Herr Försterling hat schon deutlich gemacht: 90 % der Lehrkräfte gehen derzeit in den Vorruhestand. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns überlegen, wie das Berufsbild im Alter besser organisiert werden kann, damit die Fachkräfte länger im Schuldienst bleiben. Es ist doch absurd, dass wir 90 % der Lehrkräfte verschenken, die eigentlich gerne noch im Schuldienst bleiben würden, es aber einfach nicht mehr schaffen, diesen Aufgaben gerecht zu werden. Hier brauchen wir Antworten, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich sage es Ihnen so deutlich: Auch Ihre Bedarfsanalyse taugt überhaupt nichts. Sie antizipieren überhaupt nicht, was alles noch kommen wird. Sie schauen nicht: Welche rechtlichen Veränderungen gibt es? Welche Bedarfe haben wir in der Inklusion? Das heißt, Sie bilden immer noch nicht ausreichend Lehrkräfte aus, um den Fachkräftebedarf in der Zukunft zu decken.
Ich möchte Ihnen noch etwas vorwerfen, Herr Tonne. Wie erreichen Sie die 100 %? - Sie rechnen die Zahlen schön. Das machen Sie auf dem Rücken der schwächsten Schülerinnen und Schüler, indem Sie Zusatzbedarfe nicht mehr anerkennen. Plötzlich werden Bedarfe für inklusive Beschulungen infrage gestellt. Plötzlich wird der Bedarf an Sprachförderung in den Schulen gekürzt. Plötzlich braucht es bestimmte Anrechnungsstunden nicht mehr. Dann machen Sie ein Modellprojekt nach dem nächsten, damit Sie nicht strukturell etwas verändern, sondern Tatendrang nach außen zeigen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch unmöglich! Sie müssen einen Sozialindex einführen und gerade die GHR-Schulen stärken, weil sie besondere Herausforderungen haben. Sie müssen strukturell etwas verändern. Was nutzt es der Mo
dellschule „Schule [PLUS]“, wenn sie am Ende weiß, dass sie keine strukturellen Verbesserungen erhalten wird, sondern nur ein Modellprojekt für zwei Jahre macht und danach wieder Ende ist? Was nützt es den Schulen, die jetzt starke Sek.-ISchulen werden, wenn sie wissen, dass sich auf Dauer nichts verändern wird?
Sie müssen den Schulen nachhaltige, zukunftsgerechte und dauerhafte, verlässliche Antworten geben. Sie können sich nicht mit Modellprojekten herausreden und können nicht anfangen, unter der Hand Zusatzbedarfe zu kürzen, damit Sie eine bessere Unterrichtsversorgung haben.
Ich sage Ihnen deutlich: Das ist unseriös. Das ist unverantwortlich. Angemessen wäre es, gerade jetzt unbequeme Aussagen zu treffen, den Fachkräftemangel anzuerkennen, Übergangslösungen zu definieren und dann den Schulen endlich die Ruhe und die Freiräume zu geben, den Fachkräftemangel zu gestalten, solange wir ihn nun einmal haben.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auf der Internetseite der Elterninitiative zur Erfassung des tatsächlichen Unterrichtsausfalls in Niedersachsen berichten Eltern von ihren Erfahrungen. Zitat:
„Mit Besorgnis habe ich heute gehört, dass an der Schule meiner Töchter der MatheUnterricht von Beginn des Schuljahres an bis Mitte November ersatzlos ausfallen wird.“
„Bei meiner Tochter wird aufgrund der Lehrerabordnung an die Grundschulen demnächst überhaupt kein Sportunterricht mehr in diesem Schuljahr erteilt werden.“
Ziel dieser Initiative, von der ich gerade berichtete, ist es, „die Qualität unserer Schulen in Niedersachsen zu verbessern, indem wir den tatsächlichen Ausfall von Fachunterricht aufdecken.“ Jetzt frage ich: Warum müssen Eltern in mühseliger Kleinarbeit Daten zum Unterrichtsausfall erfassen, die die Schulleitungen bereits erfasst haben? - Antwort: Weil es politisch nicht anders gewollt ist.
Dies wurde im Dezember-Plenum deutlich, als unser Antrag, die Landesregierung mit der digitalen Erfassung des Unterrichtsausfalls zu beauftragen, von allen anderen Parteien - also auch von Ihnen, liebe Kollegen der FDP-Fraktion - abgelehnt worden ist.
Sie spielen mit den Eltern ein unredliches Spiel. Sie sind an einer Aufdeckung des tatsächlichen Unterrichtsausfalls gar nicht interessiert, insbesondere dort, wo sich das Versagen nicht mehr schönreden lässt. Als Herr Tonne die aktuellen Daten zur Unterrichtsversorgung veröffentlichte, wurden die Zahlen der Berufsschulen schlicht unterschlagen. Dies wundert nicht angesichts der desaströsen Werte.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir dürfen uns in der Frage von Unterrichtsausfall und Unterrichtsversorgung nicht mehr Sand in die Augen streuen lassen. Der Herr Kultusminister nimmt den massiven Unterrichtsausfall für die Umsetzung von Inklusion und Ganztag willentlich in Kauf. In der Presseerklärung des Kultusministeriums vom
17. Januar steht schwarz auf weiß, dass man einen Wert von 121 % Unterrichtsversorgung hätte erreichen können - damit wäre eine Vertretungsreserve möglich gewesen -, würde Niedersachsen nicht die Lehrerstunden bei den Zusatzbedarfen einsetzen.
„Damit investieren wir sehr bewusst und in hohem Maße in die wichtigen bildungspolitischen Ziele, um jedes einzelne Kind bestmöglich zu fördern. Die Unterstützung von Kindern mit Förderbedarf und die ganztägige Bildung und Betreuung kosten Lehrkräftestunden.“
Sehr geehrter Herr Minister Tonne, ich frage Sie: Was ist das für eine Förderung jedes einzelnen Kindes, die schulterzuckend in Kauf nimmt, dass durchschnittlich mindestens jede zehnte Unterrichtsstunde ausfällt - jedes einzelnen Kindes? In Ihren Augen ist also regelmäßiger Mathe- oder
Deutschunterricht eine schlechte Investition? - Denn genau das geht aus Ihrer Argumentation und auch aus Ihrer Politik hervor. Sie müssen aber bedenken, dass der Regelunterricht genauso für Schüler mit wie ohne Förderbedarf ausfällt. Sie stellen also das Interesse einiger Schüler über das Interesse aller Schüler.
Zudem betrifft Ihre Politik - anders als Sie behaupten - die Schüler mit Förderbedarf besonders hart, nämlich diejenigen, die Förderschulen besuchen. Hier liegt die Unterrichtsversorgung nämlich jetzt schon bei gerade mal 93,4 %.
Vor diesem Hintergrund frage ich mich: Wo ist eigentlich die CDU geblieben? - Liebe Kollegen von der CDU, in dieser Legislaturperiode hat es Ihrerseits nicht eine Anfrage zum Thema Unterrichtsausfall gegeben. Als noch Rot-Grün regierte, gab es mehrere Anfragen von Ihnen und sogar zwei Aktuelle Stunden zu diesem Thema.
(Zuruf von der FDP: Nur zwei?! - Hei- terkeit - Unruhe - Glocke der Präsi- dentin - Zuruf von der FDP: Die Statis- tiker werden sich wundern!)
Hat sich die Situation seitdem etwa schlagartig verbessert, oder resultiert Ihr Schweigen eher aus der Teilnahme an der Regierung? - Die Antwort darauf, wie Ihre Schulpolitik als Juniorpartner einer SPD-geführten Landesregierung aussieht, haben Sie schließlich schon selbst gegeben. Der Titel Ihrer Aktuellen Stunde aus dem Jahr 2015 lautete nämlich: „Maulkorb, Zensur und Denkverbote? - Regierung Weil zeigt in der Schulpolitik ihr wahres Gesicht!“ - Wie gesagt: Hat sich etwas geändert?
Bis auf den Juniorpartner hat sich seit damals eigentlich nichts geändert. „Maulkorb, Zensur und Denkverbote“ trifft es richtig gut, finden Sie nicht?
(Beifall bei der AfD - Zuruf von der SPD: Zehnmal wiederholt in der Hoff- nung, dass einer klatscht! - Unruhe)
Vielen Dank. - Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist, hat für die CDU-Fraktion Kollege Seefried das Wort. Bitte, Herr Kollege!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche ist Michael Mittermeier mit seinem Comedian-Programm in meinem Wahlkreis aufgetreten, und zwar im Stadeum. Im Publikum saßen rund 1 000 Gäste saßen. Michael Mittermeier fragte zu Beginn seines Programms, ob Lehrer im Saal seien. Er hat immer wieder aufgefordert, sich zu melden, hat verschiedene Fächerkombinationen genannt, um auf diese Weise Lehrer im Saal zu finden, aber niemand meldete sich.
