Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Das muss man sehen und dann die Frage stellen, was wir tun müssen, um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen. Mit dem Diesel schafft man es nicht, und mit dem Benziner natürlich noch sehr viel weniger. Aber wenn Sie sich in diesem Papier ausschließlich auf E-Auto-Ziele fokussieren, dann beschreiten Sie einen Weg, von dem Sie im Jahr 2030 sagen müssen: Leider haben wir unsere

Ziele nicht erreicht - so, wie wir jetzt auch die Ziele für 2020 nicht erreicht haben.

Deshalb ist Technologieoffenheit das Gebot der Stunde. Sie müssten durchaus - so wie es auch China massiv macht - in die Fragen von Brennstoffzellen und Wasserstoff hineingehen. Japan und Korea gehen diesen Weg. Sie müssen auch, lieber Kollege Schulz-Hendel, überlegen, ob man nicht CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe produzieren kann. Die ETH Zürich will dafür gerade eine Serienfertigung aufbauen. Nur dann wird man den Verkehrsbereich in den Bereich der Emissionsziele bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und dann brauchen Sie auch das richtige Ziel. Die Freien Demokraten plädieren deshalb dafür, den Zertifikatehandel auf alle Sektoren auszuweiten, also nicht mit irgendwelchen individuellen politischen Steuerzielen, die erreicht werden oder nicht, zu agieren, sondern die Menge des zur Verfügung stehenden CO2-Ausstoßes zu limitieren. Wenn man die Ersparnis dann selbst nicht schafft, können andere Sektoren das eventuell im Ausgleich kompensieren und höhere Ziele übernehmen. Aber eine Überschreitung darf es dann tatsächlich nicht geben. Das ist übrigens das effizienteste System, weil da nämlich der Wettstreit um die günstigste Lösung für CO2-Einsparungen in allen Bereichen der Gesellschaft entsteht.

(Glocke des Präsidenten)

- Herr Präsident, ich komme zum Schluss.

Und eine weitere Botschaft, die wir den Menschen bringen müssen, ist: Wenn wir diesen radikalen Wandel gemeinsam gestalten wollen, dann kostet das nicht nur eine Kugel Eis, wie es Jürgen Trittin einmal über die Energiewende gesagt hat, sondern dann wird es gravierende Verhaltensänderungen geben müssen, die auch nicht komplett sozial abzufedern sind.

Deshalb, liebe Grüne, denkt noch einmal über diese Botschaft nach, 100 Milliarden in einen Fonds zu stecken und alles wäre damit gelöst! Das wird nicht die Realität sein. Deshalb: Effizienz nach vorne, damit die Ziele eingehalten werden! Und das geht nur über Emissionshandel.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Bode. - Jetzt ist die Fraktion der CDU an der Reihe: Kollegin Mareike Wulf. Bitte sehr, ich erteile Ihnen das Wort!

(Unruhe)

- Und ich darf um Ruhe bitten, meine Damen und Herren.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ein Wort zu Ihnen, Herr Bode. Ich habe das Papier auch gelesen, aber habe es so verstanden, dass es den drei Ministerpräsidenten gerade um die Technologieoffenheit und eben nicht um eine einseitige Förderung der Elektromobilität geht.

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Wir müssen aber auch ehrlich sein. Wir kennen ja jetzt die Strategie von Volkswagen und wissen, dass dort demnächst E-Autos gebaut werden. Das wird natürlich auch einen Beitrag dazu leisten, z. B. die Emissionen in den Innenstädten zu reduzieren. Aber ich möchte schon, dass dann auch die Infrastruktur vorhanden ist, sodass die Menschen diese neuen Autos auch kaufen wollen. Im Moment haben wir diese Infrastruktur noch nicht, und deshalb wundert es mich auch nicht, dass der Fuhrpark der Landesregierung im Moment noch nicht umgestellt wird. Denn wir wollen natürlich, dass die Autos, die für die Landesregierung fahren, auch in Niedersachsen gebaut werden.

Die Automobilindustrie schafft Tausende von Jobs hier in Niedersachsen; das hat Frau Modder schon ausgeführt. Sie ist immer Innovationsmotor für unser Bundesland gewesen. Aber - und auch das wurde in der Debatte schon deutlich - sie steht schlichtweg vor dem grundlegendsten Wandel ihrer Geschichte. Dafür gibt es Gründe, und die liegen vor allen Dingen in den Leitmärkten der Automobilindustrie, also dort, wo die meisten Autos abgesetzt werden. Wenn man nach China oder überhaupt nach Asien guckt, stellt man fest, dass dort alternative Antriebstechnologien stark forciert werden, insbesondere in China die Elektromobilität. Aber man muss auch in die USA gucken, wo das autonome Fahren kontinuierlich weiterentwickelt wird. Man sieht, die Konkurrenz schläft nicht. Wir befinden uns in einem internationalen Wettbewerb um die Technologieführerschaft im Bereich der alternativen Antriebssysteme.

