Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Zielen für andere beschränken. Nein, die politische Begleitung dieses schwierigen Umbauprozesses ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten zehn Jahre, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Worum geht es dabei? - Es geht um einen flächendeckenden guten Ausbau von Ladeinfrastruktur. Es geht auch um Verkaufsförderung. Das ist bei dem Einstieg in eine neue Technologie nun mal der Fall. Wir werden ab dem nächsten Jahr aber auch sehen, dass wesentlich leistungsfähigere und wesentlich preisgünstigere Elektroautos angeboten werden. Und es geht darum, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass wir diesen Technologiewechsel wirklich schaffen können. Das ist schwer, aber das kann gelingen.

Ich habe inzwischen keinen Zweifel mehr, dass es in der Industrie möglich sein wird, das zu tun, was notwendig ist. Jetzt muss allerdings die Politik auch nachziehen. Sie muss einen Umsetzungsplan vorlegen. Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen haben sich fest vorgenommen, gemeinsam überall auf den unterschiedlichen Baustellen, die wir ja auch als Ministerpräsidenten im politischen Spektrum haben, hart dafür zu arbeiten, dass wir im Jahr 2030 sagen können: Die Klimaschutzziele der Europäischen Union haben wir im Verkehrssektor erreicht, aber wir haben auch erreicht, dass die deutsche Automobilindustrie nach wie vor die erfolgreichste auf der ganzen Welt ist.

Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Weil. - Meine Damen und Herren, für die Aktuelle Stunde liegen mir jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vor, sodass ich diesen Tagesordnungspunkt insgesamt schließen kann.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 33: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor.

Die für die Behandlung Dringlicher Anfragen geltenden Geschäftsordnungsbestimmungen setze ich, wie immer, als allgemein bekannt voraus. Ich weise, obwohl Sie alle das genau wissen, noch einmal besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nicht zulässig sind.

Um uns auch im Präsidium immer wieder den Überblick zu erleichtern, sind wir Ihnen dankbar, wenn Sie sich schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten. Sie kennen ja das Verfahren.

Wir beginnen mit der Dringlichen Anfrage unter dem Punkt

a) Kettenbewährungen, Kritik am Bundesjustizministerium, EU-Richtlinie zur Bestellung von Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidigern - Worum genau geht es Justizministerin Havliza? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/3978

Herr Kollege Limburg möchte diese Anfrage vortragen. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verlese die Dringliche Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Kettenbewährungen, Kritik am Bundesjustizministerium, EU-Richtlinie zur Bestellung von Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidigern - Worum genau geht es Justizministerin Havliza?“

(Unruhe)

Herr Kollege Limburg, einen Moment! - Ich bitte um Ruhe. - Herr Kollege Mohrmann, Herr Heineking möchte hier unbedingt zuhören. Würden Sie ihm das erlauben? - Dann haben wir ja Glück.

Bitte sehr!

Danke.

Die Niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza hat sich jüngst mit verschiedenen Forderungen und Äußerungen in politische Debatten eingebracht. So erhob sie angesichts der Justizministerkonferenz in Lübeck-Travemünde die Forde

rung, sogenannte Kettenbewährungen zu vermeiden. Wörtlich sagte sie laut Pressemitteilung des Justizministeriums:

„Straftaten führen nicht selten zu Bewährungsstrafen, obwohl der Täter bereits unter Bewährung stand. Das wollen wir ändern. Konsequenzen müssen spürbar sein, vor allem dann, wenn ein Verurteilter sich eine erste Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe nicht zur Warnung hat dienen lassen und trotz laufender Bewährungszeit erneut straffällig wird.“

Laut RedaktionsNetzwerk Deutschland und Deutscher Presse-Agentur vom 11. Juni 2019 äußerte sie sich außerdem zur derzeitigen personellen Situation im Bundesjustizministerium. Dort hieß es:

„Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) hat die SPD im Bund aufgefordert, schnellstmöglich eine Nachfolgerin für Bundesjustizministerin Katarina Barley zu nominieren. ‚Der derzeitige Zustand‘“

- gemeint war natürlich: zum damaligen Zeitpunkt -

„‚an der Spitze des Bundesjustizministeriums ist nicht länger hinnehmbar‘, sagte Havliza dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). ‚Das Haus agiert sehr schwerfällig, vieles bleibt liegen‘, so Havliza weiter. ‚De facto ist das BMJV seit über einem Jahr nicht richtig handlungsfähig.‘

Die CDU-Politikerin aus Niedersachsen forderte die kommissarische SPD-Führung auf, diesen Zustand schleunigst zu beenden. ‚Die SPD muss jetzt endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und dafür Sorge tragen, dass das wichtige Justizministerium schnellstmöglich eine neue Leitung bekommt‘, sagte Havliza. ‚Das Haus braucht eine Spitze, die voll handlungsfähig ist.‘

