Protokoll der Sitzung vom 06.10.2020

Meine Damen und Herren, Menschen besuchen Hochschulen, um etwas zu lernen, um sich zu bilden. Sie tun das freiwillig - sei es für eine Erstausbildung oder eine Weiterbildung. Sie tun das unter großem persönlichen Verzicht, weil sie in dieser Zeit andernorts viel mehr Geld verdienen könnten. Sie investieren einen Teil ihrer Lebenszeit in sich und damit gleichzeitig auch in unsere Gesellschaft.

Mit der Einschreibung sind die Hochschulen, aber auch wir als Land Niedersachsen ein Leistungsversprechen gegenüber den Studierenden eingegangen. Wir als CDU-Fraktion legen allergrößten Wert darauf, dass die Leistungen der Hochschulen, die Lehrveranstaltungen, die Seminare und die Prüfungen erbracht werden, solange es objektiv möglich ist. Dazu haben wir unter Nr. 7 des geänderten Antrages die Forderung nach einem Monitoring eingebracht. Wir möchten im Wissenschaftsausschuss nachverfolgen, dass die Hochschulen ihre Leistungen erbringen.

Wer in einem für sich selbst gesteckten Zeitrahmen ein Studium abschließen möchte, muss dazu befähigt werden. Ich bin sicher, dass der allergrößte Teil der Studierenden auch unter Pandemiebedingungen nicht irgendjemandem gegenüber Regelstudienzeitgrenzen ansprechen muss. Wir

möchten aber allen Studierenden, die in einem von der Pandemie belasteten Semester an einer niedersächsischen Hochschule eingeschrieben waren, pauschal die Regelstudienzeit um ein Semester erhöhen. Dazu werden wir mit einem Änderungsvorschlag zur NHG-Novelle im Winter die gesetzliche Grundlage schaffen. Das wird unbürokratisch und antragsfrei weitere Probleme erledigen.

Unbenommen bleibt das Recht jedes Einzelnen, weiter gehende Einschränkungen gegenüber der Hochschule geltend zu machen und weiteren Aufschub zu beantragen.

(Unruhe)

Herr Kollege, einen Augenblick, bitte! - Meine Damen und Herren in der SPD-Fraktion: Frau Emmerich-Kopatsch, Frau Heiligenstadt und Herr Dr. Saipa, wollen Sie die Gespräche draußen weiterführen?

(Dr. Alexander Saipa [SPD] schüttelt den Kopf)

- Nicht? Dann beenden Sie sie aber, bitte! - Alles klar.

Bitte schön, Herr Kollege!

In diesem Punkt unterscheiden wir uns deutlich vom grünen Antragsteller, der gezielt das Sommersemester aus der Regelstudienzeit herausnehmen will. Das wäre aus unserer Sicht das völlig falsche Signal an die Hochschulen. Für ein Streichsemester muss ich mich nicht anstrengen. Die Prüfungen kann ich ja auch im nächsten Semester anbieten. Es kommt nicht darauf an.

Ein weiteres Problem haben die Grünen noch nicht durchdrungen: Die Streichung des Sommersemesters 2020 nützt den Studienanfängern im Wintersemester 2020/2021 oder im Sommersemester 2021 überhaupt nicht. Wollen Sie auch die weiteren Semester solange streichen, bis Corona vorbei ist?

Wir haben im Ausschuss auch über den Wunsch nach Präsenz, gerade für Erstsemester, gesprochen. Daraus ist dann die Forderung unter der Nr. 6 geworden. Ich persönlich bin seitdem aber vorsichtiger. In den Niederlanden explodieren gerade pünktlich zum Semesterbeginn und gezielt an den Hochschulstandorten die Infektionszahlen. Ich bitte die Landesregierung, diesen Zusammenhang gründlich zu recherchieren und uns darüber zu unterrichten. Ein vollständig digitales Angebot ist uns allemal lieber als geschlossene Hochschulen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte in den Hochschulen keine Defizitdebatte führen! Lassen Sie uns eine Chancendebatte führen! Ich bin sicher, dass eines hoffentlich nicht mehr allzu fernen Tages nach der Corona-Pandemie im Vergleich der gesellschaftlichen Einrichtungen festgestellt werden wird: Die Hochschulen haben es richtig gemacht: konsequent digitalisiert und damit Einschränkungen minimiert.

Ja, es gibt zahllose Beschwernisse, auch für Hochschulangehörige. Aber wie schon oft, sollte auch in der Pandemie die Wissenschaft den besten Weg für die Gesellschaft weisen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hillmer. - Für die FDP-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin Susanne Victoria Schütz. Bitte schön!

Danke. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Corona ist auch für unsere Hochschulen eine große Herausforderung. Das wurde eben auch schon von dem Kollegen Hillmer geschildert. Die Umstellung auf digitale Lehre benötigte zusätzliche Mittel für Server, Lizenzen, Fortbildungen und viel Flexibilität vonseiten der Lehrenden wie der Studenten. Das Sommersemester war fast ausschließlich digital. Das Wintersemester soll als Hybridsemester wieder deutlich mehr analoge Formate enthalten: in Werkstätten, in Laboren, in kleineren Seminarformaten. Das ist auch für die Erstsemester besonders wichtig.

