Protokoll der Sitzung vom 14.05.2019

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen der Präsidentin

Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben.

Meine Damen und Herren, am 23. April 2019 verstarb der ehemalige Abgeordnete Werner Kirschner im Alter von 81 Jahren.

Werner Kirschner gehörte dem Niedersächsischen Landtag als Mitglied der SPD-Fraktion von 1972 bis 1994 an. Während dieser Zeit war er Mitglied im Ältestenrat, im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr, im Ausschuss für Jugend und Sport, im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst und im Ausschuss für Medienfragen. Werner Kirschner wurde mit dem Verdienstkreuz am Bande des Niedersächsischen Verdienstordens ausgezeichnet.

Wir werden den Kollegen in guter Erinnerung behalten und widmen ihm ein stilles Gedenken. - Vielen Dank.

Das Hohe Haus ist nahezu vollständig besetzt, sodass ich die Beschlussfähigkeit feststellen kann.

Zur Tagesordnung: Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.20 Uhr enden.

Wie Sie sehen, ist der Blendschutz vor den Fenstern heute Morgen heruntergelassen. Leider wird das - unabhängig von der Sonneneinstrahlung - für die gesamte Zeit dieses Tagungsabschnittes so bleiben. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Blendschutz wegen eines Defekts zurzeit nur manuell verändert werden kann, was eine sehr aufwändige Angelegenheit ist. Da wir jedoch nicht riskieren wollen, dass die Rednerinnen und Redner bei ungünstigem Sonnenstand auf den Auf

nahmen nicht oder nur sehr schlecht zu sehen sind oder einzelne von Ihnen gar geblendet werden, hoffe ich, dass Sie mit dieser Lösung einverstanden sind.

Ergänzend weise ich auf Folgendes hin: Die Landtagsbibliothek hat im Eingangsbereich der Bibliothek eine Auswahl an aktueller Literatur und Informationsmaterial zum Thema Europa und Europawahl mit dem Titel „Ein Blick auf Europa im Jahr 2019“ zusammengestellt.

Heute ist die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung mit dem Wahl-O-Mat zu Gast in der Portikushalle des Landtages. Sie werden dies sicher schon wahrgenommen haben. Gerade für junge Menschen ist der Wahl-O-Mat eine gute Möglichkeit, sich mit den auf europäischer Ebene relevanten Themen auseinanderzusetzen. Die Veranstalter freuen sich über Ihr Interesse.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler des St.-Viti-Gymnasiums aus Bad Bentheim mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat der Abgeordnete Reinhold Hilbers übernommen.

(Beifall)

Ich vermute, dass er für heute eine Vertretung gefunden hat.

(Heiterkeit)

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr der Schriftführer Herr Onay mit.

(Unruhe)

- Ich darf noch einmal um Aufmerksamkeit bitten.

Bitte, Herr Onay!

Es haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Ministerpräsident Stephan Weil, Wirtschaftsminister Dr. Bernd Althusmann, Finanzminister Reinhold Hilbers, von der Fraktion der SPD Dr. Thela Wernstedt ab 18.00 Uhr, von der Fraktion der FDP - eigentlich müsste es „von der Fraktion der Grünen“ heißen, aber hier steht „FDP“ - Imke Byl.

(Zurufe: Was? - Oh! - Heiterkeit)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich kann die Unruhe nachvollziehen, aber es ist korrigiert worden. - Vielen Dank, Herr Kollege Onay!

(Unruhe)

- Wenn sich die Aufregung in den Reihen gelegt hat, würde ich gerne fortfahren.

(Anhaltende Unruhe)

- Ich möchte jetzt gerne fortfahren.

Ansprache von Prof. Dr. Guy Stern

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 8. Mai 1945 endeten der Zweite Weltkrieg und die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten. Vier Jahre später - wiederum am 8. Mai - beschloss der Parlamentarische Rat das Grundgesetz, das am 24. Mai in Kraft trat.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Diesen Satz stellten die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz bewusst an den Anfang. Sie erklärten, die Menschenwürde zu achten und zu schützen zur Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Damit sollte eine unwiderrufliche Abkehr von totalitären Herrschaftsformen dokumentiert und sollte zugleich eine Antwort auf die von Deutschen begangenen Menschheitsverbrechen gegeben werden.

