Protokoll der Sitzung vom 24.10.2019

Benachteiligungen bis hin zu Diskriminierungen, wie es u. a. bei Sinti und Roma der Fall ist, finden keine konkrete Berücksichtigung.

Sehr geehrte Damen und Herren, in der letzten Ausschusssitzung habe ich die Empfehlung abgegeben, dem von Bündnis 90/Die Grünen gestellten Änderungsantrag grundsätzlich zu folgen und eine weitere Beratung als zielführend anzusehen, um die dort einzeln aufgeführten Thematiken weiterführend zu beraten. Leider war man diesbezüglich mehrheitlich einer anderen Auffassung.

Deshalb bleibt mir nichts anderes übrig, als zu sagen: Beim Anstoß gab es noch einen gewissen Optimismus, aber im weiteren Verlauf konnte das Tor nicht wirklich getroffen werden. Die Fraktion der FDP wird sich aus diesem Grund enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Brüninghoff. - Meine Damen und Herren, auch wenn die Legislaturperiode schon fast zwei Jahre alt ist, gibt es noch Jungfernreden. Wir haben gerade eine vernommen - dem Umstand geschuldet, dass Sie, Herr Kollege, erst vor einigen Monaten zu uns gestoßen sind. Es war nicht Ihre letzte Rede, denke ich.

(Lebhafter Beifall)

Meine Damen und Herren, jetzt folgt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Stefan Wirtz. Bitte!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der „Minority SafePack“ ist eine Bürgerinitiative mit, wie wir bereits gehört haben,

1,2 Millionen Unterschriften. Sie zielt auf den verstärkten Schutz von Minderheitenrechten - von nationalen Minderheiten, aber auch von sprachlich-kulturellen Minderheiten - in der EU. Die Initiative hat sich schon 2013 an die EU gewandt und musste klagen, um akzeptiert zu werden. Sie ist jetzt angesehen. Dieses Ansinnen ist also offiziell geworden. Es geht um die Anforderungen an die EU, Rechtsakte zu erlassen, Partizipation für Minderheiten zu ermöglichen, die Abwendung von Diskriminierungen zu überwachen und das Ernstnehmen der Belange von kulturellen oder sprachlichen Minderheiten zu stärken.

Allerdings: Bei der Aufnahme in die EU muss jedes Land die Kopenhagener Kriterien erfüllen, die genau das in ihrer Gesamtheit eigentlich schon leisten. Deshalb ist es für mich kein Anlass für feierliche Worte, wenn erst eine Bürgerinitiative kommen muss, um diese Einforderung von Rechten öffentlich zu machen, um sich ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und zu sagen: Diese Rechte müssen in der EU gestärkt werden. - Es ist eigentlich die höchste und vorrangigste Aufgabe der EU, genau für diese Rechte zu sorgen. Und dafür hat sie ja auch schon Institutionen geschaffen. Genau genommen muss man sagen, dass hier der Bürger

der EU Nachhilfe gibt. Das ist gut so, und das sehen wir auch als unterstützenswert an.

Es ist natürlich bedenklich. Sie haben vorhin erwähnt, dass manche Staaten, manche Länder ihre Minderheiten nicht wahrnehmen. Aber es gibt auch den umgekehrten Fall, dass Länder, die in die EU eintreten, plötzlich ein vielleicht seit Jahrhunderten oder Jahrzehnten austariertes Gleichgewicht in ihrem Land verändert sehen, dass plötzlich die fremden Staaten an der Grenze nicht nur Nachbarn sind, sondern mit ihnen gemeinsam zur EU gehören, wodurch sich - das ist übrigens die Ansicht dieser Bürgerinitiative selbst - Verschiebungen in der Wahrnehmung und der Rechte von Minderheiten ergeben.

Auch um diese Gefahren aufzufangen, hat sich diese Bürgerinitiative in Bewegung gesetzt. Eine Beteiligung für Minderheiten ist schon längst durch die EU-Grundrechteagentur möglich. Aber die EU hat offensichtlich zu lernen. Das tut sie jetzt. Deshalb unterstützen wir diesen Vorschlag, die EU aufzufordern, hier einen Kommissar zu beauftragen. - Aber Sie merken, wie indirekt das wieder geht.

Vielleicht werden wir kein Gehör finden. Trotzdem ist der Antrag von SPD und CDU für uns nach genauerem Betrachten Ihres Ansinnens zustimmungswürdig.

Den Änderungsantrag der Grünen werden wir aber nicht unterstützen, sondern ihn ablehnen.

