Protokoll der Sitzung vom 20.11.2019

Vor Ort, sehr geehrte Damen und Herren, müssen sich die Akteure den jeweiligen Strukturen anpassen, auf die Art und den Anfall der jugendlichen Straftaten reagieren. Außerdem müssen Menschen gefunden werden, die in dieser Arbeit aufgehen. Intensive Arbeit vor Ort, Tür an Tür, die konsequenten Arbeiten im Täter-Opfer-Ausgleich, das Erkennen von Kriminalitätsschwerpunkten örtlicher und sachlicher Art und die Erarbeitung von Interventionsmaßnahmen bringen das Projekt voran.

Bei den vielen beteiligten Akteuren bedarf es deshalb einer regelmäßigen Evaluation; denn gerade die virtuellen Häuser müssen in der nächsten Zeit beweisen, dass sie genauso effektiv sind wie die echten Häuser des Jugendrechts.

Dass wir die Häuser bereits jetzt schon zum Erfolgsmodell erklären, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, liegt daran, dass wir uns bereits die Ergebnisse und den Sachstand vor Ort erläutern ließen. Wir haben uns in Niedersachsen von der guten Zusammenarbeit und der Effektivität überzeugen lassen. BadenWürttemberg zeigt, dass es auch mehr als fünf Häuser des Jugendrechts geben kann. Das könnte vielleicht auch in Niedersachsen Sinn machen. - „Wir“, das sind Abgeordnete des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen als auch für Inneres und Sport der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, das in Ihrem Änderungsantrag erhobene unterschwellige Misstrauen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das beschleunigte Verfahren ist eine Errungenschaft. Aber sowohl die präventiven Maßnahmen wie Fallkonferenzen als auch eine konsequente Durchführung der Sozialstunden sollten auch in Ihrem Interesse sein; denn Sie unterstützen unseren Antrag ja im Großen und Ganzen. Das finde ich sehr bewundernswert und auch sehr gut.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren, die präventiven Maßnahmen, die unmittelbare Reaktion, die wirksamen Maßnahmen des Jugendstrafrechts und den Täter-Opfer-Ausgleich - das alles unterstützen Sie. Das begrüße ich; ich kann das nur wiederholen.

Sie sprechen aber auch von Sensibilisierung zur Einhaltung des Datenschutzes. Okay, das hört sich erst mal gut an. Aber meinen Sie denn, dass Akteure wie die Polizei, die Jugendgerichte, die Staatsanwaltschaften und die Jugendämter nicht ausreichend geschult sind? Ich denke schon; das spiegelte sich auch in der Unterrichtung wider, die in der letzten Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen stattfand.

Im Übrigen: Sollte sich aus der Evaluation ergeben, dass irgendwelche zusätzlichen Maßnahmen erforderlich sind, wäre die entsprechende Beratung doch abzuwarten. Und falls sich in der nächsten Zeit ergeben sollte, dass die Einrichtung eines weiteren Hauses des Jugendrechts nötig ist, verehrte Damen und Herren, würden wir dem auf jeden Fall nicht im Weg stehen.

Von daher lehnen wir Ihren Änderungsantrag ab, sehr geehrte Damen und Herren.

Die Perspektiven für die jugendlichen Straftäter hatte ich bereits in meiner Einbringungsrede genannt: Das sind natürlich zum einen keine weiteren Straftaten und im besten Fall eine erfolgreiche Sozialisierung, ein Schulabschluss und die Möglichkeit einer Berufsausbildung. Es sind zum anderen aber auch die konsequente Ableistung der Sozialstunden im Rahmen des Opferausgleichs, eine effektive Hilfe für die Opfer, der Erziehungseffekt und die Einsicht hinsichtlich der Auswirkung der Tat bzw. der Taten.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Häuser des Jugendrechts haben Entwicklungspotenzial und nehmen eine große gesellschaftliche Verantwortung wahr. In vielen Bundesländern sind die Häuser des Jugendrechts schon lange etabliert. Sie verzeichnen in der Zusammenarbeit mit den Arbeitsagenturen und dem Mittelstand eine Verbesserung der Facharbeiterbindung.

