Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

(Zuruf von der CDU: Der GBD!)

Da soll der Landtag von nun an vier Vertreter wählen. Lassen Sie mich raten: Sie werden einen Vertreter von der CDU, einen von der SPD, einen von der FDP und einen von den Grünen wählen. Meinen Sie nicht?

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU] - Zuruf von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

- Genau. Da bekommt der Begriff „Große Koalition“ eine ganz neue Bedeutung. Das ist ja die ganz Große Koalition, die GaGroKo.

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Das schreiben Sie doch eh immer in Ihren Briefen!)

Vier Vertreter werden also gewählt. In § 6 Abs. 2 Ihres Gesetzentwurfs heißt es:

„Für jedes Mitglied des Stiftungsrates wird ein stellvertretendes Mitglied benannt“.

Für jedes Mitglied aus dem Landtag gilt § 6 Abs. 1 Satz 2 entsprechend. Diese Vorschrift enthält aber nur, dass die Mitglieder aus der Exekutive durch die entsprechenden Stellen benannt werden. Das soll laut Ihrem Gesetzentwurf in entsprechender Weise auf die Mitglieder aus dem Landtag angewandt werden. Auf Deutsch: Die Stellvertreter dieser Mitglieder werden benannt, obwohl die eigentlichen Mitglieder gewählt werden. - Das passt doch vorn und hinten nicht zusammen.

Darf ich fragen, wer diese Stellvertreter benennt? - Haben Sie das gar nicht bemerkt? Das steht gar nicht in Ihrem Gesetzentwurf!

Meine Damen und Herren, wenn das die Qualität Ihrer Gesetzgebung ist, dann wird einem angst und bange um die Zukunft dieses Landes.

(Beifall bei der AfD)

Dass Sie, liebe Kollegen von den Grünen und der FDP, das auch noch mitmachen, ist nur noch peinlich.

Es geht noch weiter. Was machen Sie eigentlich in der nächsten Legislaturperiode? - Herr Birkner, lassen Sie mich mal ein kleines Horrorszenario entwerfen: Die FDP schafft die Fünfprozenthürde nicht. Dann sitzen wir hier mit vier Fraktionen, aber ohne Sie. Dann gibt es nach Ihrem Gesetzentwurf

vier Vertreter. Wählen Sie dann ersatzweise zwei von der SPD oder zwei von der CDU, oder wie machen Sie es dann? Gibt es dann schon wieder ein neues Gesetz? - Sie haben das einfach nicht zu Ende gedacht.

(Beifall bei der AfD)

Das sollte Ihnen doch zeigen, Herr Nacke, dass dieser Gesetzentwurf Murks ist. Murks bleibt Murks, den kann man so lange schönreden, wie man will.

(Wiard Siebels [SPD]: Sie haben in- haltlich noch nichts gesagt!)

- Ich bin erst mal dabei, den Gesetzentwurf auseinanderzunehmen, um zu gucken, wie er handwerklich gemacht ist, und er ist nicht gut.

(Wiard Siebels [SPD]: Jetzt wollen wir Inhalte!)

- Dazu kommen wir noch. Herr Siebels, keine Angst, dazu kommen wir noch.

Ihr Gesetzentwurf enthält im Übrigen nicht einmal eine Übergangsregel. Die AfD-Fraktion hat heute Vormittag ihren Vertreter im Stiftungsrat nach geltendem Recht benannt. Spätestens jetzt bräuchte dieser Gesetzentwurf eine Übergangsregel; denn unser Vertreter dort wird nicht - wie vielleicht Ihre Vertreter dort - auf entsprechende Anweisung von oben seinen Platz räumen.

In der Summe bedeutet das: Dieser Gesetzentwurf verletzt den Bestimmtheitsgrundsatz, den jedes Gesetz erfüllen muss. Bereits deshalb ist er gar nicht beschlussfähig.

Nun kommen Sie mit einem Änderungsantrag um die Ecke, der das Gesetz retten soll, nachdem Ihnen selbst der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags im Ausschuss bescheinigt hatte, so sei das Gesetz gar nicht rechtskonform. Aber das hat Sie ja alles nicht interessiert. Sie haben im Ausschuss ohne jede Diskussion die Empfehlung an das Plenum gegeben, es möge dem ursprünglichen Gesetzentwurf zustimmen.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt überhaupt nicht!)

- Sie haben dem GBD zugehört, und das war es. Eine Diskussion haben Sie dazu nicht geführt.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Das stimmt überhaupt nicht! Lesen Sie das Protokoll aus dem Stiftungsaus- schuss!)

Was für einen Sinn hat so ein Ausschuss, Frau Hamburg, wenn Sie im Ausschuss gar nicht mehr beraten? Dann kommen Sie jetzt im Ergebnis mit so einem Änderungsantrag, der qua Geschäftsordnung gar nicht erst durch den Ausschuss beraten werden muss. - Mit qualitativ guter Arbeit hat das wirklich nichts mehr zu tun.

Herr Siebels, Sie wollten etwas Inhaltliches hören.

(Wiard Siebels [SPD]: Ja!)

Ich will es Ihnen gerne sagen. Ich habe in der FAZ vom vergangenen Samstag in einem Gastbeitrag die Anregung gelesen, eine Verweigerung von Plätzen für die AfD in Stiftungsräten und Ähnlichem solle doch bitte Ultima Ratio sein, um etwa Holocaustleugner in solchen Positionen zu verhindern. Ansonsten solle man genau das tun, was ich hier bereits eingefordert habe, nämlich sich inhaltlich mit uns auseinanderzusetzen. Geschrieben hat diesen Gastbeitrag übrigens Thomas Oppermann, seines Zeichens bis vor Kurzem Fraktionsvorsitzender der früheren Volkspartei SPD im Bundestag.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das ist heute noch eine Volkspartei!)

