Protokoll der Sitzung vom 20.06.2019

Das Ergebnis daraus ist im Übrigen bitter: Im Jahr 2020 sollten eigentlich 1 Million Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sein. Das war die Vorgabe der Bundesregierung vor neun Jahren. Tatsächlich fahren heute aber nur rund 150 000 E-Autos auf unseren Straßen, und damit sind wir im Vergleich zu anderen EU-Ländern - z. B. Norwegen, Schweden und den Niederlanden - deutlich abgeschlagen.

Meine Damen und Herren, zu viel Zeit wurde schon verspielt, und zu viele Ziele wurden verfehlt. Abwarten ist keine Option mehr, sagen Markus Söder, Winfried Kretschmann und Stephan Weil zu Recht. Das sehen wir genauso. Mit dem Finger nach Berlin zu zeigen, reicht aber nicht. Auch diese Landesregierung darf sich gerne einmal an die eigene Nase fassen, wenn es um das Verfehlen von Zielen geht. Ein Blick in den Haushalt 2019 genügt. Da haben SPD und CDU die Mittel für den Ausbau der Ladeinfrastruktur in Niedersachsen gestrichen. - Kaum zu glauben, aber doch wahr! Wer hier Geld streicht, ist kein Partner der Automobilindustrie, sondern legt ihr Felsbrocken in den Weg.

Volkswagen-Chef Diess fordert inzwischen, dass sich die öffentliche Hand mehr für die Ladeinfrastruktur engagiert. Liebe Mitglieder der SPD und CDU, hier müssen Sie jetzt eigentlich rote Ohren bekommen.

Zweites Beispiel für Schein und Sein der GroKoPolitik hier in Niedersachsen: Eine zeitgemäße Mobilität denkt über das Auto hinaus und macht das Fahrrad nicht zum Problem, sondern zu einem Teil der Lösung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf unsere Nachfrage, wie es eigentlich mit Dienstrad-Leasing aussieht, das ja in anderen Bundesländern möglich ist, haben Sie, Herr Minister Althusmann, sehr deutlich gesagt, das komme für Sie hier in Niedersachsen nicht infrage. Keine Unterstützung fürs Dienstfahrrad-Leasing - Politik auf der Höhe der Zeit geht anders!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wenn denn diese Landesregierung die Mobilitätswende ernsthaft angehen will, dann müssen Sie jetzt ganz schnell eine Wende vollziehen. Ansonsten ist das Konzept der drei Länderchefs nicht viel wert.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir unterstützen das Papier, gar keine Frage.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist ja immerhin ein Anfang!)

Wenn die selbsternannten Autoländer wirklich etwas bewirken wollen, müssen sie aber über ihr Papier weit hinausdenken.

Drei konkrete Ziele will ich nennen:

Wir brauchen konkrete Ziele für den Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie. 2030 muss Schluss sein mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren. Wir brauchen die CO2-Bepreisung - natürlich in Kombination mit einem Bürger-Energiegeld, das sozialen Ausgleich schafft. Letztlich erzielt aber nur eine Abgabe auf Treibhausgase Wirkung. - Das sagen nicht nur wir, das sagen auch viele Ökonomen.

Wir brauchen einen staatlichen Klimafonds. Der Finanzbedarf für den Kampf gegen die Erderwärmung liegt nach unseren Einschätzungen bei mindestens 100 Milliarden Euro.

Und wir brauchen massive Investitionen in klimafreundliche Infrastruktur und Mobilität.

(Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Lassen Sie uns gemeinsam mit Mut die Zukunft angehen, damit das, was die drei Ministerpräsidenten planen, nicht zum Rohrkrepierer wird!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Die Zeit drängte in der Tat.

Nächster Redner ist für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Stefan Henze. Herr Henze, bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Wir debattieren zum Thema: „Die Autoländer Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen gehen voran!“. Damit will die SPDFraktion die Erklärung der drei Ministerpräsidenten vom 7. Juni 2019, insbesondere natürlich das Agieren von Minister Weil,

(Zurufe von der SPD: Ministerpräsi- dent!)

auf den Schild heben. Das Plenum wird also zum Marketinginstrument des Ministerpräsidenten.

Sieben Seiten ohne Neuigkeitswert, weitgehend bestehend aus Appellen und Forderungen an Dritte - das macht es einfacher. Anders formuliert: ein affirmativer Reigen der Selbstmotivation aus dem Kreise der Ministerpräsidenten! Man darf von Glück reden, dass er nicht am 30. oder gar 31. eines Monats mit dann womöglich 30 oder 31 Seiten verfasst worden ist.

