Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen möchte ich für die neuen Kolleginnen und Kollegen heute kurz nennen.
Es gelten folgende Regularien: Jede Fraktion erhält für jeden Antrag zur Aktuellen Stunde fünf Minuten Redezeit. Die einzelnen Redebeiträge dürfen nicht länger als fünf Minuten sein. Nach Artikel 23 Abs. 2 Satz 2 der Niedersächsischen Verfassung müssen zwar die Mitglieder der Landesregierung in den Sitzungen des Landtages jederzeit gehört werden, die Mitglieder der Landesregierung haben sich jedoch stets verpflichtet gefühlt, sich an den für die Fraktionen geltenden zeitlichen Rahmen zu halten. Ich gehe davon aus, dass das auch in dieser Legislaturperiode so eingehalten wird.
§ 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung - die Regelung, wonach zusätzliche Redezeit für die Fraktionen für eine Erwiderung auf die Landesregierung gewährt wird - soll auch weiter angewandt werden.
a) Die Bundesregierung darf ehrenamtliche Flüchtlingshelferinnen und -helfer nicht im Regen stehen lassen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 18/61
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Wir üben uns in Barmherzigkeit. Auch der Fremde ist unser Nächster.“ Aus diesem Vers des LukasEvangeliums bedient sich das Leitbild der gleichnamigen evangelisch-lutherischen Lukas-Gemeinde in Wolfsburg. Ein Blick auf deren gemeinnützige Arbeit lässt erkennen: Dieses Verständnis der Nächstenliebe setzt die Gemeinde mit einem vielfältigen Gemeinde-, Kinder- und Jugendangebot jeden Tag in die Tat um.
Auch in die Flüchtlingshilfe ist man stark involviert. Um acht Menschen aus dem kriegsgeplagten Syrien einen legalen und sicheren Fluchtweg nach Deutschland zu ebnen, hatte sich die Gemeinde verpflichtet, für die Lebensunterhaltskosten dieser Menschen aufzukommen. Sie tat dies in der gut begründeten, weil vom niedersächsischen Innenministerium damals geteilten Annahme, dass die Verpflichtungserklärung enden würde, sobald der Aufenthaltsstatus der Geflüchteten geklärt sei. Der Pastor der Lukas-Gemeinde, Johannes Thormeier, wird in einem Bericht des Deutschlandfunks vom 30. November mit den Worten wiedergegeben:
„Nach der Beratung durch die Stadt Wolfsburg, so wie es damals gelaufen ist, sahen wir keinen Grund, daran zu zweifeln, dass mit der Anerkennung auch die Verpflichtungsgeberschaft endet.“
Nun droht der Gemeinde ihre Hilfsbereitschaft teuer zu stehen zu kommen. Das Wolfsburger Jobcenter fordert rund 100 000 Euro zurück, die es den Geflüchteten an Sozialleistungen gezahlt hatte.
Die Kirchengemeinde steht mit ihrem Schicksal keineswegs allein da. In Niedersachsen fordern laut dem RedaktionsNetzwerk Deutschland 19 Arbeitsagenturen insgesamt rund 3 Millionen Euro von Angehörigen, Vereinen und Gemeinden zu
rück, die mit Bürgschaften für 370 Personen eingestanden sind. Wie der Berichterstattung auch zu entnehmen war, konnten mehr als 5 200 Syrerinnen und Syrer über diesen Weg nach Niedersachsen kommen. Damit wurden in unserem Bundesland die zweitmeisten Bürgschaften eingegangen.
Das zeigt: In Niedersachsen haben sich bereits lange vor der großen Fluchtbewegung im Jahr 2015 Menschen dafür eingesetzt, dass Bürgerkriegsflüchtlinge Schutz finden und dabei eben nicht die lebensgefährlichen Routen übers Mittelmeer nehmen mussten. Sie alle handelten im Sinne der Menschlichkeit, der Wohltätigkeit und der Nächstenliebe, indem sie für schutzsuchende Menschen Verantwortung übernahmen. Dazu, dass gerade sie nun übers Maß zur Kasse gebeten werden, darf es nicht kommen; denn für die entstandenen Sozialkosten in oft fünf- oder gar sechsstelliger Höhe aufzukommen, würde viele der Gefahr des existenziellen Ruins aussetzen.
