Dirk Toepffer
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, auch ich bedanke mich für eine Unterrichtung zum aktuellen Thema Corona, von der ich sicher weiß, dass sie auch gekommen wäre, wenn Sie nicht darum gebeten hätten, Herr Birkner. Das ist in der Vergangenheit stets so gehandhabt worden. Ich kann Ihnen für die regierungstragenden Fraktionen erklären: Wir wissen, dass diese Unterrichtung ohnehin gekommen wäre. Dazu bedarf es nicht Ihrer Aufforderung.
Es ist auch richtig, dass diese Unterrichtung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem man sich im Kabinett einig ist und das Ganze dort besprochen und auch beschlossen hat.
Das, was uns hier vorgestellt worden ist, ist sehr moderat. Man fragt sich eigentlich, warum es eine so aufgeregte Diskussion über das gibt, was hier verkündet worden ist. Ich halte die vorgestellten Änderungen, nämlich Rücknahmen von Lockerungen, für sehr, sehr, sehr zurückhaltend. Schauen wir nur einmal ins europäische Ausland! Dann wissen wir, dass das, was wir hier machen, den Namen „Lockdown“ kaum verdient.
In Italien darf man am 25. und 26. Dezember, also am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag, seine Stadt oder Gemeinde nicht verlassen. Frankreich hat einen wirklichen Lockdown; dort müssen die Menschen einen besonderen Grund haben, um überhaupt ihre Wohnung zu verlassen, und dürfen sich zu Ausflügen eine Stunde oder 1 km von der Wohnung entfernen. In Österreich hat man jetzt die tägliche Ausgangssperre aufgehoben; es gibt nur noch eine nächtliche Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr.
Das sollte man immer im Hinterkopf behalten, wenn man über das redet, was wir hier machen, und wenn man den Teufel an die Wand malt und sagt: Hier ist allzu viel beschlossen worden; es sind zu viele Einschränkungen; es wird zu sehr in die Grundrechte eingegriffen.
Inhaltlich will ich zu den drei Punkten Folgendes sagen, damit Herr Birkner sieht, dass sich auch die die Regierung tragenden Fraktionen durchaus kritisch mit dem auseinandersetzen, was das Kabinett beschließt:
Ich persönlich habe beim Thema Weihnachten, ehrlich gesagt, noch ein bisschen Bauchschmerzen - das sage ich als guter Christenmensch -, wenn ich sehe: zehn Personen plus Kinder. Ja, ich weiß; das ist anders nicht durchsetzbar. Viele in meiner Fraktion finden das gut und richtig so. Ich sage ausdrücklich, dass dies eine Einzelmeinung ist. Aber das zeigt einfach, wie schwierig es auch bei diesem Thema ist, wirklich Lösungen zu finden, die konsensual sind. Ich persönlich hätte Weihnachten vielleicht sogar noch eine Einschränkung vorgenommen. Aber nun soll es so sein.
Ich finde - da spreche ich auch für die CDU-Fraktion - die darüber hinausgehende Regelung mit
den fünf Personen durchaus richtig, insbesondere für Silvester. Glücklicherweise unterscheidet sich das Weihnachtsfest vom Silvesterfest in Deutschland noch in weiten Teilen dadurch, dass Weihnachten weniger Alkohol getrunken wird. Insofern gibt es da wahrscheinlich einen guten Grund, dass man Silvester anders behandelt.
Nun komme ich zu den Schulen. Lieber Herr Birkner, um es gleich offen und deutlich zu sagen: Ich bin wirklich bemüht, einen fairen, sachlichen Debattenstil mit Ihnen zu praktizieren und, wenn wir ihn noch nicht gefunden haben, ihn zumindest in der Zukunft zu finden. Ich will Ihnen auch nicht absprechen, dass Sie von hehren Motiven getrieben sind. Aber Sie stellen sich hierhin und beklagen, dass eine Unsicherheit ins Land getragen wird, übersehen allerdings, dass Sie selbst derjenige sind, der diese Unsicherheit stets schürt.
Das ist einfach nicht real. Das kann nicht sein.
Herr Grascha, Sie schütteln den Kopf. Dann muss ich mich doch an Herrn Birkner wenden. Er ist Jurist und kennt die Corona-Verordnung. Wir beide wissen doch, dass diese Corona-Verordnung in Niedersachsen überhaupt nicht geändert werden muss, um das, was der Ministerpräsident gerade verkündet hat, durchzusetzen. Darin steht jetzt schon, dass Kinder vom Schulunterricht befreit werden können. Die Verordnung muss nicht einmal geändert werden.
Ich habe gerade noch einmal beim Kultusminister nachgefragt. Alle niedersächsischen Schulen sind bereits über das informiert worden, was hier geplant ist. Sie kennen auch die jetzigen Vorschriften, wie Kinder befreit werden können. Da gibt es keine Unsicherheit. Der Einzige, der Unsicherheit schürt, sind Sie von dieser Stelle aus.
Wenn wir richtigerweise immer wieder darauf hinweisen, dass Regeln akzeptiert werden sollen, dann ist es die vornehmste Aufgabe dieses Parlaments, dafür zu sorgen, dass solche Unsicherheiten nicht entstehen. Dieser Aufgabe entziehen Sie sich fortwährend.
Zum Thema Handel: Das ist ein schwieriges Thema. Es ist schwierig für die Betroffenen. Es ist schwierig für die Menschen, die dort arbeiten. Es ist schwierig für die Geschäftsinhaber. Ich halte es für wichtig, zu sagen: Ja, auch da ist es eben so, dass uns jetzt die verlässliche Strategie und Planung fehlt, weil wir nicht wissen, wie sich dieses Virus entwickeln wird, um in der jetzigen Situation eine richtige Entscheidung zu treffen.
Eines liegt mir dabei sehr am Herzen. Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen aufmerksam zugehört. Ich habe aber den Hinweis darauf vermisst, dass, wenn überhaupt über eine Schließung des Handels nachgedacht wird, die Produkte des täglichen Bedarfs, insbesondere Lebensmittel, davon ausgenommen worden sind.
Ich betone das an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich, weil ich weiß, welche Reaktionen in der Öffentlichkeit entstehen, wenn man solche Dinge nicht öffentlich anspricht. Dann wird nämlich plötzlich wieder das Toilettenpapier knapp, weil die Bevölkerung denkt, wir würden möglicherweise den Lebensmittelhandel und den Handel des täglichen Bedarfs schließen. Dann haben wir ein Problem. Deswegen lag mir daran, an dieser Stelle darauf hinzuweisen.
Liebe Frau Kollegin Hamburg, auch Ihnen möchte ich das seriöse Bemühen nicht absprechen.
Aber die Selbstgefälligkeit, mit der Sie sich hier hinstellen und eigentlich implizieren, dass Sie ja immer alles besser gewusst hätten, sich andere nur daran hätten halten müssen, ist schwer nachvollziehbar.
Sie stellen sich hier tatsächlich hin und sind so mutig, zu sagen, die Wissenschaft hätte schon vor Wochen gesagt, wie sich das alles entwickeln würde,
und daraufhin hätte man eine verlässliche Planung entwickeln können. Das ist doch wirklich irre! Wenn Sie heute mal gucken, ist die Wissenschaft nicht in der Lage, zu sagen, wie es weitergeht, und sie war es auch vor vier Wochen nicht, und sie wird es auch nicht sein.
Und, liebe Frau Kollegin, wenn Sie tatsächlich so genau wissen, wie es weitergeht, dann erklären Sie uns das doch bitte jetzt hier an dieser Stelle. Ich sehe, Sie werden gleich noch eine Wortmeldung abgeben. Ich warte voller Spannung darauf, was Sie uns sagen werden, wie es in 14 Tagen mit den Zahlen aussieht, dass Sie uns sagen, was wir mit dem Handel konkret machen sollen. Ob Sie sich dann aber auch wirklich im Januar-Plenum hinstellen und sagen können, Sie hätten recht gehabt? - Ich glaube, das wird Ihnen nicht möglich sein.
Und dann diese billige Forderung nach einer Strategie!
Die Strategie ist gefragt, eine nachhaltige Strategie ist gefragt. Aber sagen Sie uns doch einmal, wie Ihre Strategie aussieht! Diese Chance, Herr Birkner, haben Sie vertan. Sie haben sich hier eingangs hingestellt und Ihren Redebeitrag damit begonnen - - -
Sie haben sich hier hingestellt - - -
- Herr Birkner, hören Sie doch mal eine Sekunde zu, ohne mit sich selbst zu reden!
Passen Sie auf!
Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, Sie sind der Landesregierung dankbar, dass die Gelegenheit gegeben wird, dem Ministerpräsidenten mitzugeben, was er in die MPK am Sonntag - vermutlich am Sonntag - mitnehmen soll, und dass das, was auf der MPK besprochen wird, dann in der nächsten Woche im Sozialausschuss besprochen werden kann.
