Protokoll der Sitzung vom 17.05.2018

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich begrüße Sie sehr herzlich und eröffne die 15. Sitzung im 7. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 18. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 17: Mitteilungen der Präsidentin

Ich darf bereits jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 18, der Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort mit der Ausnahme, dass wir anstelle des Tagesordnungspunktes 24 heute den Tagesordnungspunkt 35 behandeln.

In der Portikushalle ist ein Stand aufgebaut, an dem die Landeszentrale für politische Bildung ihre Arbeit vorstellt. Die Landeszentrale freut sich sehr über Ihr Interesse. Ich darf Ihnen diese Ausstellung ans Herz legen.

Die heutige Sitzung soll gegen 20.10 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte, Frau Eilers!

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute liegt eine Entschuldigung vor. Entschuldigt hat sich von der Landesregierung die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung Frau Birgit Honé.

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Wir setzen nun die Aktuelle Stunde fort.

Tagesordnungspunkt 18: Aktuelle Stunde

Wir beginnen mit dem Antrag der Fraktion der FDP. Es folgen dann die Anträge der Fraktion der AfD und der Fraktion der CDU.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Punkt

a) Ankerzentrum in Niedersachsen - Welcher Innenminister entscheidet? - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/868

Zur Einbringung erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Birkner. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir durften in den vergangenen Wochen Zeugen eines weiteren Kapitels der Auseinandersetzung zwischen SPD und CDU hier in Niedersachsen über die Deutungshoheit im Bereich der inneren Sicherheit sein. Wir haben schon beim Polizeigesetz erlebt, dass dies zugegebenermaßen ein sehr zentrales und wichtiges Thema für die Landespolitik ist und dass hinter den Kulissen ein permanenter Wahlkampf um die Frage stattfindet, ob Uwe Schünemann oder aber Boris Pistorius der bessere Sheriff ist.

Diesmal ging es um die sogenannten Ankerzentren: Zentren für Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung, wie es sich im Koalitionsvertrag auf Bundesebene findet - eine Idee, mit der Asylverfahren beschleunigt werden sollen, die Identitätsfeststellung in diesen Zentren gewährleistet sein soll, der Aufenthalt auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt sein soll, wobei ich schon jetzt sagen will, dass die vorgesehenen maximal 18 Monate eigentlich viel zu lang sind. Meines Erachtens müsste es viel, viel schneller gehen. Eigentlich müssten es 3 oder maximal vielleicht 6 Monate sein, ganz gewiss aber nicht 18 Monate.

(Beifall bei der FDP)

Dieses Zentrum soll auch sicherstellen, dass bei positiver Bleibeperspektive eine Verteilung auf die Kommunen erfolgt. Es soll also ein Instrument sein, das der Beschleunigung von Asylverfahren und der Klärung der Frage dient, wer dauerhaft in Deutschland bleiben kann.

Auch im Koalitionsvertrag hier in Niedersachsen findet sich diese Idee ja wieder, zwar nicht mit den gleichen Begrifflichkeiten, aber vom Gedankengut her. Aber, meine Damen und Herren, statt dass sich SPD und CDU, statt dass sich Uwe Schünemann und Boris Pistorius in diesem Punkt konstruktiv auseinandersetzen und um die beste Idee

für die Umsetzung streiten, geht es am Ende darum, doch wieder den offenen Dissens zu pflegen. Der eine - Uwe Schünemann - erklärt, er habe ein großes Interesse daran, dass mindestens ein Ankerzentrum nach Niedersachsen kommt, während der andere - Boris Pistorius - erklärt, dass er überhaupt nicht bereit sei, über ein sogenanntes Ankerzentrum in Niedersachsen auch nur nachzudenken, solange nicht völlig klar sei, wie dieses Zentrum konstruiert sein soll.

Das Ganze, meine Damen und Herren, findet ja vor dem Hintergrund des bayerischen Landtagswahlkampfes und den Bemühungen der CSU statt, sich als Law-and-Order-Partei zu profilieren, auch und insbesondere um die AfD kleinzuhalten. Der Bundesinnenminister versucht nun, dieses Ziel mit dieser Idee, die er gerade durch die Öffentlichkeit treibt, entsprechend zu erreichen.

Meine Damen und Herren, es sind genau solche Taktierereien und Streitereien zwischen den Koalitionspartnern hier in Niedersachsen - aber nicht nur hier; denn es geht auch um die Koalition im Bund -, die die Politikverdrossenheit befördern und dazu führen, dass sich die Menschen von der Politik abwenden.

(Beifall bei der FDP)

Es geht doch um die Lösung von Problemen und Herausforderungen. Im vorliegenden Fall geht es um eine Antwort auf die Frage, wie es gelingen kann, im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens sehr schnell zu klären, ob jemand eine Bleibeperspektive, ein Bleiberecht hat oder nicht, und auch darum, sicherzustellen, dass der Aufenthalt dann, wenn eine Bleibeberechtigung nicht besteht, beendet wird. Ferner geht es darum, sicherzustellen, wie alles das entsprechend unseren rechtsstaatlichen Grundsätzen menschenwürdig ausgestaltet werden kann.

Dafür ist es nötig, einen konstruktiven Umgang mit dieser Thematik zu finden - eben keine Taktierereien, keine gegenseitigen Profilierungsversuche und keine gegenseitigen Blockaden. Dazu reicht es nicht, nur pauschal etwas zu fordern, wie es Uwe Schünemann tut. Es reicht auch nicht aus, einfach nur darauf zu warten, dass der Bund etwas liefert, wie das Boris Pistorius tut.