Die Häuser des Jugendrechts sind auch Partner der Schulen, der kommunalen Präventionsräte, der Wohlfahrtsverbände und somit auch des Ehrenamtes. Verehrte Damen und Herren, ich wiederhole

mich da gern: Das sind für mich die eigentlichen Errungenschaften der Häuser des Jugendrechts.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Bitte unterstützen Sie deshalb den Auftrag einer jährlichen Evaluierung! Ich sehe hier insbesondere, dass wir alle den gleichen Weg einschlagen und Sie im Großen und Ganzen die Häuser des Jugendrechts unterstützen. Die Ergebnisse sind ein Gewinn für die Gesellschaft; sie geben ein Bild der örtlichen Gegebenheiten und stellen vor allem eine schnelle Hilfe für die Opfer dar. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, sie sollen auch eine Chance für jugendliche Straftäter sein, aus den Konsequenzen zu lernen und das Angebot, sich gesellschaftlich zu integrieren und ihre Zukunft zu gestalten, anzunehmen.

Ich freue mich deshalb sehr, dass die Häuser des Jugendrechts nun endlich in Niedersachsen etabliert sind.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit bei dieser Thematik.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Frau Kollegin Kreiser. - Für Bündnis 90/Die Grünen hat sich der Abgeordnete Helge Limburg zu Wort gemeldet.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kreiser, ich habe mich während Ihrer Rede mehrfach gefragt, ob Sie tatsächlich zu dem Antrag von SPD und CDU oder nicht doch vielmehr zum Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sprechen.

Wenn Sie, Frau Kollegin, hier erstens ausführen, dass Sie um Unterstützung für den Antrag bitten, weil Sie eine gründliche, ehrliche Evaluierung wollen, dann müssten Sie in der Tat für unseren Änderungsantrag stimmen. Denn darin fordern wir eine Evaluierung unter Beteiligung aller beteiligten Institutionen und Behörden und nicht, wie es im Ausschuss dargestellt worden ist, lediglich eine Evaluierung unter Leitung der Staatsanwaltschaften.

Das Wichtige im Jugendverfahren ist doch gerade, dass neben den Staatsanwaltschaften auch die Jugendgerichtshilfe, unter Umständen auch Ju

gendämter und, wenn es um Schulabsentismus geht, die Schulbehörden und Schulen mit einbezogen werden. Dann müssten sie aber auch in die Evaluierung einbezogen werden. Das soll, wie uns im Ausschuss dargestellt worden ist, aber gegenwärtig nicht geschehen. Insofern müssten Sie bei dieser Argumentation in der Tat unserem Änderungsantrag folgen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Zweitens. Frau Kollegin, wenn Sie sagen, dass Sie noch prüfen wollen, ob die Einrichtung weiterer Häuser notwendig ist, müssten Sie, liebe Frau Kreiser, allerdings gegen Ihren eigenen Antrag stimmen. Denn darin fordern Sie die Landesregierung unter Nr. 1 ausdrücklich auf, die Einrichtung von Häusern des Jugendrechtes fortzusetzen. In Ihrer Rede haben Sie aber gesagt, dass das bitte geprüft werden soll. Genau das fordern wir in der Tat in unserem Antrag.

Das Thema ist aus meiner Sicht schon etwas differenzierter zu betrachten, als die Große Koalition es darstellt. Die Häuser des Jugendrechts, die es in der Tat - darauf haben Sie zu Recht hingewiesen - bereits in mehreren Bundesländern gibt, können für ein beschleunigtes Strafverfahren - - -

Herr Limburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kreiser?

Ja, natürlich.

Sehr geehrter Herr Limburg, danke, dass ich eine Zwischenfrage stellen darf.

Haben Sie wahrgenommen, dass ich in meiner Rede angekündigt habe, dass wir, falls es sich ergeben sollte, dass weitere Häuser des Jugendrechts etabliert werden müssten, dem auf keinen Fall im Wege stehen würden?

Vielen Dank, Frau Kreiser.

