Wir halten daran fest: Wir brauchen dringend eine Novelle des Kita-Gesetzes und mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung.
Bei all den Ausgaben haben Sie Glück, dass das Geld gerade da ist. Wegen der guten Konjunktur, wegen der niedrigen Zinsen. Aber auch das Geld, das Sie haben, können Sie nur einmal ausgeben; ich habe das gerade im Zusammenhang mit den Kindertagesstätten erklärt.
Was ist aber eigentlich dann, wenn weniger Geld zur Verfügung steht? - Sie vertagen den Streit über Prioritätensetzungen doch nur auf morgen.
Übrigens haben Sie, Herr Weil, Ihre Zweifel ja schon ausgesprochen und formuliert: Alle Maßnahmen, die im Koalitionsvertrag stehen, stehen unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit.
- Frau Kollegin Modder, vielen Dank für diesen Hinweis! Ich erinnere mich gemeinsam mit Ihnen gerne daran. Ich gehe davon aus, dass Sie in den zwei Wochen, genauso wie wir damals, auch darüber gesprochen haben, was passiert, wenn das Geld nicht mehr so fließt und welche Maßnahmen dann herunterfallen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie das genauso, wie Sie das mit uns geklärt haben, auch mit der CDU geklärt haben.
Meine Damen und Herren, Lyrik und Geld erleichtern es zweifellos, einen Koalitionsvertrag zu schreiben. Angereichert haben Sie ihn jedoch auch noch mit einem dritten Weg. Und anders als diese ersten beiden Wege ist dieser wirklich Erfolg versprechend: In vielen Bereichen machen Sie einfach so weiter wie bisher. Sehr gut! Tatsächlich tun Sie das sogar an den Stellen, wo wir es bisher nicht erwartet hätten:
Beim Moorschutz z. B. setzen Sie unsere Politik fort. Wie oft haben wir in den vergangenen Jahren von der CDU gehört, dass wir grüne Klientelwirtschaft und ideologische Klimapolitik betreiben. Offensichtlich haben Sie zwischendurch eingesehen, dass es sinnvoll ist, das Moor zu schützen. Das begrüßen wir. Vielen Dank dafür.
Oder beim Wolf. Das Wolfsmanagement soll weiterentwickelt werden. Da haben wir gar nichts gegen. Rechtssicherheit soll gewahrt bleiben. Auch das ist sehr wichtig; keine Frage. Und Sie beschreiben: Wenn die Population einen „günstigen Erhaltungszustand“ erreicht hat, wird der Wolf ins Jagdrecht übernommen.
Klar, sobald der Bestand nicht mehr gefährdet ist, muss er auch nicht mehr geschützt werden. Das heißt im Wesentlichen: Es bleibt alles beim Alten.
(Heiterkeit bei der CDU - Ulf Thiele [CDU]: Das ist nicht wahr! - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Natürlich hat sie recht!)
Gerade beim Wolf habe ich den Eindruck, dass die meiste Arbeit in den Arbeitsgruppen darauf verwendet wurde, Formulierungen zu finden, die kaschieren, dass Sie im Grunde genommen so weitermachen, wie wir es getan haben - nämlich rechtssicher. Und das ist auch gut so! Vielen Dank dafür.
Auch bei anderen Themen nehmen Sie unsere Politik auf und setzen sie fort - selbst wenn Sie sie bisher als den schädlichen Einfluss der Grünen gegeißelt haben: Der Tierschutzplan wird weitergeführt. Die Antibiotika sollen eingeschränkt werden. Prävention soll weiter gefördert werden. Und auch - das finde ich sehr schön - die Landeszentrale für politische Bildung soll weiter ausgebaut werden. Da war zumindest die CDU vor 12, 13 Jahren ja noch ganz anderer Meinung.
Auch beim Thema Justiz übernehmen Sie zu 95 % unsere Politik zu Opferschutz, Resozialisierung und Ausbau der Mediation. Sehr gut soweit! Freut uns, wenn wir dafür den Weg bereitet haben.
Leider gibt es auch substantielle Verschlechterungen in diesem Koalitionsvertrag. Wir können dabei zwei typische Muster unterscheiden. Erstens: Für ein Problem keine Lösungen anbieten. Zweitens: Für ein Problem schlechte Lösungen anbieten.
Beispielhaft für die „Keine-Lösung-Strategie“ ist der Umgang mit der schlechten Luft in den Städten. Es ist ja nun nicht so, dass das niemanden betrifft: Jede größere Stadt in Niedersachsen hat Probleme mit der Luft. Das heißt: Die Senioren, die Kinder, die Menschen, die Lungenkrankheiten haben, die sich in dieser Luft bewegen, haben damit Schwierigkeiten. Die Ursachen für das Problem sind bekannt. Lösungswege gibt es genug. Sie beschreiten davon: keinen.
„Intelligente Verkehrssteuerung“ allein wird es jedenfalls nicht richten können - es sei denn, Sie hätten im Koalitionsvertrag eine Aussage darüber getroffen, wie weit sie diese fördern wollen. Und der Öffentliche Nahverkehr auch nicht, solange Sie nicht auch sagen, mit welchen Summen Sie ihn fördern wollen.
Wir kennen diese Weigerung, sich mit dem Problem der Luftverschmutzung in den Städten auseinanderzusetzen, aus den politischen Debatten der Vergangenheit schon zur Genüge. Ich und wir Grüne finden das höchst verantwortungslos gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern.
