Protokoll der Sitzung vom 10.12.2020

1,2 Milliarden Euro an Schulden aufgenommen, ohne dass ein Corona-Bezug besteht. Sie erinnern sich an die Haushaltsberatungen. Sie haben ganz viel in diese Corona-Mittel hineingeschoben, was gar keinen Corona-Bezug hat.

(Ulf Thiele [CDU]: Wiederholen macht es nicht besser!)

Sie machen unter dem Deckmantel der CoronaPolitik neue Schulden. Das halten wir für unverantwortlich. Aber genau das ist das Ergebnis der von Ihnen verantworteten Politik, Herr Minister Hilbers. Insofern sind Sie eben nicht ein Sparminister, sondern ein Schuldenminister. Dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP)

Was wir bei dieser Landesregierung vermissen, ist, dass sie sich auch den strukturellen Fragen annimmt. Ich habe das in der Eingangsdebatte erwähnt, und ich will es hier wiederholen: Es fehlt nach wie vor eine ernst zu nehmende Aufgabenkritik.

Herr Ministerpräsident, das sollten Sie auch zu Ihrem eigenen Anliegen machen. Ich weiß, dass Sie der Auffassung sind, dass man Haushalte nicht über die Ausgabenseite konsolidiert, sondern dass man dafür eigentlich nur die Einnahmenseite braucht. Wir aber halten das für grundfalsch. Wir meinen, der Staat muss sich auch auf der Ausgabenseite disziplinieren. Dazu gehören eben auch die eigenen Strukturen, und deshalb muss man sie ernsthaft in den Blick nehmen, und zwar nicht nur

unter dem Kostengesichtspunkt, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Zukunftsfähigkeit der Verwaltung. In dieser Hinsicht passiert in Niedersachsen aber viel zu wenig. Da sehen wir ein weitaus größeres Potenzial. Das muss ernsthaft angegangen werden. Ich befürchte aber, dass in dieser Legislaturperiode die Zeit dafür schon verstrichen ist und keine Gelegenheit mehr besteht, diese grundsätzlichen Fragen anzugehen.

(Beifall bei der FDP)

Auf der anderen Seite muss man sich natürlich die Frage der Privatisierung stellen, z. B. ob wir für die Betreuung der IT in Niedersachsen wirklich eine eigene Einrichtung brauchen.

Aber man muss sich auch der Frage nähern, ob Aufgaben nicht auch gemeinsam mit anderen Ländern bestritten werden könnten. Was ist z. B. mit dem Landesamt für Statistik? Das ist eine hoheitliche Aufgabe, und dabei wollen wir es auch belassen, aber warum sollen wir das nicht gemeinsam mit Nachbarländern machen können? Beim Landesamt für Verfassungsschutz halten wir es schon allein aus Sicherheitsgründen für notwendig, dass sich Bremen etwas stärker aufstellt und das gemeinsam mit Niedersachsen macht.

Es gibt hier also gute Ansätze, die man verfolgen sollte. Wir sehen aber nach wie vor nicht, dass die Landesregierung das tut - und das halten wir für falsch.

Außerdem sehen wir, dass Sie nach wie vor nicht bereit sind, die Fehler, die Sie am Anfang mit den 100 Stellen gemacht haben, konsequent zu beseitigen. Sie versuchen jetzt, die Stellen abzubauen, aber 70 % dieser Stellen werden am Ende zulasten von Lehrern und Polizeibeamten eingespart. Es ist schon bemerkenswert, dass die Europaministerin im Ausschuss gesagt hat, dass sie zu den Einsparungen nichts beigetragen könne, weil bei ihr alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unabkömmlich seien. Dann scheint das ja für die Schulen und für die Polizeibehörden nicht zu gelten, meine Damen und Herren!

Auch das zeigt den Geist dieser Großen Koalition, dass man am Ende immer die eigenen Interessen in den Vordergrund stellt und nicht schaut, wo im Lande es wirklich brennt. Da müsste der Schwerpunkt gesetzt werden, aber das passiert leider nicht.

