Insofern will ich gleich zu Beginn einen Appell aussprechen. Neben den rechtlichen Fragen bzw. Verordnungsfragen, die wir natürlich beantworten müssen und denen wir nachgehen müssen, ist der Verbraucher hier in einer ganz entscheidenden Rolle, weil er mit seiner Willensbekundung dahin gehend, dass er Produkte entweder kauft oder nicht kauft, ganz erheblich dafür sorgen kann, dass Plastikmüll eingegrenzt wird. Insofern sind wir auch alle gefragt - wir insgesamt als Politik in der Verantwortung, aber ebenso die Gesellschaft insgesamt.
Wir haben versucht, die Fragen so zu beantworten, dass die Antworten eine gute Grundlage sind. Ich glaube, dass das auch an vielen Stellen gelungen ist. Allerdings ist es tatsächlich so, dass abschließende Erkenntnisse leider oft gar nicht vorliegen. Denn wir haben es hier mit einem Themenkomplex zu tun, der aktuell weltweit Gegenstand von Forschung und Entwicklung ist. Das ist ganz interessant, weil die Auswirkungen schon viel länger bekannt sind und wir sie schon viel länger sehen.
Wir haben uns auch in der Umweltministerkonferenz sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Auch da waren die Fragestellungen aus der Großen Anfrage absolut hilfreich und richtig. In der Umweltministerkonferenz ging es im Juni dieses Jahres um die Reduzierung der Kunststoffe in Gewässern und in diesem Zusammenhang um die Entwicklung und Umsetzung gemeinsamer europäischer Maßnahmen - denn wir reden auch immer von grenzüberschreitenden Themen -, aber auch um Forschungsbedarf und Forschungsschwerpunkte, die wir haben. An dieser Stelle geht es darum, überhaupt Bewertungsmaßstäbe zu entwi
Wir haben das bei der letzten Umweltministerkonferenz fortgesetzt. Das zeigt, dass sich bei dieser Konferenz die Umweltminister der Länder und des Bundes gemeinsam sehr intensiv mit dieser Frage beschäftigen. Auch dort haben wir tiefer gehend die Frage nach der Vergleichbarkeit von Daten und Ergebnissen gestellt, sodass wir wirklich auch in die weitere Umsetzung kommen werden. Vieles davon ist allerdings auch den Antworten zu entnehmen.
Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen, die deswegen für uns wichtig sind. Neben der Beratung, die sicherlich weiterhin stattfinden wird - im politischen Raum, aber auch im gesellschaftlichen Raum -, brauchen wir Antworten. Was können wir schon jetzt machen?
Ich will zumindest vom Runden Tisch Meeresmüll berichten. Denn dort haben wir einige ganz wichtige Grundlagen geschaffen, die natürlich auf die von Ihnen gestellten Fragen und damit auch auf die Lösungsmöglichkeiten eingehen.
Ganz vorne angefangen, geht es um die Verankerung des Themas Meeresmüll in Lehrzielen, Lehrplänen und Lehrmaterial. Denn wir müssen - wie bei allen anderen Themen auch - bei jungen Menschen sehr früh anfangen, sie zu informieren.
Die Modifikation und Substitution von Produkten unter Berücksichtigung einer gesamtökologiebilanzierten Betrachtung ist dabei wichtig. Es geht also um die Frage, wo es Sinn macht, Kunststoffe zu ersetzen und andere Materialien zu nutzen. Der Begriff „Plastik“ - das muss man sagen - wirkt immer ein bisschen reduzierend. Kunststoffe werden wir an vielen Stellen haben und einsetzen. Wir müssen überlegen, wo es wirklich notwendig ist.
Wir müssen über die Vermeidung des Einsatzes von Mikropartikeln reden. Das habe ich vorhin gesagt. Ich glaube, dass das nicht nur möglich, sondern sogar sehr gut möglich ist. Es würde uns nicht schaden, sondern nur helfen.
Wir müssen die Einträge von Kunststoffmüll, z. B. Kunststoffverpackungen, in die Meeresumwelt reduzieren.
Wir brauchen auch müllbezogene Maßnahmen zu Fischereinetzen und -geräten. Das ist ein nicht unerheblicher Anteil. Man vermutet das gar nicht. Wenn man sich damit auseinandersetzt, sieht man aber, dass es ein erschreckend großer Anteil ist,
der auch noch eine doppelte Auswirkung hat, weil er zudem eine Belastung für die Tierwelt darstellt. Wir haben deshalb „Fishing for Litter“ etabliert.
Insgesamt gibt es eine ganze Reihe von Beispielen dafür, dass man das Kunststoffaufkommen reduzieren kann und dann auch Emission und Eintrag reduzieren kann.
Was ist die Maßgabe, die wir haben? Denn wir haben jetzt eine gute Grundlage. Die Große Anfrage mit ihren Antworten liefert uns eine Möglichkeit. Wir müssen aber natürlich auch handeln. Ich finde, dass sowohl auf der Verbraucherseite als auch auf Landesebene, Bundesebene und europäischer Ebene eine Menge passiert.