Die CDU-Ministerin zeigte sich enttäuscht von der Amtszeit Katarina Barleys. ‚Als Bundesministerin der Justiz war Katarina Barley kaum präsent‘, sagte Havliza. ‚Erst musste Frau Barley sich einarbeiten, dann war sie schon im Europawahlkampf‘, so die CDUPolitikerin weiter. ‚Das kann man Frau Barley nicht persönlich vorwerfen, aber nun muss jemand übernehmen, der die wichtigen Themen der Rechtspolitik schnell angeht.‘“

Laut Braunschweiger Zeitung vom 10. Juni 2019 äußerte sich die Ministerin außerdem kritisch bezüglich der EU-Richtlinie zur Stärkung des Zugangs zu Verteidigern. Die Zeitung schrieb:

„Fälle von Kleinkriminalität können auch in Niedersachsen inzwischen in sogenannten beschleunigten Verfahren abgewickelt werden: Die Strafe folgt auf dem Fuße. Doch Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sieht diese Möglichkeit der schnellen Verfolgung und Ahndung von Straftaten bedroht. ‚Sorge bereitet uns eine EU-Richtlinie, die nun in nationales Recht umgesetzt werden soll‘, sagt sie im Interview mit unserer Zeitung.

Nach bisher geltendem Recht ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers im beschleunigten Verfahren erst bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von sechs Monaten vorgesehen. ‚Die Umsetzung der neuen EURichtlinie könnte dazu führen, dass dem Beschuldigten bei Haftvorführung immer ein Anwalt zur Seite gestellt werden muss‘, sagt Havliza. ‚Wenn das so käme, wäre das beschleunigte Verfahren kaum noch durchführbar.‘“

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. In wie vielen Fällen führten im Jahr 2018 und 2019 in Niedersachsen Straftaten bislang zu Bewährungsstrafen, obwohl der Täter bereits unter Bewährung stand?

2. Welche konkreten Projekte sind nach Auffassung der Landesregierung in der Amtszeit von Bundesjustizministerin Barley bislang liegengeblieben?

3. An welchen Gerichtsstandorten stehen nach Auffassung der Landesregierung nicht genügend Strafverteidiger zur Verfügung, um bei drohenden Haftstrafen auch im beschleunigten Verfahren den Beschuldigten Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen?

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Meine Damen und Herren, für die Landesregierung antwortet die Justizministerin Frau Havliza. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schutz der Bevölkerung vor Wiederholungstätern ist ein wichtiges Anliegen - mir jedenfalls ein ganz wichtiges Anliegen. Daher sehe ich das Phänomen der sogenannten Bewährungsversager - also Täter, die innerhalb der laufenden Bewährungszeit erneut Straftaten begehen - besonders kritisch. Meines Erachtens muss im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung sehr genau geprüft werden, ob Bewährungsversagern trotz der von ihnen enttäuschten Erwartung, künftig keine Straftaten mehr zu begehen, eine erneute Bewährungschance - oder gar mehrere - gegeben werden kann.

Dies sieht die Mehrzahl meiner Amtskolleginnen und Amtskollegen aus den übrigen Bundesländern übrigens genauso. Wir haben uns auf der Justizministerkonferenz Anfang dieses Monats daher mehrheitlich für Regelungen ausgesprochen,

„nach denen wegen innerhalb der Bewährungszeit begangener Straftaten verhängte Freiheitsstrafen in der Regel nicht zur Bewährung ausgesetzt werden“

sollen.

„Ausnahmen sollen nur zugelassen werden, wenn aufgrund von besonderen Umständen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Schluss gerechtfertigt ist, dass der Täter die Erwartung künftig straffreier Führung nicht erneut enttäuschen wird.“

Die Justizministerinnen und Justizminister haben die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz deshalb gebeten,

„einen Gesetzentwurf vorzulegen, der diesen … Anforderungen … gerecht wird“.

Zu Frage 1: Im Detail ist nicht bekannt, wie häufig in der Praxis die Vollstreckung von Freiheitsstrafen ausgesetzt wird, obwohl der Täter zur Tatzeit unter Bewährung stand.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aha!)

Die Strafverfolgungsstatistik führt nur die Gesamtzahl der Verurteilten auf, die mit einer Freiheitsstrafe zur Bewährung belegt worden sind. Um herauszufinden, ob die Verurteilten zur Tatzeit bereits unter Bewährung standen, müsste man jeden Einzelfall untersuchen. Dies würde einen Zeitaufwand verursachen, der in dem für die Beantwortung einer Dringlichen Anfrage zur Verfü

gung stehenden Zeitraum mit unseren Ressourcen nicht zu bewältigen wäre.

2017 wurden in Niedersachsen 6 629 Personen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Für die von Ihnen abgefragten Jahre 2018 und 2019 liegen die Strafverfolgungsstatistiken noch nicht vor.