Protokoll der Sitzung vom 26.10.2018

Ähnlich klare Äußerungen habe ich jedenfalls aus anderen Ländern nicht wahrgenommen.

Ich will noch einen Satz zum Opferschutz sagen. Es ist uns auch sehr wichtig, dass genau das, was in Niedersachsen beim Opferschutz an Unterstützungsangeboten zur Verfügung steht, den Opfern dieser schrecklichen Taten zur Verfügung gestellt wird. Wir als SPD wollen nicht nur die Debatte darüber führen, wie man Unterstützungsangebote zugänglich machen kann, sondern auch darüber, ob wir hier zusätzliche Unterstützungsangebote genau für diese spezielle Situation brauchen.

Zusammenfassend haben wir die Erwartung, dass die Bistümer den Ermittlungsbehörden unverzüglich alle Akten zur Verfügung stellen, wir begrüßen die Initiative der Ministerin, die die Kirche in die Pflicht genommen hat, hier alles offenzulegen, und wir haben Vertrauen in die Ermittlungsbehörden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Prange. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Kollege Calderone. Bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf gleich zu Beginn und vor dem Versuch einer kleinen rechtspolitischen Einordnung sagen, dass mich als Christen, als Katholiken die Inhalte der im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz vorgelegten Studie sprachlos machen und erschüttern. Es beruhigt dabei in keiner Weise, dass sexueller Missbrauch kein spezifisches Problem der katholischen Kirche ist. Sexueller Missbrauch ist nach Studien überall

dort vermehrt, wo es Abhängigkeitsverhältnisse, Verhältnisse der Über- und Unterordnung gibt, und nicht zuletzt ist auch Familie, ist das persönliche Umfeld Ort sexuellen Missbrauchs.

Diese Aussage, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist zur Relativierung nicht geeignet. Auf der anderen Seite muss sich die Kirche das Verhalten ihres Klerus, ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Situation in ihren Einrichtungen und ihr eigenes Verhalten bezüglich Aufklärung deswegen politisch und moralisch in besonderer Weise zurechnen lassen, weil sie auch einen besonderen moralischen Anspruch und eine besondere moralische Wächterfunktion gegenüber der Gesellschaft geltend macht.

Meine Damen und Herren, ich bin Frau Justizministerin Havliza dankbar, dass sie auf diese Fragestunde mit persönlicher Emotionalität, aber rechtlicher Nüchternheit reagiert hat. Denn die Qualität unseres Rechtsstaates zeigt sich nicht zuletzt in Fällen, die - um zum Beginn zurückzukehren - erschüttern. Auch die Vertreter des Rechtsstaates dürfen sich erschüttern lassen. Der Rechtsstaat aber muss sein Selbstverständnis, seine Verfahren, seine Grundsätze stets beachten. Das, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Lindner, ist Teil des Ernstnehmens, das Sie eingefordert haben.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Birkner! - Anja Piel [GRÜNE]: Birkner, nicht Lindner!)

Ohne Ansehen der Person zu handeln und zu entscheiden, das gilt nämlich für und wider, meine sehr verehrten Damen und Herren, das gilt zulasten und das gilt zugunsten.

Herr Dr. Birkner, tatsächlich darf der Rechtsstaat in diesen skizzierten Fällen nicht nur deswegen nicht ohne hinreichend konkreten Anfangsverdacht tätig werden, weil es sich um die Kirche handelt. Die Einschätzungen der Staatsanwaltschaften dazu haben wir mehrfach gehört. Der Rechtsstaat darf aber auch Schritte nicht unterlassen, weil es sich um die Kirche handelt. Das hat die Frau Justizministerin hier sehr deutlich gemacht und dabei auch dargestellt, dass das Ministerium bei der Wahrung der Unabhängigkeit der Justiz die notwendigen Gespräche in dieser Sache führt.

Deshalb ist, glaube ich, auch der Vergleich mit VW nicht sehr hilfreich, sondern sogar schändlich,

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Schänd- lich? Das ist ein unparlamentarisches Wort! Das steht auf der Liste, Herr Präsident!)

weil es bei VW, Herr Kollege Dr. Lindner,

(Zurufe: Birkner!)

