Protokoll der Sitzung vom 15.07.2020

Danke schön. - Die letzte Zusatzfrage für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt die Kollegin Janssen-Kucz.

Herr Präsident, danke. - Wie bewertet die Landesregierung, dass der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands e. V. dafür plädiert, medizinisches und pflegerisches Personal regelmäßig zu testen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Bitte sehr! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ganz klar ist, dass die Beschäftigten im medizinischen und pflegerischen Sektor eine Priorität haben und zu einer ganz besonderen Gruppe gehören, die natürlich extrem wichtig ist, um allen Herausforderungen entgegentreten zu können.

Eine regelmäßige Testung ist aber erforderlich und meiner Ansicht nach vor allen Dingen dann sinnvoll, wenn die Inzidenz entsprechend erhöht ist. Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich das nicht für erforderlich - es sei denn, man braucht bei der Behandlung von COVID-Patienten da noch mal eine Sicherheit. Einige Krankenhäuser machen das und testen die Belegschaften und die Teams, die mit COVID-Patienten arbeiten, regelmäßig. Dem liegen aber nicht die Epidemiologie und das Infektionsgeschehen allgemein zugrunde, sondern die besondere Gefährdung bei der Arbeit. Das wird gemacht und ist Teil des Arbeitsschutzes.

Wenn die Inzidenz entsprechend hoch ist, muss man auch darüber nachdenken, dann die Beschäftigten in den Einrichtungen zu testen. Unsere Teststrategie sieht ja als zweite Säule auch präventive Tests bei hohen Inzidenzen in dem jeweiligen Landkreis vor.

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Kurz vor der Ziellinie hat Herr Bothe noch eine Wortmeldung - sprich: den Wunsch nach einer Zusatzfrage - platziert und ist jetzt auch dran.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte mich noch mal für meinen Schreibfehler auf dem Zettel entschuldigen.

Frau Ministerin, ich frage vor dem Hintergrund der Zahlen, die Sie gerade genannt hatten: Sie sprachen von 30 000 Tests, die in einem Monat in Niedersachsen durchgeführt werden. Das sind ungefähr 4 300 Tests in einer Woche. Wir haben jetzt täglich 22 Neuinfektionen. Also haben wir eine Infektionsrate von 0,5 % der Personen, die getestet werden. Das bedeutet ja, dass das Infektionsgeschehen hier doch extrem abnimmt.

(Zurufe: Frage!)

Vor diesem Hintergrund und dem Hintergrund, dass wir jetzt eine Genesungsrate von 92,7 % haben, frage ich: Wenn wir eine Genesungsrate von 100 % haben, was ja in den nächsten Wochen realistisch ist, -

Herr Kollege, kommen Sie zum Punkt!

- ist dann die Corona-Pandemie bzw. die Bezeichnung als Epidemie hier in Niedersachsen für Sie beendet?

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das ent- scheidet ja nicht die Landesregierung! Das entscheidet das RKI!)

Danke schön.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön. - Frau Ministerin!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist leider unrealistisch, anzunehmen, dass bei Infektionen überhaupt niemand mehr erkrankt und alle genesen. Leider ist es so, dass - je nachdem, wer erkrankt - Personen, die entsprechende Vorerkrankungen haben oder höheren Alters sind, durchaus nicht nur schwer erkranken, sondern auch versterben. Das bildet sich ja auch in unseren Statistiken ab. - Dies erst einmal zur Klarstellung.

Ja, wir können hoffen, dass man irgendwann die Zahl der Neuinfektionen auch wirklich auf null bringt. Das streben wir ja alle an. Einige Landkreise haben das auch schon - zumindest über bestimmte Zeiten - vermocht.

Gerade haben wir aber die Situation - das ist ja von Ihren Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden -, dass jetzt touristische Aktivitäten stattfinden; alle möchten in Urlaub fahren. Damit steigt leider auch wieder das Risiko, dass es zu Neuinfektionen kommt. Denn das Virus reist mit, und wir sehen an einigen Urlaubsorten zumindest Verhaltensweisen, die, wie ich einmal vorsichtig sagen will, das Infektionsgeschehen und einen Ausbruch begünstigen.

Deswegen können wir nicht davon ausgehen, dass wir von den Maßnahmen, die ich vorhin auch schon einmal genannt habe - nämlich Abstand, Hygiene, Mund-Nase-Bedeckung und Dokumentation -, abweichen können.

Vielen Dank, Frau Ministerin.

Meine Damen und Herren, zu dieser Dringlichen Anfrage zum Thema Corona-Tests liegen keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass ich übergehen kann zu

c) Wie gerecht wird das niedersächsische Grundsteuermodell? - Anfrage der Fraktion der AfD - Drs. 18/7033

Vorgetragen wird die Frage vom Kollegen Lilienthal, AfD-Fraktion. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident.

Wie gerecht wird das niedersächsische Grundsteuermodell?

Ende des Jahres 2019 hat Finanzminister Hilbers angekündigt, die Öffnungsklausel für eine niedersächsische Grundsteuer zu nutzen und einen eigenen Vorschlag, der sich an Fläche und Lage der Grundstücke orientiert, vorlegen zu wollen. Nachdem im Rahmen verschiedener Anfragen betont wurde, dass sich die Landesregierung bisher auf kein Modell zur Grundsteuer festgelegt habe, ist jüngsten Presseberichten zu entnehmen, dass nunmehr ein Modell präferiert werde. Demnach solle die künftige Berechnung der Grundsteuer fast ausschließlich die Fläche von Immobilien berücksichtigen. Die Lage solle ebenfalls eine grundsätzliche Rolle spielen, doch dieser Faktor habe in der Gesamtrechnung eine zu geringe Gewichtung und sei in der Definition der verschiedenen Lagen gerade in den Zentren einer Gemeinde zu ungenau.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie ist das seitens der Landesregierung präferierte Modell ausgestaltet?

2. Inwiefern wurde dieses Vorgehen mit anderen Bundesländern abgestimmt?

3. Wird der Gesetzesentwurf eine Aufkommensneutralität gegenüber der bisherigen Berechnung der Grundsteuer gewährleisten?

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Hilbers, für die Landesregierung haben Sie jetzt das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht hat für die Reform der Grundsteuer eine Neuregelungsfrist bis zum 31. Dezember 2019 gesetzt. Mit der Verabschiedung des Bundesgesetzes sind diese Pflicht eingehalten und das Weitergelten der bisherigen Grundsteuer bis zum 31. Dezember 2024 sowie das Grundsteueraufkommen für die Kommunen damit gesichert worden. Gleichzeitig ist den Ländern durch eine Änderung des Grundgesetzes eine umfassende abweichende Regelungsbefugnis zugestanden worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Eine Entscheidung der Landesregierung über die Nutzung der Öffnungsklausel ist noch nicht getroffen. Es gibt noch kein von der Landesregierung präferiertes Modell.

Derzeit werden im Wesentlichen zwei Richtungen diskutiert, eine am Verkehrswert orientierte Richtung und eine am Äquivalenzprinzip orientierte Richtung, mit jeweils darauf aufbauend entwickelten Modellen. Jedes der Modelle hat seine Vor- und Nachteile, die man in die Entscheidung, welches Modell zum Einsatz kommen soll, mit einfließen lassen muss. Insofern wird in der Abwägung der Vielzahl von Aspekten dort eine Entscheidung zu treffen sein.

Das Modell des BMF gründet auf dem Ansatz, den Verkehrswert der Grundstücke zum Maßstab für die darauf zu entrichtende Grundsteuer zu bestimmen. Das heißt: Ist der Verkehrswert hoch, soll mehr Grundsteuer anfallen, ist er niedrig, soll weniger Grundsteuer anfallen - ich glaube, ein ziemlich einfaches Prinzip.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber freigestellt, ob er den Verkehrswert oder ein anderes Kriterium zum Maßstab machen will. Hauptsache ist, dass das gewählte Kriterium, der gewählte Maßstab auch konsequent eingehalten

wird und dann auch wirklich die Unterschiede bei der jeweiligen Grundsteuer bestimmt.

Um den Verkehrswert allerdings genau bestimmen zu können, wäre eigentlich ein umfangreiches, teures Verkehrswertgutachten notwendig. Das muss natürlich vermieden werden. Denn sonst wären 34 Millionen Grundstücke, die wir in Deutschland zu bewerten haben, mit einem hohen Aufwand für Gutachten zu belegen. Das wäre mit Blick auf die Grundsteuer, die anfällt, unverhältnismäßig. Denn insgesamt bringt die Grundsteuer 14 Milliarden Euro ein, also pro Fall und Grundstück gerade einmal 400 Euro pro Jahr oder im Durchschnitt 33 Euro pro Monat. Insofern wäre ein Verkehrswertgutachten abwegig und angesichts des Ertrags, den man dort erzielt, vom Aufwand her nicht zu rechtfertigen.