Da war ich voller Hoffnung. Da habe ich gedacht: Jetzt stellt sich Birkner hin und sagt: Herr Ministerpräsident, ich habe in der Zeitung gelesen, die MPK könnte möglicherweise über dieses reden, sie könnte über jenes reden, und ich gebe Ihnen seitens der FDP-Fraktion mit, setzen Sie bitte dieses und jenes, dies oder das durch. - Da ist nichts gekommen, nichts! Es kam wieder nur der Hinweis: Wir brauchen eine Strategie. Aber wie die aussieht, haben Sie immer noch nicht erklärt;
und zwar nicht mit Blick auf Ihren alten 18-PunktePlan, sondern auf das, was da aktuell am Sonntag besprochen werden soll.
Noch einmal zu Frau Hamburg, damit das nicht immer nur an der FDP hängen bleibt: Ihre Strategie - darauf ist von Frau Modder zu Recht hingewiesen worden - sah vor wenigen Tagen in der Tat noch so aus, dass wir das eine oder andere wieder öffnen sollen. Jetzt erklären Sie bitte, wenn Sie hierherkommen und feststellen, dass wir Lockerungen zurücknehmen: Halten Sie all das, was Sie seit Wochen an Lockerungen verkünden würden, weiterhin aufrecht, oder nehmen Sie davon Abstand, und, wenn ja, warum, oder weshalb nicht? Das möchte ich von Ihnen wissen.
Und erklären Sie mir bitte: Warum haben Sie, wenn Sie vor vier Wochen gewusst haben, wie sich die Entwicklung hier tatsächlich fortsetzen würde, dann zu diesem Zeitpunkt für die Öffnung von Museen gestritten, aber über Silvester kein Wort verloren? Denn jetzt sagen Sie, dass es richtig ist und man es vorher hätte wissen müssen.
Und, liebe Frau Hamburg, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, wir müssen über finanzielle Hilfen für die Betroffenen nachdenken, dann erwarte ich, wenn Sie in wenigen Minuten an diesen Platz zurückkehren, dass Sie jetzt gleich diesem Haus erklären, wie die finanziellen Hilfen für die Menschen aussehen sollen: in welcher Größenordnung, unter welchen Bedingungen, an welche Branchen. Das möchte ich hier von Ihnen hören!
Übrigens auch sehr schön: Herr Birkner - ich habe Ihnen wirklich sehr aufmerksam zugehört -, Sie beklagen einerseits, wir hätten keine Strategie, sagen dann aber - bestimmt nachher im Stenografischen Bericht nachzulesen -, die Strategie sei gescheitert. Was denn nun? Haben wir eine, oder haben wir keine?
Ich kann Ihnen die Strategie dieser Landesregierung, so wie ich sie verstanden habe, durchaus erklären, und das war von Anfang an eine ziemlich deutliche Strategie. Diese Strategie sieht wie folgt aus: Wir sehen zu, dass wir dieses Virus so weit im Griff behalten, dass unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird und weiterhin das machen kann, was es tun muss. Die Kollegin Modder hat zu Recht gesagt: Da geht es eben darum, Menschenleben zu schützen.
Und diese Strategie funktioniert. Es wird Tag für Tag schwerer, ja. Die Zahl der belegten Intensivbetten ist jetzt so hoch wie nie zuvor, aber noch haben wir welche. Das heißt, noch funktioniert diese Strategie. Aber dieser Regierung vorzuwerfen, dass sie in dieser schwierigen Situation nicht alles getan hätte, um auf die jetzige Entwicklung zurückzukehren, wo diese Strategie gerade im Gesundheitssystem wirklich super funktioniert hat, und dann gleichzeitig zu sagen, im Gesundheitssystem wäre das eine oder andere nicht richtig gemacht worden - wo ist eigentlich noch Ihre Bodenhaftung?
Ich habe heute Morgen mit der Region Hannover telefoniert und habe mir einmal schildern lassen, wie es da aussieht, Herr Birkner. Ich kann es Ihnen sagen: In den Gesundheitsämtern hier in der Region Hannover gibt es Bereiche, da haben früher zehn Leute gearbeitet. Da sitzen heute 500 und organisieren tatsächlich das, was wir hier beschließen, in der Praxis, und es funktioniert, und die haben Anerkennung verdient, und denen darf man nicht permanent sagen, dass dort angeblich das Chaos herrscht. Die machen eine verdammt gute Arbeit!
- Es funktioniert eben noch, und es funktioniert nicht super. Ich gebe auch zu: Es könnte vieles besser funktionieren, Herr Grascha. Aber genau das ist der Punkt: Da müssen wir zusammenhalten, sachlich diskutieren und keine Unsicherheit in die Gesellschaft tragen - eine Gesellschaft übrigens, die mit der Arbeit dieser Regierung wesentlich zufriedener ist als diese Opposition und die oftmals auch in eine ganz andere Richtung argumentiert. Das sollte Ihnen zu denken geben.
Ich erinnere mich noch an eine schöne Debatte in der vierten oder fünften Sitzung - oder in welcher Sitzung auch immer - zum Thema Corona. Lieber Herr Birkner, da haben wir über Umfragen gesprochen. Da waren Sie noch auf dem Trichter: Oh, es müsste eigentlich alles lockerer sein, bloß nicht so viele härtere Maßnahmen. - Ich habe Ihnen dann eine Umfrage vorgehalten und gesagt: Die Menschen draußen sagen Umfragen zufolge etwas ganz anderes. - Dann haben Sie gesagt: Na ja, weil sie es nicht besser wissen. - So ähnlich war die Äußerung.
Ich sage es mal so: Laut aktuellem Politbarometer, den Zahlen von heute Morgen, machen diejenigen, die unsere Corona-Maßnahmen für übertrieben halten, jetzt 13 % aus. Vorher waren es 17 %. Die Zahl derer, die sie für richtig halten, ist in der Tat von 50 % auf 35 % gesunken. Aber die Zahl derer, die härtere Maßnahmen wollen, ist um 18 % auf 49 % gestiegen. Die sind viel weiter, als Sie es sind. Die bestätigen den Kurs dieser Regierung, und wir als regierungstragende Fraktionen tun dies ebenfalls.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich im weitesten Sinne noch einmal etwas zum Haushalt sage, ein Wort an die Kollegin Hamburg: Ich habe seit dem 18. Lebensjahr den Führerschein. Bemerkungen über Zielgeraden und Blinken haben mich ein wenig in Versuchung geführt. Seitdem ich den Führerschein habe, kann man gelb blinken. Neuerdings kann man auch rot blinken. Gott sei Dank kann man niemals blau blinken. Und über grün blinken würde ich nachdenken.
- Mit dem Haushalt!
Ich starte mit dem, was ich zu Beginn meiner Haushaltsrede in der Generaldebatte schon gesagt habe. Das hört der Kollege Thiele zwar nicht gerne, aber jetzt muss er es noch einmal hören: Dieser Haushalt ist ein Corona-Haushalt. Und es kommt sogar noch schlimmer, lieber Ulf Thiele: Ich fürchte, dieser Haushalt wird nicht der letzte Corona-Haushalt sein.
Ich glaube schon - da muss ich der Kollegin Hamburg recht geben, auch wenn ich mich dem Wunschzettel, der zur Weihnachtszeit zwar irgendwie passend, aber, wie ich finde, dann doch etwas zu füllig war, nicht anschließen möchte -, dass wir im kommenden Jahr über weitere Finanz
hilfen zur Stärkung unserer Wirtschaft werden reden müssen. Wir werden darüber reden müssen, wie wir soziale Härten, die wir vielleicht alle noch gar nicht vorhersehen können, abmildern können. Wir werden darüber nachdenken müssen, wie wir Menschen im Bereich der Gastronomie, im Bereich der Kultur und anderswo helfen können. Wir werden zusätzliche Finanzmittel brauchen.
Deswegen ist es klug, jetzt richtig zu investieren, damit der Schaden eben nicht allzu groß wird, und es ist klug, Geld zurückzubehalten, damit man später tatsächlich noch helfen kann. Dem schließe ich mich ausdrücklich an.
Ich muss aber auch dem Kollegen Birkner recht geben, wenn er sagt, dass man bei alledem aber nicht den sorgsamen Umgang mit Haushaltsmitteln vergessen darf. Das ist durchaus richtig.
Um die Eigenständigkeit meiner Fraktion an dieser Stelle zu betonen - ich hatte das, glaube ich, auch bereits in meiner Rede zur Einbringung des Haushalts bzw. in der Generaldebatte gesagt -: Wir haben da in der Tat eine unterschiedliche DNA. Da kommen wir aus unterschiedlichen Richtungen.