(Dragos Pancescu [GRÜNE]: Das ha- be ich mir gedacht!)

- Das ist nichts Neues, Herr Pancescu. Wäre er gut gewesen, dann hätten wir eine Zustimmung wahrscheinlich erwogen.

(Zustimmung bei der AfD)

Es gibt aber Einwände. Es gibt bereits den Europarat, der ein Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten und eine Charta der Regional- und Minderheitensprachen hat.

Das sind jetzt übrigens keine Einwände der AfD, sondern das sind Einwände der Bundesregierung. Die macht sich Sorgen, dass hier vielleicht eine Redundanz aufkommt. Auch das haben wir schon in der Eingangsberatung erwähnt. Es darf keine doppelten Regelungswerke geben, die sich eventuell gegenseitig blockieren.

Aber ich denke, bei der Regelung über einen Kommissar, ist das Ziel erreicht, das man da maximal erreichen kann und sollte. Wir hoffen, die EU wird zukünftig das machen, was sie eigentlich soll.

Danke sehr. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. - Es folgt jetzt für die SPD-Fraktion Kollegin Claudia Schüßler. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, es ist richtig: Die Fraktionen von CDU und SPD möchten mit ihrem Antrag das Anliegen der europäischen Bürgerinitiative „Minority SafePack“ unterstützen. Diese Bürgerinitiative hat, wie jetzt mehrfach erwähnt worden ist, mehr als 1 Million Unterschriften gesammelt und damit genug, um die thematische Befassung der Europäischen Kommission mit dem Thema Minderheitenrechte zu erwirken.

Ich finde es weder schlimm noch irgendwie merkwürdig, wenn sich die Politik mit einem Thema beschäftigt, das offensichtlich viele Menschen beschäftigt und für das viele Menschen auf die Straße gehen und Unterschriften sammeln. Ich finde es im Gegenteil sogar sehr wertzuschätzen, dass die Politik bemerkt, was in anderen Foren gemacht und gesprochen wird. Insoweit finde ich es auch großartig, dass wir dieser Initiative folgen und das Thema Minderheitenschutz umfassend beraten.

Das Wichtige am Minderheitenschutz ist, dass man bestimmte Perspektiven der Minderheiten genau ins Auge fasst und ihre Identität an dieser Stelle schützen will. Wir haben vorhin die sehr schöne Rede der Kollegin Meta Janssen-Kucz gehört. Das Friesische ist eine dieser Sprachen, die für zukünftige Generationen geschützt werden müssen. Ich finde, kein anderes Beispiel hätte es besser belegen können als Ihr Statement zur letzten Rede meines Kollegen Santjer.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben in den Ausschussberatungen ausführliche Auskünfte über die derzeitigen Regelungen erhalten. Wir haben feststellen können, dass es in der Europäischen Union keine allgemeine Rechtsetzungskompetenz für den Schutz von Minderheiten gibt, sondern dass die Entscheidung über den Schutz der Minderheiten überwiegend bei den

Mitgliedstaaten liegt. Und dort wiederum sind die Regelungen sehr unterschiedlich.

Bei uns, Herr Pancescu, gibt es Förderprogramme, und es gibt auch einen Minderheitenschutz, und zwar einen sehr weitgehenden. Mehr geht natürlich immer, aber wir haben in dem Zusammenhang durchaus schon viele Regelungen getroffen. Mit unserem Antrag geht es uns darum, eine verbindliche Regelung auf europäischer Ebene zu finden, und zwar in der Form, dass für diese Fragen eine Kommissarin oder ein Kommissar zuständig ist und sich dann eben auch verantwortlich fühlt. Das ist bislang offensichtlich nicht der Fall gewesen, weshalb der Minderheitenschutz in den einzelnen Staaten auch sehr unterschiedlich ausgestaltet ist.

Wir haben Artikel 19 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Darin wird aber lediglich festgehalten, dass eine ethnische Diskriminierung von Menschen verboten ist. Es gibt darüber hinaus noch die Artikel 21 und 22 der Grundrechtecharta der Europäischen Union. Artikel 21 ist insoweit auch nur ein Verbotsartikel. Artikel 22, der sich mit der Vielfalt von Kulturen und Sprachen beschäftigt, richtet sich nicht an die einzelnen Mitgliedsstaaten, sondern an das Handeln der Organe und Einrichtungen. Insofern ist es nur konsequent, wenn man eine verbindliche Zuständigkeit einrichtet. Es braucht also einen Kommissar oder eine Kommissarin, der oder die sich dieser Sache annimmt.

