Protokoll der Sitzung vom 01.07.2020

Sie merken gar nicht, wie Sie hier immer wieder Öl ins Feuer gießen und die Kluft zwischen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Landwirtinnen und Landwirten vertiefen, wenn Sie mit solch einfachen Forderungen wie „Agrarpaket stoppen!“ oder einem „Weiter so!“ für Pestizide in Schutzgebieten versuchen, bei den Landwirtinnen und Landwirten zu punkten. Versuchen Sie bitte lieber, zu vermitteln und Lösungen zu überlegen, die dann tatsächlich tragen!

Ich erlaube mir, noch einmal auf den „Niedersächsischen Weg“ hinzuweisen. Das ist historisch einmalig und vor allem ein großer Erfolg des Miteinanders. Zusammen mit den Beteiligten ist es gelungen, eine Rahmenvereinbarung zwischen Naturschutz und Landwirtschaft zu unterzeichnen. Wir haben die Aufgabe, das zu unterstützen und umzusetzen.

Ich bin stolz, hier dabei sein zu dürfen, und würde mir solche Kooperationen in allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen wünschen. Es geht nämlich nicht mehr darum, die eigene Lobbygruppe zu bedienen, sondern mit den Beteiligten zusammen reale Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu finden.

Ihr Antrag ist ein „Weiter so!“, das wir uns nicht erlauben können. Wie dieses „Weiter so!“ mit den Herausforderungen im Naturschutz, dem Verbraucherinteresse und der Landwirtschaft übereingehen sollen, ist mir völlig rätselhaft.

Deswegen werden wir dem Antrag nicht zustimmen. Die SPD in Niedersachsen steht hinter unseren Landwirtinnen und Landwirten und dem Naturschutz.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hanisch. - Aus dem Plenum gibt es keine weiteren Wortmeldungen. Die Landesregierung möchte aber das Wort ergreifen. Bitte sehr, Frau Ministerin Otte-Kinast! Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Verehrte Damen und Herren! Der Agrarausschuss und auch der Umweltausschuss sind zu dem Ergebnis gekommen, dem Landtag die Ablehnung des Antrags der FDP-Fraktion zu empfehlen. Warum die Ablehnung des Antrags? - Weil der Entschließungsantrag in Teilen Forderungen enthält, für die sich die Landesregierung ohnehin starkmacht bzw. die bereits umgesetzt werden, und in anderen Teilen Forderungen formuliert, auf die die Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt faktisch gar keinen Einfluss nehmen kann. Lassen Sie mich dies anhand der einzelnen Punkte des Entschließungsantrags näher erläutern.

Zu Nr. 1: Aufgrund der Formulierung im Antrag gehe ich davon aus, dass die FDP-Fraktion insbesondere auf das umstrittene Aktionsprogramm Insektenschutz abzielt. Das Aktionsprogramm

Insektenschutz ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch kein Gesetz, sondern eine Zielvereinbarung der Bundesregierung, wie Insektenschutz umgesetzt werden soll. Die Niedersächsische Landesregierung wird sich in einem späteren Gesetzgebungsverfahren natürlich dafür einsetzen, dass dabei neben den ökologischen Zielen auch die ökonomischen Belange der landwirtschaftlichen Betriebe hinreichend berücksichtigt werden. - Auf die angesprochene Düngung gehe ich gleich gesondert ein.

Zu Nr. 2 möchte ich kurz und knapp Folgendes feststellen: Diese Forderung, meine Damen und Herren, entspricht dem Vorgehen der Niedersächsischen Landesregierung und bedarf keines Landtagsbeschlusses.