Um das zu vermeiden, arbeitet das Bundesmodell zwangsläufig mit einer sehr starken Typisierung. Im ersten Schritt verwendet das Bundesmodell die sogenannten Listenmieten aus der Statistik. Diese Listenmieten sind pro Kommune ermittelt und gesetzlich fixiert. Es gibt also eine Miete für ganz Hannover, eine Miete für ganz Braunschweig, eine Miete für ganz Oldenburg, eine Miete für ganz Helmstedt usw. - man könnte das weiter fortführen. Das bringt naturgemäß zunächst einmal eine sehr grobe und nicht wirklich am Verkehrswert orientierte Wertermittlung des Einzelgrundstücks und der abzubildenden Grundlage mit sich.

Um trotzdem individuelle Wertelemente einfließen zu lassen, wird im Anschluss eine Vielzahl von individuellen Aspekten eingefügt - von der Fläche des Grundstücks über die Gebäudeart, das Alter und gewisse Ausstattungsmerkmale bis hin zu Sondergrößen etc. Im Ergebnis ist das ein machbares Modell, allerdings ein Modell, das mit sehr viel Aufwand verbunden ist. Außerdem muss bei diesem Modell alle sieben Jahre - so ist es festgelegt worden - eine entsprechende Hauptfeststellung erfolgen, bei der im Grundsatz alle Grundstücke wieder neu erfasst werden müssen. Das heißt, die Bürger geben wieder eine Steuererklärung ab, und es wird eine neue Bewertung durchgeführt. So gesehen ist es ein Modell, bei dem sich der Aufwand ständig wiederholt.

Das in meinem Haus entwickelte Flächen-LageModell, auf das Sie in der Frage abstellen, baut auf dem bayerischen Flächenmodell auf. Es hat den Vorteil, dass es leicht administrierbar ist und nur noch eine einzige Hauptfeststellung, nämlich einmal zu Beginn, erforderlich ist. Im Ergebnis erfor

dert dieses Modell deutlich weniger Personal. Wir gehen davon aus, dass es ein Drittel weniger an Personal bedarf.

Im Einzelnen: Anders als das Bundesgesetz ist das Flächen-Lage-Modell nicht am Verkehrswert der Immobilie ausgerichtet. Es beruht also wie das in Bayern favorisierte Flächenmodell auf den Grundsätzen des Äquivalenzprinzips. Grundgedanke dabei ist: Wer in einer Kommune ein Grundstück innehat, der nutzt typischerweise auch die dortigen kommunalen Angebote. Die Grundsteuer wird für diese Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten erhoben, soweit nicht individuelle Leistungen der Kommune über Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben individuell abgerechnet werden. Maßstab für die Grundsteuer sind bis auf Weiteres die über das Innehaben des Grundstücks ermittelten Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten in der Gemeinde unter allen gesellschaftlichen Aspekten. Der Wert z. B. des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes ist dagegen Sache des Eigentümers und spielt keine Rolle; denn die Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten, die die Kommune dem Grundstückseigentümer bietet, ändern sich nicht dadurch, dass das Gebäude sehr aufwendig gebaut ist oder weniger aufwendig ausgestaltet ist.

Für den Äquivalenzmaßstab sind vor allem, wie im bayerischen Flächenmodell, die Grundstücks- und Gebäudeflächen maßgeblich; denn es leuchtet unmittelbar ein, dass ein bebautes Grundstück, auf dem Menschen wohnen oder arbeiten, die Nutzung des kommunalen Angebots oder die Teilhabe an kommunalen Leistungen insgesamt deutlich intensiver werden lässt als ein unbebautes Grundstück. Auch im Flächen-Lage-Modell wird also nach entsprechenden Nutzungen typisiert.

Das Flächen-Lage-Modell hat in seiner Modifikation des reinen Flächenmodells aus Bayern einen großen weiteren Vorteil: Es verbindet die Einfachheit und die Transparenz eines Flächenmodells mit der Möglichkeit, individuelle Lageunterschiede zu berücksichtigen und damit in Abgrenzung zum bayerischen Modell dahin zu kommen, sogenannte Lagefaktoren in die Berechnung mit einfließen zu lassen, wenn innerhalb einer Gemeinde erhebliche Unterschiede bei den Lagequalitäten vorhanden sind. Beim reinen Flächenmodell wie in Bayern könnte ein Störgefühl entstehen, wenn in einer Kommune in sehr hochwertigen Regionen die gleiche Grundsteuer gezahlt wird wie in weniger attraktiven Regionen. Die kommunalen Nutzungs- und Teilhabemöglichkeiten werden im Zweifel nämlich auch davon beeinflusst, wo das Grund

stück gelegen ist. Deshalb spielt neben dem maßgeblichen Faktor der Fläche, vor allem Grund und Boden sowie die Fläche des Gebäudes, beim Flächen-Lage-Modell auch die Lage eine wichtige Rolle und wirkt in diesem Modell korrigierend bzw. verfeinernd.