Ganz besonders deutlich geworden ist mir das am Dienstag, als der Deutsche Gewerkschaftsbund zusammen mit anderen Gewerkschaften vor dem Landtag stand und die Mitglieder sagten, was sie an unserem Haushalt kritisieren. Neben mir stand der Finanzminister - der jetzt zwar die Schulden aufnimmt, Herr Birkner, aber dafür natürlich nicht allein verantwortlich ist. Das muss man ganz ehrlich sagen.
- Ich hatte es so verstanden.
- Nein, da gebe ich Ihnen recht. Das fällt im Moment aber auch ziemlich schwer.
Als Herr Payandeh vom DGB zu unserem Finanzminister sagte: „Nehmen Sie doch jetzt das Geld, so billig kriegen Sie es nie wieder“, sah ich Reinhold Hilbers an und merkte richtig, wie fassungslos er war. Er wusste zunächst nicht, was er sagen sollte, überlegte kurz und sagte dann das, was man als guter Finanzminister sagt.
Herr Payandeh hat mit dem, was er sagt, natürlich recht. Aber jeder von uns, der Schulden aufnimmt, weiß doch auch, dass man, wenn man in einer Zeit
niedriger Zinsen Geld aufnimmt und Schulden macht, zusehen sollte, dass man dieses Geld auch noch in der garantierten oder zu erwartenden Niedrigzinsphase zurückzahlen kann. Wer das nicht macht, der handelt in der Tat unverantwortlich. Und deswegen ist es auch klug, sich jetzt nicht über Gebühr weiter zu verschulden.
Man muss also einen Mittelweg suchen, und aufgrund unserer unterschiedlichen DNA ist es uns auch gelungen, diesen Mittelweg zu finden. Herausgekommen ist das, was der Kollege Thiele richtigerweise einen „Haushalt der Stabilität“ nennt, der, wie ich finde, auch eine breite Zustimmung in diesem Parlament verdient.
An dieser Stelle könnte ich jetzt eigentlich Schluss machen, weil zu allen Einzelplänen wirklich engagiert gestritten worden ist. Aber ich kann es Ihnen nicht ersparen, noch zwei Dinge anzusprechen, die im weitesten Sinne auch mit dem Haushalt zu tun haben.
Weil auch ich ein überzeugter Parlamentarier bin, Kollege Birkner, mache ich mir natürlich auch Gedanken über die Funktion dieses Parlaments. Dieses Parlament hat die Funktion, Gesetze zu beschließen und die Regierung zu kontrollieren. Aber es hat eben auch eine Funktion, die Juristen gerne als Transparenzfunktion bezeichnen. Dabei geht es darum, die unterschiedlichen Positionen nach draußen transparent zu machen: Was meint der eine, was meint der andere? Es geht darum, zuzuspitzen, um den Wählern die Wahlentscheidung zu erleichtern. Dafür braucht man eine gewisse Öffentlichkeit. Nun ist hier zwar engagiert gestritten worden, aber man muss auch selbstkritisch feststellen, dass von dem gestrigen Plenartag in den klassischen Printmedien sowie im Fernsehen in Niedersachsen nicht eine einzige Zeile zu lesen oder zu hören war. Insofern müssen wir uns doch die Frage stellen: Was läuft da eigentlich falsch?
Wie gesagt, das ist keine Kritik an unserer Arbeit. Wir alle waren engagiert dabei. Aber offensichtlich muss sich dieses Parlament doch einmal fragen, welchen Sinn es hat, dass wir einen Tag in einer gewohnten Weise hier streiten, diskutieren und einen Einzelplan nach dem nächsten mit engagierten Wortbeiträgen beraten, wenn das draußen überhaupt keine Erwähnung findet. Sie können das alle nachlesen. Die Pressespiegel sind ja da. Da ist nichts, absolut nichts.
Das liegt vielleicht auch an Corona, aber eben nicht nur. Deshalb fordere ich dieses Parlament auf, einmal darüber nachzudenken, was wir anders machen könnten, damit das, was wir hier so engagiert diskutieren, draußen mehr Erwähnung und mehr Interesse findet. Ich kann sagen, in den Medien, die mein 18-jähriger Sohn gebraucht, findet das schon lange keine Erwähnung.
Ein Allerletztes: Corona macht das Geld knapp, und wenn Corona noch länger andauert, wird das Geld noch knapper werden. Ich will hier noch eine Botschaft platzieren, weil ich meine, dass wir in der ganzen Corona-Debatte eine Chance vertan haben. Wir hätten es ansprechen müssen, weil das Parlament an dieser Stelle gefordert ist, eine Strategie zu entwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir reden in diesem Hause zwar immer über die CoronaVerordnung, aber worüber wir relativ wenig reden, ist das Thema Impfen. Sicherlich, es gibt die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, und die kommen dem sehr nahe, was die FDP vertritt: die vulnerablen Gruppen zuerst, und dann geht es in einer relativ differenzierten Art und Weise weiter. Aber neben diesen Empfehlungen gibt es nicht viel anderes.
Diese Empfehlungen wurden ja veröffentlicht, und wenn man einmal schaut, welche Stellungnahmen es zu diesen Empfehlungen gibt, dann ahnt man, wie die Diskussion laufen wird. Als Erstes kam die Justizministerkonferenz und sagte, man müsse auch das Justizpersonal impfen. Dann kam der Philologenverband und sagte, man müsse auch an die Schulen denken. Weitere werden folgen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich warne davor, dass wir diese Debatte verpassen. Dieses Thema wird uns in den nächsten Wochen und Monaten in einer Weise beschäftigen, wie wir es von der Corona-Verordnung kennen, nämlich hochemotional und als Gerechtigkeitsdebatte geführt.
Ich habe mir sagen lassen, dass die Impfzentren im Lande im Wesentlichen vorbereitet sind. Aber stellen wir uns bitte einmal vor, wie das praktisch laufen soll. Wir wissen, dass die, die 75 Jahre oder älter sind, zuerst drankommen sollen. Aber wie werden die eigentlich informiert? Wie werden die zu den Impfzentren geschafft? Was passiert, wenn eine mobile Impfeinheit in einem Altenheim von Tür zu Tür geht und sagt: „Heute sind die 75Jährigen dran, du hast erst nächste Woche Geburtstag, dich lassen wir aus“?
Ich warne davor, dass wir hier im Landtag eine Gerechtigkeitsdebatte bekommen. Im Netzt tobt sie bereits gewaltig, genauso wie die Debatte über die Frage, wie man die Geimpften und die Ungeimpften behandelt: Werden die möglicherweise differenziert betrachtet?
Ich fordere uns alle auf, auch diese Debatte in sachlicher Weise zu führen; denn hier sind wir jetzt wirklich alle mal gefordert und haben auch alle die Chance, an einer Strategie mitzuwirken. Das möchte ich dem Ministerpräsidenten auch für die MPK mitgeben. Lieber Herr Ministerpräsident, ich würde mich freuen, wenn ich am nächsten Sonntag aus der MPK höre, dass man sich vertiefte Gedanken darüber gemacht hat, dass man über diese Empfehlung der Ständigen Impfkommission tatsächlich zu einem Beschluss kommt und dass man wirklich festlegt, wer wie in diesem Lande und in welcher Reihenfolge geimpft werden soll.
Zum Schluss: Auch ich wünsche dem Hohen Hause eine besinnliche Weihnachtszeit. Zumindest meiner Fraktion glaube ich auch, ein Weihnachtsgeschenk mit auf den Weg geben zu können; da ist es noch nicht vollständig kommuniziert. Ich habe eben mit der Opposition - nicht mit Julia Hamburg, aber zumindest mit Stefan Birkner - gesprochen, wie es denn mit der Sondersitzung ist; denn das hat sehr viele aus meiner Fraktion bewegt. Stefan Birkner hat mir gesagt - das darf ich hoffentlich jetzt so sagen, sonst muss er mich gleich stoppen -, dass aus Sicht der FDP-Fraktion in der nächsten Woche keine Sondersitzung stattfinden muss.
Ich finde, das ist ein schönes Weihnachtsgeschenk. Nutzen wir alle die Zeit für unsere Familien, für die Vorbereitung der Weihnachtsgeschenke und hoffen wir, dass 2021 tatsächlich besser wird als 2020.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Hilbers, vielen herzlichen Dank für diese Unterrichtung.
Das ist ein wichtiger Schritt für die Messe AG, für das Land Niedersachsen, für die Region Hannover, aber insbesondere für die Beschäftigten der Deutschen Messe AG. Herzlichen Glückwunsch! Die CDU-Fraktion freut sich - ebenso wie sicherlich die SPD-Fraktion - über dieses Verhandlungsergebnis.
