Protokoll der Sitzung vom 30.01.2020

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich darf Sie heute Morgen namens des Präsidiums sehr herzlich begrüßen und eröffne die 69. Sitzung im 24. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 18. Wahlperiode.

Tagesordnungspunkt 17: Mitteilungen der Präsidentin

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt 18, das ist die Fortsetzung der Aktuellen Stunde. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 20.50 Uhr enden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen die Schriftführerin Frau Menge mit. Bitte, Frau Menge!

Einen schönen guten Morgen! Entschuldigt sind heute ab 18.30 Uhr der Wirtschaftsminister Herr Dr. Bernd Althusmann, der Finanzminister Herr Hilbers bis 15.00 Uhr und ganztägig die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung Frau Honé. Von der Fraktion der SPD ist Frau Annette Schütze und von der CDU-Fraktion Laura Hopmann entschuldigt.

Vielen Dank, Frau Menge. - Ich sehe eine Wortmeldung des Wirtschaftsministers. Herr Dr. Althusmann, Sie haben das Wort.

Ich möchte ein Missverständnis korrigieren, Frau Präsidentin. Wenn ich es zeitlich einrichten kann, noch zum Schornsteinfegerempfang zu gehen, werde ich selbstverständlich erst am Ende des Plenums den Schornsteinfegerempfang besuchen. Ansonsten ist vorsorglich der Staatssekretär beauftragt, diese Veranstaltung wahrzunehmen. Ich bitte um Entschuldigung für dieses Missverständnis.

Vielen Dank, Herr Dr. Althusmann.

Ich rufe nun auf den

Tagesordnungspunkt 18: Aktuelle Stunde

Wir setzen heute die Aktuelle Stunde mit den Anträgen der Fraktion der FDP, der Fraktion der AfD und der Fraktion der CDU fort.

Ich eröffne die Besprechung zu dem Antrag der FDP-Fraktion zu dem Thema

a) Unterrichtsausfall in Niedersachsen - ein Schulnotstand droht - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 18/5662

Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Försterling.

(Unruhe)

- Herr Försterling, wir werden uns noch einen Moment gedulden, bis im Plenarsaal Ruhe eingekehrt ist. - Vielen Dank.

Bitte, Herr Försterling, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, leider müssen wir einmal mehr über die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen sprechen. Während der Kultusminister zu Beginn des Schuljahres noch positiv verkündete, die Prognose liege bei 99,8 % und eigentlich sei es immer so, dass der tatsächliche Wert der Unterrichtsversorgung dann besser sei als die Prognose, musste er in der vergangenen Woche deutlich machen, dass es diesmal nicht so ist.

Jetzt kann man sagen: 99,6 % sind immerhin 0,9 Prozentpunkte besser als noch unter seiner Vorgängerin und sind eigentlich auch nahe genug an 100 %. Aber was bedeuten eigentlich 100 % bzw. in diesem Fall 99,6 %? - Das bedeutet, dass tagtäglich nach wie vor Tausende von Unterrichtsstunden in Niedersachsen ausfallen, weil es immer noch keine entsprechende Reserve für Krankheitsvertretungen, für Fortbildungsvertretungen in Niedersachsen gibt.

Das führte dazu, dass in diesem Monat u. a. ein großes Gymnasium den Eltern mitteilte: Wir mussten noch einmal Abordnungen vornehmen, es sind Schulfahrten angesetzt, aber wir können Ihnen garantieren, dass wir Ihre Kinder von der ersten bis zur vierten Stunde unterrichten können. - Wenn es mittlerweile ein Erfolg für die Schulen in Niedersachsen ist, dass man den Eltern positiv mitteilen kann, dass man deren Kinder von der ersten bis zur vierten Stunde unterrichten wird, dann weiß ich nicht, ob der Schulnotstand nur droht oder ob er nicht schon längst eingetreten ist, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Was hat der Minister eigentlich in den letzten zwei Jahren gemacht, außer immer davon zu reden, er möchte so nah wie möglich an die 100 % kommen? - Da ist nicht viel passiert.

Wir haben immer gesagt, für eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung müsse er von Beginn an auch Stellen ausschreiben. Das hat er nicht getan. Wir haben nachweislich eine Liste mit über 400 Schulen, an denen Stellen hätten ausgeschrieben werden können, weil es dort den Bedarf gibt. An diesen Schulen sind aber keine Stellen ausgeschrieben worden. Das heißt, es gibt noch nicht einmal den Versuch, die Unterrichtsversorgung an allen Schulen in Niedersachsen tatsächlich auf einen akzeptablen Stand zu bringen.

Welche Schulen leiden massiv darunter? - Das sind die Haupt-, Real- und Oberschulen. Das sind die Schülerinnen und Schüler, für die es wichtig ist, einen entsprechenden Unterricht den ganzen Vormittag über zu haben.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Julia Willie Hamburg [GRÜNE])

Da trifft es tatsächlich die Schwächsten und die, die am meisten Unterricht benötigen würden.

An den Hauptschulen haben wir eine Unterrichtsversorgung von 94,3 % - das ist übrigens schlechter als unter der Vorgängerin -, bei den Realschulen sind es 98,1 % und bei den Oberschulen 97,1 %. Dann muss man sich insbesondere als Sozialdemokratie vielleicht auch einmal fragen, wo da die Möglichkeit des sozialen Aufstiegs ist, wenn wir genau bei denen, denen wir Aufstiegschancen in unserem Land einräumen wollen, den Unterricht kontinuierlich ausfallen lassen.