Was wir erwarten, ist eine gemeinsame Strategie, sind gemeinsame Vorstellungen und Ideen - zumindest der Regierungsfraktionen, die auch hier in Niedersachsen die Verantwortung für dieses Thema gemeinsam übernommen haben. Wir erwarten

gemeinsame Vorstellungen und Ideen dafür, wie das, was vereinbart worden ist, tatsächlich umgesetzt werden kann.

Für uns als Freie Demokraten ist klar, dass wir die Idee grundsätzlich für unterstützenswert halten. Es darf sich aber nicht um reine Abschiebezentren handeln, sondern es muss um die schnelle und effiziente Bewältigung der Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen gehen.

(Beifall bei der FDP - Glocke der Prä- sidentin)

Dazu gehört eine Konzentration aller relevanten Behörden in den Einrichtungen wie auch eine umfassende und gute Betreuung der Flüchtlinge. Dazu gehört dann auch die Frage - da kann sich die Justizministerin ja schon einmal Gedanken machen -, wie die Verwaltungsgerichtsbarkeit in solchen Einrichtungen präsent sein soll; denn auch das muss gewährleistet sein.

Auch eine Residenzpflicht ist sicherlich zielführend. Es dürfen aber auch keine Haftzentren sein, sondern es müssen offene Einrichtungen sein, bei denen sich alle am Asylverfahren Beteiligten unter einem Dach befinden. Diese Einrichtungen dürfen außerdem kein Hemmschuh für die Integration derer sein, die hier ein Aufenthaltsrecht bekommen; denn 18 Monate sind viel zu lang. Bei denjenigen, die eine Bleibeperspektive haben, muss es schnell gehen, damit sie tatsächlich integriert werden können.

(Beifall bei der FDP)

Schließlich gilt für die Einrichtungen und deren Funktionsfähigkeit: je kleiner, desto besser!

(Glocke der Präsidentin)

- Frau Präsidentin, ich komme zum Ende.

Wir fordern, dass die Landesregierung zu diesen Punkten ganz konkret ihre Vorstellungen formuliert, die Eitelkeiten, Streitereien und Profilierungsversuche in den Hintergrund stellt und einen eigenen Vorschlag macht, statt immer nur auf den Bund zu zeigen und darauf zu warten, dass etwas passiert. Das fördert nur Frustration und Politikverdrossenheit. Das ist das Letzte, was wir gerade in dieser Fragestellung gebrauchen können.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Birkner. - Für die CDU-Fraktion hat nun der Fraktionsvorsitzende Herr Toepffer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Birkner, Ihre Frage, welcher Innenminister über Ankerzentren in Niedersachsen entscheidet, ist leicht zu beantworten: Es ist weder dieser Innenminister noch der Innenminister des Bundes. Entscheiden wird die Landesregierung in Gänze, und zwar in enger Abstimmung mit den sie tragenden Fraktionen

(Beifall bei der CDU)

und zu gegebener Zeit in einem ordentlichen Verfahren, so wie es in unserem Koalitionsvertrag vereinbart worden ist.

(Zurufe - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin)

In diesem Koalitionsvertrag - das haben Sie zu Recht angesprochen - nimmt das Thema Asylpolitik ganz breiten Raum ein. Das ist auch gut so. Denn die Berichterstattung der letzten Monate hat deutlich gemacht: Asylpolitik bleibt ganz oben auf der politischen Agenda.

Es gibt aktuell eine unbefriedigende Rückkehrsituation, und die Zahl der ausreisepflichtigen Ausländer steigt. Daher muss die Arbeit dieser GroKo wie auch der GroKo im Bund auch daran gemessen werden, ob es gelingt, dass vollziehbar Ausreisepflichtige zukünftig schneller und in größerer Zahl unser Land verlassen.

Es geht dabei auch um den Erhalt der gesellschaftlichen Akzeptanz von Integration und Zuwanderung. Wichtig ist dabei Folgendes: Es ist ein gemeinsamer Schulterschluss von Bund und Ländern nötig. Die Zeit der Schwarzer-Peter-Spiele ist jetzt endgültig vorbei. Das gilt auch für SPD und CDU. Wir stehen gemeinsam in der Verantwortung.

Wir haben in der Vergangenheit mehrfach deutlich gemacht, dass wir uns eine konstruktive Rolle der Landesregierung mit Blick auf den Bund wünschen. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Insbesondere die Grünen haben in der letzten Legislaturperiode bei diesem Thema oft gebremst. Ich denke nur an die Bundesratsabstimmung zu sicheren Herkunftsstaaten. Das wird jetzt anders.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen bin ich mir sicher, dass sich unser Landesinnenminister nun mit dem ihm eigenen, von mir so geschätzten Elan weiter in die Diskussion um Ankerzentren einbringen wird. Er denkt schon sehr wohl darüber nach.

Herr Birkner, die Presseäußerungen, die ich kenne, sprechen gar nicht von Denkverboten. Ich kenne nicht eine einzige Äußerung dieses Ministers, in der er gesagt hat, er sei nicht mal bereit, darüber nachzudenken.

Wir wollen in der Tat schnellere Verfahren. Wir wollen eine Bündelung von Kompetenzen. Wir wollen eine zeitnahe Rückführung derjenigen, denen kein Asyl gewährt werden kann, und - ich zitiere den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg aus der Passauer Neuen Presse vom 8. Mai 2018 - „wir wollen nicht, dass Menschen ohne Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden“. Genau dazu sollen die Ankerzentren beitragen.