Ohne bereits alle Details in Gänze nachvollziehen zu können - verstanden habe ich sie wohl, aber man muss das sicherlich noch etwas genauer analysieren -, halte ich fest, dass es dem Vorstand gelungen ist, eine Einigung mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu finden, um die Kostenstrukturen der Deutschen Messe AG den veränderten gesellschaftlichen und ökonomischen Realitäten anzupassen. Dazu kann man nur sagen: Es ist gut, dass das Ganze offensichtlich sozialverträglich stattfinden wird; denn andernfalls hätten weder die IG Metall noch der Betriebsrat diese Regelungen abgenickt.
Herr Minister, Sie sagten, das Unternehmen müsse ausreichend kapitalisiert werden. Ich habe hier gestern über Kapitalerhöhungen gesprochen. Die CDU-Fraktion erklärt an dieser Stelle: Wir werden uns einer ausreichenden Kapitalisierung des Unternehmens, so sie denn geleistet werden kann, sicherlich nicht entgegenstellen; denn offensichtlich wird diese Kapitalisierung erstmalig dazu verwendet, die Kostenstrukturen des Unternehmens in der Weise anzupassen, die wir immer gefordert haben - es handelt sich also um ein Novum.
Auch soll dies - wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Minister - in der Weise geschehen, über die Herr Wenzel und ich gestern - zugegebenermaßen mit unterschiedlichen Standpunkten - diskutiert haben. Herr Wenzel, ich bin nicht rechthaberisch.
Es würde auch an der Sache vorbeigehen. Aber wir sprachen gestern über die Frage: Soll die Messe AG sich künftig auf ihr originäres Geschäft konzentrieren, oder soll sie gewisse Dinge fremdvergeben; kann man das tun? - Wir haben gesagt: Wir möchten eigentlich nicht, dass Bäcker, Köche und solche Beschäftigten, die nicht im originären Messegeschäft tätig sind, weiterhin nach den hohen IG-Metall-Tarifen des Messegeschäfts bezahlt werden.
Offensichtlich - so habe ich Sie verstanden, Herr Minister - wird das künftig nicht mehr der Fall sein. Wenn jetzt Gelder verwendet werden, um das mit Blick auf die Beschäftigten sozial abzufedern, dann kann man sich dem nicht widersetzen, dann ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Wir müssen, wie gesagt, viele Details noch genauer prüfen, bevor wir uns zu ihnen äußern können. Ich stelle aber eines schon vorab fest: Damit ist das Ganze natürlich nicht erledigt.
Wir gehen davon aus, dass diese weitere Kapitalisierung des Unternehmens tatsächlich die letzte ist und dass auch das Unternehmen in der Folge seine Hausaufgaben macht. Und es gibt noch viele Dinge zu tun.
Diese Messe muss sich auf ein anderes Messegeschäft vorbereiten - Stichwort „Digitalisierung“. Ich habe gestern gesagt: Die Zeiten, in denen man sich ins Flugzeug setzt und um die halbe Welt fliegt, um sich Produkte anzuschauen, sind wahrscheinlich größtenteils vorbei. - Ich nehme an, eine
schöne Messe wie die - auch bei mir beliebte - Pferd & Jagd kann weiterhin so stattfinden, wie es bisher der Fall war. Aber schon bei der Hannover Messe wird es sicherlich ein wenig anders sein.
Man muss sich auch Gedanken darüber machen, wie das Auslandsgeschäft künftig stattfinden kann und ob man dort - vielleicht auch auf andere Weise - Geld verdienen kann.
Herr Birkner hatte mir gestern eine Frage zum Messegelände gestellt. Ja, auch über das Messegelände muss man reden. Denn wenn die CeBIT nicht mehr stattfindet und einige ältere Hallen auf dem Messegelände möglicherweise nicht mehr gebraucht werden, dann muss man überlegen, was mit ihnen passieren soll.
Sicherlich können wir nicht tun, was beispielsweise Bayern derzeit tut: Bayern hat die Nürnberger Messe mit Eigenkapital in Höhe von 500 Millionen Euro über acht Jahre ausgestattet. Damit werden wir nicht konkurrieren können. Wir werden es nicht mit Geld machen können, sondern uns diesem Geschäft mit Know-how stellen müssen.
Für heute aber stelle ich zunächst einmal fest: Was unseren beiden Ministern, den Aufsichtsratsmitgliedern Althusmann und Hilbers, gelungen ist - gestern war ich mir noch nicht ganz sicher, ob es gelingen würde -, war wirklich ein Husarenstück. Ich kann Ihnen nur sagen: Da haben Sie für die Messe, ihre Beschäftigten und das Land Niedersachsen wirklich etwas Gutes getan. Hierzu meinen herzlichen Glückwunsch!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Birkner, mein Einstieg wird Sie freuen: Was an diesem Haushalt als Allererstes auffällt, ist aus Sicht der Unionsfraktion in der Tat die enorme
Neuverschuldung. Es ist eine notwendige Neuverschuldung, aber eine Verschuldung, die uns trotzdem mit großer Sorge erfüllt. Dies gilt übrigens auch für den Haushalt des Bundes.
Die enormen finanziellen Anstrengungen des Landes sind aber notwendig, wenn wir einigermaßen unbeschadet durch die aktuelle Krise kommen wollen. Der Haushalt 2021 ist und bleibt ein Corona-Haushalt, auch wenn mein Kollege Thiele das nicht so gerne hört. Und so kommen wir auch am Thema Corona nicht vorbei - dies auch deshalb, weil die Pandemie noch lange nicht zu Ende ist, auch wenn einige dies bestreiten.
Wir haben hier vieles zum Thema Pandemie gehört. Einer der absoluten Höhepunkte jedoch findet sich im Protokoll der Plenarsitzung am 7. Oktober 2020 auf Seite 8252. Dort kann man einen Redebeitrag des Kollegen Stephan Bothe, vormals AfDFraktion, nachlesen. Der Kollege sinniert zunächst über Grippeerkrankungen und Sterbequoten, um dann zu folgender Feststellung zu gelangen: „Das bedeutet, dass wir anerkennen müssen, dass die Pandemie vorbei ist“. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gäbe es einen Preis für den dümmsten Redebeitrag des laufenden Jahres, diese Aussage wäre mit Sicherheit preisverdächtig.
Herr Kollege Bothe, machen Sie bitte so weiter! Erklären Sie den Erkrankten und ihren Pflegekräften und Ärzten, insbesondere auch den Menschen im Ausland, wo die Zahlen noch weitaus dramatischer sind als bei uns, und all denen, die hautnah unter dieser Pandemie leiden, dass sie sich all das Leid, das sie erfahren, lediglich einbilden! Herr Kollege, Sie können uns keinen größeren Gefallen tun. Was auch immer wir getan haben, um Sie und Ihren Verein zu entzaubern - Sie können es viel besser.
Während Sie die Menschen mit Ihren Verschwörungstheorien und Fake News beglücken, werden wir hier weiterhin gemeinsam daran arbeiten, den Folgen der Pandemie zu begegnen - in wirtschaftlicher, finanzieller, aber auch in sozialer und menschlicher Hinsicht.
Die Pandemie hat diesen Landtag nicht nur als Haushaltsgesetzgeber gefordert, sie wirft auch die Frage auf - es wurde bereits richtigerweise darauf hingewiesen -, wie es in diesem Land künftig wei
tergeht: so wie bisher oder doch irgendwie anders?
Uns stellen sich sowohl ökonomische als auch gesellschaftliche Herausforderungen. Ich will dies anhand einiger Schlüsselbereiche deutlich machen, ohne deren Wirtschaftskraft wir die zur Erfüllung staatlicher Aufgaben benötigen Steuermittel nicht erzielen werden.
Niedersachsen ist Tourismusland - nicht nur deshalb, weil wir in unserem Land Jahr für Jahr Millionen von Gästen begrüßen. Niedersachsen ist die Heimat des größten Reisekonzerns der Welt. Niedersachsen ist die Heimat einer der - ebenfalls weltweit - erfolgreichsten Kreuzfahrtschiffwerften. Niedersachsen verfügt über einen exzellenten Großflughafen.
Daher ist es richtig, dass diese Landesregierung alles tut, um die Tourismuswirtschaft in Niedersachsen auch in diesen Zeiten, in denen eigentlich gar kein Tourismus stattfinden kann, am Leben zu halten,
weil wir wissen, dass die Pandemie vorbeigehen wird und dann auch in dieser Branche die Gelder verdient werden, ohne die wir die enormen Schulden, die wir jetzt aufgenommen haben, niemals werden zurückzahlen können.