Im nächsten Schuljahr droht es noch schlimmer zu werden, weil der Minister ja das Ziel hat, die Unter

richtsversorgung für den 13. Jahrgang an den Gymnasien dadurch zu gewährleisten, dass er alle Stellen, die an Haupt-, Real- und Oberschulen abgeordnet wurden, wieder an das Gymnasium zurückzieht. Aber was bedeutet das für die Haupt-, Real- und Oberschulen? - Das bedeutet, dass dort die Unterrichtsversorgung noch einmal um

3,5 Prozentpunkte heruntergehen wird und dass es dann wieder genau diejenigen trifft, die nämlich an der Hauptschule nur noch eine Unterrichtsversorgung von knapp über 90 % haben. Das kann doch keine entsprechende Bildungspolitik für alle Schülerinnen und Schüler in Niedersachsen sein!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir verlangen, dass Sie endlich eine Einstellungspolitik machen, dass alle Schulen, die Bedarf haben, auch entsprechende Stellen ausschreiben können. Wir wollen, dass Sie endlich anfangen, zu verhindern, dass weiterhin neun von zehn Lehrkräften in den Vorruhestand gehen.

Sie kriegen die Unterrichtsversorgung in den Griff, indem Sie so viele junge Lehrkräfte wie möglich einstellen und dafür sorgen, dass die älteren Lehrkräfte länger im Schuldienst bleiben. Aber dafür sollten Sie endlich einmal anfangen, ein zentrales Wahlversprechen der Großen Koalition zu erfüllen, nämlich die Altersermäßigung wieder einzuführen,

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

weil die älteren Lehrkräfte dann nämlich länger im Schuldienst bleiben. Eine Lehrkraft über 60, die mit Altersermäßigung immer noch 20 Stunden unterrichtet, ist für die Unterrichtsversorgung immer noch besser als eine ältere Lehrkraft, die in den Vorruhestand geht und gar nicht mehr unterrichtet.

Sie müssen die Sache in den Griff kriegen, sonst kriegen wir den Schulnotstand nicht in den Griff!

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Försterling. - Das Wort hat nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Hamburg. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, man kann Herrn Tonne keinen Vorwurf machen, dass derzeit nicht ausreichend Lehrkräfte

auf dem Markt sind, dass wir sie nicht finden, dass wir sie nicht einstellen können.

Wir können Herrn Tonne aber vorwerfen - da werden wir auch nicht müde -, dass er diesen Fachkräftemangel derzeit nicht organisiert. Unsere Schulen brauchen für den Übergang, bis wir ausreichend Lehrkräfte haben, Freiräume, Gestaltungsmöglichkeiten und Rechtssicherheit. Das gibt die Große Koalition den Schulen derzeit nicht. Das ist fatal, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Wir erleben derzeit, dass Grundschulen ihre Mittagsbetreuung nicht mehr anbieten können und der Ganztag bedroht ist, weil sie keine Fachkräfte für Pausenaufsichten oder die Organisation von Essensausgaben einstellen können. Dafür müssen Eltern einspringen, die eigentlich berufstätig sind. Plötzlich müssen Führungszeugnisse für Eltern beantragt werden, die sich ehrenamtlich engagieren; sie zahlen dafür auch noch 13 Euro. Das Land gibt den Schulen keine Freiräume, anderes Personal für die Betreuung beim Mittagsessen einzustellen. Ich sage Ihnen ganz deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen: So kann es nicht gehen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Sie müssen den Fachkräftemangel anerkennen und gestalten. Das geht nur, indem Sie multiprofessionelle Teams an Schulen ausbauen, anstatt das Geld einzusparen. Das geht nur, indem Sie sagen: Lieber eine Mathestunde im GHR-Bereich weniger, aber dafür vier gute Mathestunden, statt dass fünf Mathestunden ausfallen, weil keine Fachkräfte gefunden werden.

Sie müssen überlegen, wie Sie den Schulen vertrauen, diese Situation zu lösen. Ich sage Ihnen deutlich: Die guten Schulen lösen schon längst die Probleme. Sie organisieren ehrenamtliche Kräfte. Sie lassen Stunden gezielt nicht stattfinden. Sie dürfen das aber derzeit nicht. Und warum? - Weil Sie immer die 100 % predigen, statt den Fachkräftemangel aktiv zu gestalten. Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen : Das ist verantwortungslos!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der FDP)

Natürlich ist es unbequem, anerkennen zu müssen, dass man derzeit die Fachkräfte nicht hat. Noch viel unangenehmer ist es aber, von Schule

zu Schule zu gehen und uns anhören zu müssen, dass die Lehrkräfte überlastet sind und dass sie keine Lösungen finden können. Das darf wirklich nicht sein!

Herr Försterling hat schon deutlich gemacht: 90 % der Lehrkräfte gehen derzeit in den Vorruhestand. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns überlegen, wie das Berufsbild im Alter besser organisiert werden kann, damit die Fachkräfte länger im Schuldienst bleiben. Es ist doch absurd, dass wir 90 % der Lehrkräfte verschenken, die eigentlich gerne noch im Schuldienst bleiben würden, es aber einfach nicht mehr schaffen, diesen Aufgaben gerecht zu werden. Hier brauchen wir Antworten, liebe Kolleginnen und Kollegen!