Wir begrüßen es aber wirklich sehr, dass sich die Fraktionen so engagiert eingebracht und vielleicht auch dem Ministerium etwas den Weg gezeigt haben. Im April dieses Jahres, als wir schon einmal über dieses Thema debattiert haben, hat die Agrarministerin ja noch das freiwillige Label unterstützt - auch auf der Agrarministerkonferenz. Es wäre natürlich schön gewesen, wenn man sich in Kontinuität mit der Vorgängerregierung da schon für eine verpflichtende Kennzeichnung eingesetzt hätte. Aber gut - es ist, wie es ist. Wir begrüßen, dass Sie in diesem Bereich voranschreiten wollen.
Ich möchte betonen: Der Anteil der verarbeiteten Produkte nimmt im Marktsegment immer mehr zu. Das zu berücksichtigen, ist wahnsinnig wichtig. Bei den Debatten über die Verwendung von Käfigeiern in Nudeln und Backwaren haben wir schon darüber gesprochen. Aber es geht auch um den Gastrobereich. Viele von Ihnen haben vielleicht heute Morgen im Hotel Rührei gegessen. Das ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus Käfigeiern aus der Ukraine hergestellt worden.
Beim Stichwort „Ukraine“ möchte ich noch auf einen Punkt eingehen, den Sie eben angesprochen haben, nämlich das Thema Herkunft. Wenn eine große Initiative für eine Haltungskennzeichnung gestartet wird, dann darf sich Niedersachsen nicht damit zufriedengeben, dass am Ende vielleicht nur eine Herkunftskennzeichnung à la „made in Niedersachsen“ aufgenommen wird. Das reicht nicht aus. Die Verbraucherinnen und Verbraucher wollen eine Haltungskennzeichnung, und zwar eine aussagekräftige.
Insgesamt fragen wir uns natürlich, ob das nur eine neue Positionsbestimmung ist bzw. wie glaubwürdig dieses Anliegen ist und mit wie viel Nachdruck es verfolgt werden wird. Da kann ich nur an die SPD appellieren, auch im Bund Druck auf ihren
Koalitionspartner, die CDU, auszuüben. Es gab innerhalb der Fraktion dazu ja schon Äußerungen, die ich begrüße. Aber das muss auch durchgesetzt werden. Es reicht nicht, nur neue Positionen zu bestimmen; denn die Verbraucherinnen und Verbraucher warten auf Taten.
In Richtung CDU und Ministerium möchte ich sagen: Frau Klöckner ist ja aufgrund der Gülleproblematik gerade nicht sehr gut auf Niedersachsen zu sprechen. Deutschland hat insgesamt ein Problem, weil Niedersachsen ein Problem hat und es nicht ausreichend angeht. Wenn Sie im Bereich der Tierhaltungskennzeichnung mit Frau Klöckner weiterkommen wollen, dann müssen Sie auch dieses andere Problem angehen und bearbeiten. Ansonsten wird es, glaube ich, schwierig.
Vielleicht noch einen letzten Satz: Herr Toepffer, Sie hatten gerade durchklingen lassen, dass es Leute gebe, die eine Spaltung zwischen Verbrauchern und Erzeugern betreiben. Ich habe herausgehört, dass das ein bisschen in unsere Richtung gesprochen war. Ich hoffe, Sie haben das nicht so gemeint. Denn diejenigen, die die Zustände hingenommen haben, die nicht gehandelt haben, sind diejenigen, die die Spaltung vorangetrieben haben.
Vielen Dank, Frau Kollegin Staudte. - Es spricht nun für die AfD-Fraktion die Vorsitzende, Frau Guth.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Schlachthofskandale, Ferkelkastration, Kükentöten, betäubungsloses Schlachten, Tiertransporte - alles Themen, die uns in den letzten anderthalb Jahren hier in diesem Plenum beschäftigt haben. Alle eint eines: der unglaubliche Umgang mit unseren Mitgeschöpfen. - Jeder von uns hat in den letzten Monaten mehr Details darüber erfahren, als er jemals wissen wollte.
