Protokoll der Sitzung vom 09.12.2020

Meine Damen und Herren, wir hätten Ihnen gerne noch zusätzliche Redezeit eingeräumt. Damit ist die Fragestunde für diesen Tagungsabschnitt beendet.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26: Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung - Gesetzentwurf

der Fraktion der FDP - Drs. 18/4494 - dazu gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 GO LT: Klimaschutz in Niedersachsen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/4495 - b) Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Niedersächsisches Klimagesetz - Nds. KlimaG) - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/4499 -

c) Entwurf eines Niedersächsischen Gesetzes zur Förderung des Klimaschutzes und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels (Nie- dersächsisches Klimagesetz - NKlimaG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU - Drs. 18/4839 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 18/8087 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 18/8110 - dazu: Schriftlicher Bericht - Drs. 18/8144

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU mit Änderungen anzunehmen und die Gesetzentwürfe der Fraktion der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen.

Ich weise bereits jetzt darauf hin, dass es sich beim dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU um ein verfassungsänderndes Gesetz handelt, das nach Artikel 46 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags bedarf.

Der Ihnen vorliegende Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/8110 zielt darauf, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 18/4499 in einer geänderten Fassung anzunehmen.

Wir steigen in die Beratung ein.

Zu Wort gemeldet hat sich für die CDU-Fraktion der Abgeordnete Christian Calderone. Bitte schön, Herr Kollege Calderone!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Umwelt- und Klimaschutz wird auf lange Sicht eine zentrale Herausforderung für unseren Staat, für unsere Gesellschaft bleiben. Das wissen wir alle. Umso wichtiger ist es, dass diese Koalition aus SPD und CDU in dieser Legislatur

nach der gesetzlichen Verankerung des „Niedersächsischen Weges“ mit der heutigen Abstimmung auch noch ein zweites großes Gesetzesvorhaben in diesem Bereich abschließt.

Damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat diese Koalition für den Klima-, den Umwelt-, den Arten-, den Gewässer- und den Tierschutz ein Vielfaches mehr geleistet als eine Koalition, in der die Grünen das Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium innehatten. Denn die Grünen sind eben nicht darüber hinausgekommen, den Menschen in Niedersachsen, den Landwirten in Niedersachsen, denjenigen, die in Niedersachsen auf Mobilität angewiesen sind, und denjenigen, die in Niedersachsen in Branchen arbeiten, die einen hohen Energiebedarf haben, ein schlechtes Gewissen zu machen.

Inhalt der heutigen abschließenden Beratung ist auch eine Bestimmung, die den Klimaschutz und die Minderung der Folgen des Klimawandels als Staatsziel in die Niedersächsische Verfassung einfügt. Dies möchte ich deshalb eingehender betrachten, weil aus christdemokratischer Sicht Verfassungsänderungen nicht im Minutentakt erfolgen dürfen.

Vor dem Hintergrund, dass auch noch weitere Anträge auf eine Änderung der Verfassung vorliegen - beispielsweise zur Einfügung eines EuropaBezuges, zur Ersetzung des Begriffes „Rasse“, zur Einfügung des Begriffes der „sexuellen Identität“ und zur Herabsetzung des Wahlalters - appelliere ich daran, Verfassungsänderungen nicht als Teil des politischen Alltagsgeschäfts zu begreifen, sondern lediglich minimalinvasiv zu beschließen. Denn eine Verfassung, die wie ein Gesetz geändert wird, hat ihren Wert und ihre Bedeutung aus unserer Sicht verloren. Sie ist dann nicht mehr Grundlage des Staates und der Gesellschaft, weil sie der Beliebigkeit politischer Alltagsprozesse und der Beliebigkeit tagesaktueller Interpretationen unterliegt. Dient aber die Verfassung zunehmend der parteilichen und parteipolitischen Profilierung im Alltagsgeschäft, dann können wir die Bürgerinnen und Bürger schwerlich auffordern, sich hinter ihr zu versammeln.

Aus diesem Grund ist die CDU-Fraktion dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Niedersächsischen Landtages sehr dankbar, dass er sehr deutlich darauf hingewiesen hat, dass der Klimaschutz auch jetzt schon in der Niedersächsischen Verfassung verankert ist - und das nicht irgendwo, sondern gleich in Artikel 1 Abs. 2, bei den Staats

grundsätzen. Wie unschwer zu erkennen ist, umfasst die Bestimmung, „das Land Niedersachsen ist ein … dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichteter Rechtsstaat“, den Klimaschutz bereits. Der Schutz des Klimas ist also auch aktuell schon Teil der den Staat verpflichtenden Verfassungsbestimmungen.

Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir am Ende dieser Verfassungsänderung zustimmen. Sonst käme sie im Übrigen auch nicht zustande. Dies tun wir insbesondere deshalb, weil die Klimaschutz eben nicht, wie ich eingangs erwähnt habe, eine Alltagaufgabe ist und eine Verfassungsänderung in diesem Bereich damit eben nicht nur politisches Alltagsgeschäft. Nein, der Klimaschutz ist eine unserer großen Zukunftsherausforderungen, und deshalb ist es vertretbar, in diesem Sinne auch die Verfassung zu ändern. Aus unserer Sicht ist es diese Aufgabe auch wert, als Staatsziel und damit für die Bürgerinnen und Bürger sichtbarer in der Verfassung verankert zu werden.

Aber noch einmal: Zum Alltag wird eine Verfassungsänderung damit für uns nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank. - Für die Fraktion der SPD hat sich der Abgeordnete Marcus Bosse zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat länger gedauert, aber nun liegt es endlich vor - das Niedersächsische Klimagesetz. Es ist ja auch nicht alltäglich, was wir heute beschließen: zum einen ein Gesetz und zum anderen eine Verfassungsänderung.

Darum gilt es, an dieser Stelle zunächst einmal den Dank an das zuständige Ministerium mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszusprechen und natürlich auch allen Ministerien, die zugearbeitet haben - und natürlich auch dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages für die Vorbereitung dieses, wie gesagt, ganz besonderen Gesetzes.

In diesem Gesetz geht es um Ehrgeiz, es geht um Mut, es geht um Maß, und es geht um Nachhaltigkeit. Es geht aber auch um Zeit, liebe Kolleginnen

und Kollegen. Dieses Klimaschutzgesetz setzt Maßstäbe. Wir wollen, dass alle klimaneutral und umweltfreundlich leben und vor allen Dingen auch wirtschaften können. Das Zieljahr ist dabei zunächst einmal 2050. Dabei ist es egal, ob jemand einen großen oder einen kleinen Geldbeutel hat, und es ist auch egal, ob jemand in der Stadt oder auf dem Land wohnt.

Wir müssen die Energieversorgung in den nächsten 30 Jahren komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Das ist eine riesige Herausforderung. Das betrifft alle Sektoren - Industrie, Mobilität und Wärme. Wir brauchen die Erneuerbaren, um CO2neutral leben zu können.

Wir setzen mit diesem Gesetz, mit diesem Maßnahmenprogramm auch neue Förderschwerpunkte: Anreize für Private, für Kommunen, für Unternehmen, für das Handwerk, für Forst und Landwirtschaft, für Gebäudesanierung und für klimafreundliche Mobilität. Das ist das größte Investitionsprogramm Niedersachsens im Bereich Klimaschutz. 1 Milliarde Euro, meine sehr geehrten Damen und Herren das ist schon etwas ganz besonderes!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Wir wollen Innovation, und wir wollen auch Beschäftigung. Die Ministerien werden verpflichtet, in den einzelnen Sektoren jeweils eine bestimmte Menge CO2 einzusparen und im Jahre 2050 auf null zu kommen.

Wir wollen auch, dass sich alle beteiligen können und dass alle etwas von diesem Klimaschutzgesetz haben. Wir wollen eine bezahlbare Versorgung mit erneuerbaren Energien, wir wollen eine faire Verteilung der Kosten, und wir wollen natürlich auch stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen. Das ist ganz wichtig. Wir sind ein hochindustrialisiertes Land und gehen den Weg in das Zeitalter der vollständigen Versorgung mit erneuerbaren Energien.

Ich sage es noch einmal: Das sind nicht nur hohe Ansprüche, sondern darin liegt auch eine enorm hohe Verantwortung. Daher wollen wir vor allen Dingen den gesellschaftlichen Konsens. Wir wollen und müssen alle mitnehmen. Das ständige Tauziehen zwischen den Klimaschützern und den Unternehmen - sozusagen zwischen Tofu und Steak - muss vorbei sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Politik muss hier als objektiver Schiedsrichter dienen. Wir müssen für ein faires Kräfteverhältnis sorgen.

Die Umwelt hat keine Stimme, mit der sie sich schützen kann. Sie braucht die Stimme aller, und diese muss durch den Gesetzgeber auf Papier gebracht werden. Es ist unsere Aufgabe, den Klimaschutz gerecht zu gestalten, und ich denke, das ist uns mit diesem, mit unserem Klimaschutzgesetz auch gelungen.

