - Christian Meyer [GRÜNE]: Das sehen die Kitas aber anders!)