Protokoll der Sitzung vom 15.09.2020

Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Emden, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen frage ich Sie: Warum haben Sie weder zu der gestrigen Thematik des Internethandels mit Tieren, die die große Koalition eingebracht hat, noch zu unserer Thematik, dem Exotenhandel, jemals eine eigene parlamentarische Initiative auf den Weg gebracht, wenn Sie doch so ein leidenschaftlicher Tierschützer sind und Ihnen das Thema doch so am Herzen liegt und Ihnen nicht weit genug geht, wie Sie sagen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke.

Ich bin etwas erstaunt über Ihre Frage, weil Sie genau wissen, dass das nicht mein Ressort und nicht meine Zuständigkeit ist. Ich bin ja rechts- und medienpolitischer Sprecher.

(Helge Limburg [GRÜNE] lacht)

Nichtsdestotrotz meine ich: Gerade wir haben bereits durch mehrere Anträge, z. B. zu Tierversuchen, Tiertransporten und betäubungslosem

Schächten,

(Beifall bei der AfD)

sehr deutlich gemacht, dass wir, die AfD-Fraktion, die Partei ist, die sich den Tierschutz auf die Fahne geschrieben hat, und hier eben nicht die Grünen noch als Tierschutzpartei fungieren können. Nein, das sind Sie wahrlich nicht. Der heutige Antrag zeigt es wieder.

Die einzige Partei, die sich wirklich nachhaltig für Tierschutz einsetzt, die einzige Fraktion, die das im Niedersächsischen Landtag tut, die sitzt dort - das ist nämlich unsere AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD - Helge Limburg [GRÜNE]: Das hat nichts mit Exoten und auch nichts mit Internethandel von Tieren zu tun!)

In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen ein paar Dinge vorhalten.

Wenn Sie in Ihrem Antrag ernsthaft schreiben, es gebe vielfach eine artgerechte Haltung von Exoten, dann ist das wirklich ein Hohn. Wenn Sie sich einmal ansehen, wie diese Tiere häufig gehalten, eingepfercht, gefangen gehalten werden, wenn Sie sich überlegen, dass diese Tiere an ein menschliches Umfeld gar nicht gewöhnt sind - wir sprechen nämlich über Wildtiere -, wenn Sie berücksichtigen, dass diese üblicherweise - wir sprechen über nicht heimische Wildtiere - aus ganz anderen Teilen der Welt kommen und weder an unsere Umweltbedingungen noch an unsere klimatischen Bedingungen gewöhnt sind, wenn Sie überlegen, dass der Bewegungsraum und der Aktionsradius dieser Wildtiere eingeschränkt sind, die es normalerweise gewöhnt sind, weite Strecken zurückzulegen - es handelt sich schließlich um Wildtiere -, was in einer heimischen Dreizimmerwohnung definitiv nicht sichergestellt sein kann, und wenn Sie dann noch überlegen, dass der Export von Wildtieren aus Ländern, aus denen sie angestammt kommen, zum Artenschwund führt, dann frage ich mich, wie Sie allen Ernstes von einer artgerechten Tierhaltung sprechen können. Das ist Hohn und zeigt, dass Sie keinerlei Verständnis von Tierschutz haben.

(Beifall bei der AfD)

Das Einzige, was man Ihrem Antrag irgendwie abgewinnen kann, ist dieses Vorhaben mit dem Sachkundenachweis. Das ist wenigstens ein kleiner Trippelschritt in die richtige Richtung - aber eben nur ein kleiner Trippelschritt.

Besser ist es, in diesem Entschließungsantrag Regelungen zu fordern, die wirklich etwas bewegen. Warum sollen Privatleute eigentlich partout nicht heimische Wildtiere halten? Ich sehe nicht die Notwendigkeit.

Ich meine, wir sollten eine Positivliste für diejenigen Tiere in den Fokus nehmen, gegen deren Haltung bei uns in der Bundesrepublik - notfalls in einer kleinen Einzimmerwohnung - keine Bedenken aus Gründen des Tier-, Natur- oder Artenschutzes bestehen. Nur dann, wenn keine Bedenken bei der Haltung bestimmter Tiere bestehen - diese sollten auf die Positivliste -, sollte überhaupt noch eine Haltung von Exoten zugelassen sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Diese Positivliste gibt es übrigens in ähnlicher Form bereits in Belgien und den Niederlanden. Die sind dort viel weiter. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Diese Positivliste sollte nicht nur für den Handel, sondern auch für die Haltung und

damit generell gelten. Das hätte zur Folge, dass wir sehr effektiv diese raumgreifende Tierquälerei - man kann es nicht anders sagen - durch nicht artgerechte Haltung von exotischen Tieren endlich massiv eindämmen können. Denn auf dieser Positivliste werden sich gar nicht mehr so viele Tiere finden. Dann haben wir wirklich etwas für den Tierschutz getan. Das ist aber mit Ihnen ganz offensichtlich nicht zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Danke schön, Herr Kollege Emden.

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor, sodass wir die Beratung schließen können.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Zuständig soll für diese Fragestellung der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein. Wenn dem so entsprochen werden soll, darf ich um das Handzeichen bitten. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung: Enquetekommission zur Verbesserung des Kinderschutzes und zur Verhinderung von Missbrauch und sexueller Gewalt an Kindern - Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP - Drs. 18/7361

Diesen Antrag einbringen möchte aus der Reihe der Antragsteller mit der ersten Wortmeldung Kollegin Menge. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir - externe Fachkräfte sowie Parlamentarier und Parlamentarierinnen - wollen gemeinsam die Verhältnisse und Gesetzesgrundlagen in Niedersachsen daraufhin überprüfen, inwieweit wir sie verändern müssen, um als Staat den größtmöglichen Schutz von Kindern gegen sexualisierte Gewalt gewährleisten zu können. Wir richten diese Enquetekommission ein, weil es im

mer wieder zu grausamen Entdeckungen kommt, in denen uns das Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Kinder vor Augen geführt wird - auch in unserem Land.

Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion für ihren Einsatz, dass diese Enquetekommission mit Ihnen, verehrte Abgeordnete, realisiert werden kann.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik 2019 hat sexualisierte Gewalt gegen Kinder zugenommen. Die Dunkelziffer von Gewalt und Missbrauch sei laut BKA-Chef Münch in der Familie oder dem häuslichen Umfeld „weiterhin sehr hoch“. Misshandlungen fallen nicht auf, wenn die Kinder in pandemischen Krisen nicht mehr zur Schule, in die Kita oder zum Kinderarzt gehen. Wir alle müssen uns vergegenwärtigen, dass mehr als 4 000 Kinder im vergangenen Jahr geschlagen und misshandelt wurden. Durchschnittlich 43 Kinder sind pro Tag sexualisierter Gewalt ausgesetzt, hauptsächlich aus dem männlichen familiären Umfeld. Das ist ein Anstieg in diesem Land um 9 %. Die Zahl der Vergewaltigungsopfer ist um 20 % gestiegen, Kinderpornografiefälle um 65 %.

Bei der Zusammenstellung ist mir nicht nur aufgefallen, wie wichtig deshalb diese Enquetekommission ist, sondern mir ist ein ums andere Mal deutlich geworden, wie sensibel wir auch mit unserer Sprache umgehen müssen und welche Begriffe wir verwenden, um dieses eine furchtbare Gewaltdelikt zu bezeichnen.

Schlüsse aus Zahlen in Statistiken zu ziehen, ist ebenfalls in sehr vielen Fällen sexualisierter Gewalt schwierig. Demnach hat z. B. Nordrhein-Westfalen sehr viel mehr Fälle sexualisierter Gewalt als Schleswig-Holstein oder wir. Es ist politisch - mit hohen Zahlen - sicherlich schwer auszuhalten, wenn plötzlich deutlich mehr solcher Fälle auftauchen wie in Nordrhein-Westfalen. Aber es ist ja auch nicht so, dass in Nordrhein-Westfalen mehr von diesen Fällen passieren - dort deckt man durch intensive Fahndung eben mehr Fälle auf, zerrt sie aus dem Dunkelfeld in das sogenannte Hellfeld. Das müssten alle anderen Länder - also auch wir - tun.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Konkreter Anlass für die Enquetekommission ist der Fall des jahrelangen Martyriums eines Kindes, das mehrfach vom Vater und anderen Männern vergewaltigt wurde. Dem Vater wurde durch ein

Jugendamt die Pflegschaft für das Kind zugesprochen.

In Nordrhein-Westfalen gelten bestimmte Kriterien bei der Pflegschaft für ein Kind. Das Alter zwischen Kind und denen, denen man die Pflegschaft zuspricht, muss angemessen sein. Eine Pflegschaft erhalten z. B. nur Paare, Einzelpersonen nur in besonderen Ausnahmefällen. Hätten wir in Niedersachsen diese Kriterien gehabt, wäre das Kind niemals dem Vater anvertraut worden.

(Vizepräsidentin Petra Emmerich- Kopatsch übernimmt den Vorsitz)

Wir haben mit dem Ermittlungsbericht eine gute Grundlage, um notwendige Arbeitsstrukturen in Jugendämtern herauszuarbeiten. Es gibt auch Bundesländer, in denen besondere Kriterien gelten, die auch uns bei der Analyse eigener Rahmenbedingungen helfen werden. Wir können auf zig hervorragende Ergebnisse aus Kommunen und Landkreisen zurückgreifen.

Aber allein die Kraft der Gesetze - also Rahmenbedingungen für präventive Arbeit, Ausbildung, Beratung, einheitliche Kriterien für Verwaltungen, vor allem Jugendämter, sowie die Überprüfung von Strafen - wird nicht ausreichen, um jedes Kind in dieser Gesellschaft vor Gewalt und sexualisierter Gewalt 100-prozentig zu schützen.

Der Staat kann dafür sorgen, dass die Bedingungen für ein soziales und gewaltfreies Miteinander gestärkt werden. Er kann dafür sorgen, dass Opfer oder potenzielle Opfer Schutz erhalten. Doch er wird nicht verhindern, dass es immer wieder diese gewalttätige Übermacht geben wird.

Das Primat der Erziehung haben in Deutschland die Eltern. Wir werden also genau hinschauen müssen, wie es um diese großartige Aufgabe tatsächlich bestellt ist.

(Glocke der Präsidentin)

Welchen Stellenwert haben eigentlich Erziehungswissenschaften in der schulischen und universitären Ausbildung? Welchen Stellenwert hat eigentlich das Kind an sich - seine und unsere Sozialisation? Inwiefern fließen interdisziplinäre Aufgaben und Fragestellungen zusammen, und zu welchen Schlussfolgerungen sind Fachleute gelangt?

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, Frau Kollegin.

Lassen Sie uns diese Arbeit deshalb anpacken. Lassen wir uns konfrontieren, die Perspektive wechseln, unsere Haltung reflektieren und zu fundierten Ergebnissen, Lösungen und Haltungen kommen!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP sowie Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Menge. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt die Abgeordnete Wiebke Osigus für die SPD-Fraktion.