Die Situation der Studierenden durch Corona war auch wirtschaftlich für viele eine Katastrophe. Das müssen wir einmal deutlich aussprechen. Studenten haben im Wesentlichen drei Einkommensquellen: Wenige bekommen BAföG, sehr wenige den

Höchstsatz, für viele Studenten zahlen die Eltern den Unterhalt, und viele gehen für ihren Unterhalt nebenbei arbeiten. Für sehr viele ist der studentische Nebenjob die Haupteinnahmequelle. Viele füllen damit die Lücke, die das BAföG oder die Leistungsfähigkeit der Eltern noch offenlassen. Diese Jobs - in der Regel in der Gastronomie und im Handel - waren von einem auf den anderen Tag weg - keine Einnahmen bei gleichen Ausgaben. Sich die Verzweiflung vieler Studenten auszumalen, bedarf keiner großen Phantasie.

Als Unterstützung kam vom Land gar nichts und vom Bund nach Monaten ein - natürlich bürokratischer - Hilfsfonds, den die Studentenwerke bearbeiten durften, und hochgradig unattraktive KfWKredite; dann muss einem die Verzweiflung schon keine andere Möglichkeit mehr lassen, um diese zu nutzen. Für die BAföG-Bezieher kam immerhin schneller die Zusage, dass die Verlängerung um ein Semester möglich wird.

Es bleibt aber noch das Problem, durch die Verlängerung der Studienzeit, des persönlichen Studienablaufs in die Langzeitstudiengebühren zu rutschen. Hier drehte sich die Diskussion seit März in Niedersachsen irgendwie im Kreis. Der Minister hatte das Problem scheinbar dadurch gelöst, dass er die Hochschulen darum bat, den § 14 des Hochschulgesetzes kulant auszulegen und als Begründung für eine Verlängerung des Studiums auch pandemiebedingte Gründe anzuerkennen. Das schien auch uns am Anfang pragmatisch und sehr sinnig.

Jetzt haben sich aber ein paar Probleme aufgetan, auf die das Ministerium uns bisher die Antwort schuldig geblieben ist. Zum Beispiel: Andere Bundesländer haben das Sommersemester in der Zählung ausgesetzt. Wie ist es mit der Vergleichbarkeit und beim Wechsel von Studienorten? Nur Studierende, die bereits Langzeitstudiengebühren zahlen, können von diesen auch befreit werden. Was ist mit den niedrigen Semestern, die sich einfach Sorgen machen, dass sie da mal ankommen und in ein paar Jahren beweisen müssten, dass sie mal aufgehalten worden sind? Wie ist das Verfahren dann?

Wenn das Ministerium erst das Sommersemester auswerten will, wie uns gesagt wurde - da bin ich ja noch dabei -, um zu entscheiden, ob man es werten kann, wieso konnte dann meine Frage im Ausschuss, wie die Auswertung genau erfolgen soll, nicht beantwortet werden?

(Zustimmung bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Ganz ernsthaft: Wir fanden ein pauschales Aussetzen der Zählung, also eine Verlängerung der Regelstudienzeit, anfangs auch nicht so zielführend. Aber angesichts so vieler offener Fragen sehen wir die im Antrag von SPD und CDU vorgeschlagene Lösung jetzt auch als richtig an.

Die Verzögerungen auch im kommenden Wintersemester und wohl auch im Sommersemester 2021 dürften sich wohl so addieren, dass man in der Summe ein Semester aus der Zählung nehmen sollte - um das jetzt einmal so abzubilden und einfach auszudrücken.

Übrigens löst sich das Problem in meinen Augen auch noch nicht, wenn man - wie offenbar beabsichtigt - künftig in § 14 die pandemiebedingten Verzögerungen aufnimmt. Man muss schon genauer klären, ob nur unmittelbare oder auch mittelbare Probleme als Voraussetzung dienen, also nur ausgefallene Seminare und Prüfungen oder auch persönlich-wirtschaftliche Notlagen.

Das angesprochene Problem für die unteren Semester ist damit auch nicht gelöst.

Vieles im Antrag von SPD und CDU, die jetzt ihren eigenen Minister auffordern, doch mal über seinen Schatten zu springen, ist also gut und richtig. Dem Lob für die etwas dünnen Angebote des Bundes können wir uns allerdings nicht so recht anschließen. Auf der Bundesebene fordern wir das elternunabhängige BAföG ja schon lange. Ein Zugang dazu hätte die Situation vieler Studenten schlagartig verbessern können.

Prüfaufträge an den Bund für zeitlich befristete Lösungen sind uns da zu wenig. Zu wenig ist es auch, jetzt über Leitlinien für das Wintersemester diskutieren zu wollen; denn an den Fachhochschulen läuft es schon.

Das ist uns also noch zu wenig. Deshalb werden wir uns enthalten.

Immerhin - eine abschließende Bemerkung - ist der Landesregierung jetzt aufgefallen, dass es im Land Hochschulen gibt. Im Entwurf für die neue Verordnung tauchen die Hochschulen jetzt begrifflich das erste Mal auf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schütz. - Nun hat für die SPD-Fraktion das Wort die Kollegin Frau Dr. Silke Lesemann. Bitte schön!

