Tagesordnungspunkt 18: Erste Beratung: Küstenautobahn - Planung für A 20 stoppen - jetzt! - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/1265
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesverkehrswegeplan 2015-2030 erweckte große Hoffnungen. Denn im Gegensatz zu den vorherigen bundesweiten Planungen von Verkehrsinfrastrukturprojekten gab es sowohl eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger als auch eine Umweltprüfung zu den einzelnen Projekten.
Man muss dazu aber wissen, dass dieses Vorgehen dem EU-Recht entspricht und nicht etwa die Idee eines Bundesministers Dobrindt war. Und wie es dann so ist mit Auflagen, die man eigentlich gar nicht will: Sie werden halbherzig angepackt.
Die Proteste sowohl zum Bürgerbeteiligungsverfahren als auch zur Umweltprüfung waren massiv, aber leider bis heute wirkungslos. Seit nunmehr anderthalb Jahren liegt ein Widerspruch des BUND, unterstützt von vielen Verbänden, gegen das Bürgerbeteiligungsverfahren zum Bundesverkehrswegeplan auf dem Tisch der EU-Kommission.
Das Bürgerbeteiligungsverfahren war eindeutig zu kurz, es fand in der Urlaubszeit statt, und die notwendige Transparenz war nicht gegeben. Auch die unzureichende Umweltprüfung war Gegenstand des Widerspruchs. Es ist bedauerlich, dass bis heute keine Entscheidung zu diesem Widerspruch vorliegt.
Es bleibt aber die Hoffnung, dass die Bundesregierung die Projektplanungen überarbeiten muss. Denn dafür gibt es gute Gründe, und es ist geradezu unverantwortlich, dass trotz dieser ausstehenden Entscheidungen weiterhin Steuergelder als Planungskosten in die Projekte A 20 sowie A 39
Diese Gelder, meine Damen und Herren, gehören in die längst überfällige, von Rot-Grün begonnene Verkehrswende.
Herr Minister Althusmann, bei vielen Projekten ergeben sich bereits jetzt Kostenexplosionen. Die Kostenannahmen für den Bau der A 20 beruhen auf dem Stand von 2012. Ich muss Ihnen, glaube ich, nicht erklären, welche Kostensteigerungen wir bei Verkehrsprojekten seit 2012 hatten. Sie wissen es selbst. Insbesondere die Kosten des geplanten Elbtunnels werden deutlich höher ausfallen. Selbst die Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr geht mittlerweile von mindestens 3,2 Milliarden Euro Gesamtkosten - ohne Elbtunnel - aus. Ein Ende nach oben ist nicht in Sicht. Es ist also kein Wunder, dass der Bundesrechnungshof die im Plan ausgewiesenen Kosten massiv gerügt hat. Zu Recht!
- Herr Minister, wenn Sie das alles nicht interessiert, ist das Ihre Sache. Aber zuhören sollten Sie schon.
Die GroKo und ihr Verkehrsminister lassen keine Gelegenheit aus, uns immer wieder die längst widerlegte Geschichte zu erzählen, dass ausschließlich der Straßenbau die Wirtschaft stärke.
Herr Minister Althusmann, hören Sie auf, die Mär von einer positiven Auswirkung auf die Wirtschaft zu erzählen! Denn es gab und gibt keine belastbaren Studien oder Untersuchungen, die Ihnen bezüglich einer positiven Wirtschaftsentwicklung durch Autobahnbau recht geben würden.
(Minister Dr. Bernd Althusmann [CDU] spricht mit Kai Seefried [CDU] - Unru- he - Glocke der Präsidentin)
Während Sie die Umweltprüfungen und das Umweltrecht am liebsten abschaffen würden und alle Autobahnprojekte mit Tempo durchziehen möchten, setzen wir auf das kluge Argument, auf die Erkenntnis und auf die Bereitschaft, Entscheidungen zu überdenken.
Wer es als lächerlich bewertet, dass zugunsten eines Autobahnbaus eine Libellenpopulation vernichtet wird, hat die Dimensionen der Umweltzer
Wer deutschen Ingenieursverstand als ein nationales Kulturgut versteht, hält den Berliner Flughafenbau offenbar für eine gottgewollte Misere. Und der glaubt dann auch, dass 15 m tiefe Moore unter mehreren Kilometern Autobahn überhaupt kein Problem darstellen. Derjenige wird uns aus voller Überzeugung sagen, dass die abgesackte A 20 in Höhe Tribsees auf eine fehlerhafte Bauweise zurückzuführen ist, und der wird uns auch sagen, dass dies auf niedersächsischer Seite gar nicht passieren kann, weil die Moore quasi ausgequetscht und damit trockengelegt werden.
