Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen die Schriftführerin Frau Eilers mit. Bitte, Frau Eilers!
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für heute haben sich entschuldigt: von der Landesregierung Frau Birgit Honé, Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung, von der Fraktion der SPD Herr Stefan Klein ab 16.30 Uhr, Herr Dr. Christos Pantazis, Frau Dr. Thela Wernstedt und Herr Matthias Arends.
Meine Damen und Herren, am 2. Juni 2019 wurde der Kasseler Regierungspräsident und ehemalige hessische Landtagsabgeordnete Dr. Walter Lübcke Opfer eines Mordanschlages. Es deutet derzeit vieles darauf hin, dass es sich um einen politisch motivierten Mord mit rechtsextremistischem Hintergrund handelt.
Walter Lübcke hatte Verantwortung für unsere Demokratie übernommen. Wegen seiner politischen Aussagen und Haltungen zur Flüchtlingsfrage war er Anfeindungen und Drohungen aus rechtsradikalen Kreisen ausgesetzt. Vor allem in den sozialen Netzwerken wurde gegen ihn menschenverachtend gehetzt. Der Hass endete auch nicht mit seinem Tod.
Der Mord an Walter Lübcke erschüttert uns zutiefst. Wenn das Eintreten für die Werte einer offenen und freiheitlichen Gesellschaft und das Recht auf freie Meinungsäußerung einen Menschen das Leben kosten, dann trifft dies unsere freiheitliche Demokratie ins Mark. Die Tat ist erschütternd und beängstigend zugleich. Dennoch: Wir Demokraten dürfen uns nicht einschüchtern lassen. Wir sind
verpflichtet, uns jeder Form von Menschenverachtung, Hetze und Gewalt entschieden entgegenzustellen.
Ich möchte Sie nun bitten, sich von den Plätzen zu erheben. Halten wir einen Moment inne und widmen Walter Lübcke ein stilles Gedenken.
Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und morgen die Anträge der anderen drei Fraktionen behandelt werden sollen.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus.
a) Verpflichtendes Tierwohllabel bringt Verbraucher und Landwirtschaft zusammen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/3974
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat gestern den Entwurf eines Entschließungsantrages des Bundesrats zur Einführung eines verpflichtenden Tierwohllabels beschlossen. Das war eine gute Entscheidung für das Tierwohl, für Niedersachsen, für die Verbraucher, aber vor allem auch für die Landwirtschaft.
Ein immer größerer Teil der Menschen in unserem Land begreift Tiere nicht als Sachen, sondern als Mitgeschöpfe. Fragen der Tierethik gewinnen daher immer mehr an Bedeutung. Das ist einer der
Gründe, weshalb wir uns in der Großen Koalition vorgenommen haben, unschöne Dinge im Bereich der Ernährung nicht schönzureden, sondern stattdessen offene Fragestellungen aufzugreifen, öffentlich anzusprechen und die Probleme zu lösen,
Probleme, die offensichtlich auch ein grüner Landwirtschaftsminister nicht ohne Weiteres lösen konnte. Anders sind die unsäglichen Bilder, die wir vor nicht allzu langer Zeit aus niedersächsischen Schlachthöfen erhalten haben, nicht zu erklären, Bilder, die dazu geführt haben, dass wir daran arbeiten, dass sie sich nicht wiederholen werden.
Mit dem jetzigen Antrag zum verpflichtenden Tierwohllabel geht die Landesregierung einen Schritt weiter. Die Schlachtung folgt einem tierischen Leben. Die Menschen in diesem Land wollen aber, dass nicht nur die Schlachtung, sondern auch die Tierhaltung Standards erfüllt, die heute als zeitgemäß empfunden werden. Diese Standards einzuhalten, ist Sache der Erzeuger, diese Standards festzulegen, Sache der Politik und der Verbraucher.
Was die Verbraucher aber zu Recht erwarten, ist Transparenz und damit das Wissen, dass diese Standards auch tatsächlich eingehalten werden. Eben hierzu bedarf es eines Tierwohllabels, und zwar eines verpflichtenden Tierwohllabels.
Über 80 % der Verbraucher wünschen ein solches verpflichtendes Label, u. a. deshalb, weil das Durcheinander der vorhandenen freiwilligen Gütezeichen, Labels und Herkunftsbezeichnungen kaum noch zu durchblicken ist. Aber - und das ist das eigentlich Hervorzuhebende - es ist auch die Landwirtschaft, die dieses verpflichtende Label mehrheitlich will. Sowohl der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft als auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands haben sich bereits ausdrücklich für ein Tierwohllabel ausgesprochen, und zwar für ein verpflichtendes Tierwohllabel. Ähnliche Signale kommen auch aus dem Landvolk und anderen Verbänden.
Diese Haltung ist ganz leicht zu erklären: Unsere Landwirte sind längst in der Lage, die von den Verbrauchern gewünschten Standards einzuhalten. Mehr noch: In vielen Bereichen werden diese Standards bereits eingehalten, weil unsere Landwirtschaft in Niedersachsen bereits viel, viel weiter ist, als viele in Politik und Öffentlichkeit es wahrha
Meine Damen und Herren, da, wo diese Standards nicht eingehalten werden, ist es meistens nicht die Landwirtschaft, die dafür Verantwortung trägt. Verantwortlich sind vorrangig jene, die Standards fordern, aber deren Einhaltung nicht mit Mehrpreisen bezahlen wollen, und verantwortlich sind jene, die Standards festlegen, die Einhaltung aber über Umwelt- und Bauvorschriften unmöglich machen.