Lieber Herr Kollege Grascha, ich schätze Sie als einen nicht nur anständigen, sondern auch wirklich klugen Politiker. Aber was Sie über mögliche Staatshilfen zur Rettung unserer TUI gesagt haben - die Kollegin Hamburg hat es im Wesentlichen bestätigt -, das kann ich bei aller Anstrengung nicht nachvollziehen.
Sie halten eine solche Hilfe - so kann man es nachlesen - für „unverantwortlich“.
Ich hingegen halte es für unverantwortlich, ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell bis zum Beginn der Pandemie tadellos funktioniert
und in erheblichem Maße zur Wirtschaftskraft und zum Steueraufkommen beigetragen hat, einfach so in den Abgrund gleiten zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen Unternehmen wie die TUI, um aus der Krise heraus neu starten zu können. Wir brauchen solche Unternehmen auch, um die jetzige Verschuldung zurückzuführen.
Natürlich ist die TUI auch als wichtiger Auftraggeber einer der letzten Perlen der deutschen Werftindustrie gefragt. Auch wenn die fraglichen Kreuzfahrtschiffe in der Vergangenheit nicht am heimischen Standort in Papenburg gefertigt wurden, sind diese Aufträge für den Erhalt niedersächsischer Arbeitsplätze von enormer Bedeutung.
Das Thema Kreuzfahrtschiffe steht aber auch als Beispiel dafür, dass uns die Pandemie nicht nur mit ökonomischen Fragen konfrontiert. Natürlich muss man in jedem von der Pandemie betroffenen Wirtschaftsbereich auch die Frage stellen, ob das alte Geschäftsmodell noch nachhaltig ist
und ob die jetzige Krise Chancen bietet, diese Geschäftsmodelle an eine gesellschaftliche Entwicklung anzupassen, die nicht nur auf ökonomischen Erfolg, sondern auch immer mehr auf Umwelt-, Klima- und Ressourcenschonung abstellt.
- Sie hätten ja klatschen können, Frau Kollegin!
Bleiben wir beim Tourismus, und reden wir über die Zukunft des einzigen niedersächsischen Großflughafens, des Flughafens Hannover-Langenhagen! Um es von Anfang an ganz unmissverständlich klarzustellen: Die CDU-Fraktion bekennt sich zu diesem Flughafen. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass unserem Flughafen in dieser Zeit durch eine Landesbürgschaft geholfen wird. Wir wollen den Menschen in diesem Land auch zukünftig Flugreisen ermöglichen, und zwar Flugreisen ab Hannover. Wir sind sicher, dass es unserem Flug
hafen zeitnah gelingen wird, wieder durchzustarten.
Trotzdem ist die Frage erlaubt, ob das Geschäftsmodell unseres Flughafens Veränderungen erfahren kann. Dieses Geschäftsmodell beruht in weiten Teilen auf einer sehr seltenen Eigenschaft - man kann schon fast sagen: Alleinstellungsmerkmal - dieses Airports, nämlich seiner Nachtflugerlaubnis, die im Jahr 1952 aufgrund der strategischen Lage des Flughafens im Luftkorridor nach Berlin erteilt wurde. Sie wurde nicht erteilt, damit Fluggesellschaften in der Sommerzeit extrem kostengünstige Nachtflüge zum Discountpreis anbieten können.
Niemand will diese Nachtflüge in Gänze verbieten. Aber es kann nicht richtig sein, dass unser Flughafen nur noch dadurch Geld verdient, dass diese Nachtflüge immer mehr ausgeweitet werden. Die Zahl aller Flugbewegungen ist in der Zeit von 2003 bis 2018 von 77 000 auf 63 000 gesunken. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Nachtflüge von 10 000 auf 15 000.
Meine Damen und Herren, hier ist in erster Linie der Bundesverkehrsminister gefordert, endlich ein nationales Flugverkehrskonzept zu entwickeln, da der Betrieb zahlreicher dauerhaft subventionierter Regionalflughäfen den ruinösen Wettbewerb unter den Großflughäfen ständig befeuert, weshalb man von und nach Hannover auch in der Nacht fliegen muss.
Auch die Zukunft einer anderen Landesbeteiligung - auch diese haben Sie angesprochen - wird durch aktuelle Nachhaltigkeitsdebatten beeinflusst. Ich spreche vom VW-Konzern, einem Unternehmen, ohne das eine Wiederbelebung der Konjunktur in Niedersachsen kaum denkbar ist,
einem Unternehmen, das glücklicherweise trotz Corona-Krise weiterhin Gewinne erzielt, einem Unternehmen, das daher auch auf staatliche Stützungsmaßnahmen verzichten konnte.
Dennoch ist der Erfolg dieser niedersächsischen Cash Cow nicht gottgegeben und keineswegs selbstverständlich. Trotz der Erkenntnis, dass die Wende in Richtung E-Mobilität kommen muss: Vorsicht an der Bahnsteigkante! - Die derzeit vom Bund gezahlte Mobilitätsprämie ist ein wichtiger Beitrag zum Umbau auch dieses Unternehmens.
Aber dennoch darf man doch fragen, ob wir nicht langsam über das Ziel hinausschießen.
Aktuell können gar nicht so viele E-Autos gebaut werden, wie man verkaufen könnte. Im VWKonzern sind einzelne Modelle aufgrund dieser Situation gar nicht mehr bestellbar - mit der Folge, dass viele Nutzer von alten Verbrennern diese einfach weiternutzen.
Vielleicht wäre es sinnvoll, doch einmal darüber nachzudenken, das Prämiensystem ein wenig umzubauen und auch den Kauf neuester, moderner Modelle mit Verbrennungsmotor zu bezuschussen, anstatt die Prämien für E-Autos immer weiter aufzustocken.
Die Steuern zahlenden Beschäftigten in den niedersächsischen VW-Werken und auch in zahlreichen Zulieferbetrieben würden dies sicherlich danken.
Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft gilt es auch in einem anderen Industriebereich zu erhalten. Auch dieser Bereich - ihn haben Sie ebenfalls angesprochen - ist von der Diskussion um Klima- und Umweltschutz in besonderer Weise betroffen: Ich spreche von der Salzgitter AG, die - gemessen an ihrer Wertschöpfung - eines der fünf größten Unternehmen in Niedersaschen ist. Sie ist ein Unternehmen, das sich gerade leider - hoffentlich nur vorübergehend - in einer Talsohle befindet.
Die Produktion von Stahlerzeugnissen war schon vor der Pandemie kein einfaches Geschäftsmodell. Mit der Pandemie ist das nicht besser geworden - und dies in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem so mancher die Schwerindustrie am liebsten ganz aus Deutschland verbannen will.
Wir hingegen wollen auch künftig eine Stahlindustrie in Deutschland und auch in Niedersachsen. Und wir werden um diese wichtige Stütze unserer Wirtschaft gegen alle Widerstände kämpfen - auch gegen die durch jene, die der irrwitzigen Meinung sind, dass Stahl in anderen Teilen der Welt klimaschonender produziert werden könne.
Deutsche Stahlwerke gehören zu den modernsten und damit saubersten Anlagen weltweit. Und mit der Förderung von Wasserstofftechnologie werden
wir sie in Salzgitter noch sauberer und damit besser machen.
Die Landesmittel der Salzgitter-Strukturhilfe für den Wasserstoff-Campus in Salzgitter waren ein Schritt in die richtige Richtung.
Neben den Großen der niedersächsischen Wirtschaft müssen wir auch an die vielen Kleinen denken, die zum Steueraufkommen in unserem Bundesland beitragen. Ich könnte viele nennen, dieser Tage denke ich aber an den niedersächsischen Einzelhandel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch der Handel in unseren Innenstädten hat in der Vergangenheit zum Steueraufkommen beigetragen, und er soll dies auch weiterhin tun. Nicht nur deshalb verdient er unsere Hilfe. Ohne die inhabergeführten Geschäfte werden unsere Städte ärmer, sie werden anonym, und sie werden auch sozial kälter.
Auch wenn schon viel getan wurde, warne ich: Jedes inhabergeführte Geschäft, das uns jetzt verloren geht, werden wir nie wiedersehen! Die Folgen werden nicht nur für die Wirtschaftskraft und das Steueraufkommen gravierend sein.
In diesem Zusammenhang will ich auf eine letzte Landesbeteiligung zu sprechen kommen: auf die an der Deutschen Messe AG. Lieber Kollege Birkner, ich bin als derjenige Abgeordnete, in dessen Wahlkreis sich das Gelände der Deutsche Messe AG befindet, gefragt worden, wie man mit solchen Flächen, die nicht mehr benötigt werden, verfahren könnte.