(Beifall bei der FDP)

Auch die Unentschlossenheit, die diese Koalition weiterhin prägt, kommt in den Haushaltsberatungen zum Ausdruck, auch jetzt nach den Einzelplanberatungen. Denn das Agieren über globale Minderausgaben ist am Ende nichts anderes als der Rasenmäher. Das halten wir auch für eine Form von Politikverweigerung, weil Sie sich damit der Verantwortung entziehen, eigene Schwerpunkte zu setzen und dadurch zu sagen, wofür Sie stehen und wo Sie die Einsparungen erbringen können. Auch hier versuchen Sie, die Differenzen über alle Häuser dadurch zu glätten, dass Sie die Lasten einfach gleich verteilen.

Unter dem Strich bleibt, dass Sie keine gemeinsame Linie im Sinne einer Vision für Niedersachsen haben. Sie sagen - und so habe ich auch Ihren Redebeitrag verstanden, Frau Modder -: Wir machen mal so weiter wie bisher; denn das läuft ja ganz gut. - Aber das ist zu wenig! Aus unserer Sicht regieren Sie damit Niedersachsen unter dem, was möglich ist. Niedersachsen hat mehr Potenzial. Sie müssen klare Schwerpunkte setzen, um damit auch die Zukunftsfähigkeit des Landes zu sichern.

(Beifall bei der FDP)

Erlauben Sie mir noch ein paar Sätze zur Haushaltspolitik der Grünen. Frau Hamburg, Sie erwecken immer den Eindruck, mit viel Geld könne man das Klima retten. Wir halten das für grundfalsch. Es geht nicht darum, dort viel Geld reinzustopfen, um damit dann die deutsche oder die niedersächsische Wirtschaft nach grünem Vorbild umzugestalten. Das ist genau der falsche Ansatz. Nicht der Staat weiß, wo und wie die Dinge am besten funktionieren, sondern man muss einen Rahmen setzen, in dem sich die effizientesten und besten Lösungen finden. Da kann der Staat dann unterstützen und Anreize setzen - das ist alles okay. Aber das, was Ihnen vorschwebt und was bei Ihren Haushaltsentwürfen durchkommt, geht am Ende doch in Richtung einer planwirtschaftlichen Steuerung. Das geht definitiv schief, wird unfassbar teuer und ineffizient und wird das Klima nicht retten. Deshalb ist das der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dadurch versuchen Sie natürlich, den Klimaschutz für sich zu besetzen. Ich halte das aber nicht für zielführend, weil es effizientere Instrumente gibt, um das Klima zu retten und tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Und es ist bei Weitem kein grünes Privileg, sich für den Klima

schutz einzusetzen! Das tun andere in ihren Anträgen auch.

Zum Schluss, meine Damen und Herren, will ich noch einmal unsere Schwerpunkte darstellen. Wir haben drei große Punkte, zu denen wir unsere Haushaltsanträge gestellt haben, denen Sie leider mehrheitlich nicht gefolgt sind.

Zum einen haben wir in den Einzelplänen Umschichtungen vorgenommen, um eigene Schwerpunkte zu setzen. Dazu gehört die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere mit Blick auf die Straßenausbaubeitragssatzung. Wir investieren in die Schulen und in die Universitäten. Bei den Universitäten nehmen wir die globale Minderausgabe raus. Wir stärken den Rechtsstaat, indem wir etwa für den Justizvollzug neue Stellen schaffen, weil dort dringend Entlastung nötig ist. Wir stärken die Digitalisierung in verschiedenen Bereichen und die Investitionen im Agrarbereich, weil wir sagen, dass Niedersachsen als Agrarland vor besonderen Herausforderungen steht und die Landwirtinnen und Landwirte Unterstützung bedürfen, um sich zukunftsfähig aufstellen zu können.

