Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

Vielen Dank, Herr Lechner. - Mir liegen aus dem Plenum keine weiteren Wortmeldungen vor. Möchte die Landesregierung? Herr Minister Pistorius? - Die Landesregierung möchte sich zu diesem Punkt nicht äußern, jedenfalls nicht jetzt.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport sein, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Wer dem so zustimmen möchte, den darf ich um ein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit haben sich 100 % der anwesenden Abgeordneten für die Ausschussüberweisung entschieden. So soll verfahren werden.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung: Erzieherinnen- und Erzieherberuf attraktiver machen - Erzieherinnen- und Erzieherausbildung weiterentwickeln und nicht abwerten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/46

Einbringen möchte den Antrag Kollegin Julia Willie Hamburg. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen Fachkräftemangel haben wir nicht nur, wie bereits besprochen, im Bereich der Lehrkräfte, sondern wir müssen konstatieren, dass er auch im Bereich der pädagogischen Fachkräfte und der Erzieherinnen und Erzieher besteht.

(Unruhe)

Die Bewerberinnen- und Bewerberlage -

Frau Kollegin, einen Moment, bitte! - Die Geräuschkulisse ist momentan nicht in Ordnung. Ich bitte darum, in den Türbereichen die Gespräche einzustellen. - Weiter geht’s!

- ist derzeit desolat. Wenn ich im Land unterwegs bin, erzählen mir immer wieder Einrichtungen, dass sie noch nicht einmal ausreichend Bewerberinnen und Bewerber haben, um die vorhandenen Stellen zu besetzen. Selbst in Hannover als großer Stadt und begehrtem Arbeitsort gibt es Einrichtungen, die Stellen ausschreiben und nur eine einzige Bewerbung darauf bekommen und somit gar keine Auswahl an qualifizierten Kräften haben.

Wir wissen zwar schon lange um die Lage, und es wurden auch bereits Maßnahmen ergriffen - unter der rot-grünen Landesregierung wurden beispielsweise die Ausbildungsplatz- und Studienplatzkapazitäten ausgebaut -, aber trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir konstatieren, dass das bei Weitem nicht ausreicht. Deshalb fordern wir einen Masterplan gegen den Fachkräftemangel bei den Erzieherinnen und Erziehern. Er ist überfällig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund sollten wir als gesamtes Haus die Landesregierung auffordern, endlich einen solchen Masterplan aufzulegen und damit folgende Maßnahmen in den Blick zu nehmen:

Erzieherinnen und Erzieher in Teilzeitbeschäftigung können heutzutage häufig noch immer nicht von ihrer Arbeit leben. Oftmals sind sie auf das Gehalt ihrer Partnerinnen oder Partner angewiesen. Das ist bei diesem verantwortungsvollen Beruf eine Zumutung, und das können wir nicht länger zulassen. Wenn wir wollen, dass Menschen diesen Beruf ergreifen, müssen wir ihn aufwerten, und deswegen fordern wir eine bessere Entlohnung für Erzieherinnen und Erzieher.

Ferner müssen sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Wir glauben, dass sich eine Qualitätssteigerung auch positiv auf die Arbeitssituation in den Einrichtungen auswirkt. Vor diesem Hintergrund fordern wir mehr Personal in den Einrichtungen, mehr Verfügungszeiten und bessere Arbeitsbedingungen insbesondere auch für Menschen höheren Alters. Denn oftmals können ältere Erzieherinnen und Erzieher die Kinder nicht mehr heben, bestimmte körperliche Arbeiten nicht mehr leisten und die Lautstärke nicht mehr in dem Umfang ertragen. Wir brauchen mehr Perspektiven für Erzieherinnen und Erzieher auch im hohen Alter, damit sie im Beruf bleiben können. Hier braucht es neue Strategien. Diese soll die Landesregierung entwickeln.

