Protokoll der Sitzung vom 25.03.2020

Sehr geehrter Herr Busemann, deshalb habe ich die einleitenden Worte zur Erläuterung vorgetragen. Ich hatte das auch ans Präsidium geschickt, damit diese Widersprüche geklärt sind.

Ja. Aber ich habe keine substanzielle Veränderung wahrgenommen, sodass die drei Fragen, so wie sie gestellt sind, jetzt sicherlich vom Herrn Innenminister beantwortet werden.

Dann ist es gut.

Herr Minister, Sie haben das Wort.

(Zwei Mitarbeiter der Landtagsverwal- tung desinfizieren das Redepult)

Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer, die als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt wurden, haben einen Anspruch auf Familiennachzug ihrer Eltern oder Elternteile. Das ergibt sich aus § 36 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes.

Unbegleiteten minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern, die als subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden, kann der Familiennachzug ihrer Eltern oder Elternteile im Rahmen des für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten vorgeschriebenen Kontingents, so die aktuelle Lage, von 1 000 Visa pro Monat ermöglicht werden. Der Familiennachzug setzt in beiden Fällen nicht voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist und ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht.

Soweit sich noch weitere minderjährige Kinder zusammen mit ihren Eltern im Ausland aufhalten, steht ihnen ein unmittelbarer Anspruch auf Familiennachzug zu ihrem in Deutschland lebenden Geschwisterteil nicht zu, da das deutsche Aufenthaltsrecht einen Familiennachzug von Geschwistern zueinander nicht vorsieht. Es muss daher auf die allgemeinen Regeln des Familiennachzugs zurückgegriffen werden. Danach können sich die Geschwister des minderjährigen Schutzberechtigten auf die Möglichkeit des Familiennachzugs von Kindern zu ihren Eltern berufen. Anknüpfungspunkt hierfür ist das Aufenthaltsrecht ihrer Eltern.

Die Regelungen zum Kindernachzug setzen allerdings voraus, dass die für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erforderlichen allgemeinen Ertei

lungsvoraussetzungen sowie für den Familiennachzug im Allgemeinen geltende Voraussetzungen vorliegen. Daher setzt der Familiennachzug von Geschwisterkindern gemeinsam mit ihren Eltern in der Regel u. a. voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Zusätzlich muss auch ausreichender Wohnraum zur Verfügung stehen.

Bei dem Erfordernis eines gesicherten Lebensunterhalts handelt es sich um eine sogenannte Regelerteilungsvoraussetzung, von der nur abgewichen werden kann, wenn entweder besondere

atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelungern beseitigen, oder die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss aus Gründen höherrangigen Rechts geboten sein. Ob eine solche Ausnahme vorliegt, ist keine Ermessensentscheidung, sondern als Tatbestandsmerkmal zu prüfen, wobei das Ergebnis der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

In den typischen Fallkonstellationen des Nachzugs zu anerkannten, minderjährigen Flüchtlingen hätte eine Versagung des Nachzugs der Geschwisterkinder zur Folge, dass diese ohne ihre Eltern im Heimatland verbleiben müssten oder die Eltern auf den Nachzug zu ihrem in Deutschland lebenden minderjährigen Kind verzichten.

Im Rahmen der Dienstbesprechung des Ministeriums mit den niedersächsischen Ausländerbehörden am 18. Oktober 2017 in Hannover wurden die Ausländerbehörden darauf hingewiesen, dass ein solches Ergebnis im Einzelfall eine Unzumutbarkeit begründen kann, die dann ihrerseits ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung eines gesicherten Lebensunterhalts rechtfertigen bzw. auch erfordern kann.

Bei dem in diesen Fällen auch oft problematischen Erfordernis ausreichenden Wohnraums handelt es sich dagegen um eine zwingende Erteilungsvoraussetzung. Das Aufenthaltsrecht sieht zwar verschiedene Ausnahmen vom Wohnraumerfordernis vor, die in den hier dargestellten Fallgestaltungen allerdings keine Anwendung finden. Damit darf von dieser Voraussetzung nicht abgesehen werden. Im Ergebnis darf daher auch in diesen besonderen Fallkonstellationen der Familiennachzug der Geschwisterkinder nicht ermöglicht werden, wenn kein ausreichender Wohnraum nachgewiesen werden kann, obwohl diese Voraussetzung für den Nachzug der Eltern allein, also ohne ihre weiteren Kinder, gar nicht erforderlich wäre.

Vor etwa drei Jahren hat das Ministerium diese äußerst unbefriedigende Situation zum Anlass genommen, sich auf Staatssekretärsebene an das BMI zu wenden, um zu einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu kommen. Ziel einer solchen Gesetzesänderung sollte es sein, dann Ausnahmen vom Erfordernis ausreichenden

Wohnraums zulassen zu können, wenn der Nachzug weiterer Angehöriger im Zusammenhang mit dem Nachzug der Kernfamilie zu in Deutschland anerkannten Flüchtlingen erfolgt.