Suchen wir nach den Sündenböcken! - Die Landwirte! Sind es doch die Bauern, die möglichst aus jedem Lebewesen den maximalen Gewinn abschöpfen wollen - ganz einfach. Die Handelsketten! Diktieren sie doch die Preise, die es den Landwirten immer schwerer machen, mit ihren Betrieben ein vernünftiges Einkommen zu erzielen - geht auch. Die Verbraucher! Schielen diese doch immer nur auf den Preis, und ist es ihnen doch
Die Schuldigen sind ausgemacht, doch jetzt naht die Rettung - natürlich aus der Politik. Ein Tierwohllabel wird es richten. Ein weiteres buntes Bildchen auf der Verpackung verspricht die Aufklärung des Verbrauchers und die Änderung des Konsumverhaltens. Was ist passiert, meine Damen und Herren von der Groko? Haben Sie gemerkt, dass die Verbraucher mehr Tierschutz wünschen? Glauben Sie ernsthaft, dass eine Kennzeichnung ein grundsätzliches Problem löst?
Das wirkliche Tierschutzproblem, meine Damen und Herren, sind weder die Landwirte noch der Handel noch der Verbraucher. Das wirkliche Problem sind Sie! Die Ursachen für diese unhaltbaren Zustände sitzen in Hannover, in Berlin und in Brüssel. Eine jahrzehntelange Agenda von Globalisierung, internationalen Märkten und einer grenzenlosen EU hat Länder und Produktionsbedingungen in Konkurrenz gesetzt, die in keiner Weise zu vergleichen sind.
Sie haben zugelassen, dass sich Handelsketten zu Marktbeherrschern entwickelt haben und dass kleine landwirtschaftliche Betriebe immer weiter zugunsten von Großbetrieben verdrängt wurden. Ihre Politik hat zugelassen, dass wir so ziemlich die höchsten Wohn- und Energiekosten in Europa haben, dass wir bei Steuern und Abgabenlasten Spitzenpositionen einnehmen. Wen wundert es da, dass Nahrungsmittel billig sein müssen?
Bereits heute hat der Verbraucher Möglichkeiten, beim Einkauf darauf zu achten, was er kauft. Biosiegel und regionale Kennzeichnung können da helfen - tun sie aber kaum. Warum? - Es ist vielen Menschen schlicht zu teuer. Weil sie böse und gedankenlos sind? - Nein, weil sie arm sind. Daran, meine Damen und Herren, wird kein Siegel der Welt etwas ändern.
Im Übrigen sind Ihnen die Probleme eines solchen Siegels durchaus bereits jetzt bewusst. Und Sie selbst können nur hoffen, dass die Produkte, die dann zwangsläufig teurer werden, vom Verbraucher auch gekauft werden.
Aber noch deutlicher wird das Problem auf ganz anderer Ebene. Kollege Toepffer, Sie befürchten - wahrscheinlich völlig zu Recht -, dass es mit einem verpflichtenden Siegel in Deutschland Probleme
mit der - Achtung! - „Genehmigung durch die EU“ geben könnte. Erstens könnte dieser Prozess sehr lange dauern, und zweitens - jetzt kommt es! - könnte die EU ein solches Siegel als einen Eingriff in den Wettbewerb und den Schutz gegen ausländische Konkurrenz brandmarken.
Wo kämen wir denn hin, wenn die deutsche Politik ihre eigenen Landwirte gegen ausländische Konkurrenz schützten würde? Pfui! Nachher kommt irgendwann wieder einmal so ein „Made-in-Germany“-Quatsch auf uns zu. Wer kann das schon wollen?
Sie beweisen hier einmal mehr: Die Politik in Deutschland hat schon lange jede Entscheidungsbefugnis abgegeben. Die Brüsseler Zentralregierung schaltet und waltet. Fordern Sie die Bundesregierung auf! Diese geht vielleicht in Brüssel fragen. Warten Sie ein paar Jahre, und stellen Sie dann fest: Es ist wieder einmal nichts passiert.
Ein letzter Punkt zum Thema Tierwohl. In den letzten eineinhalb Jahren wurde hier Folgendes beantragt und beraten: Weidetierprämie - abgelehnt. Mehr Geld für Veterinärämter zur Verbesserung der Kontrollen - abgelehnt. Verbot des betäubungslosen Schlachtens - abgelehnt. Einsatz für die Einführung eines vierten Weges bei der Ferkelkastration - bisher nichts passiert. Verbot von Tiertransporten in Drittländer - abgelehnt. Ein wirklich guter Antrag von der FDP und von den Grünen zur Schlachthofproblematik - eingedampft und in ein Feel-good-Papier verwandelt.
All das, meine Damen und Herren von der GroKo, hätten Sie im Sinne des Tierschutzes mit einer überwältigenden Mehrheit in den letzten eineinhalb Jahren entscheiden können. Sie hätten für den Schutz der Tiere und bessere Haltungsbedingungen eintreten können. Sie hätten mehr erreichen können. Sie hätten großes Leid beenden können. Sie haben es nicht getan.