Aus helfenden Händen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dürfen keine leeren Hände werden! Darin sind wir uns hier im Haus hoffentlich alle einig.
Gleichwohl ist die Angelegenheit bei genauem Hinsehen nicht so einfach, und sie verdient es auch, mit Augenmaß behandelt zu werden. Juristisch betrachtet - so habe ich mir sagen lassen - steht das Land Niedersachsen nicht in der Pflicht, die erhobenen Kosten zu begleichen.
Das niedersächsische Innenministerium wies die Ausländerbehörden - und damit potenzielle Asylpatinnen und Asylpaten - bereits 2014 auf die möglichen Risiken hin, weil die Leistungsbehörden die rechtliche Lage womöglich anders beurteilen und dann doch Erstattungsansprüche auf die Menschen zukommen könnten.
Rechtliche Klarheit schaffte die Bundesregierung erst mit dem Integrationsgesetz im August 2016. Danach endet die Verpflichtungserklärung eben nicht mit dem erfolgreich gestellten Asylantrag. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte diese Rechtsauffassung dann im Januar dieses Jahres mit dem bekannten Urteil.
Sehr geehrte Damen und Herren, aus meiner Sicht wäre es nicht anständig, den Helferinnen und Helfern das gesamte finanzielle Risiko der unklaren Rechtslage, die zuvor bestanden hatte, aufzubürden. Deshalb ist die Initiative von Innenminister Boris Pistorius, mit der Bundesregierung zu einer
Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die Innenministerkonferenz in der vergangenen Woche Herrn Pistorius und seinen Amtskollegen aus Hessen, Herrn Beuth, beauftragt hat, gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine solche politische Lösung rasch zu erarbeiten. Für dieses Vorhaben wünsche ich gutes Gelingen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch in Zukunft werden Bürgerinnen und Bürger für Schutzsuchende Verantwortung übernehmen. Sie werden das in ganz vielfältiger Form tun, indem sie Geflüchtete zu Behörden begleiten, ihnen die deutsche Sprache und Gesellschaft vermitteln oder ihnen - wie die Wolfsburger Lukas-Gemeinde und viele andere auch - den legalen Weg nach Deutschland durch Bürgschaften erst ermöglichen. Das ist gut so und verdient unsere größte Anerkennung und unseren größten Respekt.
Dieses Engagement verdient jedoch nicht nur lobende und dankende Worte, sondern auch die unterstützende politische Tat. Es sind noch zwei Wochen bis Weihnachten. Ich hoffe sehr, dass es möglich ist, den Betroffenen, die aus purer Mitmenschlichkeit gehandelt haben, das Geschenk einer hilfreichen Lösung bis Weihnachten zu machen.
Vielen Dank, Frau Kollegin Schröder-Köpf. - Das Wort hat nun für die AfD-Fraktion Herr Kollege Lilienthal. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Personen und Personenvereinigungen - Frau Schröder-Köpf hat es gerade vorgetragen, es ist auch eine Kirchengemeinde betroffen - haben Verpflichtungserklärungen abgegeben. Sie haben sich verpflichtet, für die Lebensunterhaltskosten von Bürgerkriegsflüchtlingen Sorge zu tragen, um diesen Flüchtlingen die gefahrlose Einreise nach
Deutschland zu ermöglichen. Sie haben bei dieser Verpflichtungserklärung ein bundeseinheitliches Formular, also einen Vordruck, genutzt und offenbar zumindest eine rudimentäre Beratung durch die Verwaltung, also einem Teil des Staates, bekommen.