Meine Damen und Herren, gegen die Macht- und Fassungslosigkeit der Politik, die in diesem Papier gegenüber sich seit langer Zeit anbahnenden und bekannten Veränderungen in der Industrielandschaft und gegenüber dem technologischen Vorsprung der USA, von China, Südkorea und Japan in Sachen Wandel in der Automobilwelt durchaus zum Ausdruck kommt, hilft nur noch Humor. Japan setzt auf Wasserstoff, Korea setzt auf Wasserstoff - und das regierungsseitig und zusätzlich auch durch die Unternehmen!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist aber kein Allheilmittel!)

Das ist insgesamt eine eindeutig flache Nummer, die die drei Regierungschefs da abgeliefert haben.

Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, auf die von der FDP-Fraktion angestoßene Diskussion im Plenum am 28. März 2019 zu verweisen, dort Tagesordnungspunkt 23: „Technologieoffenheit muss die Maxime der Politik bleiben!“ Zu schauen und abzugleichen, was dort insbesondere von Vertretern der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen gesagt worden ist, ist also sehr interessant - nicht nur weil die Mehrzahl der Unterzeichner des Papiers vom 7. Juni aus genau diesen Reihen stammt, sondern gerade, weil sich dort technologische und wirtschaftspolitische Ahnungs- und Hilfslosigkeit, zum Teil sogar deutliche Realitätsverweigerung Bahn brechen.

Dazu zunächst einmal ein Appell an Mitbürger und Presse: Lesen Sie bitte das Plenarprotokoll vom 28. März, TOP 23, und das Ministerpräsidentenpapier vom 7. Juni und stellen Sie dann fest: Die aktuelle Regierungspolitik überschätzt ihre Handlungsmacht im globalisierten Kontext eindeutig.

Wie von Geisterhand gesteuert, meint nämlich die aktuelle Regierung, sie müsse quasi im vorauseilenden Gehorsam steuernd eingreifen und Impulse setzen. Das ist an Arroganz kaum zu überbieten, verschwendet Regierungsressourcen und lenkt

von der Rolle der Politik ab, Rahmenbedingungen zu setzen und die Wirtschaft steuern zu lassen.

Auf fast vier der sieben Seiten des Papiers stellen Sie Forderungen an den Bund. Man braucht kein Psychologe zu sein, um dies wie folgt zu deuten: Abseits von Zuständigkeiten bedienen Sie das übliche Muster von Verantwortungsdelegation bei Präsentation maximaler eigener Handlungsunfähigkeit. Kann es sein, dass Sie auf den letzten Metern doch noch selbst erkennen, dass Sie schon seit vielen Jahren schlafen und politische Mittel nicht genutzt oder falsch eingesetzt haben und der Industrie damit wettbewerbstaugliche Rahmenbedingungen versagt haben? Sollten Sie bei diesem Endspurt keinen Erfolg haben, so haben Sie sich, werte Landesregierung, an unseren steuerzahlenden Bürgern und an vielen fleißigen VW-Werkern in ganz Niedersachsen versündigt.

Dass Sie - in diesem Sinne: leider - auf gutem Wege sind, Herr Weil, zeigt die SPD-Debattenrede vom 28. März 2019: Dort singt die Rednerin Ihrer Fraktion nämlich recht einseitig das Hohelied auf die E-Mobilität. - So funktioniert das nicht! Technologieoffenheit und politische Weitsicht sehen anders aus. Wahrscheinlich haben wir es also mit Blick auf das Papier vom 7. Juni den Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs zu verdanken, dass wenigstens in einigen Punkten die sinnvolle Öffnung auch für andere Antriebsformen deutlich anklingt.

Politik hat Freiheit zu organisieren, nicht Gleichschaltung. Unter diesem Credo funktioniert es auch mit der Selbstregulierung der Märkte - aber nicht so! Kennen Sie eigentlich noch Video 2000? Oder kennen Sie noch das Format Beta? - Das waren Entwicklungen der deutschen Industrie. Durchgesetzt hat sich damals VHS; vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch daran. 30 Jahre später spricht man von diesen Produkten nicht mehr. Ich möchte, dass wir hier in Niedersachsen nicht auf das falsche Pferd setzen, dass wir innovativ und offen sind für alle Möglichkeiten der Antriebstechnologien. Ich möchte nicht, dass VW in Niedersachsen zum neuen Video 2000 oder Beta wird.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Henze. - Jetzt ist die Fraktion der FDP dran. Herr Abgeordneter Jörg Bode, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident Weil, auch ich habe mit großer Neugier das Papier der drei Ministerpräsidenten gelesen - das beim Kollegen SchulzHendel erstaunlicherweise sogar Zustimmung geerntet hat. Aber ich war schon ein wenig überrascht. In dem Papier heißt es nämlich, dass die drei Autoländer gemeinsam voranschreiten wollen. Aber wenn man dann schaut, wie man voranschreiten will, dann findet man die Überschrift: „Wo der Bund endlich handeln muss!“ Meine sehr geehrten Damen und Herren, selber voranschreiten, aber einen anderen auffordern, etwas zu tun, das sind schon zwei unterschiedliche Dinge. Nur so kommt man bei dem Thema jedenfalls nicht voran.