Deshalb ist es gerade richtig, dass man eben nicht einseitig auf E-Mobilität setzt, sondern dass die Politik sagt: Wir brauchen die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung verschiedener Antriebstechnologien wie die E-Mobilität, wie die Hybridtechnologie, aber natürlich auch wie die Wasserstofftechnologie. Das Gleiche gilt für die Batteriezellfertigung. Denn auch dort sind wir dabei, uns von Südostasien abhängig zu machen. Deshalb bin ich unserem Minister Bernd Althusmann sehr dankbar, dass er sich für eine Batteriezellfertigung hier in Niedersachsen stark macht.

(Beifall bei der CDU sowie Zustim- mung bei der SPD)

Wenn Deutschland auf dem internationalen Markt bestehen will, müssen wir den Wandel zu einer klimaschonenden Mobilität wirtschaftlich erfolgreich und auch sozial verträglich schaffen. Genau dazu stehen viele sinnvolle Maßnahmen in diesem Papier. Wir müssen natürlich auch über Jobs reden, und wir müssen vor allen Dingen über Jobs in der Zulieferindustrie reden, die sich rund um Volkswagen angesiedelt hat.

Dennoch möchte ich auch etwas Nachdenkliches sagen. Man muss sich schon fragen, warum die Ministerpräsidenten in diesem Papier von „Autoländern“ sprechen. Es ist richtig: In Niedersachsen bauen wir Autos. Wir verarbeiten Metall, wir verarbeiten Kautschuk, wir sind führend im Bereich der Elektrotechnik. Das können wir richtig gut, und das soll auch so bleiben.

Aber wer den Automobilmarkt der Zukunft beherrschen will, der muss wissen, dass das Geschäftsmodell „richtig gute Autos bauen und verkaufen“ massiv unter Druck steht. Die Digitalisierung erfordert auch im Mobilitätssektor ein Umdenken. Wir reden zukünftig eher über ein Smartphone auf Rädern oder zumindest über ein Auto mit einem ziemlich leistungsstarken Computer.

Vor diesem Hintergrund ist der Anspruch, dass das Auto der Zukunft in Niedersachsen vom Band rollen muss, etwas zu kurz gesprungen. Die Wertschöpfung im Automobilsektor verschiebt sich von der Hardware auf die Software. Es wird zukünftig auch im Mobilitätsbereich um datengetriebene Dienstleistungen gehen. Das Thema Carsharing ist ein Beispiel dafür. Dazu haben wir gestern einen Antrag verabschiedet. Moia und Uber zeigen, wohin sich die Mobilität entwickelt.

Deshalb gilt: Wenn Niedersachsen Autoland bleiben will, dann müssen wir auch das Land sein, das

die coolsten Apps entwickelt. Auch die Dienstleistungen der Zukunft müssen hier entwickelt werden. Wir müssen das beste App-Design machen. Aber ich glaube, das haben die Hersteller bereits verstanden.

Mir fehlen in dem gemeinsamen Papier der drei Ministerpräsidenten Aussagen zu Fragen wie: Wie werden Mobilitätsdaten generiert, und wie gehen wir damit um? - Es muss rechtlich geklärt werden, wem Mobilitätsdaten gehören, wo sie entstehen und wie wir einen fairen Wettbewerb schaffen, der keine Datenmonopole produziert.

Wer das Auto der Zukunft bauen will, der muss an Datenverarbeitung und an vernetzte Mobilität denken. Dazu brauchen wir einen flächendeckenden Breitbandausbau, und wir brauchen natürlich mobile Daten. Deshalb noch einmal einen Dank an Bernd Althusmann für die Vorlage des Masterplans Digitalisierung, der genau diese Themen aufgreift.

(Beifall bei der CDU)

Denn es zeigt sich: Wo gestern noch Benzinverbrauch, Motorleistung und technische Qualität im Mittelpunkt standen, sind heute vernetzte Dienste ausschlaggebend für den Autokauf. Gerade die junge Smartphone-Generation setzt beim Autokauf auf das bessere User Interface, die bessere User Experience und die bessere Dienstleistung.

(Glocke des Präsidenten)

Ich danke dem Ministerpräsidenten ganz herzlich für die Vorlage dieses Papiers, das richtige und wichtige Themen aufgreift, wenn es um die Frage geht, wie wir alternative Antriebstechnologien auf die Straße bekommen.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Entschuldigung, einen Satz noch!

