Wir haben in den letzten Wochen in diesem Saal viele Reden gehört: vom ehemaligen Landtagspräsidenten und jetzigen stellvertretenden Landtagspräsidenten Busemann, vom Bundespräsidenten Steinmeier, von der neuen Landtagspräsidentin Frau Dr. Andretta und nicht zuletzt vom neuen und alten Ministerpräsidenten, Herrn Stephan Weil. In vielen dieser Reden wurde immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, die Meinung des anderen auszuhalten. Das, meine Damen und
Das Problem, mit dem wir alle hier leben, das Problem, das die Demokratie in Deutschland zurzeit bewegt, ist aber viel tiefer gehend. FrankWalter Steinmeier hat das in einer anderen Rede, nämlich in seiner Rede zum 3. Oktober, also zum Tag der Deutschen Einheit, richtig beschrieben. Er hat dort gesagt, es gehe ein tiefer Riss durch unsere Gesellschaft. Was er dann leider nicht getan hat, ist, überzeugend darzulegen, woher dieser Riss kommt. Dabei ist das ein Riss, den es so zuvor in der bundesdeutschen Geschichte noch nicht gegeben hat.
Dieser Riss teilt die Gesellschaft in die AfD und viele von der bisherigen Politik Enttäuschte, ja Wütende auf der einen Seite
und die Altparteien, also Sie, auf der anderen Seite. Wenn man fragt, woher dieser Riss kommt, dann kommt man relativ zügig zu dem einzigen Schluss, dass in früheren Zeiten die politischen Gegner ihre jeweiligen Ansichten gegenseitig für falsch gehalten haben; das tun wir heute gegenseitig selbstverständlich auch. Aber heute halten wir unsere Positionen nicht nur für falsch, wir halten sie für gefährlich.
Es ist diese Einschätzung, dass der jeweils andere eine Gefahr für unsere Gesellschaft ist, die uns so unversöhnlich macht, die uns nicht zu einer politischen Gegnerschaft, sondern teilweise zu einer Feindschaft bringt, die sich im Wahlkampf manchmal wie ein Vernichtungswille anfühlte. Das, meine Damen und Herren, ist aber eine Grenze, die keiner von uns überschreiten sollte; denn das ist mit der Demokratie nicht mehr vereinbar.
Demokratie ist ein System, in dem die Minderheitsmeinung stets die Chance haben sollte und muss, zur Mehrheitsmeinung zu werden.
Das ist die Definition von Demokratie. Wenn wir uns dazu hinreißen lassen, dem Gegner jegliches politisches Existenzrecht abzusprechen, dann ist diese Voraussetzung eben nicht mehr erfüllt. Dessen sollten wir uns wirklich alle bewusst sein.
Wir müssen uns nicht mögen - ganz bestimmt nicht. Aber wir müssen einen Grundrespekt voreinander haben. Ich muss respektieren, dass Sie eine abweichende politische Meinung haben, und Sie müssen respektieren, dass ich eine andere Meinung habe. Dazu gehört eben auch, dass man sich nicht bei jeder Gelegenheit Totschlagsargumente und hohle Phrasen an den Kopf wirft oder den anderen stumpf beschimpft.
Ich möchte nicht als Nazi beschimpft werden, wie es im Wahlkampf mehrfach passiert ist. Ich bin nämlich kein Nazi, mit Verlaub.
Ich möchte auch nicht als Rassist beschimpft werden, nur weil ich die Forderung erhebe, dass ich die illegale Zuwanderung gestoppt sehen möchte.
Mir ist klar, dass es dem einen oder anderen auch hier nicht gefallen wird, auf diese Phrasen zu verzichten. Denn so häufig, wie diese benutzt werden, kann man den Eindruck bekommen, manche stünden nahezu waffenlos da, wenn sie das tun.
Argumente für Ihre Politik haben sie nicht so viele vorgebracht, jedenfalls keine, die mich überzeugt hätten. Trotzdem werden Sie es nicht erleben, dass ich Sie beschimpfe - und das nicht, weil ich Sie mag, sondern weil sich das so gehört. Das ist eine Frage des Anstandes und des Respektes vor dem politischen Gegner.
