Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Laut Zeit Online wurden im Zeitraum vom 18. Dezember 2017 bis zum 24. Januar 2018 31 Rüstungsexporte genehmigt. Kurze Zeit später freuten wir uns alle, dass Deniz Yücel freigelassen wurde. Unser aktueller Außenminister Sigmar Gabriel bestreitet zwar, dass es einen Deal gegeben hat. Das zu glauben fällt mir, milde ausgedrückt, ziemlich schwer.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der AfD)

Meine Damen und Herren, wenn es um Rüstungsexporte in die Türkei geht, wird immer wieder ein Unternehmen genannt: Die Rheinmetall Waffe Munition GmbH aus Unterlüß betreibt ihr blutiges Geschäft aus Niedersachsen heraus. Die Rheinmetall AG ist bei weitem nicht das einzige Unternehmen. Allerdings ist es der wichtigste Exporteur im Munitionsbereich und steht exemplarisch für das an Gewinnmaximierung orientierte weltweite Geschäft mit dem Tod. So beschreibt es treffend die Studie „Hemmungslos in alle Welt“.

Der Global Player Rheinmetall ist weiter im Gespräch, die türkischen Leopard-2-Panzer nachzurüsten, obwohl die Türkei gerade diese Panzer im völkerrechtswidrigen Krieg gegen Kurden in Nordsyrien einsetzt. Allein schon dass es hier keine eindeutige Absage der amtierenden Bundesregierung gibt, ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Rheinmetall soll die türkischen Panzer mit einer besseren Panzerung gegen Raketenbeschuss und Sprengfallen ausstatten. Zunächst sah es auch gut aus, dass der lukrative Auftrag für Nachrüstungen an Rheinmetall gehen würde. Dann kam die türkische Offensive gegen die Kurden im Norden von Syrien dazwischen. Im Januar ruderte Sigmar Gabriel unter öffentlichem Druck zurück. Mit der Beratung von kritischen Vorhaben, so hieß es, werde man bis zur Bildung einer neuen Regierung warten. Es stellte sich jedoch heraus: Am 9. Januar reiste offenbar eine Delegation des türkischen Unternehmens BMC nach Düsseldorf und unterzeichnete bei Rheinmetall eine Vereinbarung über die Nachrüstung. Das haben „Report München“ und der Stern aus Firmenquellen erfahren.

Am 24. Januar schreibt dann Spiegel Online:

„Von 2015 bis 2017 wurden so viele Rüstungsexporte gebilligt wie unter keiner Bundesregierung zuvor - auch in Spannungsgebiete.“

Dabei setzte sich vor allem Vizekanzler Sigmar Gabriel dafür ein, eine restriktive Genehmigungspraxis durchzusetzen. Das Ergebnis war, meine Damen und Herren: Die Waffenlieferungen nahmen trotzdem zu. Die Exporte in sogenannte Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union und der NATO stiegen sogar um 47 % auf 14,48 Milliarden Euro. Nicht in dieser Statistik aufgezählt sind Bomben einer Tochterfirma von Rheinmetall Unterlüß auf Sardinien, die nach Saudi-Arabien exportiert wurden und die nachweislich im JemenKrieg eingesetzt werden.

Das ist kein Einzelfall. Rheinmetall hat ein fein austariertes System entwickelt, um die nationalen Bestimmungen zu den Exporten von Waffen und Rüstungsgütern zu umgehen. Eines der Bausteine sind Joint Ventures in den Empfängerstaaten. So möchte Herr Erdogan bald selber Panzer bauen. Rheinmetall will mit dabei sein und hat in der Türkei ein Tochterunternehmen gegründet. Es hat seinen Sitz in Ankara - ein Joint Venture u. a. mit dem türkischen Konzern BMC, das einem Erdogan-Vertrauten gehört. Ein weiteres Joint Venture, bei dem es darum geht, eine Munitionsfabrik in der Türkei aufzubauen, ist in Planung.