Sie wissen, wir haben die CeBIT als wichtige Leitmesse mittlerweile verloren, und tatsächlich gibt es deshalb nun einige Hallen, die nicht genutzt werden. Ich fand es seriös, auf eine entsprechende Frage zu antworten, dass man diese Flächen auch anders nutzen kann. Auf die Frage, ob man sie auch für Wohnnutzung gebrauchen könnte, habe ich wahrheitsgemäß mit Ja geantwortet. Es ist meine Art von Seriosität, eine solche Frage offen zu beantworten.
Ich will Ihnen sagen, die Deutsche Messe AG hat eine lange und ruhmreiche Geschichte. Der indust
rielle Wiederaufbau der jungen Bundesrepublik Deutschland ist eng mit der Hannover Messe verbunden. Und nicht nur das, auch der Beginn der dritten Industriellen Revolution, ist ohne den Beitrag der Deutsche Messe AG hier aus Niedersachsen - namentlich der CeBIT - kaum denkbar.
Beides - der Beitrag zum Wiederaufbau unseres Landes wie der Beitrag zur dritten Industriellen Revolution - sind wichtige Teile niedersächsischer Geschichte. Umso mehr müssen wir aufpassen, dass die Messegesellschaft nicht selbst Geschichte wird, das ist richtig!
Das Messegeschäft hat nämlich eines mit dem Stahlgeschäft gemeinsam: Schon vor Corona war es nicht einfach, und mit der Pandemie ist es nun wirklich schwer geworden. Denn es findet aktuell nicht statt, und niemand weiß, wann und wie es wieder stattfinden wird. Vorstand und Betriebsrat versuchen in diesen Tagen und Stunden, den Fortbestand des Unternehmens sicherzustellen, und verhandeln über notwendige Anpassungen des Geschäftsmodells - bislang leider noch ohne abschließendes Ergebnis; das ist richtig gesagt worden.
Ich will Ihnen sagen, was die CDU-Fraktion will. Die CDU-Fraktion will die Deutsche Messe AG als bedeutende Landesbeteiligung erhalten, na klar! Das Unternehmen ist ein wichtiger Leuchtturm niedersächsischer Wirtschaftspolitik! Viele Verantwortliche in der Welt kennen unser Bundesland nur deshalb, weil sie eine der hiesigen Messen besucht haben. Die Deutsche Messe AG ist quasi die Auslandsabteilung - oder lassen Sie mich sagen: die Botschaft - unseres Landes.
Die Zeiten haben sich aber auch unabhängig von der Pandemie verändert. Man muss heute nicht mehr mit dem Flugzeug um die halbe Welt reisen, um Produkte zu betrachten und Geschäftskontakte zu pflegen. Die Deutsche Messe AG muss ihr Geschäftsmodell entsprechend anpassen! Die Sicherheit der Arbeitsplätze ihrer Beschäftigten muss dabei erhalten bleiben, ganz klar! Das setzt aber auch voraus, dass die Beschäftigten einen Beitrag für den Erhalt dieser Arbeitsplätze leisten.
Im Ziel sind sich die Koalitionspartner dabei einig, im Detail setzen wir durchaus unterschiedliche Schwerpunkte. Die SPD sorgt sich, dass die Arbeitnehmerrechte unter dem Vorwand der Pandemie beschnitten werden könnten, beispielsweise durch Outsourcing von Unternehmensteilen. Das ist legitim! In meiner Fraktion sorgt man sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Wir
fragen uns deshalb, ob es noch zeitgemäß ist, die Mitarbeiter, die nicht originär im Messegeschäft tätig sind - also beispielsweise Bäcker, Köche und Gärtner -, nach dem in der Deutsche Messe AG üblichen Metall-Tarif zu bezahlen. Wir sind der Meinung, dass dies für eine zukunftssichere Messegesellschaft nicht mehr tragbar ist!
Wie auch immer die Einigung aussehen wird, eines ist uns klar: Wir werden dieses Problem jedenfalls nicht durch immer neue Kapitalerhöhungen des Unternehmens lösen können! Ich weiß sehr gut, welche Bedeutung die Deutsche Messe AG neben den genannten Punkten auch für die Binnenkonjunktur der Region Hannover - insbesondere für Hotellerie und Gastgewerbe - hat. Aber auch aus Rücksicht auf andere Teile Niedersachsens können wir nicht verantworten, dass diese Binnenkonjunktur in der Region Hannover dauerhaft durch Landesgelder am Leben erhalten wird. Und das sage ich als der zuständige Wahlkreisabgeordnete!
Ich habe die Problematik rund um die Deutsche Messe AG ganz bewusst an den Schluss dieses Beitrags gesetzt, weil an ihr deutlich wird, dass diese Große Koalition noch immer gut funktioniert - und dies, obwohl SPD und CDU oft unterschiedliche Akzente setzen: Arbeitnehmersolidarität hier, ökonomische Betrachtung dort, Verteidigung der Schuldenbremse und Sorge um die finanzielle Solidität auf der einen Seite, die Angst davor, an der falschen Stelle auf staatliche Investitionen zu verzichten, auf der anderen Seite. Wir nähern uns den aktuellen Problemen tatsächlich oft von verschiedenen Seiten. Und wir erreichen für das Land trotzdem gute Ergebnisse - vielleicht sogar deshalb. Denn Tunnelblick und Rechthaberei sind selten gute Ratgeber.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, lasst uns die Zusammenarbeit auch in Zukunft genauso fortsetzen! Ihnen und euch vielen Dank, insbesondere dir, liebe Hanne Modder; es war ein gutes Jahr.
Vielen Dank.
Für mich war es, Herr Präsident, gänzlich ungewöhnlich, dass der Finanzminister seine Redezeit überzieht, sodass ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, um zusätzliche Redezeit bitten zu können.
Lieber Kollege Wenzel, ich will Ihnen mal kurz vorlesen, was ich gesagt habe. Dieses Mal müssten Sie, bitte, zuhören. Ich habe wortwörtlich gesagt:
„Die SPD sorgt sich, dass Arbeitnehmerrechte unter dem Vorwand der Pandemie beschnitten werden könnten, beispielsweise durch Outsourcing von Unternehmensteilen. Das ist legitim! In meiner Fraktion sorgt man sich um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Wir fragen uns deshalb, ob es noch zeitgemäß ist, die Mitarbeiter, die nicht originär im Messegeschäft tätig sind - also beispielsweise Bäcker, Köche und Gärtner -, nach dem in der Deutschen Messe AG üblichen Metalltarif zu bezahlen.“
Wo bitte habe ich gesagt, dass diese Messegesellschaft keine Tochtergesellschaft braucht, die Catering und das macht, was sie derzeit tut? Das haben Sie mit Sicherheit richtig verstanden. Aber Sie behaupten Dinge, die so nie gesagt worden sind, und versuchen damit, einen Keil zu treiben.
Und, ganz ehrlich: Wahrscheinlich können Sie das auch gar nicht outsourcen, weil die in der Tat 30 % mehr verdienen als jeder Beschäftigte in der Gast
ronomie draußen und niemand sie für diese Löhne haben will. So viel verstehe ich vom Arbeitsrecht.
Vom Messegeschäft, lieber Herr Wenzel, verstehe ich auch eine ganze Menge, weil ich dem Beirat dieses Unternehmens lange Zeit angehört habe. Daher weiß ich, dass die CEBIT völlig am Ende war, als diese Regierung an den Start gegangen ist. Es war nicht dieser Wirtschaftsminister, der die CEBIT heruntergewirtschaftet hat. Er hat sie eingestellt oder daran mitgewirkt, um größeren Schaden von der Gesellschaft zu nehmen. Das ist die Wahrheit!
Ich möchte Ihnen zum Messegeschäft noch etwas sagen. Die Hannover Messe konkurriert mit sechs anderen großen Messen in Deutschland. Sie ist die einzige Messe, die diese exorbitanten Löhne nach Metalltarif zahlt - die einzige! Keine andere Gesellschaft tut das. Und sie tut das in einem Umfeld, das schwer genug für sie ist. Andere Messegesellschaften sind nämlich deshalb besser aufgestellt, weil sie die Unternehmen, die dort ausstellen, quasi vor der Haustür haben.
Wenn Sie in Stuttgart mal eine Messe besuchen - und ich lade Sie dazu ein -, dann werden Sie sehen, dass da mittelständische Unternehmen sind, die direkt vor der Haustür produzieren, während wir bei uns den Nachteil haben, dass sie von weiter Ferne herkommen müssen.
Deswegen muss jeder, der dieser Messegesellschaft etwas Gutes tun will, dafür sorgen, dass sie nicht mehr Gehälter und Löhne bezahlen muss, als es die anderen Gesellschaften tun. Nur so können Sie diese Messegesellschaft retten, mit allen Beschäftigten. Das ist hier der Punkt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit zwei Zitaten:
„Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen. Ich kann es nie begreifen, und ich finde es entsetzlich.“
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den Ihr um Euer Herz gelegt! Entscheidet Euch, eh‘ es zu spät ist!“
Diese Sätze - es wurde eben schon bemerkt - stammen von Sophie Scholl, der jungen Widerstandskämpferin, die gemeinsam mit ihrem Bruder Hans und anderen Mitgliedern der Weißen Rose den Nationalsozialisten die Stirn bot und dafür mit ihrem Leben bezahlen musste.
