Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie namens des Präsidiums und eröffne die 24. Sitzung im 10. Tagungsabschnitt des Landtages der 18. Wahlperiode.
- Ich darf um etwas mehr Ruhe und darum bitten, die Gespräche einzustellen! - Herr Kollege Ansmann! - Danke.
Zur Tagesordnung. Die Einladung für diesen Tagungsabschnitt sowie die Tagesordnung einschließlich des Nachtrages und der Informationen zu den von den Fraktionen umverteilten Redezeiten liegen Ihnen vor. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen geänderten Redezeiten fest. - Die heutige Sitzung soll demnach gegen 17:45 Uhr enden.
In der Portikushalle sehen Sie die Ausstellung „Natürlich: Die 14 Naturparke Niedersachsens stellen sich vor“. Dort können Sie die wunderbaren einzelnen Naturparke bewundern, vor allem die kulinarischen Köstlichkeiten. Das sind aber Anschauungsobjekte; das möchte ich Ihnen mit auf den Weg geben.
Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler der BBS I aus Lüneburg mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür haben die Abgeordneten Andrea Schröder-Ehlers und Detlev Schulz-Hendel übernommen. - Vielen Dank.
Die Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten der Multi-Media Berufsbildende Schule werden im Laufe der kommenden Tage wieder Sendungen im Rahmen des Projektes „Landtagsfernsehen“ erstellen. Die einzelnen Sendungen stehen Ihnen dann
Die mir zugegangenen Entschuldigungen trägt nunmehr Herr Schriftführer Onay vor. Bitte, Herr Kollege!
Es haben sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Frau Gudrun Pieper, von der Fraktion der FDP Frau Sylvia Bruns bis zur Mittagspause und von der Fraktion der AfD Herr Harm Rykena.
Wie aus der Tagesordnung zu ersehen ist, hat der Ältestenrat die Aktuelle Stunde in der Weise aufgeteilt, dass heute die Anträge der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP und morgen dann die Anträge der anderen drei Fraktionen behandelt werden sollen.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich als bekannt voraus.
a) Tag der Heimat 2018 - Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 18/1579
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 22. September wird der niedersächsische Landesverband des BdV den Tag der Heimat feiern. Grund genug, heute über Heimat zu reden.
Heimat ist für viele da, wo man geboren wurde. Andererseits sprechen viele davon, anderswo eine neue oder zweite Heimat gefunden zu haben. Ich glaube, allen ist eines gemeinsam: Wer den Begriff „Heimat“ verwendet, der besetzt ihn positiv. Heimat
Viele Menschen in Deutschland sehen die Heimat in Gefahr - dies aus höchst unterschiedlichen Gründen. Manche von denen, die in Chemnitz auf der Straße waren, fürchten die Veränderung. Heimat ist nun einmal auch das, was man kennt und was deshalb nicht verändert werden soll. Andere fürchten sich vor Kriminalität. Heimat ist ja auch der Ort, an dem man sich sicher fühlt.
Für die Heimat tragen wir Verantwortung. Wer dieser Verantwortung gerecht werden will, der muss sich auch mit der Geschichte dieser Heimat befassen und wird dabei eines feststellen: Heimat ist keine Konstante; sie verändert sich.
So haben es auch die Menschen in Niedersachsen nach dem Ende des Dritten Reiches erfahren. Mit dem Zuzug Hunderttausender Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten, insbesondere aus Schlesien, hat sich die niedersächsische Heimat verändert - für die, die hier schon immer eine Heimat hatten, und für die, die eine neue Heimat gefunden haben. Ich bin sicher, diese Veränderung hat Niedersachsen nicht geschadet, sie hat Niedersachsen vorangebracht.
Gleiches gilt für den Zuzug weiterer Hunderttausender Menschen aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion. Nachdem Vertriebene und Spätaussiedler die alte Heimat verloren haben, fürchten sie nun oftmals auch den Verlust der neuen Heimat - was sie leider auch immer wieder zum Spielball derer macht, die alles Fremde fürchten und die sich nicht scheuen, heute aus der rechten Ecke in Russland jene zu hofieren, die noch im Gestern leben. Dabei sollte nicht vergessen werden: Flucht und Aussiedlung aus der früheren Sowjetunion waren Folge von Diskriminierung und Missachtung der Menschenrechte. - Wer heute noch die Menschenrechte in Russland missachtet oder Menschen diskriminiert, der handelt in der Tradition derer, die Millionen Deutsche verfolgt und aus dem Land vertrieben haben.
