Protokoll der Sitzung vom 01.03.2019

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beginnen heute die Debatte über die neu vorliegenden Entschließungsanträge. Zur Finanzierung: Die Landesregierung hatte 2015 Haushaltsmittel für eine Anschubfinanzierung der Pflegekammer vorgesehen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Genau! Die wa- ren drin!)

In Zeiten sehr günstiger Finanzierungsmöglichkeiten am Kreditmarkt erschien der Einsatz von Steuermitteln seinerzeit aber nicht erforderlich. Dieser Einschätzung der damaligen Landesregierung ist seinerzeit auch der Landtag hier gefolgt. Die Einschätzung stellt sich heute anders dar.

Abschließend zur Evaluierung: Wir werden die Evaluierung in diesem Jahr vorbereiten und ein unabhängiges wissenschaftliches Institut mit der Durchführung beauftragen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Da bin ich mal gespannt!)

Dabei werden wir uns genau ansehen, welche Methoden und welche Kriterien nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geeignet sind, die Arbeit der Pflegekammer zu bewerten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt sollten wir der Pflegekammer Zeit geben, ihre inhaltlichen Aufgaben auszufüllen. Lassen Sie uns die Ergebnisse der Evaluierung ansehen und diese gemeinsam diskutieren! Eine öffentliche Debatte über die Pflegekammer ist sicherlich berechtigt. Es handelt sich um eine bedeutsame neue Organisation mit neuen Aufgaben im Pflegebereich.

Ich bin sehr dankbar - lassen Sie mich das sagen -, dass der Sozialausschuss sehr differenziert und konstruktiv mit dem Thema umgeht. Das wünsche ich mir auch weiterhin so; denn letztendlich geht es uns allen um die Verbesserung der Situation in der Pflege und für die Pflegenden.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Es liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor.

So können wir zur Ausschussüberweisung kommen.

Beide Tagesordnungspunkte sollen federführend im Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung beraten werden. Mitberaten soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Gibt es Enthaltungen? - Ebenfalls nicht. Dann haben Sie so entschieden.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Wolfsverordnung - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/2888

Zur Einbringung hat sich der Kollege Hermann Grupe gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wolf ist zurück in Niedersachsen. Er breitet sich mit einer hohen Vermehrungsrate von etwa 30 % aus. In Niedersachsen gibt es laut Wolfsbüro 22 nachgewiesene Wolfsrudel, ein Wolfspaar und einen Einzelwolf. Die Betonung liegt auf „nachgewiesen“. Die Dunkelziffer liegt nach Auskunft vieler Experten vor Ort weitaus höher.

Der Bestand des Wolfes in Deutschland ist mit über 1 000 Individuen längst nicht mehr gefährdet. Geht man von 200 Wölfen in Niedersachsen aus, wären es bei einer Remontierungsrate von 30 % nach fünf Jahren mehr als 740 Wölfe. Das würde den Bestand anderer Wildtierarten nachhaltig ge

fährden. Die Biodiversität würde eingeschränkt und, meine Damen und Herren, eine Weidehaltung von Nutztieren würde schlicht unmöglich gemacht.

(Beifall bei der FDP - Dr. Stefan Birk- ner [FDP]: So ist es!)

Der von uns vorgelegte Entwurf einer Wolfsverordnung hat mit einer Bestandsregulierung überhaupt nichts zu tun. Dies bliebe einer Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht vorbehalten, wo dann Abschusszahlen festgelegt würden, wie das in Teilen Skandinaviens längst passiert. Auch die Franzosen tun das längst; sie entnehmen jährlich 50 Wölfe.

Hier geht es ausnahmslos um verhaltensauffällige Wölfe, die sich den Menschen in gefährlicher Weise nähern oder wiederholt Übergriffe auf geschützte Nutztiere verüben.

Seitens des viel diskutierten Rodewalder Rudels sind Rinderrisse seit April 2018 nachgewiesen. Dies ist ja nun in der Tat ein auffälliges Verhalten. Im August 2018 kam es zu Rissen in einem Stall. Da hat Minister Lies gesagt: Dieser Leitwolf wird entnommen. - Er lebt aber immer noch, Herr Minister. In der Zwischenzeit - bis Februar 2019 - kam es nach Auskunft Ihres Hauses zu 26 Übergriffen mit 47 getöteten Nutztieren und 13 verletzten Tieren.