Daraufhin reagierte eine Frau aus dem Publikum - vermutlich die Mutter eines schulpflichtigen Kindes - und rief in den Saal: „Wir haben Lehrermangel!“ Dem entsprach dann auch die Berichterstattung im Stader Tageblatt, der Lokalzeitung, über diese Veranstaltung und richtete damit den Blick genau auf das Thema, das wir gerade wieder im Rahmen der Aktuellen Stunde diskutieren.
Meine Damen und Herren, wir wissen aus der Diskussion hier im Parlament, wir wissen mit Blick auf die Situation an unseren Schulen, dass für eine gute Schule die Sicherung der Unterrichtsversorgung die Achillesferse schlechthin ist.
Die Achillesferse ist ein Bereich, der besonders dehnbar, der besonders belastbar ist. Die Achillesferse kann man tatsächlich ganz besonders strapazieren. Aber wir wissen auch, dass wir sie nicht auf Dauer überstrapazieren können - das ist auch unsere Position hier im Parlament -, sondern dass wir einen Beitrag dazu leisten müssen, die Unterrichtsversorgung in diesem Land deutlich zu verbessern. Deswegen bin ich froh und dankbar für das, was wir in zwei Jahren in der Großen Koalition auf den Weg bringen konnten und was wir im Koalitionsvertrag dieser Großen Koalition zum Bereich der Unterrichtsversorgung vereinbart haben.
Liebe Frau Hamburg, angesichts der Rede, die Sie hier gerade gehalten haben, hätte ich mir gewünscht, dass Sie solche Maßnahmen ergriffen hätten, als Sie an der Regierung beteiligt waren.
Ich denke bei diesen Maßnahmen daran, dass wir nicht nur über das sprechen, was heute wichtig ist, sondern auch darüber, wie wir die Grundlagen schaffen können. Der Ausbau der Studienplatzkapazitäten, eine bessere Steuerung der Studienplatzvergabe, die Entscheidung, die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern, indem wir Zulagen für GHR-Lehrkräfte auf den Weg bringen, die Entscheidung, dass alle Grundschulleitungen zukünftig A 13 erhalten, das Auf-den-Weg-Bringen weiterer Maßnahmen mit dem Elf-Punkte-Programm des Ministers, die Arbeit an einem Konzept zur Sicherung der Unterrichtsversorgung - alles das sind Maßnahmen - das will ich deutlich sagen -, die ich mir schon in der Vergangenheit gewünscht hätte und die zeigen, dass wir grundsätzlich auf dem richtigen Weg sind und die richtigen Weichenstellungen in diesem Land vorgenommen haben.
Auf der anderen Seite gehört aber auch dazu - da bin ich wieder bei Michael Mittermeier -, dass wir wissen, dass die Herausforderungen nicht kleiner werden. Die Situation an unseren Schulen ist nach wie vor angespannt. Die Lehrkräfte arbeiten in einer dauerhaften Belastungssituation, und die Herausforderungen werden angesichts dessen, was vor uns liegt, auch nicht kleiner. Wenn ich auf den ersten Jahrgang des 13-jährigen Abiturs des neuen G 9 in diesem Jahr schaue, dann sehe ich, dass wir 20 000 Schülerinnen und Schüler mehr im System haben werden, die dann auch entsprechend betreut und unterrichtet werden müssen. Die Herausforderungen sind da. Sie erinnern sich auch an meine Worte in der Vergangenheit, wie ich - auch in einer früheren Rolle - darauf hingewiesen habe, dass es wichtig ist, die Vorbereitungen rechtzeitig zu treffen.
In diesem Jahr bringen wir 3 750 Stellen auf den Markt. Das ist wieder ein wirklich großer Schritt für Niedersachsen. Zum 1. Februar stehen 1 350 Stellen zur Verfügung, und wir können jetzt, kurz vor dem 1. Februar, feststellen - dafür bin ich sehr dankbar, und darauf können wir auch ein Stück weit stolz sein -, dass es uns bereits jetzt gelungen ist, fast alle 1 350 Stellen zu besetzen. Das ist ein Zeichen, dass es an dieser Stelle ein ganzes Stück vorangeht.
Das heißt, wir schaffen die Rahmenbedingungen. Das heißt, wir schaffen die Voraussetzungen - auch mit zusätzlichen Stellen.