Wir brauchen Minderheitenschutz in der Zukunft. In einer Welt, in der immer mehr Menschen nicht in ihrer angestammten Heimat leben, sondern diese aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen, muss es immer auch identitätsstiftende Dinge in dem Land geben, in dem man lebt, damit man sich dort auch wohlfühlen kann. Das wird jeder, der schon einmal über seine eigene kleine Grenze gegangen ist, am eigenen Leib erlebt haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Jeder siebte EU-Bürger - oder EU-Bürgerin - ist Teil einer Minderheit oder einer autochthonen Volksgruppe. Hier ist also eine große Gruppe betroffen.

Wir haben viel gemacht. Ich würde mich deshalb freuen, wenn wir uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen würden, dass auch in anderen Ländern der Europäischen Union eine ähnliche Rechtslage wie bei uns eintritt.

Herr Pancescu, ich kann das Ansinnen Ihres Änderungsantrages verstehen, aber wir haben uns in unserem Antrag einzig und allein auf die europäische Ebene bezogen. Es steht allen Fraktionen hier im Landtag frei, andere Anträge, z. B. zum Minderheitenschutz in Deutschland, zu stellen.

Vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Schönen Dank, Frau Kollegin Schüßler. - Jetzt möchte noch die Landesregierung das Wort ergreifen. Ich erteile Frau Ministerin Birgit Honé das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Gesellschaft, die die Menschenwürde zu ihrem höchsten Gut zählt und Gerechtigkeit, Gleichbehandlung und Rechtsstaatlichkeit zu ihren Grundwerten gemacht hat, muss Minderheiten schützen und ihnen eine diskriminierungsfreie Teilhabe an der Gesellschaft gewährleisten.

Mir ist es daher ein besonderes Anliegen, zu betonen, dass Minderheiten unsere Gesellschaft mit ihren Identitäten, also mit ihren Sprachen, ihren Kulturen und ihren Traditionen, bereichern. Dies gilt für Europa, für seine einzelnen Mitgliedsstaaten und insbesondere auch für Niedersachsen mit seiner friesischen Volksgruppe und seinen Sinti und Roma. Deshalb hat Deutschland, wie viele andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auch, für den besonderen Schutz und den besonderen rechtlichen Status der nationalen Minderheiten und ihrer Sprachen sowie der Regionalsprachen die Abkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und der Regional- oder Minderheitensprachen ratifiziert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch die Europäischen Union steht für den Schutz von nationalen Minderheiten und die Wahrung ihrer Rechte. In Artikel 2 des Vertrages der Europäischen Union wird der Minderheitenschutz aufgegriffen. In Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden Diskriminierungen aufgrund der Sprache oder der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit verboten. Darüber hinaus verpflichtet sich die Europäische Union in Artikel 22 der Charta zur Achtung der Kulturen, Religionen

und Sprachen. Zudem kann die Europäische Union bei Diskriminierungen aus Gründen der ethnischen Herkunft gemäß Artikel 19 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union geeignete Vorkehrungen ergreifen, soweit die Maßnahmen im Rahmen der auf die Europäische Union übertragenen Zuständigkeiten liegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese rechtlichen Grundlagen sind wichtig und geben ein Fundament. Aber hier kann und muss sich die Europäische Union noch mehr einbringen.

Die europäische Bürgerinitiative „Minority SafePack“, von der hier schon die Rede war, umfasst verschiedene Gesetzesvorschläge, die den Schutz nationaler Minderheiten gewährleisten sollen. Ziel ist es, die Sicherheit von nationalen Minderheiten europaweit zu gewährleisten und gesetzliche Regelungen für Minderheiten zu stärken.

Dieses Ziel, meine sehr verehrten Damen und Herren, teilt die Landesregierung uneingeschränkt. Daher begrüßen wir es sehr, dass es die Bürgerinitiative geschafft hat, die erforderlichen 1 Million Unterschriften zu erhalten, und sie damit eine Befassung auf Ebene der Europäischen Union mit diesem Thema bewirkt hat.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es muss unser Ziel sein, auch und gerade auf Ebene der Europäischen Union den Schutz für Angehörige nationaler Minderheiten und Sprachminderheiten weiter zu verbessern sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Europäischen Union zu stärken und auszuweiten. Die Kommission sollte die Einhaltung der Minderheitenrechte in allen Mitgliedstaaten konsequent einfordern. Angesichts populistischer und rechtsextremer Entwicklungen in einigen Mitgliedstaaten ist dies besonders geboten.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Editha Westmann [CDU])