Und wenn ich dann weiterlese, was Sie vom Bund wollen, finde ich neben Altbekanntem die Kernforderung, der Bund solle seine Vorbildfunktion bei der Einführung der Elektromobilität wahrnehmen, und er solle auch seinen eigenen Fuhrpark umrüsten. - Da könnte man sich doch auch einmal Frage stellen, was die Landesregierung eigentlich in diesem Bereich macht.

Wir haben diese Frage gestellt. Wir haben den Herrn Ministerpräsidenten und die Landesregierung im letzten Jahr gefragt - ich zitiere aus den Drucksachen 18/1983 und 18/2852 -: „Hat das Land eine Vorbildfunktion in Sachen Elektromobilität, und, falls ja, wird die Landesregierung dieser Vorbildfunktion glaubhaft bis 2022 gerecht?“ - Die Antwort der Landesregierung, Herr Ministerpräsident, lautete: „Die Meinungsbildung hierzu ist innerhalb der Landesregierung noch nicht abgeschlossen.“

Sie diskutieren also noch, ob Sie Vorbild sein wollen! Dieser Arbeitseinsatz, meine Damen und Herren, schreit wirklich zum Himmel!

(Beifall bei der FDP)

Wir haben auch gefragt, ob es überhaupt einen so großen Effekt hätte, wenn der Bund seinen Fuhrpark umgestalten würde, und was die Landesregierung eigentlich tun könnte. Im März haben wir auch endlich die abschließende, korrigierte Antwort von der Staatskanzlei bekommen.

Auf die Frage, wie viele Autos der Landesregierung geeignet sind, um sie durch rein batteriebetriebene Autos zu ersetzen, hat uns die Landesregierung mitgeteilt, im niedersächsischen Fuhrpark seien es 120. 120 von 7 169 Fahrzeugen könne man umstellen, anderes gehe technologisch nicht. - Das sind 1,67 % Ihres Fuhrparks! Herr Ministerpräsident, ich will aber fair sein. Wir haben auch gefragt, wie viele Fahrzeuge neben einem rein batteriebetriebenen Antrieb auf einen emissionsarmen Antrieb umgestellt werden könnten. Sie haben geantwortet: 119. - Bei zusammen 3,2 % des Fuhrparks geht das also. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das zum Beitrag der Niedersächsischen Landesregierung! Ich finde das schon ein wenig arm.

(Beifall bei der FDP)

Wenn man sich die gemeinsam von den drei Autoländern aufgestellten Forderungen anschaut, wird klar, dass das altbekannte Forderungen sind, die bisher jedes Land einzeln aufgestellt hat. Sie sind nicht neu, und sie werden dadurch, dass man das Gleiche jetzt gemeinsam wiederholt, in der Umsetzung auch nicht kräftiger.

Herr Ministerpräsident, Sie sagen, man müsse Umwelt und Arbeit in der Zukunft miteinander verbinden. Das nehme ich Ihnen auch ab; das ist richtig. Man könnte auch sagen, es geht darum, Klimaschutz und Wohlstand in unserer Gesellschaft in Einklang zu bringen. - Das sehen wir als Freie Demokraten genauso. Aber dann muss man auch mal ehrlich zu den Menschen sein.

Wenn Sie einmal die Projektion von Volkswagen zum CO2-Fußabdruck eines rein batteriebetriebenen Autos im Jahre 2030 auswerten, die Herr Minister Althusmann dem Ausschuss freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, dann werden Sie sehen, dass eine Umstellung beispielsweise von Dieselfahrzeugen auf E-Autos keine ausreichende Einsparung bringen wird, um die Pariser Klimaziele für das Jahr 2030 zu erreichen. Dazu ist der CO2Footprint bei der E-Auto-Herstellung schlicht und ergreifend zu hoch.

Das muss man sehen und dann die Frage stellen, was wir tun müssen, um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen. Mit dem Diesel schafft man es nicht, und mit dem Benziner natürlich noch sehr viel weniger. Aber wenn Sie sich in diesem Papier ausschließlich auf E-Auto-Ziele fokussieren, dann beschreiten Sie einen Weg, von dem Sie im Jahr 2030 sagen müssen: Leider haben wir unsere