Gerade den Richtlinienvorschlag der EU halte ich für ein gutes Signal. Wir müssen ihn ja bis 2021 umsetzen, indem wir prüfen, was denn wirklich noch sein muss und was wir vermeiden können.
Es geht also darum, zumindest die beschriebenen wesentlichen Einwegkunststoffartikel, die wir hauptsächlich an Stränden finden, zu verbieten. Das ist am Ende der konsequente Weg. Wir werden es auch nicht merken, glaube ich. Dann ist der Strohhalm eben wieder ein Strohhalm und kein Plastikhalm. Auch damit werden wir sicherlich gut umgehen, obwohl es im ersten Moment sicherlich eine Veränderung ist. Das geht also, glaube ich.
Wir brauchen eine Minderung des Verbrauchs von Lebensmittelverpackungen. Das will ich einmal als Beispiel nehmen. Diese Beispiele, die wir haben, werden ja auch sehr häufig zitiert. Es gibt inzwischen gute Apps, die aufzeigen: Ist das Verpackungsmaterial, das immer wieder eingesetzt wird, eigentlich überhaupt notwendig? Reicht es nicht, wenn der Apfel daliegt? Muss er wirklich noch in Folie oder anderweitig verpackt sein?
Das ist ein guter und ganz praktischer Weg. Man wundert sich immer, wenn man sieht, welche Menge das bringt. Denn es wirkt immer so, als habe jeder nur ein kleines bisschen Plastik reduziert. Bei 80 Millionen Einwohnern alleine in Deutschland kommt dabei aber eine ganze Menge zusammen, sodass es sich lohnt.
Bezogen auf das Ziel der EU, muss man Folgendes sehen: 80 bis 85 % der Abfälle in den Meeren sind Kunststoffe und 50 % davon Einwegkunststoffe. Bei 27 % handelt es sich - ich habe es vorhin gesagt - um Gegenstände aus der Fischerei.
Wir brauchen Kennzeichnungsvorschriften. Denn wie will der Kunde am Ende erkennen, was Kunststoff im positiven Sinne ist und was Plastik ist, das nicht hätte sein müssen? Chemisch gesehen ist es natürlich das Gleiche. Wo hat er also wirklich eine Chance, zu entscheiden?
Wir brauchen auch eine Verpflichtung für Hersteller von Artikeln wie Folienverpackungen, Feuchttüchern und Fanggeräten. Sie müssen am Ende auch ein Stück weit dafür sorgen, dass das, was danach kommt - nämlich die Abfallbewirtschaftung und die Säuberung -, auch finanziert ist.
Wir brauchen Zielvorgaben für die Sammlung von Getränkeverpackungen, Sensibilisierungsmaßnahmen für die Verbraucher usw., also eine ganze Anzahl von Dingen, die immer wieder genannt werden.
Ich will nur einen Punkt nennen, den wir zum 1. Januar 2019 über das Verpackungsgesetz verändern. Dann wird die nächste Charge von Plastikflaschen zu Mehrwegflaschen. Man muss sich heute noch einmal fragen, warum damals bei der Einführung immer wieder Ausnahmen gemacht wurden und warum das Pfand nicht unabhängig davon genommen wird, ob es Saft, Saft mit Kohlensäure oder ein anderes kohlensäurehaltige Getränk ist. Ich glaube, dass das Pfand - lange diskutiert und kritisiert - ein Beispiel für eine elementare Lösung dafür ist, wie man Müll vermeiden und in den Wirtschaftskreislauf zurückführen kann.
Ich glaube, wir müssen den Menschen auch einmal vermitteln, worüber wir überhaupt reden; denn nach meinem Eindruck erzeugt jeder für sich allein nicht so viel Müll, dass er diesen Umstand als Problem erkennt. Lassen Sie mich die ganze Dramatik einmal an einem Beispiel aufzeigen, nämlich den Coffee-to-go-Bechern. Jeder für sich benutzt nicht so viele Coffee-to-go-Becher, dass es ein Problem wäre, aber in Summe sind es zu viele. Allein in Deutschland sind es 2,8 Milliarden pro Jahr, und das sind 320 000 pro Stunde.
Ich finde, das ist eine unglaubliche Zahl. Sie hat mich auch schockiert. Selbst wenn man die Anzahl um 30 % reduziert, weil es heißt, sie sei um 30 % zu hoch, ist sie immer noch viel zu hoch. Reiht man diese Becher aneinander, reicht die Kette übrigens fast bis zum Mond. Und diese Menge erzeugen wir jedes Jahr!
Ich glaube, wir brauchen solche Bilder immer mal wieder, um zu vermitteln, dass auch der Einzelne mit einer eigenen Vermeidungshandlung eine ganze Menge Müll einsparen kann - und das gilt erst recht, wenn mehrere seinem Beispiel folgen. Ich denke, dass wir in dieser Hinsicht stärker sensibilisieren müssen. Das ist einer dieser Punkte, die ganz entscheidend sind und die wir voranbringen müssen.