Auch die Ausbildungsplatzkapazitäten müssen noch weiter ausgebaut werden. Wir brauchen noch mehr Studienplätze, wir brauchen mehr Ausbildungsplätze, und diese gerne auch berufsbegleitend oder in den Betrieben mit verankert. Aber: Die Schulgeldfreiheit muss endlich her! Und es muss endlich auch eine angemessene Vergütung für diesen Beruf geben. Es kann nicht sein, dass Erzieherinnen und Erzieher eine Ausbildung machen, Geld dafür mitbringen und anschließend auch noch schlecht verdienen. Dagegen müssen wir uns stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Im Ausschuss musste ich erschrocken aufhorchen, als unser neuer Kultusminister das Regierungsprogramm vorstellte und sagte, es solle eine Dualisierung geprüft werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte, lassen Sie die Finger von einer Dualisierung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung! Das wäre so ziemlich das Schlechteste und Gefährlichste, was in diesem Bereich passie

ren kann. Sie haben die Qualitätsstandards nicht mehr, die derzeit gelten. Sie können eine Dualisierung - - -

(Johanne Modder [SPD]: Wer sagt das denn?)

- Lesen Sie einmal das Ausschussprotokoll! Ihr Kollege Tonne hat gesagt, er will das prüfen.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD])

- Das erzähle ich Ihnen gleich. Keine Angst, Frau Modder!

Keine Dialoge! Sie können eine Frage stellen, Frau Kollegin.

Ich möchte Sie mit Wissen mitnichten behelligen.

Also: Die dualisierte Ausbildung kann nur in drei bis dreieinhalb Jahren durchgeführt werden. Dafür gibt es Normen, daran muss sie sich messen. Derzeit haben wir eine vierjährige Ausbildung. Sobald Sie diese um ein halbes Jahr oder ein Jahr kürzen, können Sie weder die Inhalte noch die Praxisanteile entsprechend aufrechterhalten. Das bedeutet wiederum, dass die KMK-Vorgaben für die Qualität nicht eingehalten werden können und auch nicht die internationalen Standards. Unsere ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher könnten sich nicht international - noch nicht einmal in Deutschland - qualifiziert bewerben und müssten in schlechter bezahlte Berufsgruppen einsortiert werden, wenn sie sich woanders bewerben.

Frau Wulf hat im Ausschuss sehr deutlich gemacht, dass sie den Weg der Dualisierung als wegweisend und richtig empfindet. Ich möchte Sie alle auffordern - - -

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe)

- Ja, genau. Ich musste erschreckt aufhören.

Ich freue mich übrigens, dass auch ver.di und die Fachschulen der Sozialpädagogik der heutigen Debatte hier angeregt lauschen; denn auch sie haben dazu eine dezidierte Meinung. Auch sie warnen vor diesen Verkürzungen, Frau Modder.

Ich möchte Sie wirklich noch einmal auffordern: Lassen Sie uns als Landtag ein starkes Bekenntnis gegen den Plan der Dualisierung ablegen! Diese Geister, die die CDU mit dem Koalitionsvertrag heraufbeschwören will, dürfen auf keinen Fall Ein

zug in die Ausbildung unserer Erzieherinnen und Erzieher halten.

Berufsbegleitende Ausbildung, Frau Modder - darin waren wir uns auch schon unter Rot-Grün einig -, muss ausgebaut werden, und es muss eine bessere Bezahlung geben. Die Dualisierung und damit die Verschlechterung der Qualität in der Ausbildung kann aber nicht der Weg für unsere Erzieherinnen und Erzieher sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hamburg. - Jetzt spricht für die CDU-Fraktion der Abgeordnete André Bock. Herr Bock, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob Lehrkräfte und Schulleitungen an den niedersächsischen Schulen, ob Erzieherinnen und Erzieher oder die in der Kindertagespflege tätigen Fachkräfte - diese engagierten Personen sind der entscheidende Erfolgsfaktor für gute Schulen und gute Kindertagestätten in Niedersachsen. Daher gilt ihnen unsere hohe Wertschätzung. Ohne ihr tägliches Engagement und ohne ihre pädagogischen und fachlichen Leistungen kann es in Niedersachsen keine guten Bildungsangebote geben.