Ich glaube, es reicht nicht aus, einfach nur zu sagen: „Wir müssen den Menschen wieder mehr zuhören“, wie man das so gerne von Vertretern Ihrer Parteien hört - üblicherweise dann, wenn die AfD wieder ein ordentliches Wahlergebnis eingefahren hat. Nein, meine Damen und Herren, Zuhören allein reicht nicht mehr aus. Sie müssen dann schon noch etwas von dem, was Sie gehört haben, auch umsetzen. Sonst fühlen sich die Leute nämlich erst veräppelt, und in einer zweiten Stufe hö
ren sie Ihnen dann gar nicht mehr zu. Das, meine Damen und Herren, ist dann wirklich die viel zitierte Politikverdrossenheit. Da bin ich ganz bei der Kollegin Modder von der SPD, die das in Bezug auf Beleidigungen gesagt hat.
Wenn Sie weiter nur zuhören wollen und nicht endlich auch konservative Positionen zumindest angemessen berücksichtigen, dann werden Sie den Riss, von dem ich eingangs sprach, nur weiter vertiefen.
Mit Ihrer Großen Koalition können Sie das ja jetzt. Sie haben ja jetzt die Macht, Zeichen zu setzen. Sie können als Regierung tatsächlich Politik für das ganze Volk machen. Der Weg dazu ist einfach: Wenn Sie konservative Positionen berücksichtigen wollen, schauen Sie einfach mal in unser Wahlprogramm! Sie werden feststellen, dass eine Menge vernünftige Sachen darin steht.
Es ist schön, dass jetzt Einzelne lachen. Das zeigt, dass wenigstens einer zugehört hat. Aber denken Sie daran: Zuhören allein reicht nicht!
Das gilt, meine Damen und Herren, selbstverständlich aber auch umgekehrt. Wenn Sie einen vernünftigen Antrag stellen, dann werden wir ihn unterstützen. Es ist uns dabei völlig egal, aus welcher politischen Ecke er kommt. Selbst wenn die Linken hier im Landtag säßen, würden wir sie unterstützen, wenn der Antrag vernünftig wäre.
Aber, meine Damen und Herren, man hat so gehört, dass einige von Ihnen geradezu mit Abscheu auf den Gedanken reagieren, dass sie bei einem eigenen Vorschlag von der AfD unterstützt werden könnten. Dagegen gibt es natürlich ein Patentrezept: Sie können ab sofort einfach nur noch unvernünftige Vorschläge machen, dann unterstützen wir Sie garantiert nicht.
Genauso versprechen wir Ihnen, dass wir uns in den nächsten fünf Jahren mit Ihnen auseinandersetzen wollen - hart in der Sache, aber anständig im Umgang, so, wie es in der Demokratie sein soll.
Ich will damit beginnen, indem wir uns drei Punkte aus der gestrigen Regierungserklärung einmal anschauen. Dabei ist es nicht zu vermeiden, dass besondere Punkte aus dieser Regierungserklärung oder im Umfeld schon erwähnt worden sind. Das ist das eben das Schicksal desjenigen, der als Letzter vorträgt. Aber manchmal zeigt es ja auch
Sie, Herr Ministerpräsident, haben gestern ein rosarotes Bild unseres Landes vermittelt, in dem es keine Probleme gibt, die man nicht gemeinsam lösen könnte, man muss es nur ganz fest wollen, und die Landesregierung fördert und schützt die Gutwilligen bei dieser Aufgabe. Schauen wir uns das in einigen Punkten mal an!
Zum Thema der inneren Sicherheit kündigen Sie an, 1 500, möglicherweise sogar 3 000 neue Polizisten einzustellen - 1 500 Polizisten in einem Flächenland wie Niedersachsen, verteilt auch fünf Jahre. Diese neu eingestellten Polizisten sind zunächst einmal Anwärter und drei Jahre in der Ausbildung. Da drängt sich die Frage auf: Warum sind diese Polizisten eigentlich nicht jetzt schon auf der Straße, Herr Weil?
Dass Hannover z. B. die Stadt mit der dritthöchsten Kriminalitätsrate in ganz Deutschland ist, wissen Sie ja auch nicht erst seit 14 Tagen. Da darf man schon mal fragen: Was haben Sie eigentlich in den letzten fünf Jahren gemacht, Herr Weil?
Schauen wir auf die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition! Schauen wir z. B. auf VW! Sie kennen das Thema.