Sollte dieses Tierwohllabel tatsächlich irgendeinem Tier in seiner Haltung irgendetwas bringen, sollte es die Lebensbedingungen von irgendeinem Tier verbessern, sind wir selbstverständlich sehr gern bereit, dem zuzustimmen. Ansonsten: Wenn Ihre Antwort auf die Probleme, die es hier in der Tierhaltung gibt, bunte Bildchen auf Verpackungen sind, die vermutlich nie genehmigt werden, dann sieht es schlecht für unsere Tiere aus.
Vielen Dank, Frau Kollegin. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Grupe das Wort. Bitte, Herr Kollege!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Tierwohl beschäftigt uns schon seit Jahren, und das vollkommen zu Recht. Wir werden auch heute noch eingehend darüber diskutieren. Vom Grundsatz her ist es natürlich sehr zu begrüßen, dass auch hier darauf abgehoben wird.
Herr Kollege Toepffer, Sie haben sehr viel Richtiges gesagt, insbesondere bezüglich der Leistungsfähigkeit unserer Landwirtschaft in Niedersachsen, bezüglich des Bemühens der Kollegen, mit den natürlichen Ressourcen sorgsam umzugehen, aber auch gerade Tiere angemessen und ordentlich zu halten. Die Frage ist, wie wir weitere Fortschritte erzielen können. Sie schlagen nun ein verpflichtendes Tierwohllabel vor, während Ihre Parteikollegen in Berlin ein freiwilliges Label bevorzugen.
Wir erleben hier also eine innerparteiliche Uneinigkeit der CDU. Die Frage ist, ob uns das heute bedeutende Schritte weiterbringt.
Mein Kollege Gero Hocker hat im Bundestag zu der Initiative Ihrer Bundesministerin gesagt: nichts Halbes und nichts Ganzes. Unsere niedersächsische CDU-Ministerin meint dazu - ich sage es einmal mit meinen Worten -, dass das ja nett gemeint ist, aber nicht weit genug geht. Sie ist sich also mit Gero Hocker vollkommen einig: Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes und nichts Vernünftiges, was man dort in Berlin plant.
(Heiterkeit - Ulrich Watermann [SPD]: Den hast du schon weggeschickt! - Dirk Toepffer [CDU]: Schade, dass er weg ist!)
Lieber Herr Kollege Toepffer, die Frage ist eben, was wir mit einem zusätzlichen Label erreichen können. Frau Ministerin Otte-Kinast hat gemeint, die Chance, dass Verbraucherinnen und Verbrau
cher bereit seien, höhere Preise zu zahlen, bei einer verbindlichen Kennzeichnung größer sei. Die Wahrheit, die wir seit Jahrzehnten erleben, ist leider eine ganz andere. Die Kosten, die von einer Durchschnittsfamilie für die Ernährung aufgebracht werden müssen, sinken Jahr für Jahr. Jetzt haben wir die Marke von 10 % nach unten gerissen. Ich habe mir gemerkt, dass es einmal 25 % waren. Nach dem Krieg mussten die Menschen 45 % für die Ernährung ausgeben. Dass dies jetzt unter 10 % sind, besagt eine Meldung des Landvolks von vor ein paar Tagen.
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland, das Ihre Bemühungen näher schildert, sagt zu Ihrer Initiative: Die CDU, die früher immer stramm an der Seite der Landwirte stand - man merke: die früher immer an der Seite der Landwirte stand -, vertritt jetzt genauso vehement die Interessen der Verbraucher.
(Dirk Toepffer [CDU]: Das ist falsch! „Genauso“ steht da! Das ist unglaub- lich! - Ulrich Watermann [SPD]: Her- mann, Populismus kennst du gar nicht, nicht wahr? - Glocke der Präsi- dentin)
Einen Moment, Herr Kollege Grupe! - Herr Kollege Toepffer, wir können uns jetzt wohl wieder beruhigen und weiter den Worten von Herrn Grupe folgen.
Der erste Teil des Satzes ist relativ einfach zu verstehen. Bei dem zweiten, in dem es heißt „an der Seite des Verbrauchers“, ist zu fragen: Was will der Verbraucher? Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man feststellt, dass nur noch 10 % des Einkommens für Lebensmittel ausgegeben werden, dann muss man einfach sagen: In Deutschland kauft die große Masse der Verbrau
cher - es gibt nicht „den“ Verbraucher, aber die Masse der Verbraucher - billig. Sie kauft nicht preiswert, sondern billig.