Zu Nr. 3: Wie Sie wissen, ist die Änderungsverordnung zur Düngeverordnung am 27. März im Bundesrat verabschiedet worden. Die Änderungsverordnung ist bereits seit 1. Mai in Kraft. Wenn sich auch Niedersachsen mit seinen konstruktiven Änderungsanträgen für mehr Transparenz und Gerechtigkeit im Bundesratsverfahren nicht vollständig durchsetzen konnte, so wurde zumindest ein wichtiger Teilerfolg erzielt. Mit der schriftlichen Zusage des Bundes an die Länder, in der zur bundesweit einheitlichen Abgrenzung der Gebietskulissen zu erlassenden Verwaltungsvorschrift auch landwirtschaftliche Emissionsdaten zu berücksichtigen, ist es Niedersachsen gelungen, eine zentrale und von Anfang an vertretene Forderung durchzusetzen,

(Zustimmung bei der CDU)

die eine Verankerung des Verursacherprinzips bedeutet.

Mit der vorliegenden Fassung der Verwaltungsvorschrift, die am vergangenen Donnerstag den Ländern und Verbänden zur Stellungnahme übersandt wurde, wird die Zusage des Bundes umgesetzt.

Dies leitet mich über zu der Nr. 4. Auch diese Forderung wird bereits umgesetzt. Die Landesregierung ist sich dessen bewusst, dass eine am Verursacherprinzip orientierte Ausweisung gefährdeter Gebiete, basierend auf Nitratmesswerten fehlerfrei funktionierender Grundwassermessstellen, die

Grundvoraussetzung für eine Akzeptanz der „roten“ Gebiete im Berufsstand ist. Die Landesregierung hat daher eine außerplanmäßige Überprüfung aller für die Abgrenzung der gefährdeten Gebiete herangezogenen Messstellen vorgenommen, damit diese wichtige Voraussetzung hierzulande auch sicher gewährleistet ist.

Zu der Nr. 5: Niedersachsen erarbeitet derzeit ein Aktionsprogramm Insektenvielfalt. Dies wird ein wichtiges Element sein, um die Vereinbarungen zum „Niedersächsischen Weg“ umzusetzen. Das Aktionsprogramm umfasst die unterschiedlichsten Ziele und Maßnahmen zum Erhalt, zum Schutz und zur Förderung der Insektenvielfalt sowohl in der freien Landschaft - und zwar innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten - als auch in Städten und in Dörfern. Selbstverständlich findet der Berufsstand, der ja auch den „Niedersächsischen Weg“ mitverhandelt und unterschrieben hat, bei der Erarbeitung des Aktionsprogramms Gehör.

Meine Damen und Herren, aus den genannten Gründen ist der vorliegende Entschließungsantrag der FDP-Fraktion aus der Sicht der Landesregierung abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Meine Damen und Herren, dann kann ich die Beratungen schließen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 18/4830 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die eindeutige Mehrheit. Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP abgelehnt.

Wir setzen unsere Beratungen fort mit dem

Tagesordnungspunkt 28: Abschließende Beratung: Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/6476 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung - Drs. 18/6785 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/6833 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/6852 - Änderungsantrag der Fraktion der AfD -

Drs. 18/6880

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Alle drei Änderungsanträge zielen auf eine Annahme des Antrages in einer jeweils geänderten Fassung.

Wir treten in die Beratungen ein. Einbringen möchte zugleich für die SPD-Fraktion und die Große Koalition Kollegin Immacolata Glosemeyer. Bitte sehr!

(Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Heute übernimmt die Bun

desrepublik Deutschland für die kommenden sechs Monate den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Das ist eine große Ehre, die mit großer Verantwortung verbunden ist.

Wir wollen zum Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft beitragen und heute unseren Antrag „Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft“ ganz unter dem Motto der Bundesregierung „Gemeinsam Europa wieder stark machen“ zur abschließenden Beratung einbringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland hat die historische Verantwortung, Europa in der Krise zusammenzuhalten. Die Wirtschaft wieder anzukurbeln, ist eine der wichtigsten Aufgaben, die es anzupacken gilt. Ansonsten droht Europa ein verlorenes Jahrzehnt. Wenn die Europäische Union nicht wieder auf die Füße kommt, dann wird uns das in Deutschland auch nicht gelingen. Wir sind Exportregion und brauchen die Belebung des europäischen Binnenmarktes. Gemeinsam mit anderen proeuropäischen Ländern muss Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und beim Klimaschutz einnehmen.