Herr Althusmann, frisch vereidigter Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen, verkündet noch am 8. August dieses Jahres - also mitten im Wahlkampf - in einem Interview mit dem NDR, die CDU wolle VW aus der Umklammerung durch die Politik befreien. Der Ministerpräsident - also im Falle eines CDU-Wahlsieges er selbst - soll aber auf jeden Fall dem VW-Aufsichtsrat angehören. Der zweite Sitz des Landes, den üblicherweise der Wirtschaftsminister besetzt, solle an einen von der Landesregierung benannten externen Experten gehen. Herr Althusmann erklärte, es erfordere profundes Fachwissen, um einen Weltkonzern wie VW hinreichend kontrollieren zu können. Der NDR zitiert dann Herr Althusmann wörtlich - und ich zitiere hier ebenfalls -:
„Dafür müssen wir eine parteipolitisch unabhängige Person verpflichten, die sich mit Wirtschaftsprüfung ebenso gut auskennt wie mit der Automobilbranche.“
Sie wissen es, dieser Experte ist gefunden. Den zweiten Sitz des Landes im Aufsichtsrat von VW nimmt ein? - Herr Minister Althusmann.
Mit einer solchen Flexibilität in Grundsatzfragen darf man auf die weitere Wirtschaftspolitik der Regierung gespannt sein. Wir werden das sehr aufmerksam begleiten.
Kommen wir zu einem dritten Punkt aus Ihrer Regierungserklärung! Kommen wir zur Bildungspolitik! Auch die ist bereits ausreichend und umfangreich gewürdigt worden.
Sie haben erklärt, die Inklusion wollen Sie mit aller Macht vorantreiben. Wir fänden es besser, Herr Weil, wenn Sie zunächst einmal auf Eltern, Lehrer und Schüler zugehen würden, wenn Sie sich anhören würden, warum die Inklusion, so wie Sie sie angehen, nicht funktioniert, ja gar nicht funktionieren kann, und wenn Sie dann - wie gesagt - von dem Gehörten etwas umsetzen, Ihre eigene Position vielleicht sogar überdenken würden, anstatt auf dem Rücken der Beteiligten Ihre Schulexperimente vorzuführen. Bislang jedenfalls war das eine Zwangsinklusion, die das Wohl des einzelnen Kindes eben nicht im Blick hatte.
Denn die von Ihnen vorgesehene Ausstattung, gerade mit dem dafür notwendigen Personal, konnte doch nie hergestellt werden. Oft genug war ein einzelner Lehrer mit Aufgaben betraut, für die es zwei oder drei Pädagogen gebraucht hätte. Das konnte nicht gutgehen. Das war schlecht geplant und miserabel durchgeführt. Und nun sprechen Sie davon, dass Sie 1 000 neue Lehrer einstellen wollen. Aber wo Sie die herzaubern wollen, haben Sie uns nicht verraten. Der Markt ist nämlich leer, Herr Weil! Es gibt keine qualifizierten Lehrer, die Sie mal eben in großer Zahl einstellen können.
Noch am 14. September dieses Jahres schrieb die Süddeutsche Zeitung, dass in Deutschland 3 300 bereits bestehende Lehrerstellen nicht besetzt werden können, weil es einfach nicht genug Lehrer gibt - und dabei reden wir noch nicht einmal von den Fachkräften für die Inklusion. Heute werden Regelschullehrer bereits in Wochenendkursen inklusionsbefähigt. Aber glauben Sie im Ernst, dass jemand in Wochenendkursen das erlernen kann, wofür ein Sonderpädagoge ein eigenes Studium absolvieren muss? - Das ist keine seriöse Bildungspolitik, das ist Flickschusterei! Das ist
Aber was soll man auch von einer Regierung erwarten, die im Rahmen ihrer Bildungspolitik in den Grundschulen so etwas erlaubt wie - wir haben es schon gehört - „Schreiben lernen nach Gehör“? Eine Lernweise, für die so argumentiert wird: Wenn man schreiben anders lernt, wird man ja immer gleich zurechtgewiesen, wenn man Fehler macht. Und zurechtgewiesen zu werden, macht keinen Spaß, und Lernen soll ja Spaß machen. Aber mit Beginn der dritten Klasse wird dann alles rot angestrichen, was falsch ist. Ich könnte mir vorstellen, dass das keinen Spaß macht.