Abgesehen davon lassen Sie dann auch die Anderen die Drecksarbeit machen. Denn wenn Sie nichts gegen die Luftverschmutzung tun, tun es die Gerichte. Dann nehmen Sie billigend in Kauf, wogegen Sie sich jetzt im Koalitionsvertrag aussprechen: Fahrverbote in den Innenstädten. Die wird es geben, und das wissen Sie! Da hilft es auch nichts, nachher auf die Deutsche Umwelthilfe als Klägerin oder auf die Gerichte zu zeigen. Sie wären jetzt gefragt gewesen, Lösungen anzubieten.
Wirksame Maßnahmen wie die Blaue Plakette wollen Sie aber nicht. Sie stehen gegenüber den Menschen in Niedersachsen in der Verantwortung, nicht nur deren Arbeitsplätze bei VW, sondern auch deren Gesundheit zu erhalten.
Ein spannendes Thema: Herr Weil und Herr Althusmann, wie war das noch gleich mit VW? - Herr Althusmann hatte im Wahlkampf angekündigt, neben dem Ministerpräsidenten einen externen Experten in den Aufsichtsrat zu entsenden.
(Christian Grascha [FDP]: So ist es! - Christian Meyer [GRÜNE]: Wo ist der? - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Kein Externer und kein Experte!)
Dass man es in 14 Tagen nicht geschafft hat, diesen Experten zu finden, ist bedauerlich. Blöd ist nur, dass nun gerade derjenige den Aufsichtsratsposten übernimmt, dem Stephan Weil in einem großen TV-Duell noch bescheinigt hat, dass er die Materie nicht durchblickt. Das macht uns Sorgen!
(Beifall bei den Grünen, bei der FDP und bei der AfD - Dr. Stefan Birkner [FDP]: Ist ja nur VW! Kommt ja nicht drauf an! - Ist ja nur VW! (Christian Meyer [GRÜNE]: Vielleicht lernt er jetzt von Herrn Weil!)
Personalpolitisch bedenklich finde ich - bei aller Sympathie für den Kollegen - auch die Nachfolge im Umweltministerium. Noch als Wirtschaftsminister hat Herr Lies freudig in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass es nun endlich mit der A 20 und der A 39 losgehen kann. Als Umweltminister wird er diese wirtschaftlich unrentablen Projekte vermutlich loben, auch deshalb, weil sie die Menschen auf neuen Autobahnen schneller in die Naturschutzgebiete führen können. Vielleicht wird dann das die neue Begründung.
Dasselbe Bild beim Artenschutz! Und ich meine jetzt nicht den Schutz des bedrohten Diesels. Was wollen Sie gegen das Insekten- und Vogelsterben unternehmen? - Hier wären Maßnahmen nötig, die Landwirtschaft so zu gestalten, dass sie ihre eigenen Grundlagen erhält. Sie schweigen sich dazu aus.
Sicher ist es wichtig, Maßnahmen im Konsens umzusetzen. Verbraucherinnen und Verbraucher haben nichts davon, wenn sich andauernd politisch gestritten wird. Aber politische Ideen dafür braucht es dennoch, und Politiker müssen für ihre Maßnahmen auch nicht immer gefeiert werden. Maßnahmen müssen funktionieren - und daran fehlt es in diesem Koalitionsvertrag.
Die Agrarwende hat in den letzten viereinhalb Jahren sehr viel Zustimmung erfahren. Damit wird jetzt wohl Schluss sein.
Meine Damen und Herren, kommen wir zu den schlechten Lösungen. Das ist vor allen Dingen - das ist für mich persönlich wirklich eine große Erschütterung gewesen, weil ich die letzten viereinhalb Jahre anders erlebt habe - die Rückkehr zur Law-and-Order-Politik im wahrsten Sinne.
Statt über Sicherheit reden Sie jetzt lieber über Ordnung. Wer Ordnung schafft, der sortiert, verschiebt und kehrt auch mal was unter den Teppich. Allein, es geht hier um Menschen.
Sie wollen Alkoholikerinnen und Alkoholiker aus den Innenstädten vertreiben. Vielleicht kann man das ja auch bewaffnet tun, Herr Oesterhelweg, wenn wir schon mit Ihnen darüber reden.
Wen wollen Sie eigentlich verbannen? Meinen Sie, es wird weniger getrunken und es geht den Leuten weniger schlecht, wenn Sie sie von den großen Plätzen vertreiben? - Mir wird jedenfalls klar, wofür Sie so viele Polizisten brauchen. Weil Sie ihnen damit Aufgaben zuschustern, die da gar nicht hingehören. Denn für solche Menschen bräuchte es Sozialarbeiter, aber keine Polizisten.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Ordnung. Das ist dieser Rechtstaat, dessen Prinzipien für alle gelten. Wir können ja schon froh sein, dass sich die CDU nicht völlig durchgesetzt hat. Aber eine Präventivhaft von bis zu 74 Tagen - also die Inhaftierung von nicht straffälligen Menschen, um zu verhindern, dass sie straffällig werden -, das unterhöhlt den Rechtstaat.
Ich bin gespannt, was unser Gesetzgebungs- und Beratungsdienst genau dazu sagen wird. Wir Grüne - da weiß ich die FDP in vielen Punkten an unserer Seite - werden jedenfalls alles dafür tun, um zu verhindern, dass so etwas Gesetzeskraft erlangt!