Wenn wir in diesem Jahr 70 Jahre Grundgesetz feiern, dann sollten wir uns immer auch unserer Verantwortung bewusst sein, nicht vergessen zu dürfen und das Wissen über den Holocaust weiterzugeben.

Es gibt nur noch wenige Überlebende des Holocaust - Überlebende, die uns als Zeitzeugen berichten können. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Guy Stern, den ich sehr herzlich im Landtag begrüße.

(Lebhafter Beifall)

Herr Prof. Guy Stern, es ehrt uns sehr, dass Sie unsere Einladung angenommen haben und gleich zu uns sprechen werden.

Ebenso begrüße ich die Gäste, die in der Loge Platz genommen haben: Ich begrüße sehr herzlich den Holocaust-Überlebenden Herrn Finkelstein und seine Familie.

(Lebhafter Beifall)

Ich begrüße den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinden Niedersachsen, Herrn Fürst, den Rabbiner der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover, Herrn Dr. Lengyel, den Geschäftsführer der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten, Herrn Dr. Wagner, und den Oberbürgermeister von Hildesheim, Herrn Dr. Meyer. Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Lebhafter Beifall)

Erlauben Sie, Herr Prof. Dr. Stern, dass ich kurz Ihre Biografie vorstelle:

Prof. Guy Stern wurde am 14. Januar 1922 als Günther Stern in Hildesheim geboren, wuchs dort auf und besuchte das Gymnasium. Mitte der 1930er-Jahre versuchten seine jüdischen Eltern, die Familie vor nationalsozialistischer Verfolgung ins Ausland zu retten. Ein Onkel lebte in den USA und ermöglichte 1937 Günther Stern die Einreise. Der damals 15-Jährige hoffte, seine Eltern, seinen Bruder und seine Schwester bald nachholen zu können. Doch so sehr er sich bemühte, es fand sich kein amerikanischer Bürge. Seine Familie wurde von den Nationalsozialisten im April 1942 von Hildesheim ins Warschauer Getto deportiert und ist dort bzw. in Auschwitz ermordet worden.

Guy Stern, wie er sich seither nannte, meldete sich in den USA freiwillig zum Kriegsdienst und landete dann 1944 kurz nach Invasionsbeginn mit den „Ritchie Boys“, einer überwiegend aus Emigranten bestehenden Spezialeinheit des Militärnachrichtendienstes, in der Normandie. Er verhörte bis Kriegsende deutsche Kriegsgefangene und Überläufer.

Danach erfuhr er von der Ermordung seiner Familie. Stern entschied sich, in den USA zu leben, studierte dort Germanistik, wurde Professor für Germanistik an verschiedenen amerikanischen Universitäten und ein international bekannter Forscher zur deutschen Exilliteratur. Noch heute arbeitet er, 97-jährig, fast täglich in seinem Büro im HolocaustMuseum von Farmington Hills bei Detroit.

Guy Sterns Kontakt nach Deutschland riss nicht ab - trotz all der schmerzhaften Erinnerungen. Seinen Geburtsort Hildesheim besucht er seit vielen Jahren regelmäßig. 2012 ernannte ihn der Rat der Stadt Hildesheim zum Ehrenbürger.

Seine jährlichen Vortragsreisen in Deutschland verbindet er stets mit dem Besuch in einer Schule, um Kindern und Jugendlichen aus seinem Leben zu erzählen - als Zeitzeuge des Holocausts und als Mahner gegen den Antisemitismus. Ihm ist es

wichtig, die junge Generation zum kritischen Denken zu ermutigen, zu genauen Urteilen statt Vorurteilen.

Ich darf Sie zitieren, verehrter Herr Stern:

„Eigenes Denken ist die Voraussetzung für eine gesunde Demokratie. Eigene Urteile zu formen, führt zu einem neuen Fortschritt.“

1998 sprachen Sie zum 60. Jahrestag der Novemberpogrome im Bundestag. Sie waren optimistisch, dass die junge Generation Deutscher aus der Geschichte gelernt habe und nicht die Fehler von einst wiederholen würde. Ob Sie diesen Optimismus heute - 20 Jahre später - noch uneingeschränkt so teilen?

Herr Prof. Dr. Stern, ich darf Sie nun bitten, zu uns zu sprechen.

Vielen Dank.

(Starker Beifall)

Prof. Dr. Guy Stern: