Protokoll der Sitzung vom 21.06.2019

Zur Einbringung hat sich aus der SPD-Fraktion die Abgeordnete Annette Schütze zu Wort gemeldet. Bitte, Frau Schütze!

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „Third Mission“, dieser Begriff weckt Assoziationen. Man könnte an Science Fiction denken, an Raumfahrtprogramme oder an Action-Filme. Tatsächlich ist die „Dritte Mission“ deutlich erdverbundener, wenn auch durchaus zukunftsweisend. Man findet sie in den Hochschulen, deren erste Mission - die Forschung - und die zweite Mission - die Lehre - durch eine dritte - eben die „Third Mission“ - ergänzt werden sollen.

Doch, was ist diese dritte Mission, und was hat sie mit der Zukunftsfähigkeit der Universitäten zu tun? - Verkürzt könnte man sagen, es geht um die Öffnung der Hochschulen in Richtung Gesellschaft.

Die Universitäten sollen den berühmten Elfenbeinturm verlassen und sich mit ihrer Umwelt vernetzen. Gesellschaft und Wirtschaft sollen von den Erkenntnissen der Wissenschaft schnell und unkompliziert profitieren - nicht in Form eines rein kommerziellen, einseitigen Wissenstransfers, sondern in wechselseitiger Beziehung zueinander. Der Wissenstransfer bildet dabei nur eine der Dimensionen der „Third Mission“. Hinzu kommen Weiterbildung und soziales Engagement.

Diese Dimensionen der „Third Mission“ umfassen eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen. Duale Studiengänge und soziales Unternehmertum gehören genauso dazu wie Gründungen aus den Universitäten heraus. Aber auch Publikationsprojekte, in denen wissenschaftliche Erkenntnisse journalistisch aufbereitet werden, und Kinderuniversitäten, in denen Kinder an die Wissenschaft herangeführt werden, entsprechen den Zielvorgaben.

Wir haben hier in Braunschweig mit dem „Haus der Wissenschaft“ ein sehr gutes Beispiel, das in seinem Projekt „KiWi“ u. a. schon Kinder forschen lässt und sie somit an das Thema Wissenschaft heranführt.

In sogenannten Reallaboren suchen Akteure gemeinsam nach Lösungen für drängende gesellschaftliche Fragen. Durch die Einbeziehung nicht akademischer Expertise kann die Verständigung zwischen Forschung und Gesellschaft so vertieft werden.

Wie Projekte der „Third Mission“ konkret aussehen können, möchte ich an einem kurzen Beispiel erläutern: Die aus der Universität heraus gegründete Stadtimkerei Kieler Honig hat es sich zur Aufgabe gemacht, zum Erhalt der Honigbiene beizutragen. Mithilfe von Workshops und Vorträgen sollen die Einwohner für die Stadtnatur begeistert und für den Beitrag der Bienen sensibilisiert werden. Mit dem Verkauf der Produkte wird eine Gläserne Stadtimkerei finanziert.

Dieses Beispiel zeigt exemplarisch den gesellschaftlichen Mehrwert, der durch die „Third Mission“ erreicht werden kann. Die Verknüpfung der Dimensionen „Soziales Engagement“, „Weiterbildung“ und „Wissenstransfer“ rückt Prinzipien wie Nachhaltigkeit und sozial-ökologische Verträglichkeit in die gesellschaftliche Wahrnehmung und macht sie so erlebbar.

Sehr geehrte Damen und Herren, Hochschulen sind längst viel mehr als akademische Verwahranstalten für Wissen. Sie sind lebendige Zentren des Austauschs.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Jörg Hillmer [CDU])

Ihr Beitrag zur Bearbeitung von globalen Fragestellungen wie dem Klimawandel, zum Umgang mit neuen Herausforderungen wie der künstlichen Intelligenz oder zur Lösung von lokalen Problemen wie dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist unverzichtbar. Genau diese Potenziale sollen mithilfe der „Third Mission“ regional nutzbar gemacht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Innovationskraft einer Region wird im internationalen Wettbewerb zum Gradmesser des wirtschaftlichen Erfolgs. Damit wird der Transfer von Wissen zu einem der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren in der Region.

Die „Third Mission“ kann auch helfen, Antworten auf den Fachkräftemangel zu finden, der schon heute unsere wirtschaftliche Entwicklung bedroht. Denn im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen hilft die „Third Mission“ bei der Öffnung der Hochschulen für Nichtakademiker.

Von der engen Vernetzung mit Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort profitieren auch die Studierenden. Praxisnahe Lerninhalte und -modelle verknüpfen Forschungsfragen mit der realen Umwelt. Durch die Vernetzung mit lokalen Akteuren finden Studierende aus dem In- und Ausland schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt. Dadurch wird die An

bindung der klügsten Köpfe an die Region gefördert. Auch dies ist ein wichtiger Impuls durch die „Third Mission“, weil er hilft, die Absolventen langfristig an die Region zu binden, was ein großer Standortvorteil ist, den die Region nutzen sollte.

Viele Hochschulen in Niedersachsen haben bereits die ersten Schritte auf diesem Weg getan. Doch inneruniversitäre Transferstellen müssen weiter ausgebaut werden. Außeruniversitäre Knotenpunkte des Wissenstransfers, wie das schon erwähnte „Haus der Wissenschaft“ in Braunschweig, sollten zudem gestärkt werden. Dies wollen wir mit unserem Entschließungsantrag erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Aufgabe der Politik - also unsere Aufgabe - ist es, die Universitäten auf diesem Weg zu unterstützen, damit die „Third Mission“ nicht zur „Mission Impossible“ wird, wie unsere verehrte Landtagspräsidentin Gabi Andretta kürzlich auf einem Parlamentarischen Abend sagte.

Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und von Eva Viehoff [GRÜNE])

Vielen Dank, Frau Schütze. - Für die FDP-Fraktion spricht die Abgeordnete Susanne Victoria Schütz. Bitte schön!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Menschen an Hochschulen denken, dann ist ihnen bewusst, dass dort gelehrt wird. Studenten sieht man ja auch herumlaufen.

Dass dort Wissenschaftler forschen, ist meistens auch noch bekannt.

Die dritte große Aufgabe, die „Third Mission“, aber nimmt immer weiter an Bedeutung und zum Glück auch an Bekanntheit in der Gesellschaft zu. Denn genau das ist ja ihre Aufgabe: die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm auf die Straße zu holen - um es bildlich zu formulieren. Das ist gut, sogar sehr gut.

Wissenschaft ist kein Selbstzweck. Ihre Erkenntnisse sollen gesellschaftliche Entwicklungen voranbringen. Erfindungen sollen die Lebensqualität erhöhen. Ressourcen sollen geschont werden. Die

Wissenschaft kann Fehlentwicklungen aufzeigen. - Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.

Neben der Kooperation mit Forschungseinrichtungen arbeiten Hochschulen mit Unternehmen zusammen, um Wissen in Produkte umzusetzen.

Diesen Teil der hochschulischen Aufgaben zu stärken, beabsichtigt der Antrag. Da können wir natürlich mitgehen.

Dass Unternehmen ihre Aufwendungen für Forschung und Entwicklung steuerlich absetzen können, ist aus diesem Grunde auch eine Forderung der FDP auf Bundesebene.

Wissenschaft zur Stadtöffentlichkeit hin zu öffnen - Frau Schütze hat eben Beispiele genannt - und sie zu präsentieren, wie es die im Antrag genannten drei Einrichtungen in Göttingen, Braunschweig und Oldenburg praktizieren, halten wir ebenfalls für einen sehr wichtigen Beitrag zur Vernetzung. Mehr Menschen an Wissen teilhaben zu lassen - Wissen zumal, das sie mit ihren eigenen Steuergeldern mitfinanziert haben -, überhaupt Forschungsergebnisse - auch mit digitalen Medien - einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ist absolut korrekt.

Angesichts der nahenden Haushaltsberatungen - der Herr Finanzminister ist leider gerade nicht da - sei mir gestattet, noch anzumerken: Hochschulen sind Kristallisationspunkte von Wissen und Forschung. Um sie herum siedeln sich Unternehmen an, bilden sich Netzwerke, die sich gegenseitig befördern und auch wirtschaftlichen Mehrwert generieren. Das könnte man einmal im Hinterkopf haben, wenn man über die Kosten der Hochschulen redet: Hochschulfinanzierung ist auch Wirtschaftsförderung.

Dem Antrag einige kritische Ergänzungen mit auf den Weg der Beratung zu geben, sei mir aber noch erlaubt:

Hochschulen können und wollen sich nicht nur mit vorhandenen Unternehmen vernetzen. Wenn Studenten gute eigene Ideen haben, sollen sie aus der Hochschule heraus auch Unternehmen gründen können. Das steht als Aufgabe auch explizit im Gesetz. Diese Ausgründungen - Spin-offs - zu erleichtern, ist ein Aspekt, der uns im Antrag noch etwas zu kurz kommt.

Warum nicht mehr Entrepreneurship in den Curricula verankern? Für viele Studiengänge wäre das eine Bereicherung. Ausgründungen erfolgen nicht nur im IT- und im technischen Bereich. Nicht jeder

Student, der ein Spin-off gründet, ist ein Daniel Düsentrieb. Es gibt auch Ausgründungen im sozialen Bereich; Frau Schütze hat es eben angedeutet.

Auch die Beteiligung der Hochschulen an solchen Ausgründungen ist „Third Mission“. Wenn innovative Ideen entstehen und eine Hochschule beispielsweise aus Drittmitteln eine Beteiligungsgesellschaft gründen will, dann sollte man doch denken, dass sie bei Behörden und in der Verwaltung offene Türen einrennt. Das war aber nicht immer so. Es ist also eine Frage der Einstellung dieser Aufgabe gegenüber, an der wir alle noch arbeiten müssen. Auch da muss „Third Mission“ noch tiefer verankert werden.

Ein weiteres Standbein der Verbindung der Hochschulen mit der Gesellschaft gehört an dieser Stelle betont: die Aufgaben, die im Bereich der - insbesondere beruflichen - Weiterbildung auf die Hochschulen zukommen. Angesichts des Transformationsprozesses, den die Digitalisierung im Arbeitsleben der Menschen auslöst, aber auch in ihrem Privatleben, wird „lebensbegleitendes Lernen“ keine leere Floskel mehr sein.

Hochschulen sollten ihren Absolventen z. B. passgenaue Weiterbildungen anbieten können, um das Wissen, einst im Studium erworben, auf aktuellem Stand zu halten. Das wird eine Riesenaufgabe. Im Antrag kommt sie uns bisher noch etwas zu kurz. Auch das ist „Third Mission“.

Aber richtig weit auseinander sind wir nicht. Ich freue mich auf die Beratung.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Schütz. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Abgeordnete Eva Viehoff. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem wir nun die Exzellenzinitiative ausgiebig und, wie ich finde, auch langsam ausreichend abgefeiert haben, beschäftigt sich der vorliegende Antrag mit der „Third Mission“ unserer Hochschulen - ein Thema, das im Schatten der Exzellenzinitiative nicht nur in Niedersachsen ein bisschen dahindümpelte. Das soll sich nun ändern, und das ist gut so.

Was versteht man unter „Third Mission“? - Dazu haben meine Vorrednerinnen schon viel gesagt. „Third Mission“ ist die gewinnbringende Verflechtung der Hochschulen mit ihrer außerhochschulischen Umwelt durch wechselseitige Interaktion.

Gewinnbringend ist in diesem Sinne nicht nur monetär zu sehen, sondern ein Gewinn für die Gesellschaft ist dabei deutlich mitgemeint.

Die Öffnung der Hochschulen in Richtung Gesellschaft ist mehr als nur Technologietransfer. Damit verbunden ist vor allem auch die Aufgabe, Kommunikation von Wissenschaft in die Breite der Gesellschaft zu unterstützen und zu fördern. Es heißt - das haben wir heute schon oft gehört -: Raus aus dem Elfenbeinturm! Das ist heute und vor allem auch für die Zukunft wichtig.

Gerade für die hochtechnischen Forschungsfelder ist es wichtig, dass von Anfang an der gesellschaftliche Diskurs gesucht wird, um Verständnis und Akzeptanz in der Gesellschaft zu erzeugen oder aber zu klären, was akzeptiert wird und was nicht. So kann die Hochschule auch attraktiver für Studierende und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein bzw. gemacht werden.

Meine Damen und Herren, die „Third Mission“ ist eine wichtige dritte Säule innerhalb der Hochschulen - neben ihren Kernaufgaben Lehre und Forschung.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Initiativen zu „Third Mission“ bieten in besonderem Maße solchen Hochschulen eine Chance zur Attraktivitätssteigerung, die im Rahmen der verschiedenen Exzellenzinitiativen wenig Erfolgsaussichten in der ersten und zweiten Säule haben. Das bedeutet nicht, dass sie nicht gut genug sind, sondern oft ist es die Größe einer Hochschule oder sind es die Forschungsfelder, die eine Hochschule hauptsächlich betreibt, die eine Bewerbung als nicht aussichtsreich erscheinen lassen.

So ist es tatsächlich falsch zu sagen, dass, wie es im Antrag steht, die „Third Mission“ nun aufgrund der Erfolge bei der Exzellenzinitiative besonders erfolgreich sein kann. Denn beides ist wichtig, und beides kann nebeneinander bestehen.