Das ist Ihre Handlungsweise. Die Menschen fühlen sich absolut alleingelassen. Klar ist, dass dieses Verfahren - Ministerentscheidungen zu einem einzelnen Wolf; Möglichkeiten der Klage durch mehrere Instanzen - der Situation absolut nicht gerecht wird.

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, Sie haben keine Lösung anzubieten. Durch Ihr Zaudern und Abwarten verschärfen Sie die Konflikte im Land. Es ist Ihnen in Ihrer Regierungszeit nicht mal gelungen, einen einzigen Wolf auch nur zu besendern. Das ist eine Bankrotterklärung, oder es ist Absicht - ich weiß es nicht.

So jedenfalls kann man die Probleme nicht in den Griff bekommen. Die Menschen fühlen sich da alleingelassen. Sie sind doch gar nicht in der Lage, den einzelnen für einen Riss verantwortlichen Wolf zu identifizieren und unschädlich zu machen, wenn dieses Rudel so weitermacht. Sie haben uns ja erklärt, wie man den Leitwolf angeblich erkennen kann. Wir werden das gespannt verfolgen. Aber auf diese Art und Weise können Sie das Problem nicht in den Griff bekommen.

Mit einer Wolfsverordnung, wie wir sie hier vorschlagen, könnten die Experten vor Ort nach strengen Regeln flexibel auf Gefährdungen reagieren. Wir schlagen Folgendes vor: Zur Abwendung erheblicher wirtschaftlicher Schäden von Weidetierhaltern und zum Schutz der vorkommenden Tierwelt ist es Jagdausübungsberechtigten erlaubt, Wölfe durch Abschuss zu töten, wenn sie in eine umzäunte Weide eindringen oder eine unmittelbare Gefahr für nicht umzäunte Nutztierherden, besiedelte Gebiete bzw. bewohnte Hofstellen darstellen. Wölfe, die sich diesen Stellen auf Sichtweite nähern, können vergrämt werden. - Das wäre eine Handlungsgrundlage, mit der man das Problem in den Griff bekommen könnte.

Herr Minister, das Bundesnaturschutzgesetz ermöglicht eine solche Verordnung. Sie ist bei der jetzigen rasanten Ausbreitung des Wolfes dringend geboten, wenn man die Nutzungskonflikte und das Gefährdungspotenzial in den Griff bekommen will.

Die Politik hat sich hier als absolut handlungsunfähig erwiesen. Ihr „Weiter so!“ ist eine völlige Kapitulation vor den Problemen. Die Menschen erwarten, dass endlich entschieden und gehandelt wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Auch Ihnen vielen Dank, Herr Kollege Grupe. - Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Dr. Frank Schmädeke.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, heute für meine Fraktion zum FDPEntschließungsantrag niedersächsische „Wolfsverordnung“ sprechen zu dürfen; denn gerade in meinem Wahlkreis, lieber Hermann Grupe, sehen wir uns mit allen Problemen konfrontiert, die das verhaltensauffällige Rodewalder Wolfsrudel mit sich bringt.

Vermehrte Wolfsrisse und sich häufende Nahbegegnungen lassen bei uns das konkrete Gefühl entstehen, dass Leib und Leben in Gefahr sind. Der soziale Friede ist bei uns - das kann ich mit Bestimmtheit sagen - ins Wanken geraten. Die emotionalen und wirtschaftlichen Belastungen führen dazu, dass unsere Weidetierhalter, vor allen Dingen die Hobbyhalter, en masse aufgeben.

Zur Frustration und Aufgabe vieler Weidetierhalter tragen nicht zuletzt die arroganten Parolen einiger Wolfsbefürworter bei, die gebetsmühlenartig „Zäunen oder weichen!“ fordern. Gedanken darüber, wer in Zukunft die dann brachfallenden Grünlandschläge in unserer Kulturlandschaft pflegen soll, machen sich diese Leute natürlich nicht. Dafür sind sie einfach zu weit von der Realität vor Ort weg.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Hilfreich ist jedoch - und das möchte ich lobend hervorheben -, dass das MU entschieden hat, dass Rinder- und Pferdeherden einen Schutz an sich darstellen und deshalb nicht wolfsabweisend eingezäunt werden müssen.