Sehr geehrtes Präsidium! Meine Damen, meine Herren! Menschenleere Labore, verschlossene Bibliotheken, plötzlich abgesagte Tagungen: Corona hat Studium und Lehre an unseren Hochschulen massiv verändert. Gemeinsames Lernen, die Begegnungen zwischendurch beim Kaffee oder am Abend in der Kneipe, der direkte und unmittelbare Austausch mit Kommilitonen und Lehrenden - das alles lässt sich nicht durch Begegnungen in digitalen Räumen, so gut diese auch organisiert sein mögen, ersetzen.

Die Corona-Pandemie ist für viele Studierende eine erhebliche finanzielle, soziale und auch emotionale Belastung. Umso mehr gilt das für das Sommersemester 2020, als quasi aus heiterem Himmel das erste digitale Semester an deutschen Hochschulen startete. Obwohl es dem Engagement der Hochschulen zu danken ist, dass das digitale Semester oft besser als zunächst vermutet ablief, hat die zwischenzeitliche Schließung von Hochschulen, Bibliotheken und Mensen - begleitet von den vorhin skizzierten Verunsicherungen - bei manchen zu Verzögerungen im Studienverlauf geführt.

Meine Damen und Herren, die niedersächsischen Hochschulen haben gleich im April angekündigt, Nachteile für das Studium nach Kräften zu vermeiden, insbesondere im Hinblick auf Studienzeiten und Prüfungen. Namentlich von LandesHochschulKonferenz und LandesAstenKonferenz wurde die Forderung nach einer Verlängerung der Regelstudienzeit erhoben. Durch die auch über das Sommersemester 2020 hinaus bestehende Ausnahmesituation dürfen keine weiteren Nachteile für Studierende entstehen. Vor allem darf es nicht zu einer Situation kommen, in der Studierende aufgrund einer Überschreitung der geltenden Regelstudienzeit ihren BAföG-Anspruch verlieren.

Im Zuge der Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes streben wir als Koalitionsfraktionen daher eine Verlängerung der Regelstudienzeit an.

(Zustimmung von Stefan Politze [SPD])

Für Studierende, die seit dem Sommersemester 2020 eingeschrieben und nicht beurlaubt gewesen sind, soll dann eine um ein Semester verlängerte

individuelle Regelstudienzeit gelten. Studierende haben somit die notwendige Planungssicherheit, ihr Studium erfolgreich fortsetzen und abschließen zu können.

Wir wollen die Möglichkeit einer Verlängerung der Regelstudienzeit um ein Semester schaffen, um die Auswirkungen der erheblichen pandemiebedingten Beschränkungen seit dem Sommersemester 2020 abzumildern. So können auch Studierende in Niedersachsen sicher sein, dass sie insbesondere bei Ansprüchen auf BAföG-Leistungen keinen Nachteil erleiden.

Flexible Lösungen wollen wir zudem für erbrachte Leistungen schaffen. Auch hier darf den Studierenden kein Nachteil entstehen. Umgekehrt sollen den Studierenden aber auch Corona-bedingt schwächere Leistungen nicht auf die Füße fallen. Im Rahmen unseres Gesetzentwurfs werden die Hochschulen deshalb die Möglichkeit erhalten, ihren Studierenden weitere Angebote, etwa mit Blick auf die Wertung von Prüfungen als Freiversuche oder Wiederholungsmöglichkeiten zur Notenverbesserung, zu unterbreiten. Im Sommersemester nicht bestandene Prüfungen könnten dann also auch als nicht durchgeführt gewertet werden.

Meine Damen und Herren, mit unserem Änderungsantrag wollen wir aber auch eine bessere Studierbarkeit trotz pandemiebedingter Einschränkungen erreichen. Hierzu gehört selbstverständlich auch der Ausbau der digitalen Infrastruktur an unseren Hochschulen. Der Bedarf an Lehrformaten, die zwischen Online- und Präsenzlehre wechseln, wird wachsen und muss weiter ausgebaut werden. Der Anspruch an eine gute Lehre, den wir hier immer erheben, darf auch bei der Nutzung digitaler Lehrformate nicht auf der Strecke bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben gelernt, mit den Herausforderungen durch Corona bestmöglich umzugehen. Hierfür bedanke ich mich im Namen der SPD-Landtagsfraktion ganz herzlich bei allen Beteiligten, durch deren großes Engagement dies möglich war und auch weiterhin ist.

Die Hochschullehre gleicht in weiten Teilen Großveranstaltungen mit hoher Kontaktdichte. Die vollständige Rückkehr zur Präsenzlehre wird angesichts aktuell steigender Infektionszahlen auch im Wintersemester nicht möglich sein. Gleichwohl ist ein direkter Kontakt zwischen den Studierenden und den Lehrenden gerade am Studienbeginn und

auch in der Prüfungsphase wichtig. Die Hochschulen müssen schauen, wie man das gut umsetzen kann, ohne gesundheitliche Risiken einzugehen.