Ja, genau, das habe ich wahrgenommen. Darauf habe ich auch gerade Bezug genommen. Da Sie genau das in Ihrer Rede gesagt haben, habe ich darauf hingewiesen, dass das im Widerspruch zu

dem steht, wozu Sie die Landesregierung auffordern. Sie sagen im Antrag nämlich nicht: Falls sie weitere Häuser einrichten will, stünden wir dem nicht im Wege, und dann darf sie es machen. - Sie fordern sie vielmehr explizit auf, weitere einzurichten. Das ist ein Unterschied, Frau Kreiser, und darauf wollte ich Sie gerade in der Tat hinweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist hier die Zeitanzeige ausgefallen. Ich mache einfach weiter und hoffe, dass die Zeit irgendwann wieder angezeigt wird.

Herr Kollege Limburg, Sie dürfen weitersprechen; die Uhr hat sich wieder richtig eingestellt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe gerade ausgeführt, dass Häuser des Jugendrechts in der Tat zur Beschleunigung von Strafverfahren beitragen können. Das ist sicherlich sinnvoll - vor allem im Jugendbereich, aber grundsätzlich sicherlich auch im Erwachsenenbereich.

Gleichwohl darf man dabei nicht vergessen, dass die beteiligten Akteure unterschiedliche Aufgaben, unterschiedliche Rollen und unterschiedliche Datenschutz- und Geheimhaltungsverpflichtungen

haben. Dem muss man auch gerecht werden. Man darf diese Rollen nicht verwischen. Die Jugendhilfe und die Jugendgerichtshilfe haben noch stärker unterstützende Aufgaben als z. B. Staatsanwaltschaften - auch wenn Jugendstaatsanwaltschaften natürlich anders unterwegs sind als Erwachsenenstaatsanwaltschaften. Diesen verschiedenen Aufgaben werden so pauschale Aussagen aus meiner Sicht nicht gerecht - zumindest nicht in der Form, in der sie jetzt getroffen worden sind.

Auf unsere Frage nach dem Datenschutz, Frau Kreiser - Sie haben gerade gesagt, dass dargestellt worden sei, dass der gewährleistet werde -, ist gesagt worden, dass man davon ausgeht, dass der gewährleistet wird. Das war die Antwort. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag geschrieben, in dem wir fordern, dass das sichergestellt wird. Das ist keine Trivialität an der Stelle.

Zum anderen fordern SPD und CDU - das finde ich erst einmal auch ausdrücklich gut - eine Evaluation. In der Begründung Ihres Antrags haben Sie einen ganzen Katalog aufgeführt, unter welchen Aspekten evaluiert werden soll. Das finde ich rich

tig, weil damit der Exekutive konkrete Maßgaben für die Evaluierung gegeben werden.

Sie fordern u. a., dass gefragt werden soll: Konnte die Schulpflicht bei „Schulverweigerern“ erfolgreich durchgesetzt werden? - Das ist eine wichtige und interessante Frage. Aber mich irritiert dabei der rein repressive Ansatz, den Sie letztlich doch verfolgen.

Die Beantwortung der Frage, ob die Schulpflicht durchgesetzt werden konnte, kann man doch nicht allein den Staatsanwaltschaften überlassen. Im Ausschuss ist gesagt worden, dass die Evaluierung über die Staatsanwaltschaften durchgeführt wird. Aber dann müssen Sie doch mit den Schulen reden! Sie müssen doch versuchen, die Leute zu ermuntern! Sie können das doch nicht einfach in einem möglichst schnellen Verfahren sanktionieren wollen und gleichzeitig hoffen, dass die Betroffenen dann endlich wieder zur Schule gehen!

Schulabsentismus muss doch mit pädagogischen Mitteln begegnet werden. So habe ich in der Vergangenheit eigentlich gerade sozialdemokratische Bildungs- und Justizpolitik immer wahrgenommen. In dem Antrag findet sich dazu aber nichts wieder. Die Schulbehörden und das Kultusministerium werden von Ihnen ja auch nicht einbezogen. Auch das ist sehr bezeichnend.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Danke, Herr Limburg. - Jetzt erhält der Abgeordnete Marcel Scharrelmann für die CDU-Fraktion das Wort.