Ich sage aber auch: Das ist nur die halbe Miete. Wir müssen auch die Chancen datengetriebener Geschäftsmodelle im Bereich der Mobilität wahrnehmen und dort für einen fairen Wettbewerb sorgen.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wulf. - Meine Damen und Herren, aus dem Plenum als solchem liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Redezeiten sind auch in etwa verbraucht. Mir wurde signalisiert, dass der Herr Ministerpräsident Weil das Wort für die Landesregierung nehmen möchte. Bitte sehr, Herr Ministerpräsident!

(Beifall bei der SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, dass der Klimawandel vorangeht. Unbestreitbar ist leider auch, dass der Verkehrssektor seit 1990 bis jetzt beim Klimaschutz in Deutschland unter dem Strich keinen positiven Beitrag geleistet hat. Deswegen ist es ebenfalls unbestreitbar, dass sich der Verkehr und insbesondere auch die Automobilindustrie grundlegend verändern müssen.

Das ist eine Veränderung, die nicht irgendeinen Randbereich der deutschen Industrie betrifft, sondern die deutsche Leitindustrie schlechthin. Allein in Niedersachsen dürften direkt und indirekt etwa eine halbe Millionen Menschen ihre Arbeitsplätze, ihre Existenz, ihre Familien von einer erfolgreichen Automobilindustrie ableiten. Das macht deutlich, warum die Diskussion, die wir hier führen, nicht nur allgemein wichtig ist, sondern ganz konkret existenziell wichtig für Niedersachsen ist.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das ist der Hintergrund für einen nicht alltäglichen Zusammenschluss - jedenfalls hat es diese Zusammenarbeit zwischen den Ministerpräsidenten von Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen zuvor noch nicht gegeben.

Wir haben als gemeinsame Grundlage die feste Absicht, alles dafür zu tun, damit dieser Umbau erfolgreich bewältigt wird. In unseren Ländern sind wir ganz entscheidend davon abhängig, dass das gelingen wird. Dabei ist der Klimaschutz die Grundlage - um das klipp und klar zu sagen - für allen Umbau und für alle Überlegungen. Was das heißt, sehen wir übrigens in Niedersachsen. Man kann wirklich sagen: Volkswagen ist heute nicht nur das größte deutsche Industrieunternehmen. Volkswagen ist auch das führende deutsche Industrieunternehmen beim Umbau hin zu einer umweltgerechten Produktion von Industriegütern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dahinter steckt eine ungeheure Anstrengung. Ich finde, es muss auch gewürdigt werden, was in dieser Hinsicht derzeit geschieht - nach vielen Fehlern in der Vergangenheit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Es muss uns dabei darum gehen, Arbeit und Umwelt zusammenzubringen, die Klimaschutzziele zu erreichen - die sind wirklich knackig - ebenso wie den bestmöglichen Schutz und die Sicherung von gut sozial abgesicherten und gut qualifizierten Arbeitsplätzen.

Wir haben - das muss der Kritik hier entgegengehalten werden - keineswegs den eigenen Anteil dabei ausgeblendet. Lassen Sie mich das für Niedersachsen kurz sagen: Wir haben Spitzenbeiträge zur Forschung in Deutschland in Sachen Automobilindustrie anzubieten, gerade in jüngster Zeit mit der Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg und mit der Battery LabFactory in Braunschweig. Wir bewerben uns gerade um die Forschungsfabrik Batteriezellen in Salzgitter. Wir bauen Europas größtes Testfeld für autonomes Fahren im Bereich Wolfsburg/Braunschweig/Salzgitter/Hannover auf. Wir sind bei der Ladeinfrastruktur in der Spitzengruppe unter den 16 Bundesländern.

Es passiert derzeit sehr, sehr viel. Allein in der Landeshauptstadt Hannover ist der Aufbau von 480 zusätzlichen Ladepunkten vorgesehen. Bernd Althusmann und ich haben gemeinsam auch einen großen Strategiedialog Automobilwirtschaft eingeleitet, damit wir gerade auch in der Zulieferwirtschaft dazu beitragen können, dass der Umbau gemeinsam stattfindet und wir nicht nur über die Hersteller, sondern auch über die Zulieferunternehmen und die dort vorhandenen Arbeitsplätze reden.

Wir haben uns auch vorgenommen, dass wir in der Zusammenarbeit noch wesentlich besser werden. Wir wollen über einen gemeinsamen Forschungsverbund zwischen Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen in Sachen Batteriezellen reden - etwas, was für die weitere Entwicklung dieser Industrie von entscheidender Bedeutung ist.

Auf dieser Grundlage sagen wir allerdings auch: Der Bund muss diesen Umbau der deutschen Leitindustrie zu seinem Thema machen. Das darf kein Randthema mehr für den Bund bleiben. Es ist falsch, wenn die Politik meint, sie könne sich beim Thema Klimaschutz auf das Setzen von knackigen

Zielen für andere beschränken. Nein, die politische Begleitung dieses schwierigen Umbauprozesses ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten zehn Jahre, meine sehr verehrten Damen und Herren.