Der zweite große Bereich, dem wir uns mit unseren Anträgen widmen - und denen Sie leider auch nicht gefolgt sind; das haben wir heute Morgen schon diskutiert -, ist unsere nachhaltige CoronaStrategie. Dabei geht es um die Verbesserung der Situation in den Schulen und um eine umfassende Teststrategie. Dafür stellen wir diese 500 Millionen Euro bereit. Sie sehen, das Geld wird nicht ausgebucht - anders, als es Frau Modder heute Morgen gesagt hat -, sondern für die Corona-Politik verwandt. Und es wird nicht, wie von der Landesregierung geplant war, erst einmal beiseitegelegt und am Ende dann für was auch immer verwendet. Wie dehnbar bei Ihnen der Begriff der Corona-Politik ist, haben wir ja an verschiedenen Stellen erlebt.

Unser dritter Schwerpunkt ist, die Schulden zu reduzieren. Wir wollen nicht so viele Schulden aufnehmen, wie Sie es machen. Wir meinen, wir können mit 265 Millionen Euro weniger Schulden auskommen. Das wäre ein konkreter Beitrag zu einer seriösen und zukunftsfähigen Haushaltspolitik mit Blick auf künftige Haushalte und künftige Generationen. Denn, Frau Modder, es geht um Generationengerechtigkeit, es geht um die Belastung künftiger Generationen, deren Spielräume auch gewahrt werden müssen. Das wollen wir hiermit realisieren.

Wir haben das alles in unseren Haushaltsanträgen dargestellt. Sie sind dem nach einer intensiven Debatte leider nicht gefolgt. Das ist so, und das akzeptieren wir natürlich. Wir werden aber nicht müde, an die Verantwortung der Regierungskoalitionen zu appellieren, eine umfassende, zukunftsfähige Haushaltspolitik zu gestalten.

Abschließend, Herr Präsident, darf ich mich dem Dank der Kolleginnen, die vor mir gesprochen haben, anschließen und Ihnen im Namen der FDPFraktion ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr wünschen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Es fehlt noch einer im Reigen, und das ist der Vorsitzende der CDU-Fraktion. Herr Toepffer, bitte sehr! Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich im weitesten Sinne noch einmal etwas zum Haushalt sage, ein Wort an die Kollegin Hamburg: Ich habe seit dem 18. Lebensjahr den Führerschein. Bemerkungen über Zielgeraden und Blinken haben mich ein wenig in Versuchung geführt. Seitdem ich den Führerschein habe, kann man gelb blinken. Neuerdings kann man auch rot blinken. Gott sei Dank kann man niemals blau blinken. Und über grün blinken würde ich nachdenken.

(Julia Willie Hamburg [GRÜNE]: Ich habe ja nicht gesagt, dass Sie mit dem Auto blinken!)

- Mit dem Haushalt!

Ich starte mit dem, was ich zu Beginn meiner Haushaltsrede in der Generaldebatte schon gesagt habe. Das hört der Kollege Thiele zwar nicht gerne, aber jetzt muss er es noch einmal hören: Dieser Haushalt ist ein Corona-Haushalt. Und es kommt sogar noch schlimmer, lieber Ulf Thiele: Ich fürchte, dieser Haushalt wird nicht der letzte Corona-Haushalt sein.

Ich glaube schon - da muss ich der Kollegin Hamburg recht geben, auch wenn ich mich dem Wunschzettel, der zur Weihnachtszeit zwar irgendwie passend, aber, wie ich finde, dann doch etwas zu füllig war, nicht anschließen möchte -, dass wir im kommenden Jahr über weitere Finanz

hilfen zur Stärkung unserer Wirtschaft werden reden müssen. Wir werden darüber reden müssen, wie wir soziale Härten, die wir vielleicht alle noch gar nicht vorhersehen können, abmildern können. Wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir Menschen im Bereich der Gastronomie, im Bereich der Kultur und anderswo helfen können. Wir werden zusätzliche Finanzmittel brauchen.

Deswegen ist es klug, jetzt richtig zu investieren, damit der Schaden eben nicht allzu groß wird, und es ist klug, Geld zurückzubehalten, damit man später tatsächlich noch helfen kann. Dem schließe ich mich ausdrücklich an.