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob man Sophie Scholl heute in dieser Debatte tatsächlich erwähnen darf. Ist es legitim, eine der mutigsten Widerstandskämpferinnen des Dritten Reichs im Kontext der Pandemie-Bewältigung zu zitieren? Man gerät dabei schnell in Verdacht, man wolle das, was sich zwischen 1933 und 1945 in Deutschland ereignet hat, mit aktuellen Entwicklungen vergleichen. Aber wir wissen: Nichts, aber wirklich
nichts ist mit dem, was Menschen unter der NSHerrschaft erlitten haben, vergleichbar.
Und so ist die namentliche Nennung der Opfer des NS-Regimes eigentlich selbst dann tabu, wenn man deutlich machen will, dass eben kein Vergleich zulässig ist. Niemand in unserem Land durchlebt auch nur im Ansatz, was Sophie Scholl und die anderen Widerstandskämpfer ertragen mussten. Von den Millionen anderen Opfern ganz zu schweigen.
Ich gebe zu: Ohne die Vorkommnisse in Hannover vor gut einer Woche wäre ich nicht auf die Idee gekommen, Sophie Scholl in diesen Redebeitrag einzubeziehen. Die irritierenden historischen Vergleiche rund um die fragliche Kundgebung in meiner Heimatstadt haben mich aber tatsächlich dazu veranlasst, mich noch einmal näher mit dem Leben und dem Vermächtnis Sophie Scholls zu beschäftigen. Kann man aus den überlieferten Gedanken dieser bemerkenswerten jungen Frau doch irgendetwas in der jetzigen Situation lernen? Ich glaube, tatsächlich hat sie uns etwas zu sagen - etwas, das auch heute nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt hat und vor allem jenen nicht gefallen dürfte, die sich zuletzt in grenzenlos scheinender Selbstgefälligkeit mit ihrem Wirken gemein gemacht haben. Ich zitiere noch einmal:
„Ich kann es nicht begreifen, dass nun dauernd Menschen in Lebensgefahr gebracht werden von anderen Menschen.“
„Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit, den ihr um euer Herz gelegt!“
Meine Damen und Herren, wenn wir nicht genau wüssten, an wessen Gewissen Sophie Scholl mit diesen Sätzen damals appelliert hat, an das Gewissen der Deutschen nämlich, nicht blind und herzlos einer faschistischen Elite in den Untergang zu folgen, so könnte man fast glauben, sie riefe aus der Vergangenheit all jenen zu, die sich heute aggressiv und in Verkennung der Wirklichkeit gegen das stellen, was sie Corona-Diktatur nennen und auf Kundgebungen ohne Abstand und Maske die Gesundheit anderer aufs Spiel setzen.
Sophie Scholl kämpfte eben nicht gegen legitimiertes Recht, sie kämpfte gegen das Unrecht. Sie konnte bis zu ihrer Ermordung nicht fassen, dass diesem so viele so treu ergeben waren. Sie kämpfte nicht für individuelle und grenzenlose Freiheitsrechte, sondern für die kollektive Verantwortung für Frieden und körperliche Unversehrtheit. Empathie
und Mitgefühl waren ihr Kompass, Gleichgültigkeit und Verblendung Anlass ihrer Mahnung.
„Gesundheit ist Privatsache“, so hat es eine Demonstrantin am Samstag vor einer Woche in Hannover auf ihr Pappschild geschrieben. Unmissverständlicher und kälter kann man sich nicht von jenen Werten unterscheiden, für die Sophie Scholl gestorben ist. Der Ausruf „Gesundheit ist Privatsache“ erinnert schon an jene Gleichgültigkeit der Deutschen im Dritten Reich, die Sophie Scholl anprangerte und die auf erschreckende Weise nun ausgerechnet durch jene zurückkehrt, die ihren Namen missbrauchen und für den eigenen Zweck zu instrumentalisieren versuchen. Ein Virus, das unsere Mitmenschen gefährdet, das Tausende von ihnen bereits getötet hat und bei sehr, sehr vielen mehr langfristigen Schaden an ihrer Gesundheit anrichten wird, ist keine Privatsache.
Ein Virus, das die Kapazitäten unserer Krankenhäuser und das medizinische Fachpersonal an seine Belastungsgrenzen bringt und die Behandlung anderer Krankheiten gefährlich verzögern kann, ist keine Privatsache. Wie sich eine dicht besiedelte Nation wie die deutsche einer Pandemie und deren sozialen und wirtschaftlichen Folgen stellt, ist keine Privatsache. Der Umgang mit dieser Pandemie ist im wahrsten Sinne eine res publica, eine Angelegenheit, die jeden etwas angeht, eine komplexe noch dazu.
Wir alle sind gefragt, unsere Mitmenschen und damit das höchste Gut unserer Gemeinschaft zu schützen: das Leben der anderen. Und weil gutes Zureden, das Hoffen auf die Vernunft aller und abstrakte Appelle an jedermann und niemanden den einzelnen offenkundig von seiner individuellen Verantwortung zu befreien scheinen, haben die demokratischen Institutionen dieses Landes auf Basis des unlängst reformierten Infektionsschutzgesetzes eine Reihe von Regeln formuliert - Regeln, die wir alle kennen, Regeln, an die sich der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht immer kritiklos, aber diszipliniert und im Wissen um deren Notwendigkeit hält.
Das Virus ist kontaktfreudig. Es liebt Menschen und springt nur zu gern von Wirt zu Wirt. Deshalb ist die Reduktion von Kontakten auf ein absolutes Minimum nach einem einigermaßen sorgenfreien
Sommer wieder das Gebot der Stunde - gerade jetzt, da unsere Heizungen auf Hochtouren laufen und warme Luftströme die Aerosole in Nasen- und Mundhöhe schweben lassen.
Die vor zwei Wochen von Bund und Ländern ergriffenen und nun bis Ende des Jahres verlängerten Maßnahmen haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Die Dynamik der zweiten Welle konnte auf relativ hohem Niveau gebremst und schließlich stabilisiert werden. Die Krankenhäuser arbeiten an der Grenze, sind aber voll handlungsfähig. Es stehen - Stand jetzt - ausreichend Beatmungsgeräte und medizinisches Fachpersonal für den Winter bereit. Der für die persönliche Entwicklung der Jüngsten so wichtige Schulbetrieb kann fortgesetzt werden.
Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, allein zu hoffen, dass dies so bleibt, ist nicht genug. Es ist nicht genug, an die Vernunft zu appellieren, weil die Unvernunft weniger Unbelehrbarer die Erfolge der vielen mithelfenden Bürgerinnen und Bürger schnell zunichtemachen kann.
Wir können es uns auch nicht leisten, auf etwas zu hoffen, das anderswo in Europa und der Welt krachend gescheitert ist. Gleichgültigkeit gegenüber Schwachen, Älteren und Vorerkrankten ist die Triebfeder für ein unkontrolliertes Infektionsgeschehen. Deutschland und Niedersachsen haben trotz berechtigter Kritik an einzelnen Maßnahmen, Schließungen und Verboten in den vergangenen sechs Monaten eine im europäischen Vergleich gute Figur gemacht, und zwar deshalb, weil wir ein solides Regelwerk aufgesetzt haben, an das sich die Bürgerinnen und Bürger ganz überwiegend halten und weil nicht zuletzt verstärkte Kontrollen zu dessen Einhaltung beigetragen haben.
Jetzt gilt es noch einmal, jene Disziplin und Solidarität aufzubringen, die uns in den ersten Wochen und Monaten der Pandemie so sehr geholfen und beeindruckt hat. Dabei bin ich mir durchaus im Klaren, dass viele der verlängerten und erweiterten Maßnahmen zur Eindämmung des Virus nicht nur auf Gegenliebe stoßen.
Während wir zur Zeit der ersten Infektionswelle noch wenig über das Virus wussten und allerlei Einschränkungen deshalb klaglos hingenommen haben, mehren sich nun die Stimmen jener, die meinen, ihr jeweiliger Lebensbereich sei nicht verantwortlich für die Ausbreitung des Virus und könne daher verschont bleiben. Als Abgeordneter erhalte ich täglich Zuschriften von Selbstständigen, Restaurantbetreibern, Sportvereinen, die darum bitten, die Maßnahmen doch wenigstens zu lo
ckern. Nicht selten wird argumentiert: Bei uns kam es zu keinen Ansteckungen, zumindest sind uns keine bekannt. - Oder auch: Wenn die Schüler vormittags in einer Klasse sitzen, können sie doch auch nachmittags gemeinsam Fußball spielen.