Sie glauben an die Ingenieurskunst, dass andere Verfahren wie das Überschüttverfahren eine sichere Sache sind. Nur, die Garantie dafür übernehmen wollen Sie auch nicht, Herr Minister Althusmann. Aber da sind Sie nicht alleine, hat doch ein Ingenieur auf einer Veranstaltung der Straßenverkehrsbehörde im vergangenen Jahr der A 20 nur eine Lebensdauer von zehn Jahren prognostiziert. Üblich sind - das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen - 20 bis 25 Jahre.
Mit all diesem Wissen halten Sie, Herr Minister Althusmann, an den Planungen für das Autobahnprojekt A 20 fest. Damit rennen Sie sehenden Auges in die Autobahnkatastrophe und ignorieren unkalkulierbare Risiken. Sie halten unbeirrt an einem Autobahnprojekt fest, welches vom Umweltbundesamt als eines der umweltschädlichsten Autobahnprojekte Deutschlands eingestuft worden ist.
Sie wissen nur zu genau, dass die Nutzen-KostenAnalyse für diese Autobahnen schöngerechnet sind: massive Kostensteigerungen - auch für eine neue Elbquerung -, keine Berücksichtigung der hohen Planungskosten, keine monetäre Berücksichtigung der Umweltbetroffenheit und zweifelhafte Verkehrsprognosen. Eine Neuberechnung unter Berücksichtigung aller genannten Faktoren würde nicht mehr rechtfertigen, dieses Autobahnprojekt in den Vordringlichen Bedarf einzustufen. Noch viel schlimmer: Die Autobahn dürfte gar nicht gebaut werden.
Herr Minister Althusmann, Autobahnneubauten - zumal Vorhaben, die, wie die beiden Vorhaben in Niedersachsen, die A 20 und die A 39, einen schlechten Nutzen-Kosten-Wert haben - sind Re
likte einer alten Denkweise. Die Zukunft sieht anders aus. Heute müssen wir den Klimawandel gerade bei der Verkehrspolitik mitdenken. Wer das nicht schafft, wirkt - wie Sie - ein bisschen wie aus der Zeit gefallen,
Dazu gehört zentral eine nachhaltige Verkehrswende: Verlagerung der Güterverkehre auf die Schiene und auf das Wasser, Verbesserung des ÖPNV, des Schienenpersonenverkehrs und des Radverkehrs.
Dazu gehört auch - dem verschließen wir uns gar nicht -, bei Bedarf die vorhandene Straßeninfrastruktur auszubauen. Als Beispiele seien hier kleinräumige Ortsumgehungen und der Ausbau der Bundestraßen 71 und 73 zu 2+1-Straßen genannt.
Aber eine sorgfältige Prüfung guter Alternativen wollen Sie, Herr Minister, und die GroKo in Niedersachsen und Berlin gar nicht. Dennoch geben wir es nicht auf, unseren Appell zu wiederholen:
Geben Sie Ihre Asphaltträumereien endlich auf! Zeigen Sie Verantwortung! Beenden Sie endlich Ihre verkehrspolitische Geisterfahrt! Es ist nie zu spät.
Allerletzter Satz: Es ist wieder eine Straße abgesackt; Sie können es nachlesen. Dann nützt es auch nichts, Herr Minister - - -
(Helmut Dammann-Tamke [CDU]: Wie schön es in der Opposition ist! Da kann man wieder gegen alles sein!)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geschätzter Kollege Schulz-Hendel, Sie haben die FDP gebeten, Ihren Antrag nicht pauschal abzulehnen, sondern darüber nachzudenken, ob man nicht doch in irgendeiner Form zustimmen könne. Deshalb will ich mich Ihrem Vorstoß von einer anderen Seite nähern und nicht gleich alles von vornherein in Bausch und Bogen verreißen.
Die erste Forderung lautet, „die laufenden Planfeststellungsverfahren der A 20 einzustellen“. Nach Prüfung der Rechtslage muss ich Ihnen allerdings sagen, dass die Landesregierung das nicht darf, selbst wenn sie es wollte. Es handelt sich um eine Bundesautobahn, es handelt sich um Bundesauftragsverwaltung.