In ihrer Antwort teilte die damalige Staatssekretärin des BMI mit, dass sie diesem Vorschlag nicht folgen werde, da die Familiennachzugsregelung die Interessen des hier lebenden schutzberechtigten Minderjährigen und nicht die Interessen der Eltern an einem Leben in Deutschland schütze. Im Übrigen seien Geschwister des Minderjährigen von dem Schutzgedanken dieser Norm nicht erfasst. Insgesamt sei ein sensibler Umgang mit der weiteren Privilegierung, so die Staatssekretärin weiter, des Familiennachzuges angezeigt. Wörtlich teilte die Staatssekretärin damals mit:

„Es gilt zudem, keinen Pull-Faktor für sogenannte Ankerkinder zu setzen, indem wir signalisieren, dass die komplette Familie in die deutschen Sozialsysteme einwandern kann. Von daher vermag ich Ihrem Vorschlag nicht zu folgen.“

Für die Erleichterung des Familiennachzugs, konkret der Verzicht auf den Nachweis angemessenen Wohnraums, ist, zusammengefasst, nun einmal eine Gesetzesänderung auf Bundesebene erforderlich. Daher sieht die Landesregierung derzeit keine Möglichkeit, dies im Erlasswege durchzusetzen.

Zu den Fragen:

Die Fragen 1 -„Ist der Erlass zur Aufnahme minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge (UMF) in Arbeit?“ - und 2 -„Wann können wir mit der Aufnahme der jungen Flüchtlinge rechnen?“ - werden dementsprechend gemeinsam beantwortet. Die Landesregierung geht dabei davon aus, dass die fragestellende Fraktion hier entgegen des eigentlichen, ursprünglichen Wortlauts der Frage nicht die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen

Flüchtlingen, sondern den Familiennachzug zu diesen meinte. Andernfalls dürfte die Fragestellung auch keinen Sinn ergeben. Zur Beantwortung wird auf die Vorbemerkung verwiesen.

Zu Frage 3 - „In welche Einrichtungen des Landes könnten die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sofort überwiesen werden?“ - lässt sich nur allgemein festhalten, dass aufgrund des Vorrangs des Kinder- und Jugendwohls unbegleitete minderjährige Ausländer bei der Aufnahme, Unterbringung und Betreuung einem besonderen Verfahren unterliegen bzw. besondere Verfahrensgarantien haben. Ausländische Minderjährige sind nach dem SGB VIII von dem zuständigen kommunalen Jugendamt vorläufig in Obhut zu nehmen, wenn diese unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtig

te im Inland befinden. Wenn die UMA nicht mit Verwandten innerhalb des Bundesgebietes zusammengeführt werden können, erfolgt in der Regel eine jugendhilferechtliche Unterbringung.

So weit meine Antwort.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Vielen Dank.

(Minister Boris Pistorius: Soll ich gleich hierbleiben?)

- Wir klären das gerade ab. Mir liegen bis jetzt keine Wortmeldungen zu Zusatzfragen vor.

(Susanne Menge [GRÜNE] meldet sich zu Wort)

- Frau Menge, eine oder mehrere?

(Susanne Menge [GRÜNE]: Eine!)

Ich biete Ihnen das Saalmikro gleich links an.

Ich habe eine ganz einfache Frage, Herr Pistorius. Warum kann Schleswig-Holstein das machen und wir nicht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind der Auffassung, dass auch SchleswigHolstein dazu eine Genehmigung des Bundes braucht. Selbst wenn der Erlass in Kraft treten sollte, bräuchte Schleswig-Holstein bei Visaerteilungen und anderen Maßnahmen, ohne die es nun einmal nicht geht, den Bund. Von daher wäre es ein Erlass, der mangels faktischer Unterstützung im praktischen Leben keine Wirkung entfalten würde.

(Zustimmung bei der SPD und der CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu Zusatzfragen liegen nicht vor. Und wenn ich das richtig sortiere, habe ich für die Debatte auch keine Wortmeldungen vorliegen. Sie alle hätten natürlich die Chance, vier Minuten zu reden. Aber wenn kein Bedarf besteht, dann nehmen wir das gern - - -

(Jens Ahrends [AfD] meldet sich zu Wort)

- Herr Kollege Ahrends?

(Christian Meyer [GRÜNE]: Vorhin hat die AfD noch gesagt, sie will ein kur- zes Plenum haben und verzichtet auf alle parlamentarischen Instrumente! - Weitere Zurufe)

Okay. Herr Kollege Ahrends, AfD-Fraktion, Sie haben das Wort für bis zu vier Minuten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lassen Sie mich zunächst mein Unverständnis darüber zum Ausdruck bringen, dass die Grünen auch angesichts der Coronakrise ihr Lieblingsthema Zuwanderung auf die Tagesordnung setzen. Das hat hier zumindest heute nichts verloren. Alle Ihre Fragen hätten Sie auch schriftlich stellen können. So wird es auch die AfD-Fraktion machen.

Ich bin gebeten worden, mich wieder hinzusetzen. Ich habe die Rede vorbereitet. Wissen Sie was? - Ich setze mich wieder hin, weil das heute wirklich nicht hierhergehört.

(Beifall bei der AfD)

Jetzt möchte Frau Menge von Bündnis 90/Die Grünen doch eine Rede halten. Dann müssten wir hier vorne erst einmal desinfizieren. Oder können Sie freihändig von dort? - Wie Sie wollen, okay. Bitte!

Ich werde das an diesem Punkt nicht in die Länge ziehen. Aber zu sagen, dass das, was Corona betrifft, ein deutsches Problem ist, ist so abartig wie nur etwas. Gucken Sie in die Flüchtlingslager! Wenn Sie wissen, was eine Pandemie ist und was diese ausgelöst hat, dann ist klar, dass es unsere menschliche und humane Pflicht ist, auch dorthin zu gucken und nicht nur auf die eigenen Räume.