Protokoll der Sitzung vom 01.07.2020

Das Mietrecht weist allerdings - und genau darum geht es - eine Gerechtigkeitslücke insofern auf, als dass - was vom Prinzip her noch nicht zu beanstanden ist - ein Mieter erstmal die Miete zurückhalten - sprich: mindern - kann, wenn er angibt, einen Mangel in der Wohnung zu haben. Das kann stimmen - häufig stimmt es auch -, es muss aber nicht stimmen. Es gibt eben auch nicht selten Fälle, in denen das gar nicht der Fall, sondern vorgeschoben ist. Was bleibt dem Vermieter dann anderes übrig, als zu klagen, eventuell auch auf Räumung, wenn sich der Mieter zwei oder mehr Monatsmieten im Rückstand befindet. Das kann sich aufsummieren. Das Ganze dauert. Das Ganze kann ein, zwei Jahre dauern. Eventuell gibt es noch Sachverständigengutachten und Ähnliches. Währenddessen zahlt der Mieter keine Miete, und im Endeffekt, wenn der Vermieter dann irgendwann gewonnen hat und vollstrecken können sollte bzw. vollstrecken kann, stellt sich heraus: Der Mieter hat kein Geld mehr.

Das sind nicht in erster Linie - das war ein Beispiel, das wir genannt haben - die Mietnomaden. Es ging in der Unterrichtung durch die Landesregierung auch um den Begriff „Mietnomaden“. Ich glaube, der ist ein bisschen missverstanden worden. Vor allen Dingen ist nicht verstanden worden, dass das nur ein Beispiel ist. Denn Mietnomaden im klassischen Sinne sind in der Tat häufig Menschen, die gar kein Geld haben, die also ein Mietverhältnis eingehen, obgleich sie von Beginn an wissen, dass sie die Miete nicht bezahlen können, das aber trotzdem machen, und dann irgendwann, wenn sie herausgeklagt sind, weiterziehen und den nächsten Vermieter übers Ohr hauen wollen.

Nein, sehr verehrte Damen und Herren, es geht auch um etwas anderes. Es geht nämlich um diejenigen, die sich genau diese Situation im Mietrecht, wie ich sie eben beschrieben habe, zu Nutze machen, weil sie vorgeben, es sei ein Mangel da, oder einen Mangel dramatisieren, und dann meinen, 80 % oder 90 % der Miete nicht oder gar nichts bezahlen zu müssen, und dann das Geld für den privaten Lebensunterhalt verbrauchen, für andere Dinge, um sich etwas zu gönnen, was sie sich sonst nicht hätten gönnen können. Es gibt auch nicht selten Fälle, in denen es einfach darum geht, zu sparen. Wenn das Geld wirklich ein bisschen knapp ist und man sich fragt „Naja, wo kann ich sparen?“, sagt man einfach: Bei Lebensmitteln nicht, dann nehme ich mal die Miete. - Das Problem ist - wie gesagt -, dass das dann immer zulasten des Vermieters geht, wenn er dann irgendwann einmal Recht bekommt und das nicht durchsetzen kann.

Darum geht es uns. Wir wollen sicherstellen, dass die Summe, die vom Mieter gekürzt wird, zunächst beim jeweiligen örtlichen Amtsgericht hinterlegt wird - jedes Amtsgericht verfügt über eine sogenannte Hinterlegungsstelle - und dann dort verbleibt, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Sollte der Mieter dann Recht bekommen, dann fällt ihm das Geld zu und er kann es verbrauchen, sollte der Vermieter Recht bekommen, dann geht er eben nicht leer aus, sondern dann fällt ihm das hinterlegte Geld zu.

Damit schaffen wir gleich Mehreres. Wir schaffen zum einen das Schließen einer klaffenden Gerechtigkeitslücke. Uns gelingt es damit zum anderen aber auch, mehr Rechtsfrieden herzustellen und sogar Verfahrenszahlen zu reduzieren. Denn auf diese Art und Weise ist es immer möglich, dass sich Mieter und Vermieter während eines laufenden Verfahrens noch einigen. Es kann eben