Nie zuvor war die Ratspräsidentschaft so bedeutend wie heute. Corona und seine medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen stellen alle 27 EU-Mitgliedstaaten vor gewaltige Herausforderungen.

Den Vorschlag von Bundeskanzlerin Merkel und Bundesfinanzminister Scholz, einen europäischen Wiederaufbaufonds einzurichten, unterstützen wir mit Nachdruck. Ich hoffe, dass sich alle EU-Mitgliedstaaten auf die Pläne der Kommission - 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbaufonds und 1,1 Billionen Euro für den Mehrjährigen Finanzrahmen - verständigen werden.

Das schuldenbasierte Programm der EU-Kommission soll die vom Coronavirus und dessen wirtschaftlichen Folgen besonders hart getroffenen EU-Staaten wiederaufrichten. Italien und Spanien sind die am stärksten von der Pandemie betroffenen Länder und hoffen zu Recht auf unsere Solidarität. Ich glaube, niemand wird jemals die Bilder von den vielen Menschen vergessen, die zu Grabe getragen worden sind. Wir werden alles dafür tun, um zu verhindern, dass die gemeinsame Wirtschafts- und Währungszone zerbricht.

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird für alle Nationen ein gewaltiger Kraftakt werden. Aber nur mit gemeinsamer Solidarität werden wir diese

Krise bewältigen können und die Zukunft Europas sichern.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, das Schengener Abkommen hat am 14. Juni seinen 35. Geburtstag gefeiert - und die Grenzen waren zum ersten Mal wieder geschlossen. Die Pandemie hat uns auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Das zeitweise erforderliche Schließen der Grenzen zu unseren Nachbarländern hat zu Verunsicherung und Vertrauensverlust geführt. Erstmals haben wir gespürt, wie verletzlich wir sind und wie sehr wir unsere europäischen Nachbarn brauchen.

Vor diesem Hintergrund stellen wir konkrete Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft. Mit Fleiß und Engagement muss Deutschland Europa zusammenhalten, damit wir gemeinsam die Herausforderungen unserer Zeit meistern können.

Das Vereinigte Königreich ist zum 31. Januar dieses Jahres aus der EU ausgetreten. Die Gefahr eines ungeregelten Brexits konnte zunächst gebannt werden. Der Juli dürfte ein entscheidender Monat für die zukünftigen Beziehungen werden. Es steht die vorerst letzte Verhandlungsrunde zwischen beiden Seiten an.

Die EU muss dem britischen Premierminister während der deutschen Ratspräsidentschaft selbstbewusst gegenübertreten und einen für beide Seiten ökonomisch verträglichen Deal aushandeln. Die Bedeutung einer fairen Verständigung über die Fischereirechte für den Fortbestand der niedersächsischen Hochseefischerei muss dabei angemessen Berücksichtigung finden.

Eine Pandemie zeigt Probleme wie unter einem Brennglas, sagte unsere Sozialministerin. In Europa und in Deutschland waren Schutzanzüge und Masken Mangelware. Gesundheitspersonal musste geschützt werden, und der Markt sollte es angeblich richten. Allerdings war der leergefegt. Der Markt bestimmt den Preis. Eine Maske, die vorher 35 Cent kostete, konnte man bei Ebay für 50 Euro erwerben. Ein Wahnsinn!

Zeitweise war ein Engpass bei Arzneimitteln zu spüren. Die Abhängigkeit vom asiatischen Markt hat zu besorgniserregenden Lieferengpässen geführt. Wir müssen bei unserer Arznei- und Medizinversorgung darauf achten, dass sie wieder hier in Europa einen Standort findet. Nur so können wir verhindern, dass wir noch einmal in eine solche Situation kommen und wir unser Gesundheitspersonal nicht schützen können.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Der Friedensnobelpreisträger und einstige Bundeskanzler Willy Brandt soll einmal gesagt haben:

„Wir brauchen die Herausforderungen der jungen Generation, sonst würden uns die Füße einschlafen.“