Meine Damen und Herren, die frühkindliche Bildung, die Verbesserung der Qualität und die dafür notwendige Grundlage, nämlich gute und motivierte Fachkräfte zu gewinnen, treibt uns um. Das treibt die Kommunen um, das treibt die Träger vor Ort um, und das treibt offensichtlich auch die Opposition hier im Hause um. Auch im Berufszweig der Erzieherinnen und Erzieher haben wir einen sehr hohen Fachkräftebedarf. Ich will an dieser Stelle bewusst das soeben gefallene Wort „Mangel“ vermeiden. Denn es gilt, nicht immer alles von vornherein schlechtzureden. Wir müssen Bedarfe sehen. Wo Bedarfe sind, gibt es auch eine Entwicklung nach vorne. Darüber ist zu sprechen, und es ist darüber zu sprechen, welche Entscheidungen wir in diesem Hause zu treffen haben.

Die Situation an unseren Kindertagesstätten bzw. die dortige Fachkräftesituation ist kein Geheimnis. Zuletzt im September titelten viele Zeitungen land

auf und landab in Niedersachsen: „Kitas finden keine Erzieherinnen“ oder „In Niedersachsens Kitas fehlen 1 200 Erzieher“. Das klingt zunächst einmal ein Stück weit dramatisch. Ja, wir haben einen sehr hohen Bedarf an Fachkräften. Allein im Sommer hatten wir noch 1 200 unbesetzte Stellen im Bereich der Kinderbetreuung. Im Vergleich zum Jahr 2010 sind das 850 Stellen mehr.

Man darf bei dieser Betrachtung aber nicht außer Acht lassen, dass sich gerade in den letzten Jahren in diesem Bereich politisch sehr viel getan hat. Es ist viel passiert, was die Bedarfe deutlich erhöhte, allein durch die bewusste und gezielte Familienpolitik, vor allem auch auf Bundesebene: die Schaffung des Rechtsanspruchs 2013 auf einen Betreuungsplatz in der Krippe, der massive Ausbau von Betreuungsplätzen, angeregt natürlich auch durch die Bundesmittel, die es dafür gab - aber eben auch bedingt durch den Rechtsanspruch. Auch diesem Bereich hat die neue Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag einen sehr breiten Raum gewidmet und sich für die Verbesserung der aktuellen Situation viel vorgenommen.

Um dem Fachkräftebedarf in der frühkindlichen Bildung entgegenzukommen, sollen natürlich zusätzliche Ausbildungsplätze in Voll- und Teilzeit geschaffen werden. Darüber hinaus werden wir im Dialog mit den Trägern, den Verbänden und der Wissenschaft eine Weiterentwicklung der Fachkräfteausbildung prüfen.

Und ja: Dabei soll auch geprüft werden, ob ein Modell für die duale Berufsausbildung für Erzieherinnen und Erzieher unter Beachtung der Vorgaben der Kultusministerkonferenz erarbeitet werden kann. Wir müssen uns angesichts des - auch im Vergleich zu anderen Berufen - hohen Fachkräftebedarfes den Realitäten stellen und fragen, welche erfolgversprechenden Elemente wir aus anderen Bereichen übernehmen könnten. Frau Hamburg, da von „Gefahren“ zu sprechen und von „Geistern“, die die CDU an der Stelle rief, ist nicht angebracht.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Sprechen Sie doch mit den Schulen und den Verbänden!)

Meine Damen und Herren, der Beruf der Erzieherinnen und Erzieher in Niedersachsen mit einer vierjährigen Ausbildung - teilweise auch sehr weit weg vom Wohnort - ohne Vergütung auf der einen Seite, Fahrtkosten auf der anderen Seite, die sozusagen aus der eigenen Tasche zu zahlen sind

- dies erfordert schon ein sehr hohes Maß an Liebe zu einem Berufswunsch.

Aber auch die Vorteile der praktischen Seite dualer Ausbildungsgänge dürfen wir an dieser Stelle nicht außer Acht lassen. Der Erzieherberuf muss für jedermann und jedefrau attraktiver werden und nicht nur für die, die sich innerlich - sozusagen aus dem tiefsten Herzen heraus - zu diesem Beruf in der Tat berufen fühlen.

Denkverbote und Ausschließeritis - was Sie gerade angesprochen haben, Frau Hamburg - darf es an dieser Stelle nicht geben.