Um die Frage der Dauer der Verpflichtung - also darüber, wie lange man „in der Bütt steht“ - ist nun Streit entbrannt. In letzter Konsequenz fordert die Agentur für Arbeit nun Gelder von den sogenannten Flüchtlingspaten zurück. Die Agentur für Arbeit wird dabei von der Rechtsprechung gestützt. Die Richter legen den Begriff des Aufenthaltszwecks - darum geht es im Kern in diesem Urteil aus dem Januar - weit aus und urteilen, dass dieser sich über die gesamte Verweildauer in Deutschland nicht geändert habe - trotz einiger Statuswechsel. Die Verpflichtungen, so die Richter, seien also zu erfüllen.
Auf dieses Spannungsfeld ist, zumindest seitens des Landes, relativ frühzeitig hingewiesen worden. Ich verweise hier auf den Erlass, den es dazu gegeben hat. Die Flüchtlingspaten - jedenfalls aber die Verwaltungsstellen - waren ganz früh darüber informiert, dass es hier möglicherweise ein rechtliches Problem gibt und dass das ein Zankapfel werden würde.
Nun also soll die Bundesregierung den Flüchtlingspaten helfen und sie „nicht im Regen stehen lassen“, wie die SPD es formuliert. Das, meine Damen und Herren, bedeutet nichts anderes, als dass die SPD-Fraktion möchte, dass die Flüchtlingspaten finanziell entlastet werden. Die Botschaft dahinter lautet: Ihr wolltet helfen, das wollt oder könnt ihr jetzt nicht mehr. Gut, dann macht das eben der Steuerzahler.
Nichts anderes steckt hinter der Idee, dass die Bundesregierung den Flüchtlingshelferinnen und Flüchtlingshelfern hilft und sie „nicht im Regen stehen lässt“. Die freiwillig eingegangenen Verpflichtungserklärungen des Einzelnen - oder einer Personengruppe - sollen nun dem Steuerzahler auferlegt werden, weil sich diese Verpflichtungsgeber nun außerstande sehen, zu leisten. Eine solche Vergemeinschaftung von Forderungen - nichts anderes ist das - werden Sie nicht mehr unwidersprochen durchbekommen;
über Steuerentlastungen wie beispielsweise Abzugsfähigkeit als außergewöhnliche Belastung oder als Sonderausgaben. Das ist an anderer Stelle ja schon gemacht worden, z. B. bei den Opfern der Flutkatastrophe. Das ist natürlich etwas völlig anderes. Die sind ja unverschuldet in diese Situation gelangt.
Ein grundsätzliches Eintreten des Staates für die Forderungen würde zudem das Instrument der Bürgschaft an sich aufweichen. Mit welchem moralischen Recht wollen Sie fortan Bürgen überhaupt noch dazu bringen, für ihre Verpflichtungen einzutreten?
Allenfalls da - und hier möchten wir einen ganz engen Maßstab sehen -, wo ein Beitrag existenzvernichtend wirkt, können wir uns vorstellen, dass der Staat hilft - in erster Linie aber nicht durch Geld, sondern durch Beratung, und zwar durch gute Beratung, an der es bisher gemangelt hat.
Uns stellt sich ob der Berichterstattung vor allem folgende Frage: Wenn ich eine Bürgschaft vergebe bzw. jemandem die Möglichkeit gebe, Bürge zu werden, dann steht - das weiß jeder, der so etwas schon mal gemacht hat oder mit so etwas schon mal Berührung hatte - an erster Stelle die Prüfung, ob der Bürge überhaupt im Stande ist, zu leisten, wenn es zum Schwur kommt, ob der Bürge also die finanziellen Mittel hat, das abzubilden, wofür er sich verpflichtet hat.
Meine Damen und Herren, dass das passiert ist, kann ich mir mit Blick auf die Berichterstattung überhaupt nicht vorstellen. Wenn ich höre, dass ein Familienvater für zehn Angehörige gebürgt hat, erschließt sich mir, wenn man einen vernünftigen Maßstab anlegt, nicht, wie er dafür jemals hätte bürgen können.