Meine Damen und Herren, Bündnis 90/Die Grünen lehnt solche Geschäfte mit kriegführenden Staaten prinzipiell ab. Für uns gehen das Menschenrecht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Konfliktprävention vor Konzerngewinne. Deshalb fordern wir mit diesem Antrag Rheinmetall auf, seine Exporte in Krisen- und Kriegsregionen sofort einzustellen.

Wir fordern die Landesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass keine niedersächsischen Unternehmen an Waffen- und Rüstungsexporten in Krisenregionen beteiligt sind.

Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung auf, sich auf Bundes- und Europa-Ebene dafür einzusetzen, dass es ein Rüstungsexportkontrollgesetz und einheitlich hohe Standards in der EU in Form einer Richtlinie geben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Geschäft mit dem Tod sollte nicht in Deutschland und nicht in Niedersachsen betrieben werden. Deshalb bitten wir Sie alle um Unterstützung für diesen Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulz-Hendel. - Das Wort hat jetzt für die AfD-Fraktion der Kollege Jens Ahrens. Bitte sehr!

Ist es wichtig, dass ich jetzt „Herr Präsident“ sage?

Meine Damen und Herren! Es ist für die AfD eine Selbstverständlichkeit, dass sich Bündnispartner und befreundete Nationen gegenseitig mit Waffen und Technologie unterstützen, um ihre Verteidigungsfähigkeit herzustellen oder zu optimieren. So gesehen, hat die AfD auch kein Problem mit deutschen Waffenexporten, weder aus niedersächsischen Firmen noch aus anderen Firmen im Bundesgebiet. Wenn aber wie im Fall der Türkei ein Angriffskrieg gegen eine Volksgruppe in einem souveränen Staat mit aus Deutschland stammenden Waffen durchgeführt wird, dann müssen auch wir laut protestieren, verstößt das doch in dieser Art gegen den Artikel 26 unseres Grundgesetzes.

Der Krieg gegen Syrien wurde von der Türkei von Anbeginn an dazu missbraucht, gegen die Kurden im Grenzgebiet Syriens vorzugehen. Es wurden sogar Geschäfte mit dem IS gemacht: billiges Öl für Waffen und für medizinische Versorgung von IS-Kämpfern. Die Türkei flog ihre Angriffe u. a. nicht nur gegen den IS, sondern auch gegen Stellungen der YPG. Der türkische Vormarsch in Syrien ist eine Fortsetzung der Kampfhandlung eben gegen diese Kurden.

Windet sich das Bundesverteidigungsministerium noch mit den Worten, man habe kein klares Lagebild, so gibt es doch reichlich Fotos von aus Deutschland gelieferten Panzern im syrischen Gebiet. Auf Befehl des türkischen Staatspräsidenten Erdogan werden diese in Deutschland produzierten Panzer brutal gegen die kurdische Miliz YPG eingesetzt, die von den Türken als Terrorgruppe der PKK und als Bedrohung für die Türkei gesehen wird. Genau diese Kurden jedoch waren vor kurzem noch für Deutschland und für die USA Verbündete im Kampf gegen den IS.

Ausgerechnet an der Spitze der türkischen Offensive rollen Leopard-Panzer vom Typ 2A4, wie auch Ministerin Ursula von der Leyen eingestehen musste - sind diese doch auch durch ihren markanten Gefechtskopf für Kenner leicht zu identifizieren.

In den vergangenen Jahrzehnten wurde die Türkei reichlich mit Leopard-Panzern versorgt. In den 80er-Jahren wurden unter Schwarz-Gelb 274 Kampfpanzer der ersten Modellreihe dieses Typs ausgeliefert und Anfang der 90er-Jahre 150 weitere. Damals wurde diese Lieferung als NATO-Verteidigungshilfe deklariert. Unter Rot-Grün wurden diese Lieferungen fortgesetzt. Ab 2005 lieferte Deutschland noch einmal 354 Modelle des Kampfpanzers Leopard. So bekam die Türkei als unverzichtbarer Partner im Kampf gegen den internationalen Terrorismus immer weitere Modelle des Leopard 2A4, der damals weltweit als einer der modernsten Kampfpanzer sehr begehrt war.