Diese Weisheit besitzt die SPD in Niedersachsen leider nicht, und die Mitglieder der drei anderen Fraktionen der GaGroKo besitzen sie auch nicht. Schlecht gemacht, schlecht begründet, mit fragwürdiger Motivation und einfach nicht ehrlich gegenüber dem Wähler. So viele Fehler auf einmal. Man fragt sich: Wer sitzt hier eigentlich seit Jahrzehnten im Landtag, und wer ist hier der Unerfahrene?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD - Julia Willie Ham- burg [GRÜNE]: Sie haben zu den Ge- denkstätten überhaupt nichts gesagt! - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Inhalt- lich war da gar nichts!)

Vielen Dank, Herr Kollege Wichmann. - Es spricht jetzt für die SPD-Fraktion Kollege Bratmann. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Wichmann von der AfD-Fraktion, manchmal hofft man ja noch auf Zeichen und Wunder - vergebens in diesem Fall. Ich hatte über

legt, ob Sie vielleicht doch so etwas wie Reflektionsvermögen zeigen, vielleicht doch so etwas wie Nachdenklichkeit hinsichtlich der Gründe zeigen, warum die AfD voraussichtlich nicht mit einem Vertreter im Stiftungsrat vertreten sein wird, hinsichtlich der Gründe, die der Kollege Nacke genannt hat, nämlich der Bedenken der Überlebenden des Holocausts, die im Stiftungsbeirat sitzen, und hinsichtlich der Bedenken der Opferverbände, die im Stiftungsrat sitzen.

(Vizepräsident Frank Oesterhelweg übernimmt den Vorsitz)

Mit keiner Silbe sind Sie darauf eingegangen. Damit haben Sie uns bewiesen, dass wir mit dieser Gesetzesvorlage absolut auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“ wurde 2004 durch dieses Hohe Haus ins Leben gerufen. Die Ziele der Stiftung sind - kurz zusammengefasst -, der Opfer des Nationalsozialismus ein würdiges Gedenken zu wahren, Erinnerungsorte wie BergenBelsen, Wolfenbüttel, Salzgitter, Drütte, Moringen - andere wurden vom Kollegen Nacke schon genannt - zu erforschen und für die Nachwelt zu erhalten und das Wissen über die Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus zu vermitteln. -

Das ist ein historisch-politischer Bildungsauftrag. Wir haben gerade wieder den Beweis erhalten und erhalten ihn in diesen Tagen täglich, dass dieser Bildungsauftrag aktuell von immenser Bedeutung und damit wichtiger denn je ist.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

Im Mittelpunkt steht die Gedenkstätte BergenBelsen. Über 50 000 Zivilisten sind dort ums Leben gekommen. Sie sind nicht in Gaskammern vergast worden; sie starben durch Hunger, durch Kälte, durch die unmenschlichen Haftbedingungen, durch Exekutionen und durch Krankheiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, prominentestes Opfer war posthum Anne Frank, deren bewegende Geschichte um die Welt ging. Ich möchte an dieser Stelle auch Dr. Heinrich Jasper nicht unerwähnt lassen. Als Braunschweiger Sozialdemokrat ist mir das ein Anliegen. Er war sozial

demokratischer Ministerpräsident des Freistaats Braunschweig und ist in den letzten Kriegstagen, wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers, dort verstorben. In Braunschweig gedenken wir Herrn Jaspers alljährlich.

Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf wird die Anzahl der Mitglieder des Stiftungsrats niedersächsischer Gedenkstätten auf vier begrenzt. Das gewährt die Parität zwischen den Regierungsvertretern aus Bund und Land und den Vertreterinnen und Vertretern aus dem Parlament.

Voraussichtlich - so wurde schon gesagt - wird es so sein, dass die AfD bei diesem Stiftungsrat außen vor bleibt. Die Gründe dafür sind bei der AfD zu suchen. Ich hatte es eben schon erwähnt: Im Stiftungsrat sitzen Vertreter der Opferverbände. Im Stiftungsbeirat sitzen auch Überlebende des Holocausts, die trotz hohen Alters und teilweise gravierender gesundheitlicher Beeinträchtigung immer wieder weite Wege auf sich nehmen, weil es ihnen ein großes Anliegen ist, die Erinnerungskultur in Niedersachsen aufrechtzuerhalten. Die Gespräche gerade mit diesen Überlebenden des Holocausts sind immer wieder eine interessante und ganz, ganz wichtige Erfahrung, die wir nutzen sollten, solange das noch möglich ist.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei der CDU, bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Mir sind vor allen Dingen zwei Begegnungen in Erinnerung geblieben, die ich in anderen Zusammenhängen außerhalb des Stiftungsbeirats gemacht habe. Eine war die Begegnung mit Uri Themal. Uri Themal ist ein jüdischer Rabbi, der in Kiryat Tivon lebt. Das ist die Partnerstadt Braunschweigs. Uri Themal ist deutscher Jude. Er hat den Holocaust als Kind wie durch ein Wunder in Berlin überlebt und hat mir einmal bei einer Begegnung in Kiryat Tivon gesagt:

Wir haben es nicht verstanden, und viele von uns verstehen es bis heute nicht. Wir waren doch Deutsche. Wir hatten unseren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Wir haben deutsch gedacht und deutsch geredet. Wir waren nur anderen Glaubens. Wir haben nicht verstanden, dass man uns erst diffamiert, dann ausgegrenzt und uns dann unsere Rechte genommen hat. Am Ende hat man uns verfolgt und uns umgebracht, oder man wollte uns zumindest umbringen.