Der Klimaschutz ist die größte Herausforderung nicht nur für die nächsten Jahre, sondern auch für die nächsten Jahrzehnte. Ich glaube, das ist auch bei der neuen US-Regierung von Joe Biden durchaus angekommen. Kein Geringerer als John Kerry wird dort Klimaschutzbeauftragter. Dass er diese Position übernommen hat und nicht ins Kabinett Biden eingetreten ist, ist ein deutliches Zeichen, welchen Stellenwert die USA dem Klimaschutz nun geben.

Zum Schluss will auch ich noch etwas zur Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel in die Verfassung sagen, bevor mein Kollege Ulf Prange dazu noch weiter ausführen wird.

Es ist ein kluger Weg, das zu tun. Der Klimaschutz betrifft alle Generationen und berührt alle Lebensbereiche, den privaten und den beruflichen, und das über Genrationen hinweg. Darum ist es klug und richtig, ihn in die Verfassung aufzunehmen.

Der Gleichklang der Aufnahme des Klimaschutzes in die Verfassung, des Klimaschutzgesetz und des Maßnahmenpakets, um Investitionen zu fördern, ist ein guter und richtiger Weg. Damit haben wir Niedersachsen für die künftigen Herausforderungen bereit gemacht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Bosse. - Jetzt rufe ich, ebenfalls für die SPD-Fraktion, den schon angekündigten Herrn Abgeordneten Ulf Prange auf. Bitte schön, Herr Prange!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Christian Calderone, ich freue mich, dass wir uns bei dieser Verfassungsänderung einig sind.

Zur Bedeutung des Klimaschutzes hat mein Kollege Marcus Bosse eben schon einiges gesagt. Ich finde, es ist absolut zwingend, ihn in unsere Landesverfassung aufnehmen - aber nicht nur den Klimaschutz, sondern auch die Klimaanpassung.

Denn wir alle stellen doch fest, dass der Klimawandel schon angekommen ist und dass es auch Minderungs- und Anpassungsmaßnahmen braucht.

Ich bin Olaf Lies dankbar, dass er diese Debatte vor zwei Jahren angestoßen und gesagt hat, dass der Klimaschutz in die Landesverfassung gehört. Wir sind zwar nicht die Ersten - die Hamburger haben es schon -, aber trotzdem ist es verfassungsrechtliches Neuland.

Wenn man die Verfassung ändern will, muss man sich das wohl überlegen. Wir haben das sehr intensiv im Rechtsausschuss besprochen. Die mögliche Doppelregelung bzw. Überschneidung mit dem Grundsatz des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen in Artikel 1 Abs. 2 unserer Verfassung wurde eben schon angesprochen. Wir meinen aber, dass wir diese besondere Betonung in der Verfassung brauchen. Wir brauchen diese Sichtbarmachung, weil die Herausforderung durch den Klimawandel so groß und das Thema so wichtig ist.

Man kann darüber streiten, inwieweit es einen verfassungsrechtlichen Mehrwert hat, dass hier noch einmal das Nachhaltigkeitsprinzip betont wird und auch die Minderung der Folgen des Klimawandels in der Regelung enthalten sind. Für uns ist aber viel wichtiger, dass eine Verfassung vor allen Dingen die Grundwerte unserer Gesellschaft und unseres Zusammenlebens festlegt und das öffentliche Bewusstsein identitätsstiftend mitprägt.

Wir sprechen oft von Verfassungspatriotismus - nämlich davon, dass wir uns mit unserer Verfassung und den Werten, die darin niedergelegt sind, identifizieren. Und auch deshalb macht es Sinn, den Klimaschutz hier sichtbar zu machen und in diesen gemeinsamen Wertekatalog unserer Gemeinschaft aufzunehmen.

Wir haben im Ausschuss auch einige Fragen geklärt, z. B. ob so eine Staatszielbestimmung in der Verfassung überhaupt rechtliche Auswirkungen hat. Zur Antwort auf diese Frage empfehle ich die schriftliche Stellungnahme, die der Präsident des Staatsgerichtshofs, Dr. Thomas Smollich, in unserer Anhörung abgegeben hat. Darin hat er ganz deutlich gemacht, dass ein Staatsziel keine bloße Verfassungslyrik ist, sondern eine bestimmte Regelung, die alle Träger der öffentlichen Gewalt verpflichtet.

Im Übrigen leitet sich - so wird es zumindest teilweise vertreten - aus einer Staatszielbestimmung auch ein Optimierungsgebot ab, nämlich die ge

setzgeberische Pflicht, Gesetze zu evaluieren und an die Erkenntnisse aus Wissenschaft und Technik anzupassen.

Ich will zu einem letzten Punkt kommen. Wenn man einen neuen Artikel in die Verfassung einfügt, löst das natürlich auch Konkurrenz- und Abgrenzungsfragen aus. Das hat der GBD intensiv aufgearbeitet; wir haben darüber gesprochen.