Ich muss aber auch dem Kollegen Birkner recht geben, wenn er sagt, dass man bei alledem aber nicht den sorgsamen Umgang mit Haushaltsmitteln vergessen darf. Das ist durchaus richtig.

Um die Eigenständigkeit meiner Fraktion an dieser Stelle zu betonen - ich hatte das, glaube ich, auch bereits in meiner Rede zur Einbringung des Haushalts bzw. in der Generaldebatte gesagt -: Wir haben da in der Tat eine unterschiedliche DNA. Da kommen wir aus unterschiedlichen Richtungen.

Ganz besonders deutlich geworden ist mir das am Dienstag, als der Deutsche Gewerkschaftsbund zusammen mit anderen Gewerkschaften vor dem Landtag stand und die Mitglieder sagten, was sie an unserem Haushalt kritisieren. Neben mir stand der Finanzminister - der jetzt zwar die Schulden aufnimmt, Herr Birkner, aber dafür natürlich nicht allein verantwortlich ist. Das muss man ganz ehrlich sagen.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das habe ich auch nicht gesagt!)

- Ich hatte es so verstanden.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Er ist aber auch nicht der Sparminister!)

- Nein, da gebe ich Ihnen recht. Das fällt im Moment aber auch ziemlich schwer.

Als Herr Payandeh vom DGB zu unserem Finanzminister sagte: „Nehmen Sie doch jetzt das Geld, so billig kriegen Sie es nie wieder“, sah ich Reinhold Hilbers an und merkte richtig, wie fassungslos er war. Er wusste zunächst nicht, was er sagen sollte, überlegte kurz und sagte dann das, was man als guter Finanzminister sagt.

Herr Payandeh hat mit dem, was er sagt, natürlich recht. Aber jeder von uns, der Schulden aufnimmt, weiß doch auch, dass man, wenn man in einer Zeit

niedriger Zinsen Geld aufnimmt und Schulden macht, zusehen sollte, dass man dieses Geld auch noch in der garantierten oder zu erwartenden Niedrigzinsphase zurückzahlen kann. Wer das nicht macht, der handelt in der Tat unverantwortlich. Und deswegen ist es auch klug, sich jetzt nicht über Gebühr weiter zu verschulden.

(Beifall bei der CDU)

Man muss also einen Mittelweg suchen, und aufgrund unserer unterschiedlichen DNA ist es uns auch gelungen, diesen Mittelweg zu finden. Herausgekommen ist das, was der Kollege Thiele richtigerweise einen „Haushalt der Stabilität“ nennt, der, wie ich finde, auch eine breite Zustimmung in diesem Parlament verdient.

An dieser Stelle könnte ich jetzt eigentlich Schluss machen, weil zu allen Einzelplänen wirklich engagiert gestritten worden ist. Aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, noch zwei Dinge anzusprechen, die im weitesten Sinne auch mit dem Haushalt zu tun haben.

Weil auch ich ein überzeugter Parlamentarier bin, Kollege Birkner, mache ich mir natürlich auch Gedanken über die Funktion dieses Parlaments. Dieses Parlament hat die Funktion, Gesetze zu beschließen und die Regierung zu kontrollieren. Aber es hat eben auch eine Funktion, die Juristen gerne als Transparenzfunktion bezeichnen. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Positionen nach draußen transparent zu machen: Was meint der eine, was meint der andere? Es geht darum, zuzuspitzen, um den Wählern die Wahlentscheidung zu erleichtern. Dafür braucht man eine gewisse Öffentlichkeit. Nun ist hier zwar engagiert gestritten worden, aber man muss auch selbstkritisch feststellen, dass von dem gestrigen Plenartag in den klassischen Printmedien sowie im Fernsehen in Niedersachsen nicht eine einzige Zeile zu lesen oder zu hören war. Insofern müssen wir uns doch die Frage stellen: Was läuft da eigentlich falsch?