durchaus sein, dass viele Mieter entweder moderater reduzieren oder sich eben diese Gerechtigkeitslücke, die wir jetzt im Mietrecht haben, nicht mehr zunutze machen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt - auch aus meiner Rechtspraxis als Richter -, dass sich das reduzierend auf die Zahl der Verfahren auswirken wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ging in der Unterrichtung im Ausschuss im Endeffekt auch um Mutmaßungen, zum einen um die Fragen, was eigentlich ein Mietnomade ist und ob dieser Geld hat oder nicht, und zum anderen eben auch um reine Mutmaßungen, also um die Fragen: Ist das verfahrensverringernd, also sinkt die Zahl der Zivilverfahren dadurch oder nicht, und wie viele Fälle betrifft das überhaupt? Insofern waren wir sehr dafür, dass es zu einer Anhörung der maßgeblichen Verbände kommt, die uns sicherlich mehr Auskunft darüber hätten geben könnten, weil weder die Landesregierung noch wir da valide Zahlen haben. Ich rechne es dem Kollegen von der FDP hoch an, dass er sich bei der Frage, ob wir eine Anhörung machen oder nicht, insoweit enthalten hat. Ich hoffe, Sie werden jetzt nicht von Ihrer Fraktion gesteinigt, wenn ich das hier so erwähne. Alle anderen haben es abgelehnt, weil sie es ohnehin vom Tisch haben wollten. Es ist ja ein AfD-Antrag.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben damit, nein, Sie haben damit eine Chance vertan, einen wirklich validen Antrag hin in Richtung der Schließung einer Gerechtigkeitslücke voranzutreiben. Das ist bedauerlich, aber Sie können sicher sein, die AfD wird nicht aufgeben, weiter für das Schließen von Gerechtigkeitslücken im Bereich des deutschen Rechts zu kämpfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke. - Für die Fraktion der CDU hat sich Frau Dr. Esther Niewerth-Baumann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Geschichten wiederholen sich manchmal. Letztes Mal habe ich bei diesem Tagesordnungspunkt erzählt, welche Schwierigkeiten wir als junges Studentenehepaar mit Kind hatten, in Münster

eine Wohnung zu finden. Wie wir dann herausfanden, lag das weniger daran, dass wir ein Kind hatten, sondern mehr daran, dass ich angehende Juristin war. Eine meiner Töchter ist auch Juristin, sie hat einen Freund, der ebenfalls Jurist ist, und beide bemühten sich jetzt um eine Wohnung. Sie sind heute, am 1. Juli, in eine neue Wohnung eingezogen, aber dies gelang erst, als sie - sie sind beide Rechtsreferendare - vor dem Wort „Referendar“ das Wort „Rechts“ wegließen. Denn als Rechtsreferendar ist man bei Vermietern nicht beliebt, wie alle Juristen nicht beliebt sind.

(Jens Nacke [CDU]: So würde ich das jetzt aber auch nicht formulieren!)

- Bei den Vermietern nicht beliebt sind.

Der Mieterschutz ist in Deutschland ein hohes Gut. Die Rechtsprechung in Deutschland ist sehr mieterfreundlich.

Die AfD möchte jetzt Gerechtigkeitslücken schließen, indem sie das Mietrecht ändert. Namentlich will sie § 536 BGB und § 917 ZPO ändern. Jeder Mieter soll bei einer Mietminderung verpflichtet sein, einen Minderungsbetrag zu hinterlegen.

Der Ausschuss hat dieses Thema ernst genommen. Wir haben uns intensiv mit der Thematik beschäftigt. Herr Emden, Sie selbst waren bei der Unterrichtung durch die Landesregierung nicht anwesend, weil Sie Vater geworden sind. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Glückwunsch. Aber das Protokoll haben Sie sicherlich gelesen. Ich würde sagen, Sie haben es nicht gründlich genug getan.

Herr Dr. Rass hat uns unterrichtet, und diese Unterrichtung war sozusagen eine Unterrichtung und eine Anhörung gleichermaßen; denn er hat beruflich vielfältige Erfahrung. Er war langjähriger Richter in Mietsachen am Amtsgericht und Vorsitzender Richter in Mietsachen am Landgericht. Insofern hat er als Praktiker viel Erfahrung. Er hat uns davon überzeugt, dass sich die Gerechtigkeitslücken so nicht schließen lassen.

Erstens ist der Antrag zur Bekämpfung von Mietnomaden, so hat er überzeugend ausgeführt, nicht zielführend. Zweitens kann man die Zahl der Zivilverfahren durch eine solche Methode nicht senken, sondern die Zahl der Zivilverfahren würde sogar steigen. Drittens würde sich die Zahl der Hinterlegungen verzwanzigfachen. Das wäre ein großer Verwaltungsaufwand und würde das bestehende System überfordern.