Galt für die ersten Lieferungen dieser Art in den 80er- und 90er-Jahren noch die Einschränkung, dass diese Panzer in Übereinstimmung mit Artikel 5 des NATO-Vertrages nur in dem Fall, dass die Türkei angegriffen wird, eingesetzt werden dürfen, entfiel leider bei den weiteren Lieferungen diese Einschränkung. Dabei ist etwas bemerkenswert: Liest man jüngst im Spiegel vom 19. Januar 2018, dass die Bundesregierung im Schritte der Normalisierung der deutsch-türkischen Verhältnisse die Modernisierung der türkischen Kampfpanzer genehmigen will, so wundert man sich doch, dass ausgerechnet - der Kollege hat es angedeutet - Mitte Februar Deniz Yücel freigelassen wurde. Alle diese Rüstungsprojekte wurden seit 2017 eingefroren, weil Herr Yücel ohne Anklage im türkischen Gefängnis saß.

Grundsätzlich ist auch die AfD-Fraktion sehr erfreut, wenn ein deutscher Staatsbürger aus dem Gefängnis freigelassen wird. Aber gerade bei diesem Herrn haben wir immer auch seine Äußerungen gegen Deutschland und gegen Herrn Sarrazin im Hinterkopf, Äußerungen, die wir ganz bestimmt kritisieren - das sagen wir auch dazu -, auch wenn Herr Gabriel Herrn Yücel als deutschen Patrioten bezeichnet.

(Beifall bei der AfD)

Sogar Herr Yücel hat gesagt, er wolle nicht gegen Panzer aus dem Gefängnis freigelassen werden. Natürlich hat Herr Gabriel diese Zusammenhänge vehement dementiert.

Die Kampfwertsteigerung für den Leopard-Panzer besteht im Wesentlichen aus einem Abwehrsystem gegen Panzerabwehrgeschosse u. a. vom Typ MILAN. Diese MILAN-Raketen hat Deutschland an die Kurden geliefert, damit sie sich gegen den IS durchsetzen können. Das sind genau diese MILAN-Raketen, die seinerzeit unseren Verbündeten geholfen haben, den Krieg zu führen. Und jetzt machen wir die türkischen Panzer mit einem Abwehrsystem unempfindlich gegen eben diese Raketen. Was für eine verlogene Doppelmoral wird da von der Bundesregierung durchgeführt?

(Beifall bei der AfD)

Wir als AfD-Fraktion fordern die Niedersächsische Landesregierung auf, sich beim Bund dafür einzusetzen, dass diese Kampfwertsteigerung und weitere Waffenlieferungen an die Türkei sowie die Hilfe beim Bau des Panzers Altay, die gewünscht wird, so lange ausgesetzt wird, wie die türkische Regierung Krieg gegen die Kurden führt. Sonst wird Deutschland indirekt zu einer Kriegspartei in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den die Türkei in Nordsyrien führt. Genau das muss verhindert werden. Wir dürfen keine Kriege unterstützen, die dazu führen, dass wir wieder Menschen geschenkt bekommen.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Ahrends. Ich will in diesem Fall noch einmal von einem Ordnungsruf absehen. Sie wissen, wofür Sie ihn möglicherweise hätten bekommen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Ehbrecht für die CDU-Fraktion. Bitte schön!

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bilder aus Syrien, aus Afrin oder aus Ost-Ghuta, sind selbst angesichts des langanhaltenden Krieges und der unzähligen Toten und Verletzten nur schwerlich zu ertragen. Seit fast sieben Jahren schon tobt der Krieg in Syrien, und noch immer ist kein Ende in Sicht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße es daher sehr, dass Sie, die Grünen, das Thema erneut aufgreifen, nachdem aufgrund des Einspruchs einer Fraktion eine Resolution in der vergangenen Plenarwoche nicht verabschiedet werden konnte. Leider gelingt es Ihnen aber nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, zu diesem so wichtigen Thema einen ausgewogenen Antrag vorzulegen. Stattdessen pflegen Sie Ihre ideologischen Scheuklappen und wollen einer für Deutschland und damit auch für Niedersachsen wichtigen Branche unverhältnismäßige Hürden auferlegen. Dass davon auch Arbeitsplätze betroffen sind, scheint Sie recht wenig zu interessieren.