Wer seine Heimat verstehen will, muss sich aber auch mit den Ursachen geschichtlicher Veränderung auseinandersetzen - einer der Gründe, wes
halb wir uns auch künftig für eine aktive Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen einsetzen müssen. Vielleicht ist es ja gerade dieser Gedenkstättenarbeit zu verdanken, dass uns manche negative Entwicklung, die wir aktuell in anderen Bundesländern erleben, bislang erspart geblieben ist. Übrigens ein Grund, weshalb man die Arbeit dieser Gedenkstätten nicht jenen anvertrauen sollte, die sich in Endkriegsszenarien ergötzen und die das politische System dieses Landes wie auch immer revolutionieren wollen.
Die CDU-Fraktion hält es daher für sinnvoll, die Arbeit der 15 niedersächsischen Gedenkstätten durch eine 16. Gedenkstätte am Bückeberg abzurunden. Über die Konzeption und Größe einer solchen Gedenkstätte muss man diskutieren. Aber im Grundsatz ist es gut, richtig und wichtig, gerade jungen Menschen deutlich zu machen, mit welchen Mitteln Nationalsozialisten die Menschen in ihren Bann gezogen und für ihre menschenverachtende Politik missbraucht haben, damit wir nicht wieder auf eine Politik der großen Gesten und der lauten Worte hereinfallen.
Bei der Umsetzung dieses Vorhabens sollte man aber auch darauf Acht geben, nicht am Ende diejenigen zu stärken, die genau diese Politik der lauten Worte vorleben. Wer den Menschen in Emmerthal erzählt, dass es auf ihre Meinung zur Ausgestaltung der Gedenkstätte nicht ankommt, der riskiert, sie in die falsche Richtung zu treiben. Deshalb, Frau Kollegin Piel, sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Sie Ihre Haltung zu der vor Ort gewünschten Bürgerbefragung wirklich weiter durchtragen wollen. Sie müssen die Menschen vor Ort nicht fürchten.
Zur Geschichte unserer Heimat gehört aber nicht nur das nationalsozialistische Unrecht. Wer für die Heimat Verantwortung übernimmt, muss auch der Opfer der zweiten Diktatur auf deutschem Boden gedenken. Niedersachsen hatte die längste innerdeutsche Grenze zur sogenannten DDR und unterstützt keine einzige Einrichtung, die sich mit den Schrecken dieser Grenze befasst. Keine Landesregierung ist hier der eigenen Verantwortung ge
recht geworden. Als CDU-Fraktion wollen wir dies ändern und endlich das von Ehrenamtlichen aus Thüringen und Niedersachsen getragene Grenzlandmuseum Eichsfeld verlässlich unterstützen.
Meine Damen und Herren, nationalsozialistischer Terror, Flucht und Vertreibung und die deutsche Teilung lehren uns eines: Demokraten sollten wachsam sein, Geschichte kann sich wiederholen, und Demokratie und Heimat sind ständig in Gefahr.
(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zu- stimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Toepffer. - Nun hat das Wort für die SPD-Fraktion Frau Kollegin SchröderKöpf. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der österreichische Schriftsteller und Widerstandskämpfer Jean Améry wusste genau, was er damit zum Ausdruck bringen wollte. Améry, selbst Flüchtling und Vertriebener, verteidigte nach Kriegsende den Wunsch von Millionen von Menschen nach Heimat, und er erkannte sogleich, dass dieses Wort ausgerechnet von jenen gering geschätzt wird, die die Erfahrung von Flucht und Vertreibung niemals machen mussten.
Sehr geehrte Damen und Herren, in der Bundesrepublik, besonders hier in Niedersachsen, wissen viele Bürgerinnen und Bürger, wovon Améry einst sprach, entweder weil sie selbst zu den Millionen von Vertriebenen aus dem Osten zählten oder die Erfahrungen ihrer Vorfahren aus Erzählungen kennen. Nichts mehr besitzen, nirgendwo hingehören, nichts gelten, nicht Bescheid wissen - so wurde das Schicksal der Vertriebenen einmal zusammengefasst.