- Birkner, Entschuldigung! - nur um finanzielle Fragen geht. Hier aber geht es um Menschen. Deswegen hat - - -

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das ist doch nun wirklich abwegig! Sie haben es nicht verstehen wollen, Herr Kolle- ge! Lieber rumreden und falsche Ar- gumente bringen!)

Meine Damen und Herren, keinen Disput, bitte! - Ich glaube aber, Herr Calderone, Sie meinten vorhin an der Stelle „schädlich“.

Schädlich! Danke, Herr Präsident. Weil es bei VW um finanzielle Fragen, um wirtschaftliche Fragen geht und hier tatsächlich um Menschen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Es geht um eine Institution, die von sich aus Straf- taten benannt hat! Das ist doch lä- cherlich, was Sie hier machen! Sie versuchen, das Argument zu diskredi- tieren!)

Sensibilität, Herr Kollege, hat eben nichts mit Untätigkeit zu tun. Deswegen halte ich das Vorgehen der Ministerin und des Ministeriums in dieser Frage für richtig.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ohne Ansehen der Person - das ist im Übrigen eine biblische, eine alttestamentarische Aufforderung aus dem Buch Mose: vor Gericht kein Ansehen der Person.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Sich auf ein moralisch hohes Ross setzen und dann falsche Argumente bringen!)

Meine Damen, meine Herren! Herr Kollege, ich mache weiter so. Als Jesus am Abend seiner Verhaftung mit den Jüngern in den Ölberg ging, so berichtet uns die Bibel, sagte er zu Petrus: „In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“

Ja, es gab erstens sexuellen Missbrauch auch durch Vertreter der katholischen Kirche, und ja, in

der Vergangenheit haben Amtspersonen der Kirche zweitens nicht stets den Eindruck erweckt, hinreichend klar, offen und transparent mit diesen Fällen umzugehen.

(Christian Grascha [FDP]: Was heißt „den Eindruck erweckt“?)

Durch die Einrichtung von sogenannten Missbrauchsbeauftragten in den Diözesen, durch die Inauftraggabe dieser Studie und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse, durch die Stellungnahme der Bischöfe in Niedersachsen und nicht zuletzt durch die von Frau Ministerin angesprochene anvisierte Aktenübergabe liegt es an Kirche, das drittens tatsächlich zu vermeiden. Dabei erscheint mir auch die Feststellung wichtig, dass die Kirche in der Konkurrenz des deutschen und des kanonischen Rechts weltliche Verletzungen der weltlichen Sanktionslogik überlassen muss und diese weltlichen Verletzungen nicht selbst aburteilen darf.

Meine Damen und Herren, mit jedem widerlichen Sachverhalt besteht auch die Chance, die Wirksamkeit und Objektivität unseres Rechtsstaates zu verdeutlichen. Diese Chance sollten wir als Politik - auch um den Preis geringerer medialer Aufmerksamkeit - nicht gefährden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD sowie Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Calderone. - Meine Damen und Herren, zur Aussprache und auch im Übrigen liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich die Fragestunde als beendet betrachten kann.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung: Spitzenforschung in Niedersachsen stärken - Universitäten bei der Exzellenzstrategie unterstützen! - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/1852

Einbringen möchte den Antrag für die SPDFraktion Dr. Silke Lesemann. Frau Kollegin, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Deutschland ist das Innovationsland Nummer eins - vor den Vereinigten Staaten! Zu diesem Ergebnis kam unlängst eine Studie des Weltwirtschaftsforums zur Wettbewerbsfähigkeit. Das ist zu einem großen Teil Verdienst der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie aller an den Hochschulen Beschäftigten, die unser Land als Wissenschaftsstandort nach vorn bringen. Damit das weiterhin so bleibt, ist es unsere Aufgabe, gute Rahmenbedingungen zu schaffen und unsere Hochschulen politisch wie finanziell mit Landes- und Bundesmitteln bestmöglich zu unterstützen und zu fördern.