Wer Weidehaltung von Schweinen und Offenhaltung fordert, der muss eben manchmal Geruchsbelästigungen in Kauf nehmen. Wer den Umbau von Ställen fordert, muss bei der Finanzierung unterstützen. Und wer möchte, dass sich weiterhin junge Menschen in der Tierhaltung engagieren, muss diesen Menschen Planungssicherheit geben, statt sie durch ständiges Hin und Her zu verunsichern.
Unsere Landwirtschaft ist zu Recht verärgert, dass von interessierter Seite immer wieder der Eindruck erweckt wird, Niedersachsens Landwirtschaft würde sich vor dem Wettbewerb drücken. Dazu besteht keinerlei Anlass! Unsere Landwirtschaft muss den Wettbewerb suchen, weil sie einfach besser oder vielleicht auch nur weiter ist.
Schauen wir doch einmal, wie Tierhaltung außerhalb Deutschlands organisiert wird! Wer glaubt denn tatsächlich, dass es tierethisch besser wäre, Fleisch im Ausland zu produzieren, um es hier zu verbrauchen? Aber es sind genau diese Mitbewerber, mit denen sich unsere Landwirtschaft in einem Wettbewerb befindet. Und darin liegt ein Teil des Problems.
Wer ein verpflichtendes Tierwohllabel in Deutschland einführt, macht es manchem ausländischen Mitbewerber möglicherweise schwer, weil wir eben bei den Standards weiter sind. Probleme mit der EU und der Welthandelsorganisation sind daher in der Tat zu erwarten, wenn wir über ein verpflichtendes Label faktisch einen Standard setzen, den man außerhalb unserer Landwirtschaft nicht ohne Weiteres einhalten kann.
Wir müssen diesen Weg trotzdem gehen. Wenn sich Verbraucher und Erzeuger einig sind, darf die Politik nicht bremsen. Politik muss nun Mittel und Wege finden, um das verpflichtende Label zu reali
sieren - zum Wohle der Tiere, der Verbraucher, der Landwirtschaft. Wer das nicht begreift, der treibt die Spaltung zwischen Erzeugern und Verbrauchern voran.
Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Staudte. Bitte!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wir Grüne sagen: Lieber spät als nie! Natürlich begrüßen wir den Sinneswandel bei den Koalitionsfraktionen, die sich jetzt für eine verpflichtende Haltungskennzeichnung einsetzen. Wir müssen aber sagen: Bitte wagen Sie gleich den großen Wurf! - Sie haben ja gerade selber davon gesprochen, dass es bei Regierungswechseln kein Hin und Her geben darf. Deswegen: Diese verpflichtende Haltungskennzeichnung, die Sie angehen wollen, muss dann für alle Tierarten gelten. Sie darf nicht nur für Fleisch, sondern muss für alle tierischen Produktarten gelten. Und sie muss auch für verarbeitete Produkte gelten. Aber ich meine, gelesen zu haben, dass Sie diesen Punkt tatsächlich bearbeiten wollen.
Natürlich darf es dabei nicht nur um Pseudoverbesserungen gehen - irgendwo ein paar Zentimeter mehr, was dann als Heldentat verkauft wird. Es muss wirklich darum gehen, eine Änderung im Verbrauchsverhalten zu erreichen, den Auslauf auf der Wiese zu kennzeichnen, wegzukommen vom Kastenstand in der Sauenhaltung, vom betäubungslosen Kastrieren, vom Kupieren der Ringelschwänze, vom Schnabelkürzen bei den Puten - leider wurde vor Kurzem eine Verlängerung dieser Praxis beschlossen. Anfang der Woche haben wir über die Eierproduktion ohne Kükenschreddern gesprochen.
Das sind ganz wichtige Punkte, die alle berücksichtigt werden müssen, genauso wie kürzere Transportwege und das Thema Schlachtung - Sie haben es eben angesprochen, und darüber werden wir heute auch noch intensiv beraten. Alle
diese Punkte müssen einfließen. Es kann auch nicht sein, dass man schon dann ein Tierwohllabel Stufe 1 bekommt, wenn man die gesetzlichen Rahmenbedingungen einhält, oder sogar dann, wenn man nicht einmal die Rechtslage berücksichtigt - Stichwort „Kastenstand“. Das war der Vorschlag von Frau Klöckner. Es kann doch nicht sein, dass das sozusagen noch ausgelobt wird.
Insofern werden wir uns ganz genau anschauen, was Sie in Ihrer Bundesratsinitiative formulieren werden.
Wir begrüßen es aber wirklich sehr, dass sich die Fraktionen so engagiert eingebracht und vielleicht auch dem Ministerium etwas den Weg gezeigt haben. Im April dieses Jahres, als wir schon einmal über dieses Thema debattiert haben, hat die Agrarministerin ja noch das freiwillige Label unterstützt - auch auf der Agrarministerkonferenz. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn man sich in Kontinuität mit der Vorgängerregierung da schon für eine verpflichtende Kennzeichnung eingesetzt hätte. Aber gut - es ist, wie es ist. Wir begrüßen, dass Sie in diesem Bereich voranschreiten wollen.