Der Ausschuss war in seiner Gesamtheit überzeugt, dass sich so Gerechtigkeitslücken nicht schließen lassen, und hat deshalb den Antrag der AfD abgelehnt.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Niewerth-Baumann. - Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Helge Limburg, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte, Herr Limburg!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihren Klagen über das Beratungsverfahren im Ausschuss, Herr Emden, hat Frau Niewerth-Baumann gerade schon ausgeführt. Der Ausschuss ist Ihnen bei der Beratung weit entgegengekommen. Wir haben mehrfach auf Wunsch der AfD die endgültige Abstimmung verschoben. Es gab ausführliche Unterrichtungen, es gab noch eine Nachunterrichtung. In der Tat sind wir Ihrem Ansinnen nicht gefolgt, zu dem Antrag dann auch noch eine Anhörung durchzuführen, die Sie mit der bemerkenswerten Begründung eingefordert haben, wir sollten diese Anhörung machen, um einmal zu eruieren, wie groß dieses Problem eigentlich sei.

Wenn wir als Landtag so agieren würden, dass die AfD irgendetwas behaupten kann und sich der Landtag dann auf die Suche macht, ob es dieses Problem in der Form überhaupt gibt, dann könnten wir die Arbeit hier wohl einstellen, Herr Emden. Sie können nicht ernsthaft erwarten, dass ein solcher Antrag noch mit einer Anhörung belohnt wird.

(Jens Nacke [CDU]: Beim letzten Ta- gesordnungspunkt hat Herr Meyer genau das gefordert!)

Zu den Ausführungen meiner Vorrednerin noch einige Ergänzungen. Es ist schon bemerkenswert, dass Sie mit Ihrem Antrag die Hinterlegung der Mietminderung völlig ohne jede Ausnahme einfordern. Das heißt, selbst in Fällen, in denen eine Mietminderung offenkundig angezeigt ist, z. B. weil ein Teil der Mietsache, etwa ein Kellerraum oder Ähnliches, gar nicht zur Verfügung gestellt wird, wollen Sie diesen Weg der Hinterlegung gehen. Das erscheint gegenüber den Mieterinnen und Mietern grob ungerecht, Herr Emden. Aber das ist ja offensichtlich auch die Intention Ihres Antrags.

Ein weiterer Aspekt: Sie verkennen völlig, dass eine Mietminderung ja auch den Zweck haben kann, den Mietern selbst provisorische Lösungen zu ermöglichen, es ihnen z. B., wenn ein Fenster undicht ist, zu ermöglichen, dieses selbst provisorisch abzudichten, also mit den so gewonnen Mitteln selbst wieder einen besseren Zustand der Mietsache herzustellen. Diese Möglichkeit entziehen Sie allen Mieterinnen und Mietern durch Ihren Antrag.

Herr Emden, der Vertreter des Justizministeriums hat auf Ihre länglichen Ausführungen zur Begründung des Antrags am Ende zusammenfassend kurz erwidert: „Ich bin anderer Meinung.“ In diesem Fall, Herr Emden, ich auch.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Limburg. - Für die SPD kann sich gleich der Abgeordnete Ulf Prange für den nächsten Wortbeitrag auf den Weg machen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon viel über diesen Antrag gesagt worden. Ich habe in der ersten Beratung gesagt: „Ziehen Sie ihn zurück, Herr Emden! Er hilft nicht.“ In dieser Auffassung fühle ich mich nach der Unterrichtung durch die Landesregierung sehr bestätigt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Über die Qualifikation des Unterrichtenden hat Frau Niewerth-Baumann einiges ausgeführt. Ein erfahrener Richter, der sich viele Jahre mit Mietrecht beschäftigt hat, hat den Antrag im Prinzip völlig auseinandergenommen. Da muss man auch einmal die Größe haben, einen solchen Antrag zurückzunehmen. Das hat nichts mit AfD-Bashing zu tun oder damit, dass die SPD immer nur den Mietern helfen will. Im Übrigen halte ich es für eine gute Sache, dass man für Mieterrechte einsteht. Aber Sie machen genau das Gegenteil.

Wir haben einen Vermietermarkt in Deutschland. Schauen Sie sich einmal die Mietpreise hier in Hannover, in Oldenburg, in den Großstädten, aber mittlerweile auch im ländlichen Raum an. Alle diskutieren die Frage: Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? Das ist die neue soziale Frage in unserem Land. Und dann lese ich in einem Antrag

der AfD von einer Gerechtigkeitslücke. Da denke ich: Oh, die tun jetzt auch mal was für die einfachen Leute, für die mittleren Einkommen. Aber dann ist das ein Lobby-Antrag für Vermieter, der noch nicht einmal funktioniert. Das finde ich, ehrlich gesagt, sehr enttäuschend.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Enttäuscht kann man nur sein, wenn man mehr erwartet hat!)