Zu diesen Rahmenbedingungen gehört die von Bund und Ländern gemeinsam getragene Exzellenzstrategie zur Stärkung universitärer Spitzenforschung. Dazu gehören aber auch die Nachfolgeprogramme zum Hochschulpakt, zum Qualitätspakt Lehre, zum Pakt für Forschung und Innovation und der Personalgewinnungspakt Fachhochschulen, deren Absicherung im Landeshaushalt und dauerhafte Verstetigung durch Bundesmittel wir voranbringen wollen.

Mit dem Erfolg in der Exzellenzstrategie gelang der niedersächsischen Wissenschaftslandschaft nun ein ganz bedeutender Schritt. Niedersachsens Universitäten zählen damit zu den besten in Deutschland. An dieser Stelle möchte ich den erfolgreichen Hochschulen noch einmal ganz herzlich zu ihrem Erfolg gratulieren und ihnen ganz viel Erfolg bei der Umsetzung wünschen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU sowie Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen, meine Herren, dieser herausragende Erfolg der niedersächsischen Wissenschaftslandschaft ist mit der Chance verbunden, dass drei Universitäten den Titel Exzellenzuniversität erringen und damit in den Genuss einer dauerhaften Förderung ihrer Spitzenforschung kommen könnten. Die Leibniz Universität und die Medizinische Hochschule Hannover haben sich ebenso wie die TU Braunschweig die Teilnahme an der Bewerbung um den Titel Exzellenzuniversität durch ihre Erfolge bei den Exzellenzclustern gesichert. Als Regierungsfraktionen wollen wir diese Universitäten bestmöglich bei der Bewerbung um diesen Titel unterstützen.

Exzellenz, meine Damen und Herren, bedeutet aber nicht Exklusivität. Darum ist die Dynamik in der Exzellenzstrategie von entscheidender Bedeutung. Für die Hochschulen muss es immer wieder Chancen auf Teilhabe am Programm geben. Es geht uns mit diesem Antrag auch darum, die niedersächsische Hochschullandschaft insgesamt weiterhin konkurrenzfähig zu entwickeln und aufzustellen. Eine Auszeichnung im Rahmen der Exzellenzstrategie bedeutet neben enormer Innovationskraft vor allem positive Auswirkungen auf den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Niedersachsen. Exzellenzcluster und Universitäten können die Attraktivität ihrer Hochschulen und Standortkommunen steigern. Die Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen mit Unternehmen und der Transfer in die Wirtschaft und regionale Entwicklung hinein schärfen das Profil einzelner Kommunen und können sich vor Ort auch positiv auf die Beseitigung des Fachkräftemangels und auf die Generierung von Arbeitsplätzen auswirken.

Meine Damen und Herren, was bedeutet nun die Auszeichnung im Rahmen der Exzellenzstrategie für die Menschen in Niedersachsen? Welche Bedeutung haben die niedersächsischen Exzellenzcluster für unsere Städte und die regionale Entwicklung?

Spitzenforschung - das ist ganz klar - ist kein Selbstzweck. Sie trägt stattdessen entscheidend zur Profilbildung in Niedersachsen bei. Die Innovationskraft, die von unseren Unis ausgeht, wirkt auch in viele andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens hinein. Dies ist auch eine ganz wichtige Aufgabe von Wissenschaft überhaupt: in die Gesellschaft hineinzuwirken und nicht im sogenannten Elfenbeinturm zu verweilen. Und ganz im Gegenteil: Die niedersächsischen Exzellenzprojekte werden sich ganz konkret auf unser Leben im Alltag auswirken können.

So steht die Erforschung neuer therapeutischer und diagnostischer Ansätze für Erkrankungen von Herz und Gehirn im Mittelpunkt des Clusters der Universität Göttingen.

Die Forscher des Clusters RESIST an der MHH interessieren sich dafür, warum manche Menschen anfälliger für Infektionen sind als andere. Das Wissen darüber erleichtert beispielsweise eine zielgerichtete und individuell auf die Patientinnen und Patienten abgestimmte Therapie.

Das Cluster Hearing4all der Universität Oldenburg will den Hörverlust im Alter ausgleichen oder auch Smartphones als Hörgeräte einsetzen. Tolle Sache!

Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie Spitzenforschung konkrete medizinische Verbesserungen für den Einzelnen bewirken kann.