Ich hoffe, dass dies durch die gesellschaftliche Debatte gelingt und dass die Antworten, die wir auf die Große Anfrage geben konnten, dabei helfen. Wir werden darüber auch weiter diskutieren und daran weiter arbeiten. Ich habe Sie auch so verstanden, dass es dazu eine weitere Parlamentsdebatte geben wird.
Es muss uns also gelingen, ein Thema, das immer wieder einmal eine gewisse Öffentlichkeit hat, nachhaltig zu bearbeiten und dazu Lösungen aufzuzeigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Lösungen in Niedersachsen gemeinsam mit der kommunalen Seite auf den Weg bringen können. Wir können auf die Entscheidungen, die auf Bundesebene, im Bundesrat, getroffen werden, einwirken. Dabei werden wir auch der Verpflichtung nachkommen, das, was uns die Europäische Kommission vorgibt, konzentriert und zügig umzusetzen; das ist ein ganz zentrales Thema.
Die Bilder, die wir sehen, sind schrecklich, aber sie helfen vielleicht, uns ein bisschen stärker zu sensibilisieren. Wir dürfen nicht weggucken.
Insofern noch einmal herzlichen Dank für die Anfrage. Ich freue mich auf die weitere Diskussion und vor allen Dingen auf die Lösungsansätze, die wir dazu entwickeln.
Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Wir treten jetzt in die weitere Besprechung der Großen Anfrage ein.
Wenn alles das, was hier bis 15 Uhr angekommen ist, noch Gültigkeit hat, dann wäre jetzt für die SPD-Fraktion der Kollege Pott dran. Bitte sehr, Herr Pott! Ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vorliegenden Antworten der Landesregierung zur Großen Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen zeigen den dringenden Handlungsbedarf im Bereich des Plastikmülls deutlich auf. Die Große Anfrage unterstreicht auch die Notwendigkeit der Maßnahmen des heutigen Entschließungsantrags der Regierungskoalition, da er u. a. die aktuelle Initiative der Europäischen Union zur Reduzierung von Einwegplastik aufgreift.
Meine Damen und Herren, aus der viermal pro Jahr durchgeführten systematischen Erfassung der Menge und der Zusammensetzung des Makromülls geht hervor, dass die Strände der Nordseeregion pro 100 m Küstenlinie mit 389 Müllteilen und der Meeresboden durchschnittlich mit 11 kg Müll pro Quadratkilometer belastet ist. Mehr als 90 % dieses Mülls an Strand und Meeresboden der südlichen Nordsee besteht aus Kunststoff.
Meine Damen und Herren, die Feststellungen im aktuellen Entwurf des Berichts zum Zustand der Nordsee sind nicht zufriedenstellend. So heißt es dort:
„Müll am Strand, Meeresboden und in der Wassersäule belastet die deutschen Nordseegewässer und ist weit verbreitet. Der [angestrebte] gute Umweltzustand ist nicht erreicht.“
Bei 60 % der untersuchten Eissturmvögel, die in der Nordsee als Indikatorart für die Aufnahme von Plastikpartikeln auf der Meeresoberfläche gelten, wurde mehr als 0,1 g Kunststoff im Magen gefunden - und das bei einem Vogel, der maximal 1 kg schwer ist.
Besonders aufgrund dieser Feststellung gilt es, bestehende Maßnahmen fortzuführen und zu intensivieren. Denn heute bereits unternimmt das Land Niedersachsen beachtliche Anstrengungen zur Bekämpfung des Plastikmülls. Ein Beispiel für dieses Engagement ist die Initiative „Fishing for Litter“. Wie bereits mehrfach gefordert, müssen die Menge von Einwegplastik drastisch reduziert und die Recyclingquote deutlich erhöht werden. Zusätzlich müssen wir verschmutzte Meeresbereiche
und Küstenabschnitte wieder von Plastik säubern. Hier hat die Initiative „Fishing for Litter“, welche aus einer Kooperation des Landes Niedersachsen mit dem NABU entstanden ist, bereits beachtliche Erfolge erzielen können.
Diese Initiative bietet den Fischern die nötige Infrastruktur, um jenen Müll, der unweigerlich in Netzen landet, kostenfrei und fachgerecht zu entsorgen. Sieben Häfen mit mehr als 90 Krabbenkuttern tragen auf diesem Weg dazu bei, die Nordsee sauberer zu machen. In dem Zeitraum von 2013 bis 2016 wurden so knapp 15 t Nordseemüll allein in Niedersachsen an Land gebracht. In unserem Nachbarland Schleswig-Holstein sind zudem in den Jahren 2015 und 2016 noch einmal 6 t dazugekommen. Die dabei am häufigsten gesammelten Müllteile waren Kunststoffbruchstücke und Folienfetzen sowie Fischereinetze.
Meine Damen und Herren, es ist von daher zu begrüßen, dass die Finanzierung dieses wichtigen Projektes durch das Land Niedersachsen bis 2022 sichergestellt ist und so das vorbildliche Engagement der Fischer in Zusammenarbeit mit dem NABU weitergeführt werden kann.