Ich will all diese Kritik an unseren Corona-Maßnahmen nicht als völlig unbegründet abtun. Viele Argumente kann ich sogar nachvollziehen. Aber aus dieser Kritik erwächst zumindest eine Verpflichtung. Da gebe ich dem Kollegen Birkner ausdrücklich recht. Wir Politiker geben uns gerne der Illusion hin, dass einmal Erklärtes überall und dauerhaft verstanden wird. Dem ist aber nicht so. Politik darf angesichts der Schwere der Eingriffe nicht müde werden zu erklären, warum wir welche Maßnahmen ergreifen und in welchem Umfang. Dann, und nur dann haben wir die Chance, jene Kritiker und Zweifler zu überzeugen, die wir noch nicht an Verschwörungstheoretiker und die sogenannten alternativen Medien verloren haben.
Ich möchte daher noch einmal herausstellen, warum die Maßnahmen wieder verschärft wurden und vorherige Lockerungen auch in einzelnen Lebensbereichen nicht möglich sein werden.
Fakt ist: Wir wissen nicht, wo sich die Menschen mit dem Coronavirus infizieren. Das ist immer noch so. In über 80 % der bekannten Fälle können wir nicht sagen, welche Begegnung für die Ansteckung verantwortlich war. Daraus folgt eben, dass wir über keine solide Datenbasis verfügen, die uns die Öffnung spezieller Lebensbereiche ermöglichen würde. Das wäre ein Tappen im Dunkeln zulasten derer, die wir schützen wollen.
Was wir wissen, ist: Überall dort, wo Menschen zu gemeinsamen Aktivitäten zusammenkommen,
steigt die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruchs deutlich. Nur mit einer konsequenten Reduktion der persönlichen Kontakte können wir das verhindern, und deshalb müssen wir in den kommenden kalten Monaten wieder auf vieles verzichten, das unser Leben erst lebenswert macht. So verhindern wir einen erneuten vollständigen Lockdown und können weite Teile des Wirtschaftslebens aufrechterhalten. So verhindern wir, dass Kinder und Jugendliche erneut nicht zur Schule gehen können, und ermöglichen den für ihre Entwicklung so wichtigen direkten Kontakt zu Gleichaltrigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es möglicherweise bald geschafft. Die Nachricht über die Entwicklung und baldige Zulassung eines massengeeigneten Impfstoffes - die Kollegen Modder hat es angesprochen -, der einen 95-prozentigen
Schutz vor einer Infektion bieten soll, hat auch mich sehr gefreut. Und es scheint tatsächlich, als würde das Licht am Ende des Tunnels immer heller. Wir können es fast greifen. Doch noch ist es nicht soweit. Noch müssen wir ein paar Monate durchhalten - kalte und dunkle Monate. Hierzu müssen wir zusammenstehen. Aber zusammenzustehen bedeutet auch, die politische Debatte seriös zu führen.
Liebe Kollegin Hamburg, ich habe mich gefreut, fünffach in Ihrer Rede erwähnt worden zu sein; das ehrt mich. Aber was Sie geliefert haben, war eben kein Beispiel für Seriosität.
Ich habe genau zugehört, und wissen Sie, was mir aufgefallen ist? - Sie scheinen in der gesamten Wirtschaft dieses Land nur einen einzigen Bereich zu kennen. Das ist die Kreativwirtschaft. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es in diesem Land auch Menschen gibt, die vom Automobilbau leben, die auf dem Flughafen, bei der Deutschen Messe AG oder auf der Meyer-Werft arbeiten. Es ist nicht nur die Kreativwirtschaft, die Sie hier immer wieder ins Spiel bringen. Seien Sie bitte so seriös, auch alle anderen zu erwähnen!
Es ist auch nicht seriös, sich hierhin zu stellen und zu sagen: Herr Ministerpräsident, Herr Finanzminister, geben Sie den Kommunen das Geld, das sie brauchen! - Nennen Sie doch wenigstens mal eine Zahl!
Aber der Gipfel ist - und das hat mich wirklich geärgert; die Kollegin Modder hat es schon angesprochen -, dass Sie sich hierhin stellen und sich darüber beschweren, dass Ihre Corona-Anträge im letzten Plenum nicht sofort abgestimmt worden sind.
Am 29. Oktober haben Frau Modder und ich Sie und die FDP eingeladen, über ein Verfahren zu sprechen, das genau das Gegenteil vorsieht. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, hier einen festen Corona-Tagesordnungspunkt zu etablieren, bei dem alle Anträge sofort abgestimmt werden, und waren so verblieben, dass Sie einmal zu Papier bringen, was Sie sich vorstellen können. Wenige Tage später habe ich meinen Parlamentarischen Geschäftsführer gefragt, wie denn die Reaktion
aussieht. Aber er sagt mir, da ist nichts gekommen.
Dann habe ich gesagt: Lieber Jens Nacke, schreibe doch einmal auf, was wir uns vorstellen können, um der Opposition entgegenzukommen und die Rechte des Parlaments zu stärken. Das hat er auch gemacht und Ihnen am 9. November zugeschickt. Und wie haben Sie reagiert? - Überhaupt nicht! Bis heute liegt keine Reaktion vor - und das ist das Gegenteil von Seriosität!
Lieber Kollege Dr. Birkner, vieles von dem, was Sie heute gesagt haben, hat mich ein wenig versöhnlich gestimmt; das muss ich ganz ehrlich sagen. Aber es bleiben ein paar Kritikpunkte.
Als ich heute die Hannoversche Allgemeine Zeitung aufgeschlagen habe, habe ich gelesen - das stand gleich auf Seite 1 -, dass Sie die Frage stellen, warum es jetzt fünf Personen sind, die sich treffen dürfen, und nicht sechs oder sieben. Diese Frage ist sicherlich ein Stück weit berechtigt. Man könnte das vielleicht auch erklären, beispielsweise damit, dass ein durchschnittlicher Haushalt in Deutschland etwas mehr als 1,9 Personen groß ist. Treffen sich nun zwei Haushalte, ist man bei vier Personen. Da es aber nur ein Durchschnitt ist, packt man halt einen drauf, und dann ist man bei fünf Personen.
Aber viel wichtiger ist doch Folgendes - und das wissen wir als Juristen doch eigentlich -: Wenn Sie Regeln aufstellen, dann müssen Sie an irgendeiner Stelle auch einmal eine Zahl nennen, ohne sie wissenschaftlich genau zu hinterfragen. Warum sind es drei Leute, die im strafrechtlichen Sinne eine „Bande“ bilden? Warum wird bis 21 Jahre die Möglichkeit gegeben, Jugendstrafrecht heranzuziehen? Warum zahlen wir eine Mobilitätsprämie von genau 6 000 Euro und nicht von 6 500 Euro? - Das erinnert mich an die Diskussion, die ich mit meinem minderjährigen Sohn immer wieder darüber geführt habe, warum er um 22 Uhr ins Bett soll. Aber er war wenigstens so seriös, mir zu sagen, warum er 22.15 Uhr für richtig hielt. Bei Ihnen, Herr Birkner, fehlt mir die Begründung. Sie fragen nur: Warum fünf und nicht sechs?
Dann haben Sie im selben Beitrag in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt: Wir brauchen mehr Eigenverantwortung. - Richtig! Der
Großteil der Menschen in diesem Lande lebt Eigenverantwortung. Viele halten sich allerdings nicht an die Regeln.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie ungerechtfertigt und ohne einen konkreten Gegenvorschlag Regeln auf diese Art und Weise infrage stellen, dann müssen Sie sich einmal überlegen, wen Sie damit stärken: diejenigen, die die Eigenverantwortung wahrnehmen, oder diejenigen, die sie für sich verneinen?
Hier ist mehrfach Christian Lindner genannt worden. Ich habe einmal nachgelesen, was er ganz genau gesagt hat. Er hat gesagt:
„Unsere nationale Kraftanstrengung muss sich wesentlich stärker konzentrieren auf den umfassenden Schutz der Menschen mit Vorerkrankung und der älteren Menschen.“
Herr Bode nickt, dann habe ich es wohl richtig zitiert.
Das kann man so und so verstehen. Ich will Ihnen einmal sagen, wie der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Herr Professor Janssens, diese Aussage kommentiert hat. Er hat sie in Grund und Boden geredet, nachzuhören auf NDR 1 im Podcast, 12.49 Uhr, letzte Woche:
„Wenn man dem Herrn Lindner folgen wollte, sollte man Weihnachten verbieten, weil da nämlich beide Gruppen durcheinandergemischt werden.“