- Ich bin Optimist. Daher hatte ich mehr erwartet. Diese Erwartung wurde in zweierlei Hinsicht nicht erfüllt, und der Antrag hat keine Antwort auf ein Problem gegeben, das es ja durchaus gibt.

Mietnomadentum - ich finde das Wort problematisch - ist Mietbetrug, Eingehungsbetrug, ist eine Sache für die Staatsanwaltschaft und muss auch geahndet werden. Das wird es ja auch. Ich habe beim letzten Mal schon Vorschläge gemacht, wie man insoweit helfen kann. Darauf sind Sie gar nicht eingegangen. Sie haben immer nur diesen Vorschlag vor sich hergetragen, Sie wollten Hinterlegungen für alle Mietverhältnisse, die strittig sind, einführen. Was das für einen Aufwand nach sich zieht! Bürokratieabbau ist das sicherlich nicht. Die Zahl ist eben genannt worden. Das würde eine Vervielfachung von Hinterlegungen bedeuten. Sie sagen auch nicht, wie Sie das leisten wollen. Das ist ja auch mit Personalaufwand an den Gerichten verbunden.

Dann kommen Sie mit dem Arrestverfahren. In Mietsachen geht es typischerweise, wenn es um Mängel geht, um Dinge, die in einem Beweisverfahren durch Gutachten geklärt werden müssen. Das Gutachten ist als Beweis im Arrestverfahren nicht zulässig.

Sie haben eben über den Antrag der Grünen zum Medienbereich gesprochen und ihn als schlecht bezeichnet. Wir haben ebenfalls nicht zugestimmt. Er hat auch seine Schwächen. Aber Ihr Antrag ist handwerklich grob falsch. Ein Arrestverfahren für etwas vorzuschlagen, bei dem es gar nicht einschlägig ist! Und dann eben noch dieser große Aufwand! Ich bin an der Stelle wirklich sprachlos und frage mich, wie man damit umgehen soll.

Dann haben Sie uns noch nahegelegt, eine Anhörung durchzuführen. Anhörungen machen wir ja gern im Rechtsausschuss, aber dafür braucht man natürlich auch eine Grundlage. Ich muss ganz ehrlich sagen: Mit einem solchen Antrag - auch angesichts der Einschätzung durch das Ministerium - an Verbände und Organisationen heranzutre

ten, ist schwierig. Da blamiert man sich auch ein Stück weit. Daher bin ich ganz beim Kollegen Limburg, der eben noch einmal gesagt hat, dass es ja nicht unsere Aufgabe ist, Ihnen Argumente für Ihren Antrag zu liefern. Sie müssen liefern, Sie müssen auch einmal Zahlen liefern. Das machen wir ja auch, wenn wir Anträge schreiben.

Zuletzt, in der zweiten Unterrichtung - wir haben uns ja mehrfach mit dem Antrag beschäftigt - ist deutlich geworden, dass die Gruppe, die Sie genannt haben, immer kleiner wurde. Erst waren es die Mietnomaden, die kein Geld haben. Dass die in diese Konstruktion nicht hineinfallen, weil bei ihnen auch die Hinterlegung nicht hilft, ist auch Ihnen irgendwann klargeworden. Dann haben Sie eine Gruppe konstruiert, die zu Beginn des Mietverhältnisses eigentlich wohlhabend ist und dann in Vermögensverfall gerät, ihr Vermögen weggibt, verbraucht und sich irgendwann den Forderungen des Vermieters entzieht. Das ist eine sehr konstruierte Fallkonstellation, für die man viel Fantasie braucht. Die haben Sie in der Tat. Aber das ist, glaube ich, kein Thema, mit dem man sich hier im Landtag beschäftigen sollte.

Noch einmal zurück zum Thema Mietbetrug: Man kann sich durchaus darüber Gedanken machen, wie Beweiserleichterung geschaffen werden kann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass es sich um einen Fall von Mietbetrug handelt oder dass der Mieter nicht zahlen will. Das wäre gut gewesen. Dann würden Sie nicht alle 25 Millionen Mieter in Deutschland unter Generalverdacht stellen, sondern sich mit dem Thema beschäftigen,

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

und das kann man von Ihnen erwarten.

Vielen Dank.