Meine Damen und Herren, kein Abgeordneter dieses Hohen Hauses will, dass Rüstungsgüter aus deutscher Produktion gegen eine schutzlose Zivilbevölkerung eingesetzt werden oder zur Bekämpfung einer hoffnungslos unterlegenen Minderheit dienen. Dies haben SPD, CDU, Grüne und FDP mit ihrem gemeinsamen Resolutionsentwurf im Januar dieses Jahres ja schon deutlich gemacht.

Würde man Ihre Forderungen umsetzen, hätten wir beispielsweise die Peschmerga nicht mit Waffen ausrüsten können, hätten den Jesiden im Nordirak auch nicht helfen können. Der Absolutismus des Antrags stößt also schon auf den allerersten Blick auf Konflikte mit der Realität.

Deutschland und Niedersachsen leisten einen Beitrag zu einer friedlichen Welt. Diesem Ziel sind auch SPD und CDU verpflichtet. Gleichzeitig erkennen wir aber auch an, dass es immer noch eine Vielzahl von Konflikten und Kriegen weltweit gibt. Unsere Partner in der Europäischen Union und der NATO, aber auch darüber hinaus benötigen moderne Wehrtechnik, und das auch aus niedersächsischer Produktion, meine sehr verehrten Damen und Herren. Nach Bosnien, nach Ruanda haben wir Europäer gesagt: Nie wieder dürfen wir ethnischen Säuberungen und dem Abschlachten Unschuldiger regungslos gegenüberstehen! - Es ist eine grüne Utopie, dass dies ohne den Einsatz von Waffen funktionieren kann.

Meine Damen und Herren, es ist zutreffend, wenn Friedensaktivisten betonen, dass mit Waffen allein kein Frieden geschaffen werden kann. Umgekehrt ist allerdings auch richtig, dass Friedensvermittler Schutz benötigen. Und wenn Verhandlungen scheitern, muss zum Schutze Unschuldiger auch künftig der verantwortungsvolle Einsatz von Waffen möglich sein.

Deutschland hat bereits heute strenge Regelungen zur Waffenexportkontrolle. Es ist durchaus denkbar, meine Damen und Herren, dass diese Regelungen überprüft und weiterentwickelt werden könnten. Auch die Unternehmen der Branche sind sich ihrer Verantwortung natürlich bewusst. Dies sollte anerkannt werden.

Ich wiederhole: Es freut mich, dass wir heute dieses wichtige Thema debattieren. Ich hätte mir allerdings ausgewogenere Formulierungen gewünscht. Aber vielleicht gibt es ja Zeit und Raum dafür in den Ausschussberatungen.

Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Ehbrecht, und Glückwunsch zu dieser ersten Rede, auf die es jetzt tatsächlich schon gleich eine Kurzintervention gibt. Das Wort dazu hat der Kollege SchulzHendel. Bitte sehr!

(Zurufe von der CDU: Das war die erste Rede!)

Daran habe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht gedacht. Es tut mir leid, Herr Ehbrecht, aber vielleicht können Sie das trotzdem verstehen und nachvollziehen.

Den moralischen Zeigefinger, wir würden Arbeitsplätze gefährden, finde ich an dieser Stelle ein bisschen falsch - und auch, bei diesem Antrag von grüner Ideologie zu sprechen. Ich denke, der niedersächsische Wirtschaftsminister ist an dieser Stelle aufgefordert, Unternehmen wie Rheinmetall dabei zu unterstützen, in Zukunftstechnologien zu investieren - dann würde man nämlich auch langfristig keine Arbeitsplätze gefährden -, statt weiterhin das blutige Geschäft mit Krieg, Elend und Leid zu unterstützen. Ich glaube, es ist falsch, mit dem moralischen Zeigefinger auf die Arbeitsplätze zu zeigen. Es gibt da eine ganze Reihe von Möglichkeiten, und das ist halt auch Aufgabe des niedersächsischen Wirtschaftsministers.