Dennoch: Wenn wir im Landkreis Nienburg für die verbleibenden nicht wehrhaften Tiere wie Ziegen und Schafe, Einzeltiere und Jungtiere auch nur ein Viertel der Grünlandflächen einzäunen wollten, benötigten wir mindestens 1 000 km Zaun. Bei 5 Euro pro laufenden Meter sind das schon mal 5 Millionen Euro nur für den Landkreis Nienburg.

Das wäre ein Eingriff, meine Damen und Herren, in unsere Kulturlandschaft. Das kann wirklich keiner wollen. Das ist auch nicht möglich. Das Aufstellen und Unterhalten dieser Zäune ist den Weidetierhaltern auch bei einer 100-prozentigen einmaligen Förderung in diesem Umfang kaum zuzumuten.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Betroffenen vor Ort sind der vielen politischen Diskussionen überdrüssig und fordern vehement ein geerdetes Wolfsmanagement, das ein akzeptables Nebeneinander von Mensch, Nutztier und Wolf nachhaltig möglich macht. Die Betroffenen fordern zu Recht, dass die vor Ort agierenden Wölfe zeitnah so konditioniert werden, dass sie Menschen und Nutztiere wieder meiden.

Lieber Hermann Grupe, jetzt komme ich zu dir. Ich spreche im Namen vieler Betroffener und begrüße ausdrücklich den Versuch der FDP, sich bei der Lösung dieses Problems mit einzubringen. Allerdings - jetzt kommt natürlich ein Aber - springt ihr mit dem Ansatz der von euch vorgeschlagenen Niedersächsischen Wolfsverordnung zu kurz. Zur Lösung der aktuellen Probleme vor Ort reicht es nicht aus, eine bestehende Kormoranverordnung einfach auf Wölfe zu übertragen. Damit werden wir die geschilderten Probleme beileibe nicht lösen.

(Christian Grascha [FDP]: Warum nicht?)

Meine Damen und Herren, über allem - sowohl über der Aufnahme ins Jagdrecht als auch über der von der FDP geforderten Wolfsverordnung - stehen die EU-FFH-Richtlinie, die Ihnen allen bekannt ist, und das Bundesnaturschutzgesetz. Der Wolf ist durch die FFH-Richtlinie eine streng geschützte Tierart.

(Jörg Bode [FDP]: Genau wie der Kormoran!)

Aber Ausnahmen sind statthaft. Frankreich und Schweden machen es uns nämlich vor. Das Bundesnaturschutzgesetz überführt die EU-Zugriffs-, Tötungs- und Störungsverbote in bundesdeutsches Recht. Wie so häufig werden hier die EUAusnahmegenehmigungen weiter verschärft. Nach Bundesnaturschutzgesetz sind Ausnahmen von Tötungsverboten möglich, z. B. - Hermann Grupe hat es erwähnt - zur Abwendung „erheblicher“ wirtschaftlicher Schäden - in der EU-Verordnung ist hingegen die Rede von „ernsten“ wirtschaftlichen Schäden.

Liebe Kollegen der FDP, dass Sie den im Bundesnaturschutzgesetz geforderten Nachweis eines „erheblichen“ wirtschaftlichen Schadens zur Ausnahme vom Tötungsverbot in Ihrer Verordnung 1 : 1 aufnehmen, um nicht mit dem Gesetz zu kollidieren, macht Ihre Verordnung zu einem stumpfen Schwert.

Ihr Verordnungsschwert verspricht vieles, kann aber in der Realität kaum etwas halten; denn einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden durch Wolfsrisse wird man in den wenigsten Fällen belegen können. Vor allem die wichtigen Hobbyweidetierhalter würden dabei keine Berücksichtigung finden. Und selten gewordene Haustierrassen würden damit unweigerlich aussterben. Auf deren Grabstein wird dann geschrieben stehen: Wir hatten im Gegensatz zum Wolf keine Lobby.